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Gericht: Finanzgericht München
Gerichtsbescheid verkündet am 10.12.2004
Aktenzeichen: 6 K 2436/02
Rechtsgebiete: KStG 1996, GG
Vorschriften:
KStR 1995 Abschn. 59 Abs. 5 S. 2 | |
KStG 1996 § 14 | |
KStG 1996 § 17 | |
GG Art. 20 Abs. 3 |
IM NAMEN DES VOLKES
GERICHTSBESCHEID
In der Streitsache
wegen Körperschaftsteuer 1997 gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1997
hat der 6. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung ... ohne mündliche Verhandlung am 10. Dezember 2004 für Recht erkannt:
Tenor:
1. Unter Abänderung des Körperschaftsteuerbescheids 1997 vom 2. Mai 2002 wird das Einkommen im Sinne des § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG mit ... DM = ... EUR festgestellt.
2. Unter Abänderung des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31. 12. 1997 vom 2. Mai 2002 wird der verbleibende Verlustabzug auf ... DM = ... EUR festgestellt.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe desjeweils zu vollstreckenden Betrages.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, eine Holding GmbH, hielt u.a. sämtliche Anteile an der A-GmbH. Diese ist wiederum zu 65 % an der B-GmbH & Co KG als Kommanditistin beteiligt. Die A-GmbH besaß außer der Kommanditbeteiligung und Gesellschaftsanteilen an der Komplementär GmbH der B-GmbH & Co KG keine weiteren Vermögensgegenstände. Am 30. Juni 1997 brachte die Klägerin ihre Anteile an der A-GmbH zu Verkehrswerten in die C-Beteiligungs GmbH ein, deren Anteile sie am 17. März 1997 erworben hatte. Diese Anteile veräußerte sie am 18. Juli 1997 an verschiedene Mitglieder der Familie D.
Aufgrund der zwischen der Klägerin und der A-GmbH bestehenden Organschaft wurden ihr von 1990 bis 1996 Verluste der A-GmbH in Höhe von insgesamt ... DM zugerechnet. Diese rührten aus der Kommanditbeteiligung an der B-GmbH & Co KG her. Nach einem Ausgleich der handelsrechtlichen Verluste der B-GmbH & Co KG durch Forderungsverzichte der A-GmbH beliefen sich die nicht ausgeglichenen Verluste auf ... DM. Infolgedessen war das Kapitalkonto der A-GmbH bei der B-GmbH & Co KG zum 31. 12. 1996 von ... DM auf ... DM gesunken. Eine Teilwertabschreibung ihrer Beteiligung an der B-GmbH & Co KG hat die A-GmbH in ihrer Handelsbilanz nicht vorgenommen. Zusammen mit nachträglichen Anschaffungskosten stand die Beteiligung der A-GmbH zum 31. 12. 1996 mit ... DM zu Buche. Steuerlich wurden der A-GmbH für 1990 bis 1996 Verlustanteile in Höhe von insgesamt ... DM zugerechnet. Das steuerliche Kapitalkonto der A-GmbH bei der B-GmbH & Co KG reduzierte sich daher zum 31. 12. 1996 auf ... DM. Mit diesem Wert wurde die Kommanditbeteiligung der A-GmbH an der B-GmbH & Co KG in der Steuerbilanz der A-GmbH angesetzt.
Nachdem die A-GmbH in ihrer Handelsbilanz keine Abwertung ihrer Kommanditbeteiligung vorgenommen hatte, stand in den Verlustjahren dem negativen steuerlichen Einkommen der A-GmbH keine entsprechende handelsrechtliche Verlustübernahme gegenüber. Für diese handelsrechtlichen Mehrabführungen bildete die Klägerin in ihrer Steuerbilanz einkommensneutral passive Ausgleichposten. Aus den Mehr- und Minderabführungen aus der Organschaft zwischen der Klägerin und der A-GmbH ergab sich nach der Betriebsprüfung ein Bestand von ... DM. Dass dieser Bestand geringer war als die Reduzierung des steuerlichen Kapitalkontos der A-GmbH bei der B-GmbH & Co KG, beruht auf der Bildung einer Rückstellung der A-GmbH für latente Steuerbelastungen aus ihrer Beteiligung an der B-GmbH & Co KG in der Handelsbilanz in Höhe von ... ... DM. Damit sollte berücksichtigt werden, dass künftige Gewinne der B-GmbH & Co KG bis zur Wiederherstellung einer ausreichenden Eigenkapitalbasis nicht entnommen werden könnten, gleichwohl aber nach Beendigung der Organschaft bei der A-GmbH dennoch der Körperschaftsteuer unterlägen. Da die Rückstellung nur in der Handelsbilanz gebildet worden war, minderte sie die handelsrechtliche Mehrabführung in 1996 und damit auch den passiven Ausgleichsposten bei der Klägerin.
