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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 18.03.2008
Aktenzeichen: 6 K 4293/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 21 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

6 K 4293/06

Einkommensteuer 1996, 1998 und 1999

In der Streitsache

...

hat das Finanzgericht München, 6. Senat,

durch

den Richter am Finanzgericht NN als Einzelrichter

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Beklagte wird verpflichtet, geänderte Einkommensteuerbescheide für 1996, 1998 und 1999 zu erlassen, in denen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1996 in Höhe von -1.138,65 EUR (= -2.227 DM), für 1998 in Höhe von -23.900,85 EUR (= -46.746 DM) und für 1999 in Höhe von -833,41 EUR (= -1.630 DM) berücksichtigt werden.

2. Die Berechnung wird dem Finanzamt übertragen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Gründe:

I. Streitig ist, ob und in welcher Höhe Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (VuV) für die Veranlagungszeiträume 1996, 1998 und 1999 bei der Einkommensteuerveranlagung der zusammenveranlagten Kläger zu berücksichtigen sind.

1986 hat die Klägerin das, 2.730 m2 große, Grundstück XY zu einem Kaufpreis von 152.000 DM erworben. Im Erwerbszeitpunkt war das Grundstück mit einem Wohnhaus, einem Kuhstall inkl. Nebengebäuden sowie einem Stadel bebaut.

In den Streitjahren wurde das Grundstück wie folgt genutzt:

Vermietung des Kuhstalls mit Nebenraum zu einer Jahrespacht von 800 DM. Der Mieter war berechtigt, Pferde und seine Kutsche in die gemieteten Räumlichkeiten einzustellen, den Garten durfte er zum Auslauf der Pferde nutzen.

Der Stadel war als Stellplatz für ein Wohnmobil zu einer Jahrespacht von 600 DM vermietet.

Für die Streitjahre erklärten die Kläger Einkünfte aus VuV wie folgt:

 1996 1998 1999
Mieteinnahmen 1.400 1.400 1.400
Schuldzinsen 1.087 583 478  
AfA 2.240 2.240 2.240
Geldbeschaffungskosten 0 12 12
Erhaltungsaufwendungen (Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag) 0 45.011 0
Grundsteuer 100 100 100
sonstiges, pauschal 200 200 200
Summe Werbungskosten 3.627 48.146 3.030
Verlust aus VuV -2.227 -46.746 -1.630
   alle Beträge in DM

Für die Veranlagungszeiträume 1996 und 1998 erkannte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die erklärten Verluste aus VuV zunächst an.

Mit Änderungsbescheid für 1996 vom 26. Mai 1999 kürzte das FA den erklärten Verlust aus VuV von 2.227 DM auf 777 DM. Die Änderung ergab sich durch Kürzung der Werbungskosten um 40% des Gesamtbetrags. Das FA begründete dies damit, die auf dem Grundstück befindlichen Gebäude seien nur teilweise vermietet worden.

Mit Änderungsbescheid für 1998 vom 2. Juli 2001 kürzte das FA den erklärten Verlust von 46.746 DM auf 167 DM. Das FA erkannte die erklärten Erhaltungsaufwendungen (45.011 DM) nicht mehr an, es handle sich dabei um nachträgliche Anschaffungskosten auf den Grund und Boden. Die übrigen Werbungskosten kürzte das FA um die Hälfte, da die Gebäude nur teilweise vermietet seien.

Für den Veranlagungszeitraum 1999 erkannte das FA von den geltend gemachten Werbungskosten nur die Hälfte an, es seien nur der Stall und die Scheune, nicht jedoch das Wohnhaus, vermietet. Im Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 2. Juli 2001 berücksichtigte das FA einen Verlust aus VuV in Höhe von 115 DM.

Gegen diese Bescheide für die Veranlagungszeiträume 1996, 1998 und 1998 legten die Kläger jeweils Einspruch ein.

Mit Schreiben vom 23. November 2005 teilte das FA den Klägern mit, die geltend gemachten Verluste aus VuV könnten wegen fehlender Einkunftserzielungsabsicht in voller Höhe steuerlich nicht anerkannt werden. Auf eine mögliche Verböserung der angegriffenen Bescheide hat das FA hingewiesen.

Den Einkommensteuerbescheid für 1996 änderte das FA mit Änderungsbescheid vom 9. April 2001. Die vorgenommene Änderung ist unstreitig.

