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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 08.01.2009
Aktenzeichen: 5 K 85/08
Rechtsgebiete: AO, EStG, FGO, VO (EWG) Nr. 1408/71


Vorschriften:

AO § 9 Abs. 1
AO § 90 Abs. 1
EStG § 1 Abs. 2
EStG § 1 Abs. 3
FGO § 76 Abs. 1
VO (EWG) Nr. 1408/71
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat das Finanzgericht München, 5. Senat,

durch

die Richterin am Finanzgericht xxx als Einzelrichterin

ohne mündliche Verhandlung am 8. Januar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Der in Polen abhängig beschäftigte Kläger ist polnischer Staatsbürger und begehrt nach Deutschem Recht für sein in Polen lebendes Kind N., geb. am 02. Juli 1998, Kindergeld.

Polen gehört seit dem 1. Mai 2004 zum Europäischen Wirtschaftsraum.

Im Kindergeldantrag vom 20. September 2007 gab der Kläger an, dass er von Mai bis November 2004 in M tätig und wegen dieser Erwerbstätigkeit in Deutschland nicht sozialversichert gewesen sei. Seine ebenfalls in Polen lebende Ehefrau sei in den letzten fünf Jahren weder unselbständig noch selbständig erwerbstätig gewesen und habe auch keine Geldleistungen wegen Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Mutterschaft erhalten. Das Kindergeld sollte auf das Konto von K. L. bei der ... Bank in Frankfurt bezahlt werden. Dem Kindergeldantrag lag der Einkommensteuerbescheid 2004 des Finanzamts O. vom 26. Januar 2006 und eine Bescheinigung des Arbeitgebers vom 16. Oktober 2007 bei, wonach der in Polen als Arbeitnehmer sozialversicherte Kläger vom 1. März bis 30. November 2004 in einen ausländischen Betrieb in Deutschland entsandt worden sei.

Dieser Kindergeldantrag wurde von der ... (GbR) mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 bei der Beklagten (der Familienkasse) eingereicht, die sich dabei unter Vollmachtsvorlage als Empfangsbevollmächtigte für den Kläger benannte.

Die Familienkasse wies gemäß § 80 Abs. 5 der Abgabenordnung -AO- die GbR mit Bescheid vom 2. November 2007 als Bevollmächtigte zurück und lehnte in einem weiteren Bescheid vom 2. November 2007 die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Mai bis November 2004 in Anwendung des § 65 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG- und des Art. 13 ff der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- oder abwandern (konsolidierte Fassung, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -ABlEG- Nr. 1 28 vom 30. Januar 1997, S. 1, -VO (EWG) 1408/71-) ab.

Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 04. Dezember 2007 wies die Familienkasse auf den Inhalt des Kindergeldanspruchs nach § 62 Abs. 1 EStG hin, der jedoch im Verhältnis zu den anderen Staaten der Europäischen Union nur nach den Regelungen der Verordnungen -VO (EWG) 1408/71 bzw. der hierzu ergangenen Durchführungsverordnungen (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO (EWG) 1408/71 (aktualisierte Gesamtfassung ABlEG Nr. 1 117 vom 13. April 2005, S. 1, 106 - DVO (EWG) 574/72-) anwendbar sei. Danach ergebe sich, dass der von seinem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen EU/EWR-Mitgliedstaat, nämlich Polen, vorübergehend im Sinne des Art. 14 Abs. 1 VO (EWG) 1408/71 nach Deutschland entsandte Kläger allein den Regelungen des Entsendelandes unterliege und nicht den deutschen Rechtsvorschriften.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Zur Begründung trägt er nunmehr vor, dass zwar im vorliegenden Fall die VO (EWG) 1408/71 grundsätzlich Anwendung finde. Im Rahmen dieser Verordnung seien jedoch nicht Art. 13, 14 der VO, sondern Art. 73 ff anwendbar. Der alleinige Zweck der VO (EWG) 1408/71 und der hierauf ergangenen DVO (EWG) 574/72, "nämlich die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu erleichtern, würde unterlaufen, wenn ein Wanderarbeiternehmer und sein Arbeitgeber gezwungen werden könnten, in zwei Mitgliedstaaten Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen" (Europäischer Gerichtshof -EuGH-, Rs. A.A. Ten Holder, S. 1824). Danach bezwecke die VO (EWG) 1408/71 die Erleichterung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dadurch, dass sie den Erlass mitgliedschaftlicher Vorschriften zum Zwecke der Abschottung ihrer Arbeitsmärkte verbiete. Sie solle aber gerade nicht die mit der Freizügigkeit verbundenen Vorteile für die jeweiligen Arbeitnehmer, welche in den jeweiligen Mitgliedstaaten für diese gewährt würden, verhindern. Die "Kollisionsregeln" der Art. 13 ff. der VO (EWG) 1408/71 stellten ein geschlossenes System dar, welches den einzelnen Mitgliedstaaten verbieten würde, die Freizügigkeit der (Wander-) Arbeitnehmer durch Schaffung einzelner mitgliedsstaatlicher Vorschriften zu behindern. Im vorliegenden Fall gehe es aber nicht um Sozialleistungen für den einzelnen Arbeitnehmer; vielmehr seien allein Fragen hinsichtlich der Gewährung von Familienleistungen maßgeblich. Das vom Kläger begehrte deutsche Kindergeld sei als Familienleistung im Sinne des Art. 4 Abs. 1h der VO (EWG) 1408/71 anzusehen. Die Frage, inwieweit etwaige Kollisionen dieser Leistungen in einzelnen Mitgliedstaaten zu regeln seien, bestimme sich jedoch nicht nach den Art. 13 f des Titels II der VO (EWG) 1408/71, sondern expressis verbis nach dem Titel II "Besondere Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten" und hier Kapitel 7 der vorgenannten Verordnung: Familienleistungen und Beihilfen für Arbeitnehmer und Arbeitslose. Hierfür spreche zunächst die VO-Systematik, wonach besondere Vorschriften den allgemeinen Vorschriften vorgingen. Zum anderen ermögliche ein solcher Aufbau dem Verordnungsgeber die Möglichkeit, für jede einzelne von der VO (EWG) 1408/71 zu erfassende soziale Leistung spezielle Regelungen zu treffen.

Von dieser speziellen Regelungsmöglichkeit aufgrund der Rechtsnorm-Systematik habe der EU-Verordnungsgeber mit den in Titel III enthaltenen Regelungen ausdrücklich Gebrauch gemacht. Das Finanzgericht -FG- Hamburg habe in seinem Urteil vom 20. April 2004 (III 425/02, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2004, 1620) ausgeführt, dass die Vorschriften der Art. 72 ff. der VO (EWG) 1408/71 mit deren Kapitel 7 als Spezialregelungen den §§ 62 ff. EStG vorgehen würden, weil zu den Familienleistungen das Kindergeld gehöre. Soweit der Bundesfinanzhof -BFH- in seiner Entscheidung vom 13. August 2002 rechtsfehlerhaft die Artikel des Titels II der VO (EWG) 1408/71 angewandt habe, habe er dies nunmehr in seinem Beschluss vom 24. September 2007 (III S 14/07, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2008, 67) richtig gestellt: "Nach Art. 73 VO (EWG) 1408/71 hat ein Arbeitnehmer, der in einem Mitgliedstaat arbeitet, für seine Familienangehörigen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, als ob die Familienangehörigen im Gebiet des Beschäftigungsstaates wohnten". Auf den vorliegenden Fall angewandt bedeute dies, dass der Kläger, der in Deutschland tätig gewesen sei, für sein in Polen wohnendes Kind Anspruch auf Familienleistungen nach den deutschen Rechtsvorschriften, mithin §§ 62 ff. EStG, habe. Etwaige Kumulierungen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten würden in Art. 76 VO (EWG) 1408/71 abschließend geregelt.

Der BFH habe in seiner Entscheidung vom 24. September 2007 dazu Folgendes ausgeführt:

" Art. 76 VO (EWG) 1408/71 regelt die Konkurrenzfälle, in denen Familienleistungen im Wohnland der Kinder aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen sind ... Die Fälle, in denen die Familienleistungen im Wohnland der Kinder nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhängen, werden von Art. 10 DVO (EWG) 574/72 erfasst. Nach Art. 10 Abs. 1a DVO (EWG) 574/72 ruht der Anspruch auf Familienleistungen im Wohnland der Kinder bis zur Höhe der im Beschäftigungsland aufgrund innerstaatlicher Vorschriften oder nach Art. 73 VO (EWG) 1408/71 geschuldeten Familienleistungen."