In ihrer Körperschaftsteuererklärung 1997 löste die Klägerin entA-GmbH rechend Abschnitt 59 Abs. 5 Satz 2 Körperschaftsteuerrichtlinien 1995 (KStR) den passiven Ausgleichsposten soweit er die A-GmbH betraf gewinnerhöhend auf. Der Beklagte (das Finanzamt) folgte dem und erließ am 16. März 1999 einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid 1997 und Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12. 1997. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wandte sich die Klägerin gegen eineerfolgswirksame Auflösung des passiven Ausgleichspostens. Dies wurde abgelehnt, so dass in den nach der Betriebsprüfung ergangenen Änderungsbescheiden vom 2. Mai 2002 nach wie vor die erfolgswirksame Auflösung des passiven Ausgleichpostens in Höhe von ... DM enthalten ist. Dies hatte zwar keine Auswirkung auf die mit 0 EUR festgesetzte Körperschaftsteuer, der Gesamtbetrag der Einkünfte wurde jedoch mit ... DM angesetzt und das Einkommen im Sinne des § 47 Abs. 2 Nr. 3 Körperschaftsteuergesetz a.F. (KStG) entsprechend festgestellt. Dadurch ergab sich zum 31. 12. 1997 - ausgehend von einem festgestellten Verlustabzug zum 31. 12. 1996 in Höhe von ... DM - ein verbleibender Verlustabzug in Höhe von ... DM.
Mit der gegen diese Bescheide gerichteten Sprungklage, der das Finanzamt rechtzeitig zugestimmt hat (§ 45 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-), wendet sich die Klägerin gegen die erfolgswirksame Auflösung des passiven Ausgleichspostens. Zur Begründung macht sie geltend, dass die gewinnwirksame Auflösung des passiven Ausgleichspostens gegen den Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG-) sowie das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Art 3 Abs. 1 GG) verstoße.
Es fehle eine gesetzliche Regelung für die Auflösung von aktiven und passiven Ausgleichsposten. Die Auferlegung von Steuerlasten sei ausschließlich dem Gesetz vorbehalten. Zwar sei die Bildung und Auflösung aktiver Ausgleichsposten durch den BFH gewohnheitsrechtlich anerkannt, doch gebe es bisher keine entsprechenden Entscheidungen zur Zulässigkeit passiver Ausgleichsposten. Da die Bildung und Auflösung aktiver Ausgleichsposten gemäß Abschnitt 59 Abs. 2 und 5 KStR im Gegensatz zur Bildung und Auflösung passiver Ausgleichsposten keine belastenden Maßnahmen darstellten, könne bei letzteren nicht auf Gewohnheitsrecht zurückgegriffen werden. Die erfolgswirksame Auflösung passiver Ausgleichsposten im Zeitpunkt der Veräußerung der Organgesellschaft stelle eine belastende Maßnahme dar, die dem steuerrechtlichen Legalitätsprinzip unterliege (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 24. August 1989 6 K 382/84, EFG 1990, 77; Dötsch, DB 1993, 752; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 14 Rz. 91; Walter in Arthur Andersen, KStG § 14 Rd.Nr. 893). Eine durch Gewohnheitsrecht auszufüllende Gesetzeslücke liege nicht vor, denn für die handelsrechtliche Mehrabführung im Organkreis fehle es an einem Tatbestand, der wegen fehlender Regelungsdichte der Ausfüllung durch Dogmatik und Rechtsprechung bedürfe. Vielmehr handele es sich vorliegend um einen rechtsfreien Raum. Hier könne eine Steuerfolge nicht auf die Wertentscheidung eines demokratisch legitimierten Gesetzes zurückgeführt werden. Die Organschaftsregelungen des KStG erfassten nur die Sicherstellung der Besteuerung des Einkommens der Organgesellschaft mit der Folge, dass eine Ausfüllung dieser Regelungen für die Fälle handelsrechtlicher Mehrabführungen durch Gewohnheitsrecht im Sinne des Abschnitts 59 Abs. 2 und 5 KStR eine unzulässige Rechtsschöpfung darstelle.
