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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: 7 K 1384/00
Rechtsgebiete: KStG 1996, AO 1977, EG


Vorschriften:

AO 1977 § 55 Abs. 1 Nr. 4
AO 1977 § 61 Abs. 1
AO 1977 § 62
KStG 1996 § 5 Abs. 2 Nr. 3
EG Art. 87
EG Art. 48 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

wegen Körperschaftsteuer 1997

hat das Finanzgericht München, 7. Senat, durch den Richter am Finanzgericht ... als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 30. Oktober 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

In der Sache ist bereits ein Gerichtsbescheid ergangen. Dagegen hat die Klägerin mündliche Verhandlung beantragt. Zur Begründung macht sie geltend, das Gericht bemängele die fehlende Behandlung der Vermögensverwendung nach Zweckfortfall oder Auflösung der Stiftung gemäß § 61 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Eine Behandlung in der Satzung sei zwar im vorliegenden Fall tatsächlich nicht gegeben. Es sei jedoch § 62 AO 1977 anwendbar, demzufolge Stiftungen von der formalen Satzungsstrenge befreit seien, wenn sie staatlich beaufsichtigt seien. Das italienische Recht erfülle im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Entbehrlichkeit einer Regelung der Vermögensverwendung nach deutschen Maßstäben. Die Auflösung von Stiftungen werde im italienischen Recht in Art. 27 ff des italienischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Codice Civile) behandelt. In Art. 31 heiße es in freier Übersetzung: "Die Güter der juristischen Person, die nach der Auflösung übrig bleiben, werden entsprechend des Vereinsgründungsakts oder der Vereinssatzung verteilt. Sofern derartige Regelungen nicht gegeben sind und es sich um eine Stiftung handelt, ist die staatliche Aufsichtsbehörde zuständig und lässt das Vermögen Einrichtungen zukommen, die einen ähnlichen Zweck wie die Stiftung verfolgen." Dieser klare Wortlaut zeige, dass Stiftungen in Italien, wenn wie hier die Stiftungssatzung den Verbleib des Vermögens nach Auflösung nicht regele, der staatlichen Aufsicht unterlägen und daher gewährleistet sei, dass das Vermögen nicht bei einer eventuellen Auflösung für der Steuerbegünstigung entgegenlaufende Zwecke verwendet werde. Entgegen der im Gerichtsbescheid vertretenen Auffassung seien auch die Anforderungen des § 60 AO 1977 eingehalten. So heiße es in der relevanten Passage: "Die Stiftung fördert ausschließlich Ausbildungs- und Erziehungszwecke. Die Stiftung unterstützt zur Erreichung ihrer Ziele die Lehrfächer der klassischen Herstellung von Saiten- und Streichinstrumenten, die Musikgeschichte und Musikwissenschaft im Allgemeinen, sowie das Wiederaufleben der Kunst in der Herstellung von Geigen und Streichinstrumenten ... Die Gemeinde (C.) hat der Stiftung gestattet, den historischen Raimondipalast in der Erwartung zu kaufen, aus ihm einen Musiktempel zu Ehren der großen Komponisten ... zu machen. Darüber hinaus sollen Lehre und Kenntnisse wissenschaftlicher und moralischer Werte für junge Leute vertieft werden. Die Stiftung darf außerdem ... Studienbeihilfen gewähren". Der Unterhalt des Musikzentrums, der Erwerb des Palastes, die Vermittlung der musikalischen Kenntnisse an junge Leute und Förderung von Konzerten seien klar umfasste Beschreibungen des Förderungszwecks. Es werde auch der Auffassung des Gerichts widersprochen, wonach die Beschränkung der in der Satzung vorgesehenen Studienbeihilfen auf "junge Schweizer" den Erfordernissen der Förderung der Allgemeinheit i. S. des § 52 AO 1977 nicht genüge. Sollte die Beschränkung auf ein Land schädlich sein, so müsste grundsätzlich die gesamte Weltbevölkerung mit einbezogen werden. Eine Beschränkung auf Jugendliche sei sachdienlich bei einer Nachwuchsförderung. Schließlich gehe das Gericht zu Unrecht davon aus, dass die Nichtgewährung der Steuerbefreiung im Rahmen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) keinen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht darstelle. Unabhängig von der Frage der Qualifizierung der fraglichen Norm als Subventionsnorm sei diese auch an dem Prüfungsmaßstab der allgemeinen und speziellen Diskriminierungsverbote zu prüfen. Die Feststellung des Gerichts, dass die Tätigkeit keinem Erwerbszweck diene und daher weder eine Wettbewerbssituation noch der Schutzbereich der Grundfreiheiten betroffen sei, sei jedenfalls unzutreffend. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 30. September 2002 verwiesen.

Im Anschluss an den Antrag auf mündliche Verhandlung hat die Klägerin - wie zuvor schon das Finanzamt - auf eine solche verzichtet. Der Verzicht soll auch für den Fall der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter gelten.