Mit der Einspruchentscheidung vom 29. September 2006 wurde die Einkommensteuer für 1998 von 56.530 DM auf 56.626 DM und die Einkommensteuer für 1999 von 56.224 DM auf 56.272 DM erhöht. Und mit der gesonderten Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2006 erhöhte das FA die Einkommensteuer für 1996 von 17.219,29 EUR (= 33.678 DM) auf 17.361,43 EUR erhöht. Im Übrigen wurden die Einsprüche zurückgewiesen. Die geltend gemachten Verluste aus VuV könnten wegen fehlender Einkunftserzielungsabsicht nicht berücksichtigt werden. Dies ergebe sich aus folgenden Beweisanzeichen:

Seit Erwerb im Jahr 1986 sei das Grundstück lediglich zu Lager- und Unterstellzwecken gegen eine sehr geringe jährliche Pacht vermietet worden; das auf dem Grundstück befindliche Wohnhaus sei weder im Erwerbszeitpunkt noch danach zu Wohnzwecken genutzt worden; in den Jahren 1986 bis 2004 seien keine Renovierungsarbeiten durchgeführt worden, um das Wohnhaus in einen bewohn- und vermietbaren Zustand zu versetzen; die Art der bisherigen Nutzung sei nicht geeignet, positive Jahresergebnisse zu erzielen.

Bereits die jährliche Abschreibung von 2.240 DM übersteige die Pachteinnahmen in Höhe von 1.400 DM, wonach sich noch vor Berücksichtigung weiterer Werbungskosten ein jährlicher Verlust errechne;

die Kläger hätten mehrmals erwogen das Wohngebäude zu renovieren und danach als Alterssitz selbst zu nutzen;

ein ernsthafter Entschluss zu einer dauernden Vermietung sämtlicher Gebäude sei nach Aktenlage nicht erkennbar.

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Klage vom 30. Oktober 2006:

Das Wohngebäude sei zwar renovierungsbedürftig, aber nicht unbewohnbar. Die Renovierung sei wegen fehlender finanzieller Mittel bisher nicht durchgeführt, die ursprüngliche Absicht, die Baulichkeiten vollständig zu vermieten sei nicht aufgegeben worden.

Die Baulichkeiten seien seit Erwerb des Grundstücks langjährig vermietet worden. Für den vom Bundesfinanzhof (BFH) in regelmäßiger Rechtsprechung vertreten Grundsatz, dass bei einer auf Dauer angelegten Vermietung ohne weitere Prüfung vom Vorliegen einer Einkunftserzielungsabsicht auszugehen ist, sei es nur von Bedeutung, dass es sich um eine Vermietung von Gebäuden handle und nicht etwa um die Nutzung zu Wohnzwecken.

Eine spätere Nutzung zu eigenen Wohnzwecken schließe die Erzielung eines Totalüberschusses nicht aus.

Eine nicht mit der Einkunftserzielung zusammenhängende private Veranlassung sei nicht gegeben.

Die Aufwendungen in Zusammenhang mit dem Straßenausbaubeitrag seien Erhaltungsaufwand und nicht nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Das Grundstück sei bereits vorher erschlossen gewesen.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide die Einkommensteuer für 1996 unter Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 2.227 DM,

die Einkommensteuer für 1998 unter Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 46.746 DM und

die Einkommensteuer für 1999 unter Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.630 DM,

neu festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Mit Beschluss vom 12. Juli 2007 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Am 18. März 2008 fand der Termin der mündlichen Verhandlung statt. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidungen vom 12. Oktober 2006 (für 1996) und vom 29. September 2006 (für 1998 und 1999), die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II. 1.) Die Klage ist begründet.

a) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) erzielt (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 EStG), wer sein Grundstück in der Absicht verpachtet, daraus auf Dauer ein positives Ergebnis zu erreichen.

Das subjektive Merkmal dieses Tatbestandes, die Einkünfteerzielungsabsicht, wird von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit typisiert und muss deshalb tatsächlich nicht überprüft werden (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, vgl. Urteil vom 28. November 2007 - IX R 9/06, BFH/NV 2008, 641, m.w.N.).

Für die dauerhafte Verpachtung von unbebautem Grundbesitz hat der BFH in der genannten Entscheidung bestätigt, dass diese Typisierung nicht gilt. Die Verpachtung unbebauten Grundbesitzes ist unbeschadet der Art und Weise seiner Erwerbsfinanzierung nicht schon strukturell defizitär und bildet keine Grundlage für die typisierende Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht; denn es kommt anders als bei dem abnutzbaren Wirtschaftsgut Gebäude grundsätzlich zu keiner durch eine spätere Veräußerung nicht kompensierbaren Inanspruchnahme von Absetzungen für Abnutzung.