Es fehle an einer Ermächtigungsgrundlage für die den Steuerbürger belastende Maßnahme. Es bestehe keine Vorschrift, die ausdrücklich die gewinnwirksame Auflösung aufgrund handelsrechtlicher Mehrabführungen gebildeter passiver Ausgleichsposten anordne. Die bestehenden Vorschriften des Körperschaft- und Einkommensteuergesetzes seien als Rechtsgrundlage nicht geeignet. §§ 14 - 19 KStG regelten nur, dass die Organgesellschaft weiterhin Steuersubjekt und zur Abgabe der Körperschaftsteuererklärung verpflichtet sei. Lediglich ihr Einkommen werde dem Einkommen des Organträgers zur Besteuerung hinzugerechnet. Auch durch Auslegung lasse sich die gewinnwirksame Auflösung passiver Ausgleichsposten nicht unter die §§ 14 - 19 KStG subsumieren, zumal diese Vorschriften nur die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft regelten, aber keine Grundlage dafür bildeten, dem Organträger darüber hinaus zufließende Beträge oder Ersparnisse zu besteuern. Als belastende Maßnahme sei die gewinnwirksame Auflösung in Ermangelung gesetzten Rechts rechtswidrig. Dem entsprächen auch die Ausführungen des FG Düsseldorf (a.a.O.).
Unabhängig vom Fehlen der Rechtsgrundlage, verstoße die erfolgswirksame Auflösung der passiven Ausgleichsposten gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Zweck der Organschaft sei in erster Linie die Abschwächung steuerlicher Benachteiligungen von Unternehmenszusammenschlüssen durch einen Gewinn- und Verlustausgleich zwischen mehreren Konzernunternehmen. Damit solle letztlich eine Einkommenseinheit hergestellt und das Prinzip der Einmalbesteuerung verwirklicht werden (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 41793, BStBl II 1996, 614). Aus der Vermeidung der Doppelbesteuerung des Organeinkommens sei aber auch zu folgern, dass sich Verluste im Organkreis zumindest einmal auswirken müssten. Dem Prinzip der Einmalbesteuerung entspreche auch, dass eine Doppelbesteuerung der Differenzbeträge zwischen zivilrechtlicher Ergebnisabführung und der steuerlichen Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft sowie der durch Rücklagenbildung eingetretenen Wertsteigerung bei Veräußerung der Beteiligung an der Organgesellschaft oder bei Auflösung der während der Organschaft gebildeten Rücklagen auch nach Auffassung der Finanzverwaltung über die Bildung aktiver Ausgleichsposten in der Steuerbilanz vermieden werden solle. Über die aufwandswirksame Auflösung des Ausgleichspostens solle nur eine erneute Besteuerung vermieden, aber keine Korrektur der Besteuerung vollzogen werden. Der aktive Ausgleichposten diene daher dazu, eine zweite Besteuerung des Organeinkommens über einen Gewinn oder Verlust des Organträgers aus der Veräußerung der Beteiligung zu verhindern und eine Einmalbesteuerung sicherzustellen.