Damit entspreche der BFH in vollem Umfang einer späteren Entscheidung des EuGH vom 7. Juli 2005 (C-153/03, [...]). Des Weiteren weise der BFH ausdrücklich darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die Konkurrenzregeln nur die Einschränkung der Kumulierung von Beihilfen bezweckten. Der Arbeitnehmer könne sich quasi den Mitgliedstaat, indem er beschäftigt sein will, dahingehend aussuchen, dass dieser Mitgliedstaat für seine Familienangehörigen die höchsten Familienleistungen zahle. Nur eine solche Betrachtungsweise verhelfe der vom EU-Vertrag beabsichtigten Freizügigkeit der (Wander-) Arbeitnehmer zu ihrer vollen Wirksamkeit und ermögliche den Mitgliedstaaten zugleich, durch Schaffung attraktiver Anreize Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten anzulocken. Es bestehe lediglich das Gebot, dass der Arbeitnehmer nicht in beiden Mitgliedstaaten jeweils die Familienleistungen in voller Höhe begehren könne. Aufgrund dessen sei es auch nicht möglich, dass der Kläger die in Polen gewährte Familienbeihilfe von dem in Deutschland zustehenden Anspruch aus § 66 EStG in Abzug bringe; vielmehr ruhe nach der DVO (EWG) 574/72 der Anspruch des Klägers auf Familienleistungen in Polen bis zur Höhe der in Deutschland aufgrund der innerstaatlichen Vorschriften des EStG geschuldeten Familienleistungen.

Da im Streitfall die Familienleistungen in Polen nicht von einer Erwerbstätigkeit abhängten, bestimme sich der Anspruch des Klägers nach Art. 10 Abs. 1a DVO (EWG) 574/72 i.V.m. §§ 62 ff. EStG. Dies entspreche auch einer Entscheidung des FG Düsseldorf (Urteil vom 17. August 2000 Az. 10 K 3879/98, EFG 2000, 1339). Zur Begründung habe sich das FG Düsseldorf auf die Rechtsprechung des EuGH berufen, wonach die Verordnung nicht zu einem Verlust führen dürfe, der allein nach dem innerstaatlichen Recht eines Mitgliedstaates erworben worden sei.

Des Weiteren werde darauf hingewiesen, dass der BFH in seinem Urteil vom 13. August 2002 die Petroni-Entscheidung des EuGH falsch verstanden habe. Insoweit werde auch auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache M.E.S. Luijten (Rs. 60/85) hingewiesen.

Zudem habe die Familienkasse L in einem beim Finanzgericht Düsseldorf anhängigen Verfahren (15 K 4827/07) bei vergleichbarem Sachverhalt den geltend gemachten Anspruch vollumfänglich anerkannt.

Mit Schreiben vom 5. Mai 2008 weist der Prozessbevollmächtigte auf die von der Verwaltung erlassenen "Hinweise zur Anwendung der VO (EWG) 1408/71 und DVO (EWG) 574/72 im Bereich Familienleistungen" hin. Er vertritt die Ansicht, dass die Familienkasse hiernach ihren bisherigen Rechtsstandpunkt nicht aufrechterhalten könne.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2008 wiederholt der Kläger seine Rechtsansicht, dass die Kindergeldleistungen in den spezielleren Vorschriften der Art. 73 ff. der VO (EWG) 1408/71 geregelt seien. Er trägt zudem vor, dass Zweifel an der arbeitsrechtlichen Bindung zu seinem polnischen Arbeitgeber bestünden, weil Teile der Lohnvergütung indirekt von seinem deutschen Arbeitgeber gezahlt worden seien. Für die Zeit seiner Entsendung sei er in Unterkünften untergebracht gewesen, die allein von seinem deutschen Arbeitgeber gestellt bzw. angemietet worden seien. Die damit entstandenen Aufwendungen beim deutschen Arbeitgeber seien dadurch berücksichtigt worden, dass eine Kürzung des vom polnischen Arbeitgeber tatsächlich ausbezahlten Lohnes erfolgt sei. Damit sei hinsichtlich der Unterbringung allein eine Leistungserbringung durch den deutschen Entleiher als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung erfolgt. Auch sei er allein von den Führungskräften des deutschen Arbeitgebers angewiesen worden. Ebenso habe die arbeitsrechtliche Kontrolle im Sinne der Ausübung des auf Seiten des Arbeitgebers bestehenden Direktionsrechts durch den polnischen Arbeitgeber nicht stattgefunden. Zudem bestehe in Anwendung des Urteils des EuGH vom 20. Mai 2008 (C-352/06 (B), Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2008, 877) sein geltend gemachter Kindergeldanspruch:

"Da sich die Prioritätenumkehr zugunsten der Anwendung der Rechtsvorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats daher nicht auf die speziellen Anknüpfungsregeln der Verordnung Nr. 574/ 72 stützen lässt, ist festzustellen, dass der Fall von Frau B unter die allgemeine Regel zur Ermittlung des anzuwendenden Rechts nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a VO 1408/ 71 fällt.