Für bebauten Grundbesitz gelten Ausnahmen von diesem typisierenden Grundsatz, wenn besondere Umstände gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht sprechen (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des BFH vom 10. Mai 2007 - IX R 7/07, BFH/NV 2007, 2163; und vom 19. April 2005 IX R 15/04, BStBl II 2005, 754, m.w.N.). Besondere Umstände können dann vorliegen, wenn bei einer Fallgestaltung entgegen dem Regelfall gerade nicht davon auszugehen ist, dass die Vermietung letztlich zu positiven Einkünften führt. Ausnahmen hat der BFH gesehen bei der Vermietung einer Ferienwohnung(Urteile vom 6. November 2001 IX R 97/00, BStBl II 2002, 726), bei einer verbilligten Vermietung (Urteil vom 5. November 2002 IX R 48/01, BStBl II 2003, 646), bei einer befristeten Vermietungstätigkeit (vgl. Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 47/99, BStBl II 2003, 580) und auch bei der Vermietung eines aufwändig gestalteten Wohngebäudes (Urteil vom 6. Oktober 2004 IX R 30/03, BStBl II 2005, 386).

Eine ausdrückliche Differenzierung bei bebauten Grundstücken bezüglich einer Wohnbebauung ist nicht ersichtlich.

b) Im zu entscheidenden Streitfall geht das Gericht davon aus, dass kein Ausnahmefall vorliegt, bei dem von der typisierenden Betrachtungsweise abzuweichen wäre.

Wie sich im Termin der mündlichen Verhandlung ergab, stellen die Wohnräume des streitgegenständlichen Gebäudes keine abgeschlossene Wohnung dar. Insbesondere sind diese Räume - auch durch die Verbindung von Küche und Stall und der geringen Wohnstandards - nur sehr eingeschränkt gesondert vermietbar. Bei diesen spezifischen Besonderheiten des zu entscheidenden Einzelfalls kann aus der fehlenden Vermietung dieser Wohnräume nicht auf eine fehlende Einkunftserzielungsabsicht geschlossen werden. Zu berücksichtigen ist, dass seit Erwerb des Grundstücks eine durchgängige - dauerhafte - Vermietung vorliegt. Eine verbilligte Vermietung ist weder vorgetragen noch ersichtlich. In einer Gesamtschau wurde deutlich, dass die Kläger das 1986 erworbene Gebäude möglichst weitgehend durch Vermietung genutzt haben wollten. So ist der Mieter des Stalls berechtigt, die Küche als Sattelkammer und das Obergeschoß zum Lagern von Futtergetreide zu nutzen.

Im Streitfall ist daher entsprechend der BFH-Rechtsprechung von einer Einkunftserzielungsabsicht der Kläger auszugehen.

Dadurch, dass die Wohnräume kaum gesondert vermietbar sind, kommt auch keine Aufteilung des Gebäudes in einen vermieteten und einen nichtvermieteten Teil - mit der Folge einer anteiligen Kürzung der Werbungskosten - in Betracht.

c) Die Kosten der Erschließungsmaßnahme sind als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Kosten einer erstmaligen Erschließung eines Grundstücks gehören zu den Anschaffungskosten eines Grundstücks. Handelt es sich um eine Verbesserung einer vorhandenen Erschließungsanlage liegen sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen vor.

Die Gemeinde ist mit dem Vorausleistungsbescheid vom 30. Juni 1998 ausdrücklich von einem Straßenausbaubeitrag nach Art. 5 BayKAG und nicht von einem Erschließungsbeitrag nach § 133 BauGB ausgegangen. Aus einem Schreiben der Gemeinde vom 15. Dezember 2005 ergibt sich, dass bereits vor dieser Baumaßnahme eine Straßenführung vorhanden war. Das Grundstück war daher bereits erschlossen. Eine mögliche Wertsteigerung des Grundstücks bleibt unberücksichtigt. Die geltend gemachten Aufwendungen sind als Werbungskosten zu berücksichtigen.

d) Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind wie von den Klägern erklärt zu berücksichtigen. Sowohl eine anteilige Kürzung der Werbungskosten, als auch eine Nichtberücksichtigung der Erschließungskosten scheiden - wie oben dargestellt - aus.

Zu berücksichtigen sind damit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1996 in Höhe von -2.227 DM (= -1.138,65 EUR), für 1998 in Höhe von -46.746 DM (= -23.900,85 EUR) und für 1999 in Höhe von -1.630 DM (= -833,41 EUR).

Die Berechnung der Einkommensteuer im Einzelnen wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

2.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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