Vorliegend komme es aber zu einer Rückgängigmachung der Organschaft, da aufgrund der gleich gebliebenen Wertverhältnisse eine gewinnerhöhende Auflösung des passiven Ausgleichspostens keine aufwandswirksame Teilwertabschreibung kompensiere, sondern auf der Ebene des Organträgers den der Organgesellschaft aus ihrer Beteiligung an einer Personengesellschaft zurechenbaren steuerlichen Verlust ausgleiche. Im Ergebnis wirke sich der über die Personengesellschaft der Organgesellschaft zurechenbare steuerliche Verlust - statt einmal - gar nicht aus. Dies führe zu einer gesetzlich nicht geregelten Rückgängigmachung der Wirkungen der Organschaft. Zudem komme es zu einer Doppelbelastung. Einerseits führe die erfolgswirksame Auflösung bei der Veräußerung der Anteile faktisch zu einer Wertaufholung der steuerlichen Verluste der B-GmbH & Co KG, die sich im Rahmen der Organschaft bei ihr, der Klägerin, steuermindernd ausgewirkt hätten. Zugleich hätten diese Verluste auch das Kapitalkonto A-GmbH gemindert, so dass die ab 1998 erzielten Gewinne der B-GmbH & Co KG nochmals zu einer Wertaufholung bei der A-GmbH führten. Die gewinnwirksame Auflösung führe dazu, dass sich der tatsächlich erlittene Verlust der B-GmbH & Co KG weder bei der A-GmbH noch bei ihr steuerlich auswirke. Abschließend werde darauf hingewiesen, dass die A-GmbH aus ihrer Beteiligung an der B-GmbH & Co KG in den Wirtschaftsjahren 1998 und 1999 steuerliche Gewinne von insgesamt ... Mio DM erzielt habe. Dadurch seien die Verluste der Jahre 1990 bis 1996 weitgehend aufgeholt worden.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin zum Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip wird auf die Schriftsätze vom 20. August, 13. Dezember 2002 und 4. April 2003 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Körperschaftsteuerbescheids 1997 und des Bescheids über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31. 12. 1997, jeweils vom 2. Mai 2002, das Einkommen im Sinne des § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG mit ... DM und den verbleibenden Verlustabzug dementsprechend festzustellen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist das Finanzamt darauf, dass die Bildung passiver Ausgleichsposten weder verfassungsrechtlich zu beanstanden sei noch deren Auflösung im Streitfall zu einer doppelten Wertaufholung führe.
Die KStR verstießen nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes. Sie enthielten nur die Verwaltungsauffassung über gesetztes Recht, das der Auslegung bedürfe. Nach allgemeiner Meinung sei Grundprinzip der körperschaftsteuerlichen Organschaft, dass das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft nur einmal besteuert werde (BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 41/93, BStBl II 1996, 614). Umgekehrt bedeute dies, dass das Einkommeneinmal zu erfassen sei, es dürfe nicht unversteuert bleiben. Da dies selbstverständlich sei, bedürfe dies keiner ausdrücklichen Rechtsgrundlage. Vielmehr bedürfte eine so ungewöhnliche Rechtsfolge wie die Nichtbesteuerung eines bestimmten Einkommens im Organkreis einer rechtlichen Grundlage.
Durch die Überlagerung von Handels- und Steuerrecht könnten systemwidrig beim Organträger steuerfreie bzw. doppelt zu versteuernde Einkommensbestandteile entstehen. Da steuerrechtlich das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger unabhängig von der tatsächlichen Gewinnabführung zuzurechnen sei, könne es dazu kommen, dass handelsrechtlich weniger abgeführt werde als steuerrechtlich zuzurechnen sei. Der Organträger versteuere dann Gewinne, die er wirtschaftlich noch nicht erhalten habe. Erst bei Veräußerung der Beteiligung würden die in der Organgesellschaft verbliebenen Gewinne realisiert, da sie deren Wert erhöhten und einen höheren Ertrag brächten. Dieser wäre dann voll zu versteuern, obwohl ein Teil davon schon versteuert worden sei.
In der zweiten Möglichkeit - wie vorliegend - werde steuerrechtlich ein niedrigerer Gewinn abgeführt als handelsrechtlich. Tatsächlich erhalte der Organträger Gewinne, die nur zu einem Teil versteuert werden müssten. Irgendwann müssten diese aber besteuert werden.
