Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 28.09.2009
Aktenzeichen: 7 K 2374/08
Rechtsgebiete: KStG, EStG, BGB, AO


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 3
EStG § 11
BGB § 389
AO § 175 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des ... des ... und der ...

sowie der ehrenamtlichen Richter ...

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 28. September 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die als Verbindlichkeit gebuchte Tantieme des Gesellschafter- Geschäftsführers für 2000 als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu behandeln ist.

Die Klägerin ist eine GmbH, die sich in Liquidation befindet. Einziger Gesellschafter ist Herr G der auch zum alleinigen Geschäftsführer bestellt war. Auf den Geschäftsführer- Anstellungsvertrag vom 1. Oktober 1988 und den Ergänzungsvertrag vom 18. Dezember 1989 wird hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen. In der Bilanz zum 31. Dezember 2000 wies die Klägerin unter dem Konto 1330 Forderungen gegenüber G in Höhe von 985.208,67 DM aus. Unter dem Konto 3097 wies sie Verbindlichkeiten gegenüber G unter der Bezeichnung "Lohn- und Gehaltsverrechnungen" in Höhe von 280.852 DM = 143.597,35 EUR aus. Hierbei handelt es sich um nicht ausbezahlte Tantiemen an G. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Tantieme für den Zeitraum 1998 33.147,56 EUR Tantieme für den Zeitraum 1999 56.685,40 EUR Tantieme für den Zeitraum 2000 53.764,39 EUR Gesamt 143.597,35 EUR

In der Bilanz zum 31.12.2001 erhöhten sich die Verbindlichkeiten gegenüber G um die nicht ausbezahlte Tantieme für 2001 in Höhe von 5.930,99 EUR. Die Klägerin führte für die nicht ausbezahlten Tantiemen keine Lohnsteuer ab.

Das beklagte Finanzamt (das Finanzamt) führte die Veranlagungen zur Körperschaftsteuer 2000, gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Körperschaftsteuergesetz (KStG) und Gewerbesteuermessbescheid 2000 zunächst ohne Berücksichtigung von vGA durch (Bescheide vom 10. November 2004). Nachdem es im Rahmen einer persönlichen Vorsprache von G beim Finanzamt und einem erläuternden Schreiben vom 24. Juni 2007 Kenntnis von der Zusammensetzung des Passivpostens "Lohn- und Gehaltsverrechnungen" in der Bilanz erhielt, änderte das Finanzamt mit Bescheiden vom 12. Dezember 2007 die bisherigen Steuerfestsetzungen für 2000 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und rechnete die nicht ausbezahlte und den Verbindlichkeiten zugeführte Tantieme für 2000 in Höhe von 105.154 DM als vGA dem Einkommen der Klägerin hinzu. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2008).

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, dass der Umstand, dass die Tantieme für das Wirtschaftsjahr 2000 in Höhe von 105.154 DM wie auch für die beiden vorangegangenen Wirtschaftsjahre nicht ausbezahlt worden sei, nicht gegen die tatsächliche Durchführung bzw. die Ernsthaftigkeit der Tantiemevereinbarung mit dem beherrschenden Gesellschafter- Geschäftsführer spreche. Gegenüber G habe zum Bilanzstichtag nicht nur eine Verbindlichkeit aus den nicht ausbezahlten Tantiemen bestanden, sondern ebenso eine Forderung in Höhe von 983.345,94 DM. Damit habe eine Aufrechnungslage in Höhe der streitgegenständlichen Verbindlichkeit bestanden. Am 22. August 2008 habe sie gegenüber G die Aufrechnung mit den rückständigen Tantiemen erklärt. Dadurch seien die Tantiemeforderungen von G nach § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rückwirkend erloschen und an der tatsächlichen Durchführung bzw. Ernsthaftigkeit der Tantiemevereinbarung könne kein Zweifel mehr bestehen. Im Übrigen müsse zumindest bei einem beherrschenden Gesellschafter- Geschäftsführer im Falle des Bestehens einer Aufrechnungslage bereits von einer Zuflussfiktion ausgegangen werden. Diese sei mit Einstellung in die Bilanz und Einreichung der Bilanz beim Finanzamt eingetreten.