Daraus folgt, dass das Gemeinschaftsrecht die zuständigen deutschen Behörden nicht verpflichtet, Frau B Kindergeld zu gewähren.

Jedoch ist auch nicht auszuschließen, dass diese Leistung gewährt werden kann, zumal sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, dass Frau B nach deutschem Recht schon allein aufgrund ihres inländischen Wohnsitzes einen Anspruch auf Kindergeld hat; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu prüfen.

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/ 71 im Licht des Art. 42 EG auszulegen sind, der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer erleichtern soll und u.a. impliziert, dass Wanderarbeitnehmer nicht deshalb Ansprüche auf Leistungen der sozialen Sicherheit verlieren oder geringere Leistungen erhalten dürfen, weil sie das ihnen vom EG-Vertrag verliehene Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben (vgl. Urteil vom 9. November 2006, Nemec, C-205/ 05, Slg. 2006, I-10745, Randnrn. 37 und 38).

In diesem Sinne wird im ersten Erwägungsgrund der VO 1408/ 71 ausgeführt, dass die in der Verordnung enthaltenen Vorschriften zur Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit zur Freizügigkeit von Personen gehören und zur Verbesserung von deren Lebensstandard und Arbeitsbedingungen beitragen sollen.

Angesichts dessen ist festzustellen, dass unter den Umständen des Ausgangsverfahrens dem Wohnsitzmitgliedstaat nicht die Befugnis abgesprochen werden kann, den in seinem Gebiet wohnhaften Personen Familienbeihilfen zu gewähren. Nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a VO 1408/ 71 unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, zwar den Rechtsvorschriften dieses Staates, auch wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt, doch soll der Wohnstaat mit dieser Verordnung nicht daran gehindert werden, dieser Person nach seinem Recht Familienbeihilfen zu gewähren."

Damit habe der EuGH im Fall B in aller Klarheit festgestellt, dass die Festlegung des Beschäftigungsstaates nicht dazu führe, dass trotz Vorliegens der mitgliedstaatlichen Voraussetzungen für die Gewährung des begehrten Kindergeldes das Kindergeld nicht gewährt werde. Dabei sei der EuGH auf die Frage des Wohnsitzes lediglich deshalb eingegangen, weil Frau B bereits die Voraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt habe.

Es dürfe angemerkt werden, dass der Kläger im Streitfall im Entsendungszeitraum seinen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe. Dem Tatbestandsmerkmal eines inländischen Wohnsitzes nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG stehe jedoch das Tatbestandsmerkmal einer unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 EStG gleich. In Anwendung der Entscheidungsgründe des EuGH auf den Streitfall führe dies dazu, dass die Tatsache, wonach (selbst bei Vorliegen der bisher zweifelhaften arbeitsrechtlichen Bindung) Beschäftigungsland Polen wäre, eine dahingehende Einordnung nach Art. 13, 14 der VO (EWG) 1408/71 einem Anspruch aus §§ 62 ff. EStG nicht entgegenstünde.

Auch die Vorschrift des § 65 EStG stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Aufgrund des bestehenden Anwendungsvorrangs der Art. 73 ff. VO (EWG) 1408/71 könne die (weitere) Konkurrenzvorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht zur Anwendung kommen. Dies werde mittlerweile auch von der Literatur und einem Teil der Rechtsprechung angenommen (Pust in Littmann/Bitz/Pust, "Das Einkommensteuerrecht", § 65 Rn. 11; Urteil des FG Münster vom 10. April 2000 4 K 5787/98, EFG 2000, 878; Korn, EStG, § 65 Rn. 10).