Das Gericht hält auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Klägerin an der im Gerichtsbescheid vertretenen Auffassung fest und verweist zur Begründung zunächst auf diesen. Ergänzend ist das Folgende anzumerken:

Entgegen der von der Klägerin unter Berufung auf das italienische Zivilrecht vertretenen Auffassung ist die in § 61 Abs. 1 AO 1977 vorgeschriebene satzungsmäßige Vermögensbindung im Streitfall nicht entbehrlich. Zwar lässt § 62 AO 1977 eine Ausnahme von der satzungsmäßigen Vermögensbindung für eine staatlich beaufsichtigte Stiftung zu. Mit der im italienischen Zivilrecht vorgesehenen staatlichen Aufsicht über die Verteilung des Vermögens bei der Auflösung einer Stiftung ist den Anforderungen des § 62 AO 1977 aber nicht genügt. Entscheidend ist, dass die staatliche Aufsicht auf den Fall der Auflösung der Stiftung beschränkt ist und daher nur insoweit die Verwendung des Vermögens für steuerbegünstigte Zwecke gewährleistet ist. In § 61 Abs. 1 AO 1977 wird aber - weitergehend - die satzungsmäßige Vermögensbindung auch für den Fall des Wegfalls des bisherigen Zwecks der Körperschaft verlangt. Eine solche kann aber nur die in § 62 AO 1977 geforderte staatliche Aufsicht gewährleisten, die sowohl die laufende Geschäftsführung als auch die Auflösung der Körperschaft umfasst (vgl. Art. 20 des Bayerischen Stiftungsgesetzes). Diese umfassende Aufsicht besteht hier aber nicht.

Das Gericht hält ferner daran fest, dass sich der Satzung nicht mit der geforderten Eindeutigkeit (§ 60 Abs. 1 AO 1977) entnehmen lässt, ob die genannten Ausbildungs- und Erziehungszwecke durch die Klägerin unmittelbar (§ 57 Abs. 1 AO 1977) oder - was dem gleichstehen würde - durch Förderung einer anderen Körperschaft i. S. des § 58 Ziffer 1 AO 1977 verfolgt werden. Auch die von der Klägerin in der Begründung ihres Antrag auf mündliche Verhandlung hervorgehobenen Satzungsbestimmungen lassen dies nicht eindeutig erkennen. Darauf, ob sie selbst (und damit unmittelbar) die Ausbildung durchführt, ist sie nicht näher eingegangen.

Schließlich bleibt das Gericht auch bei der Auffassung, dass die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KStG nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt. Dazu ist im Gerichtsbescheid ausgeführt, als eine Subventionsnorm sei § 5 Abs. 2 Nr. 3 KStG zunächst an der insoweit maßgeblichen Vorschrift des Art. 87 des EG-Vertrags (EGV) zu messen. Eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs hat das Gericht verneint, weil sich gemeinnützige Körperschaften weder als solche noch (mangels einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung) in Bezug auf die hier zu beurteilende vermögensverwaltende Tätigkeit in einer Wettbewerbssituation befinden. Aus den gleichen Gründen ist - wie im Gerichtsbescheid ausgeführt - auch ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten (hier die Niederlassungsfreiheit der Art. 43, 48 EGV) nicht gegeben. Eine Betätigung fällt nur dann unter den Schutzbereich der Grundfreiheiten, wenn sie zum Wirtschaftsleben gehört (Art. 2 EGV) bzw. - sachlich gleichbedeutend - ein Erwerbszweck verfolgt wird (Art. 48 Abs. 2 EGV). Im Streitfall sind damit die Grundfreiheiten nicht berührt. Bezieht man den Erwerbszweck auf die Körperschaft als solche, können gemeinnützige Einrichtungen die Grundfreiheiten von vorneherein nicht in Anspruch nehmen. Aber auch wenn man nach einer funktionalen Betrachtungsweise die Frage nach dem Erwerbszweck allein für die jeweils ausgeübte Tätigkeit stellt, ändert sich die Beurteilung im Streitfall nicht. Wie bereits im Gerichtsbescheid ausgeführt, dient eine vermögensverwaltende Tätigkeit, deren Erträge von vorneherein für gemeinnützige Zwecke zu verwenden sind, keinem Erwerbszweck. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist die Vermögensverwaltung ohne jede Einschränkung nicht dem Bereich einer wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen (vgl. Helios, Betriebsberater -BB- 2002 -, 1893, 1895 Fn. 37). Bei dieser Sachlage kann sich die Frage eines Verstoßes des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KStG gegen die Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts nur in den Fällen stellen, in denen eine in einem ausländischen Mitgliedsstaat ansässige gemeinnützige Körperschaft im Inland einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, für den die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs gegeben sind (§ 64 AO 1977) und der somit bei einer inländischen gemeinnützigen Körperschaft steuerbefreit wäre. Dies trifft auf die hier in Frage stehende Vermietung als einer vermögensverwaltenden Tätigkeit nicht zu (§ 14 AO 1977).

Ende der Entscheidung

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