Die Klägerin beantragt,

die Aufhebung der Änderungsbescheide über Körperschaftsteuer 2000, gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Körperschaftsteuergesetz zum 31.12.2000 und Gewerbesteuermessbescheid 2000, jeweils vom 12. Dezember 2007, und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2008, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt Klageabweisung.

Er trägt vor, die steuerliche Anerkennung der Tantieme scheitere bereits am fehlenden Erfordernis einer zivilrechtlich wirksamen, klaren und im Voraus abgeschlossenen Tantiemevereinbarung zwischen der Klägerin und dem beherrschenden Gesellschafter- Geschäftsführer. Anhand der vorliegenden Tantiemevereinbarung ließen sich die in den Bilanzen berücksichtigten Tantiemen rechnerisch nicht nachvollziehen. Zudem fehle es an einer Regelung über die Fälligkeit der jeweiligen Tantieme. Außerdem sei die Vereinbarung mangels Auszahlung der Tantieme nicht tatsächlich durchgeführt worden. Gründe hierfür seien nicht vorgetragen worden und nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. Gegen die Ernsthaftigkeit der Tantiemevereinbarung spreche auch, dass - obwohl eine Aufrechnungslage bestanden habe - weder die Klägerin noch G die Aufrechnung erklärt hätten. Erst mit der am 21. August 2008 erklärten Aufrechnung seien die Tantiemen für die Jahre 1998 bis 2001 - die Wirksamkeit der Aufrechnung unterstellt - ausbezahlt worden. Bei einer Verzögerung der Auszahlung um so einen langen Zeitraum könne von einer ernstlich gemeinten Tantiemevereinbarung nicht ausgegangen werden. Steuerlich werde - ungeachtet der zivilrechtlichen Rückwirkung der Aufrechnung nach § 389 BGB - die Aufrechnungserklärung nicht bereits mit Entstehung der Aufrechnungslage bewirkt, sondern erst mit Wirksamkeit der Aufrechnungserklärung. Gegen die Ernstlichkeit der Tantiemevereinbarung spreche schließlich auch, dass die Klägerin ihren sonstigen Arbeitgeberverpflichtungen nicht nachgekommen sei. So habe sie für die Tantiemen der Jahre 1998 bis 2001 bei Feststellung des jeweiligen Jahresabschlusses keine Lohnsteuer angemeldet und abgeführt. Zudem hätte sich, da G den Schuldsaldo seines Verrechnungskontos zu verzinsen habe, der Saldo durch eine Aufrechnung mit den Tantiemeforderungen erheblich vermindert. Dennoch sei, wie dies unter fremden Dritten üblich gewesen wäre, keine Aufrechnung erklärt worden. Im Übrigen verstoße die hier gewählte Gestaltung gegen die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach die Bezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers im Allgemeinen wenigstens zu 75% aus festen und höchstens zu 25% aus erfolgsabhängigen Bestandteilen bestehen dürfe.

Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 28. September 2009 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat die gewinnmindernd gebuchte Tantieme für 2000 zu Recht als vGA behandelt.

1. G ist unstreitig ein beherrschender Gesellschafter der Klägerin. Bei einem beherrschenden Gesellschafter ist eine vGA nach § 8 Abs. 3 KStG anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, eindeutigen, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 36/03, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2004, 307 m.w.N.).

2. Entgegen der Auffassung des Finanzamts fehlt es im Streitfall bezüglich der Tantiemevereinbarung nicht an einer klaren und eindeutigen Vereinbarung. Im Ergänzungsvertrag vom 18. Dezember 1989 ist die Höhe des Tantiemeanspruchs eindeutig geregelt, denn es werden der Prozentsatz sowie die Bemessungsgrundlage festgelegt. Anhand der Zahlen des Jahresabschlusses lässt sich die Höhe des als Bemessungsgrundlage festgelegten Jahresüberschusses vor Abzug der Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer eindeutig bestimmen. Dass sich die in den Bilanzen berücksichtigten Tantiemen rechnerisch nicht nachvollziehen lassen, ist keine Frage der klaren und eindeutigen Vereinbarung, sondern des tatsächlichen Vollzugs der Vereinbarung. Auch ist das Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung über den Fälligkeitszeitpunkt der Tantieme unschädlich, da es sich hierbei nur um eine Frage des Vollzugs des Vertrags und nicht des Entstehens von Forderungen und Verbindlichkeiten handelt (BFH-Urteil vom 25.10.1995 I R 9/95, BStBl II 1997, 703). Eine Tantieme wird auch ohne besondere vertragliche Vereinbarung mit dem Tag der Feststellung des Jahresabschlusses fällig (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., Anhang § 6 Rz. 32).