Um in den vorstehenden Fällen zu einer Einmalbesteuerung zu kommen, habe die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung die Bildung eines besonderen Ausgleichspostens entwickelt. Dies sei in die KStR übernommen worden. Es handele sich nicht um eine steuerbegründende Norm, sondern um eine Gesetzesinterpretation.
Soweit die Klägerin auf ein Urteil des FG Düsseldorf (a.a.O.) und Literatur verweise, die der Auffassung seien, dass die Bildung eines passiven Ausgleichspostens (oben 2. Variante) einer rechtlichen Grundlage entbehre, verträten diese aber nicht die Ansicht, dass bestimmte Einkommensteile im Organkreis von der Besteuerung auszunehmen seien. Hintergrund des Streits sei vielmehr die lange Zeit vertretene Annahme, dass eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der Organgesellschaft nicht zulässig sei. Dann könne es zum Auseinanderfallen von versteuertem und abgeführtem Gewinn kommen. Lasse man eine Teilwertabschreibung zu, entstünden diese Probleme nicht. Es werde aber nicht behauptet, dass man in einem Jahr unversteuerte Gewinne abführen und eine passiven Ausgleichsposten bilden könne und in dem Jahr, in dem dieser Posten gewinnerhöhend aufzulösen wäre, auf die Besteuerung verzichte. Man könne nicht "unterwegs die Pferde wechseln".
Der BFH habe sich im Fall der Minderabführung zur Bildung aktiver Ausgleichsposten entschieden (a.a.O.). Spiegelbildlich sei daher für den Ausgleich von Mehrabführungen ein passiver Ausgleichsposten zu bilden. Das sei schon deshalb notwendig, um Mehr- und Minderabführungen gegeneinander verrechnen zu können. Sonst könne ein passiver Ausgleichsposten nie durch Mehrgewinnabführungen aufgelöst werden. Auch die Klägerin habe eine solche Kompensation vorgenommen.
Im Streitfall liege bei Anwendung der Richtlinienregelung auch keine doppelte Wertaufholung vor. Den der Klägerin 1990 bis 1996 zugerechneten Verlusten der A-GmbH von ... DM stünden - wie auch die Klägerin zutreffend ausführe - keine handelsrechtlichen Verlustübernahmen in entsprechender Höhe gegenüber, so dass eine Mehrgewinnabführung an die Klägerin vorgelegen habe. Veräußere die Klägerin die Organgesellschaft, werde wegen der aufgelaufenen Verluste bei der B-GmbH & Co KG ein niedrigerer Verkaufpreis für die Organgesellschaft erzielt. Die Verluste seien jedoch bereits in den steuerlichen Gewinnermittlungen für 1990 bis 1996 berücksichtigt, so dass es zu einer doppelten Gewinnminderung käme. Dies werde durch die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens verhindert, der bei der Veräußerung der Organgesellschaft gewinnerhöhend aufzulösen sei.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Finanzamts zur doppelten Wertaufholung wird auf die Schriftsätze vom 24. Oktober 2002 und 12. März 2003 Bezug genommen.
Auf Anforderung des Vorsitzenden hat die Klägerin die gutachtliche Stellungnahme zum Unternehmenswert der C-GmbH & Co., zum 31. Dezember 1996 der BDO Deutsche Warentreuhand Aktiengesellschaft mit einem Ergänzungsschreiben vom 16. Juni 1997 sowie einer Überleitungsrechnung hierzu vorgelegt. Auf das Gutachten wird ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung nicht verzichtet. Es erscheint sachgerecht durch Gerichtsbescheid gem. § 90a FGO zu entscheiden.
Gründe
II.
Die Klage ist begründet.