Des Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass dem Kläger für sein Kind in Polen kein Anspruch auf Kindergeld zustehe, weil er bzw. seine Familienangehörigen die hierfür maßgebliche Einkommensgrenze überschritten hätten. Insoweit nimmt der Kläger auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 22. Januar 2008 (10 K 1462/07, EFG 2008, 695) Bezug. Auf den Streitfall angewandt, bestehe eine Einkommensgrenze von 1.512 PLN. Er habe aber über ein weitaus höheres Einkommen verfügt, auf die bereits übersandte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dürfe insoweit verwiesen werden. Der amtliche Umrechnungskurs PLN/EUR betrage ca. 4/1, demnach überschreite sein Einkommen von 725 EUR (= 2.900 PLN) die insoweit maßgebliche Einkommensgrenze. Auf die Entscheidung des FG Niedersachsen vom 24. Januar 2008 (1 K 83/07, EFG 2008, 1570; Revision eingelegt, Az. des BFH III 12/08) werde Bezug genommen.

Im Schreiben vom 2. August 2008 trägt der Kläger vor, dass es auf die Frage eines inländischen Wohnsitzes oder eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland nicht ankomme, da er als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln sei. Die Tatbestandsmerkmale des § 62 Abs. 1 Nr. 2a und b EStG stünden dem § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG gleich. Der 5. Senat des Finanzgerichts und die nun zuständige Einzelrichterin wichen von Urteil des EuGH im Fall B ab. Ebenso sei in keiner Weise nachvollziehbar, aufgrund welcher Tatsache vom Vorliegen der sog. arbeitsrechtlichen Bindung im Rahmen der Art. 13 ff VO (EWG) 1408/71 ausgegangen werde. Es sei nicht seine Aufgabe glaubhaft zu machen, dass bei Anwendung des Art 14 VO (EWG) 1408/71 ein Kindergeldanspruch in Deutschland entstanden sei. Dies sei ureigene Aufgabe der Familienkasse bzw. des Gerichts.

Im Schreiben vom 6. Oktober 2008 verweist der Kläger nochmals auf die rechtlichen Auswirkungen der EuGH-Entscheidung im Fall B. Ebenso habe der BFH auf Nichtzulassungsbeschwerden hin in 3 Verfahren mit identischen Sachverhalten Revision zugelassen (Az.: III R 51/08, III R 52/08 und III R 55/08). Soweit von ihm ein Nachweis für die unbeschränkte Streuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG verlangt werde, begegne dies Unverständnis.

Insoweit verweise er auf das Schreiben der Familienkasse W. vom 30. September 2008.

Es sei Aufgabe der Familienkasse, dies durch ein innerbehördliches Auskunftsersuchen zu prüfen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 2. November 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2007 die Familienkasse zu verpflichten, an den Kläger für den Zeitraum Mai bis November 2004 Kindergeld in Höhe von insgesamt 1.001,10 EUR zu zahlen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Die Familienkasse beantragt Klageabweisung

Sie trägt u.a. vor, dass Zweifel bestünden am Vorhandensein eines inländischen Wohnsitzes, da der Kläger keine substantiierten Angaben gemacht und Nachweise vorgelegt habe.

Ein Anspruch auf Kindergeld bestehe schon deshalb nicht.

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2007, die Aufklärungsanordnung vom 6. Mai 2008, die Beschlüsse in den Verfahren wegen Prozesskostenhilfe vom 31. März 2008, vom 15. September 2008 und vom 7. Januar 2009 sowie die eingereichten Schriftsätze, insbesondere die Schriftsätze des Klägers vom 25. März 2008, 10. Juli 2008, 2. August 2008, 6. Oktober 2008 und vom 3. Januar 2009.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt, dass ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann. Im Schriftsatz vom 6. Oktober 2008 wies der Kläger darauf hin, dass der Verzicht auf mündliche Verhandlung durch die zwischenzeitlich ergangenen PKH-Beschlüsse des Senats als nächste Sachentscheidung verbraucht sei (BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2003 I B 39/03, BFH/NV 2004, 350, Bittner, FGO, § 90 Rn. 7, Gräber/Koch, § 90 Rz. 15). Rein vorsorglich widerrief er den Verzicht auf die mündliche Verhandlung ausdrücklich.