Unter bestimmten Voraussetzungen wird das Einkommen einer Kapitalgesellschaft (Organgesellschaft), die sich durch einen Gewinnabführungsvertrag verpflichtet hat, ihren ganzen Gewinn an ein anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, dem Träger des Unternehmens (Organträger) zugerechnet (§ 14 i.V.m. § 17 KStG). Weicht der an den Organträger abgeführte Gewinn aus anderen Gründen als infolge der Auflösung einer Rücklage vom Steuerbilanzgewinn ab, ist in der Steuerbilanz des Organträgers ein besonderer aktiver oder passiver Ausgleichsposten in Höhe des Unterschieds zu bilden, der dem v.H.-Satz der Beteiligung des Organträgers am Nennkapital der Organgesellschaft entspricht (Abschn. 59 Abs. 2 KStR). Die besonderen Ausgleichsposten sind bei Beendigung des Gewinnabführungsvertrages nicht gewinnwirksam aufzulösen, sondern bis zur Veräußerung der Beteiligung weiter zu führen. Im Zeitpunkt der Veräußerung der Organbeteiligung sind die besonderen Ausgleichposten aufzulösen. Dadurch erhöht oder verringert sich das Einkommen des Organträgers (Abschn. 59 Abs. 5 KStR).
Im Streitfall hat die Klägerin dementsprechend zum 31. 12. 1996 (erfolgsneutral) einen passiven Ausgleichsposten gegenüber A-GmbH (Fall der Verminderung eines Aktivpostens nur in der Steuerbilanz, vgl. Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG § 14 n.F. Rz. 199) aus dem Saldo aus Mehr- und Minderabführungen in Höhe von ... DM gebildet. Es kann dahinstehen, ob die Bildung des Postens als solcher entsprechend den Regelungen in Abschn. 59 Abs. 2 KStR rechtlich möglich ist, denn dies ist zunächst ohne steuerliche Auswirkung. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass dieser - im Ergebnis - passive Ausgleichsposten im Zeitpunkt der Veräußerung der Beteiligung nicht erfolgswirksam aufzulösen ist, da für die Anordnung in Abschn. 59 Abs. 5 Satz 3 KStR, soweit sie die Erhöhung des Einkommens des Organträgers betrifft, die erforderliche gesetzliche Grundlage fehlt.
Die §§ 14 - 19 KStG regeln die Einmalbesteuerung ausschließlich für das von der Organgesellschaft erwirtschaftete Einkommen. Dies wird durch die Zurechnung des Organeinkommens beim Organträger und durch die Neutralisierung der tatsächlichen Gewinnabführung bzw. Verlustübernahme erreicht. Mit der Sicherstellung der Einmalbesteuerung des von der Organgesellschaft erwirtschafteten Einkommens haben die Ausgleichsposten (beim Organträger) daher nichts zu tun. Zweck dieser Posten ist es, eine im Ergebnis zweite Besteuerung bzw. eine Nichtbesteuerung des Organeinkommens über einen Gewinn oder Verlust des Organträgers insbesondere aus der Veräußerung der Organbeteiligung zu verhindern. Daraus ergibt sich, dass die organschaftlichen Ausgleichsposten ein Korrekturinstrument des eigenen Einkommens des Organträgers sind, das im Gesetz nicht erwähnt wird. Eine gesetzliche Regelung hierzu fehlt (vgl. Dötsch, Der Betrieb -DB- 1993, 752). Diesbezügliche Regelungen hat jedoch die Verwaltung in Abschn. 59 KStR getroffen (vgl. auch BMF-Schreiben vom 10. Januar 1981, BStBl I 1981, 44 und - für den Zeitraum nach dem Systemwechsel - vom 26. August 2003, BStBl I 2003, 437).
Es kann vorliegend dahinstehen, ob im Streitfall die erfolgswirksame Auflösung des von der Klägerin gebildeten passiven Ausgleichspostens zu einer doppelten Wertaufholung (so die Klägerin) oder das Unterlassen einer erfolgswirksamen Auflösung zu einer Nichtbesteuerung eines Teils des an die Klägerin (handelsrechtlich) abgeführten Gewinns (so das Finanzamt) führt. Denn selbst wenn (typisierend) unterstellt wird, dass der dem passiven Ausgleichsposten zugrunde liegende Aktivüberschuss der Handelsbilanz gegenüber der Steuerbilanz der A-GmbH im Realisierungswert der Organbeteiligung nicht enthalten ist (zweifelnd Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 14 Anm. 84; vgl. auch BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 41/93, BStBl II 1996, 614) und die Mehrabführungen dadurch unversteuert blieben, fehlt für deren Besteuerung im Veräußerungszeitpunkt die Rechtsgrundlage.
Anders als im Falle des BFH-Urteils (a.a.O.), wo der BFH zu Abschn. 59 Abs. 1 KStR ausgeführt hat, dass die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft und die Einkommensermittlung beim Organträger nach allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen nicht zu einer Doppelbesteuerung des Organeinkommens führen dürfen, es sich also um eine für den Steuerpflichtigen günstige Verwaltungsregelung handelt, führt im Streitfall die Anwendung der Verwaltungsregelung (Abschn. 59 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 und 3 KStR) zu einem gesetzlich nicht geregelten Besteuerungstatbestand. Die Finanzverwaltung kann nicht im Wege einer Erlassregelung die Besteuerung etwaiger handelsrechtlicher Mehrabführungen im Falle der Veräußerung der Beteiligung an der Organgesellschaft beim Organträger sicherstellen. §§ 14 ff. KStG regeln nur die Besteuerung des nach steuerlichen Grundsätzen bei der Organgesellschaft ermittelten Einkommens beim Organträger. Es ist Sache des Gesetzgebers, Besteuerungstatbestände zu schaffen (vgl. hierzu auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung § 4 Tz. 4, 5, 360 - 363 m.w.N.), insbesondere, wenn - wie im Streitfall - typisierend unterstellt wird, dass sich die Mehrabführungen mindernd auf den Veräußerungspreis ausgewirkt haben (vgl. oben).
Bei der Regelung in Abschn. 59 Abs. 5 Satz 3 KStR handelt es sich nicht lediglich um eine Interpretation des Gesetzes oder eine Auslegungsregel. Hier ist ein Steuertatbestand hinsichtlich der Erhöhung des Einkommens des Organträgers geschaffen worden. Soweit das Finanzamt darauf verweist, dass die Einmalbesteuerung der (bisher nicht besteuerten handelsrechtlichen) Mehrgewinnabführungen sicher gestellt werden müsse, ist dies nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz und aus fiskalischer Sicht zwar wünschenswert (sofern eine Auswirkung auf den Veräußerungspreis gegeben ist), doch fehlt - wie bereits ausgeführt - die erforderliche gesetzliche Grundlage hierfür.
Wenn das Finanzamt vorträgt, dass der BFH (BStBl II 1996, 614) die Bildung aktiver Ausgleichsposten im Fall der Minderabführung zugelassen habe und es daher schon wegen der Notwendigkeit der Verrechnung von Mehr- und Minderabführungen (wie sie auch die Klägerin vorgenommen habe) erforderlich sei, auch passive Ausgleichsposten zuzulassen, ändert dies nichts an der fehlenden gesetzlichen Grundlage für die Schaffung eines Besteuerungstatbestandes bei der angeordneten erfolgswirksamen Auflösung eines verbleibenden passiven Postens. Dem stünde jedoch die Bildung eines passiven Ausgleichspostens per se nicht entgegen, der sich aber nur im Rahmen einer Verrechnung auswirken dürfte, eine darüber hinausgehende erfolgswirksame Auflösung käme nicht in Frage.
Da auch die Ermittlung des Veräußerungsgewinns (bei der Klägerin) entsprechend den einkommensteuerlichen Grundsätzen (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 17 Einkommensteuergesetz) nicht vorsieht, dass die streitgegenständlichen Mehrabführungen in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns einzubeziehen sind, ergibt sich auch hieraus keine Rechtsgrundlage für die erfolgswirksame Auflösung des passiven Ausgleichspostens. Die Angemessenheit des Kaufpreises wurde weder vom Finanzamt beanstandet noch ist erkennbar, dass der laut dem vorgelegten Gutachten ermittelte Wert unangemessen ist.
Berechnung:
Körperschaftsteuer 1997: | |
Einkommen i.S.d. § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG bisher: | ... DM |
abzgl. Minderung Hinzurechnung: | ... DM |
Einkommen i.S.d. § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG neu: | ... DM |
Verbleibender Verlustabzug 31. 12. 1996: | ... DM |
Verlustabzug in 1997: | ... DM |
Verbleibender Verlustabzug 31. 12. 1997: | ... DM |
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung, die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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