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Dem Kläger kann nach §§ 62 ff. EStG kein Kindergeld gewährt werden. Kann im finanzgerichtlichen Verfahren der Sachverhalt deshalb nicht vollständig aufgeklärt werden, weil der Kläger seine Mitwirkungspflicht verletzt hat, so führt das nicht zu einer Entscheidung nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast beim Kläger, vgl. BFH-Beschluss vom 13.03.2008 III S 1/08, [...] -), sondern zu einer Begrenzung der Sachaufklärungspflicht und zu einer Minderung des Beweismaßes. Die Mitwirkungspflicht des Klägers bestand vor allem darin, die für die Kindergeldfestsetzung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen und die ihm bekannten Beweismittel anzugeben ( § 90 Abs. 1 Satz 2 AO, § 76 Abs. 1 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO). Diese Pflicht bestand seit Anhängigkeit der Klage, zumal der Kläger gerade die deutschen Rechtvorschriften auf seinen Fall angewendet haben möchte. Er ist ihr aber nicht nachgekommen, weil er keine substantiierten Angaben zu einem Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder zur fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gemacht hat. Daraus durfte das Gericht nachteilige Schlussfolgerungen ziehen ( BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462). Das Gericht durfte daher den nachteiligen Schluss ziehen, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht des Klägers im Sinne des § 62 Abs. 1 EStG nicht vorliegen.

Darüber hinaus zieht die Familienkasse zu Recht in Zweifel, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht im Streitfall tatsächlich vorgelegen haben (Urteil des FG Düsseldorf vom 31.07.2008 15 K 4375/07, [...]). Soweit der Kläger davon ausgeht, dass er nach § 62 Abs. 1 Nr. 2a und b EStG kindergeldberechtigt ist, ist festzustellen, dass er das Vorliegen der Voraussetzungen weder nach § 1 Abs. 2 EStG noch nach § 1 Abs. 3 EStG vorgetragen noch nachgewiesen hat. Der Kläger besitzt die polnische Staatsangehörigkeit, so dass kein Fall des § 1 Abs. 2 EStG vorliegt. Entgegen der Auffassung des von einem Rechtsanwalt vertretenen Klägers muss auch kein Auskunftsersuchen an das Finanzamt im Hinblick auf die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht des Klägers gerichtet werden.

Denn die fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG kommt nur auf Antrag des Klägers in Betracht. Die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht ist im Anschluss daran der Familienkasse i. d. R. durch die vom Betriebsstätten-Finanzamt des Arbeitgebers ausgestellte Bescheinigung für Zwecke des Lohnsteuerabzugs (= Bescheinigung nach § 39c Abs. 4 EStG) nachzuweisen (vgl. so auch die Dienstanweisung zur Durchführung des Familienlastenausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DAFamEStG - 62.1 Abs. 3, S. 7 ff., Bundessteuerblatt -BStBl- 2004 I, 749.) Die Feststellungen des Finanzamts zur unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG sind für das Kindergeldverfahren grundsätzlich bindend. Die Beantragung und die Existenz einer derartigen Bescheinigung wurde vom Kläger trotz des gesetzlichen Erfordernisses eines Antrags in § 1 Abs. 3 EStG oder des Hinweises des Gerichts im Beschluss vom 15. September 2008 nicht dargelegt. Dies wäre aber nötig gewesen. Der bei der Familienkasse vorgelegte Einkommensteuerbescheid 2004 lässt (auch) keine Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG erkennen und ist im Übrigen nach § 1 Abs. 1 EStG erfolgt. Das Finanzamt ging bei diesem Einkommensteuerbescheid offensichtlich von einem Wohnsitz des Klägers in Deutschland aus, ohne dies näher geprüft zu haben (Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung). Dieser Einkommensteuerbescheid ist zudem hinsichtlich des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland kein Grundlagenbescheid für die Kindergeldfestsetzung (BFH-Beschluss vom 28. September 2007 III S 28/06, BFH/NV 2008, 50). Der Vortrag des Klägers, er sei für die Zeit der Entsendung (im Zeitraum Mai bis November 2004) in Unterkünften untergebracht gewesen, die allein von seinem deutschen Arbeitgeber gestellt und angemietet worden sind, spricht jedenfalls weder für einen Wohnsitz noch für einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Trotz des Hinweises des Gerichts ist der Kläger der Auffassung, dass es auf einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland nicht ankomme. Gegen einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland spricht, dass der Kläger selbst Derartiges nicht vorgetragen hat und dass die Sechsmonatsfrist nach § 9 Abs. 1 AO keine starre Grenze darstellt. Im Streitfall mit einer Aufenthaltsdauer des entsandten Klägers in Deutschland unter einem Jahr ist vielmehr davon auszugehen, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers aufgrund seiner familiären Bindungen in Polen fortbestanden hat (Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 9 Rz. 21 mit Rechtsprechungsnachweisen).

Nach alledem liegt schon nach deutschem Kindergeldrecht kein Anspruch auf Kindergeld vor.

2. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob durch das EU-Recht die Anwendung des Deutschen Kindergeldrechts ausgeschlossen wird.

a) Allerdings hält das Gericht die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof bzw. der Finanzgerichte Düsseldorf und Münster bzw. des Niedersächsischen Finanzgerichts auf ihn mangels vergleichbarer Sachverhalte für nicht anwendbar, da in diesen Fällen die jeweiligen Kläger einen Wohnsitz in Deutschland (und zudem gerade keinen Kindergeldanspruch in ihrem Heimatland) hatten. (Der Kläger hat in der Klageschrift vom 07. Januar 2008 polnische Familienleistungen in seinem Klageantrag zum Abzug gebracht). Darüber hinaus handelte es um keine nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer im Sinne des Art. 14 Nr. 1 VO (EWG) 1408/71. Auch den beim BFH anhängigen Revisionsverfahren (III R 51/08, III R 52/08 und III R 55/08) liegen andere Sachverhalte als dem Streitfall, nämlich unbefristete, länger als 12 Monate andauernde oder keine Entsendungen, zugrunde.

b) Im Übrigen ist das Gericht aber der Auffassung, dass der Kläger allein dem polnischen Recht unterliegt (so auch Urteil des FG Köln vom 11.06.2008 14 K 4462/07, [...], Anmerkung von Reuß, EFG 2008, 1569). Denn die Art. 13 ff. VO (EWG) 1408/71 nehmen dem nationalen Gesetzgeber die Befugnis, Geltungsbereich und Anwendungsvoraussetzungen seiner Rechtsvorschriften im Hinblick darauf zu bestimmen, welche Personen ihnen unterliegen und in welchem Gebiet sie ihre Wirkung entfalten. Unterliegt ein Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften eines anderen EU-Mitgliedstaates, ist nach dem o.g. Grundsatz in Deutschland weder Kindergeld noch Differenzkindergeld zu zahlen (vgl. so auch Beschluss des BVerfG vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, HFR 2004, 1139; vgl. Urteil des FG Niedersachsen vom 24. Januar 2008 1 K 83/07, EFG 2008, 1570). Dieser Grundsatz widerspricht entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht der Rechtsprechung des EuGH ( Urteil vom 21. Oktober 1975 in der Rechtssache 24/75, Petroni, SLG. 1975, 1149), wonach die Anwendung der VO (EWG) 1408/71 nicht zum Verlust von Ansprüchen führen darf, die allein nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates erworben worden sind. Dieser Grundsatz betrifft nämlich nicht die Regeln für die Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften, sondern die Gemeinschaftsregeln über die Kumulierung von Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten (EuGH-Urteil vom 10. Juli 1987 C-60/85, EUGHE 1986, S. 2365). Im Streitfall unterfällt der Kläger den polnischen Rechtsvorschriften. Gemäß Art. 14 Abs. 1a VO (EWG) 1408/71 unterliegt ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaates von einem Unternehmen beschäftigt wird, dem er gewöhnlich angehört, und von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates entsandt wird, weiterhin den Rechtvorschriften des ersten Staates, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und er nicht einen anderen Arbeitnehmer ablöst, für den die Entsendungszeit abgelaufen ist. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Der Kläger war während seiner Tätigkeit in Deutschland vom Mai bis November 2004 für sieben Monate weiterhin als Arbeitnehmer seiner polnischen Firma beschäftigt und war auch in Polen sozialversichert. Entscheidend ist, dass der Kläger von seinem polnischen Arbeitgeber zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung nach Deutschland geschickt worden ist. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine Entsendung aus dem Ausland nur dann nicht vor, wenn ein ausländischer Arbeitnehmer im Rahmen eines Konzerns für eine inländische Tochtergesellschaft tätig ist, wenn diese eine juristische Person ist, wenn der Arbeitnehmer in den Betrieb dieser Gesellschaft eingegliedert ist und wenn diese auch das Arbeitsentgelt zahlt ( BFH-Urteil vom 30. Oktober 2002 VIII R 67/99, BStBl II 2003, 265). Damit kommt Art. 13 Abs. 2 Nr. 1a VO (EWG) 1408/71 als lex generalis nicht zur Anwendung, da Art. 14 VO (EWG) 1408/71 als lex specialis vorgeht ( BFH Beschluss vom 31. März 2008 III B 132/07, BFH/NV 2008, 1151). Die Dauer der Entsendung betrug keine 12 Monate. Die Tatsache, dass der "deutsche Arbeitgeber" die Unterkunftskosten des Klägers in Deutschland/München beglich, steht dem nicht entgegen, da es sich dabei lediglich um einen abgekürzten Zahlungsweg handelte. Dem Kläger ist von seinem polnischen Arbeitgeber ein um diesen Betrag gekürztes Gehalt ausgezahlt worden; der Differenzbetrag wurde vom polnischen Arbeitgeber dem "Deutschen Arbeitgeber" gutgeschrieben bzw. mit Forderungen verrechnet. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass der Kläger eine Person abgelöst habe, für welche die Entsendungszeit abgelaufen gewesen sei. Damit ist im vorliegenden Fall die Anwendung der Vorschriften des X. Abschnitts des EStG über das Kindergeld auf den Kläger ausgeschlossen, da der Kläger nach Art. 14 Abs. 1a VO (EWG) 1408/71 nur den polnischen Rechtsvorschriften unterliegt. Entgegen der Ansicht des Klägers begründet Art. 73 VO (EWG) 1408/71 auch keine selbständige Anspruchsgrundlage für Familienleistungen dergestalt, dass der Kläger sich aussuchen kann, welchem Recht er unterliegen will. Art. 73 VO (EWG) 1408/71 orientiert sich vielmehr an den allgemeinen in Art. 13 ff. enthaltenen Zuständigkeitsregeln, und zwar auch dann, wenn die Familienangehörigen, für die Familienleistungen beansprucht werden, nicht in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind. Der Ausschluss des deutschen Kindergeldrechts wird auch nicht durch die sog. "Antikumulierungs"-Vorschriften eingeschränkt oder aufgehoben (vgl. EuGH-Urteil vom 7. Juni 2005, Rs. C-543/03 -Dodl und Oberhollenzer-, Sammlung der Rechtsprechung 2005, I-5049). Art. 76 VO (EWG) 1408/71 ist bereits deshalb nicht anwendbar, da der Anspruch auf Kindergeld nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhängig ist. Einschlägig ist vielmehr Art. 10 DVO (EWG) 574/72. Art. 10 DVO (EWG) 574/72 greift jedoch nur dann als Kollisionsnorm ein, wenn der Arbeitnehmer auch in seinem Wohnsitzstaat einer Beschäftigung nachgeht, d.h. es also um die Frage geht, welcher von zwei oder mehreren Beschäftigungsstaaten für die Gewährung der Familienleistungen zuständig ist (EuGH-Urteil vom 20.Mai 2008 C-352/06 -B-, HFR 2008, 877).

Eine solche Kumulierung liegt aber nicht vor, da der Kläger nach Art. 14 der VO (EWG) 1408/71 nur den sozialen Regelungen des polnischen Rechts unterliegt.

Die Nichtgewährung des deutschen Kindergeldes verstößt auch nicht gegen den europarechtlichen Gleichheitssatz, an dem die Vorschriften der VO (EWG) 1408/71 und DVO (EWG) 574/72 zu messen sind (Urteil des FG München vom 15. Februar 2007 5 K 661/06, [...]). Entgegen der Auffassung des Klägers hat der EuGH im Fall B ( Urteil vom 20. Mai 2008, Rs. C-352/06, HFR 2008, 877) nicht die Europarechtswidrigkeit der Art. 13 ff VO (EWG) 1408/71 festgestellt. Er hat entschieden, es bestehe keine Verpflichtung, Frau B deutsches Kindergeld zu gewähren (Anmerkung von Reuß, EFG 2008, 1569).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Nichtzulassung der Revision aus § 115 Abs. 2 FGO und die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung aus § 90 Abs. 2 in Verbindung mit § 79a Abs. 3 FGO. Der Kläger hat eine klare, eindeutige, widerspruchslose und vorbehaltlose Erklärung über den Verzicht auf mündliche Verhandlung - auch bei Übertragung auf den Einzelrichter - abgegeben. Entgegen der Auffassung des Klägers konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Durch die Beschlüsse in dem Verfahren wegen Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist diese Erklärung nicht verbraucht, da diese in einem Nebenverfahren ergangen sind (Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 142 FGO Rz. 5). Die Erklärung des Klägers ist als prozessgestaltende Handlung unwiderruflich (Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 90 FGO Rz. 13 mit Rechtsprechungsnachweisen).

Ende der Entscheidung

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