3. Im Streitfall fehlt es jedoch an einen tatsächlichen Vollzug der Tantiemevereinbarung. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss eine Vereinbarung zwischen Kapitalgesellschaft und beherrschendem Gesellschafter tatsächlich durchgeführt werden, um deren Ernsthaftigkeit erkennen zu lassen. Vollzogen wird das Tantiemeversprechen nicht bereits dadurch, dass diese als Verbindlichkeit in die Bilanz der Klägerin gestellt wird. Ein tatsächlicher Vollzug setzt voraus, dass die Tantieme dem Gesellschafter-Geschäftsführer auch tatsächlich zugeflossen im Sinne von § 11 Einkommensteuergesetz (EStG) ist. Ein tatsächlicher Zufluss setzt nicht notwendig tatsächliche Zahlungsvorgänge voraus. Ausreichend ist auch eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung oder die Umwandlung der Tantiemeforderung in eine verzinsliche Darlehensforderung durch eine ausdrückliche Darlehensvereinbarung (BFH-Urteil vom 29. Juli 1992 I R 28/92, BStBl II 1993, 247). Aus diesem Grund wird eine Tantiemevereinbarung auch vollzogen, wenn diese bei Fälligkeit auf ein Verrechnungskonto des Gesellschafter-Geschäftsführers gebucht wird, über das dieser jederzeit frei verfügen kann (vgl. Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz. 332 m.w.N.). Da im Streitfall die Tantiemeverbindlichkeit der Klägerin nicht auf das Verrechnungskonto des Gesellschafter- Geschäftsführers gebucht wurde, ist durch den Ausweis der Verbindlichkeit in der Bilanz keine Aufrechnung bewirkt worden. Das bloße Bestehen einer Aufrechnungslage stellt noch keine Erfüllungsleistung der Klägerin dar (BFH-Beschluss vom 2. Mai 2005 VI B 139/06, BFH/NV 2007, 1315).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch die zivilrechtliche Rückwirkung nach § 389 BGB steuerlich unbeachtlich (BFH in BFH/NV 2007, 1315). Dass unter bestimmten Voraussetzungen ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu einer Änderung eines bereits eingetreten Steueranspruchs führen kann, widerspricht dem nicht, denn bei laufend veranlagten Steuern wie die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer greift § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO u.a. dann nicht ein, wenn sich aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) etwas anderes ergibt. Die GoB besagen, dass die Folgerungen aus der Sachverhaltsänderung erst in der der Sachverhaltsänderung folgenden Bilanz zu ziehen sind, so dass es in den Fällen, in denen - wie im Streitfall - die GoB zu beachten sind, nicht zu einer Rückwirkung kommen kann (vgl. Leopold/Madle/Rader, AO, § 175 Rz. 42 m.w.N.).

Ein fehlender Vertragsvollzug für einen begrenzten Zeitraum kann zwar unschädlich sein, wenn ihm betriebliche Gründe entgegenstehen und alle sonstigen Folgerungen aus dem Vertrag gezogen werden. Unter diesen Voraussetzungen führt die Tatsache allein, dass die Tantieme nicht am Fälligkeitstag ausbezahlt wird, noch nicht dazu, dass die Tantiemevereinbarung mangels tatsächlicher Durchführung nicht anzuerkennen ist. In der Literatur wird es deshalb als unschädlich angesehen, wenn eine Tantieme erst innerhalb eines Zeitraums von bis zu einem Jahr nach ihrer Fälligkeit nicht geltend gemacht wird (Lang in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG nF § 8 Abs. 3 Rdnr. 511 unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 28. Juli 1993 I B 54/93, BFH/NV 1994, 345). Der Senat kann es dahingestellt lassen, ob die Nichtgeltendmachung der Auszahlung der fälligen Tantieme bis zu einem Jahr noch als unschädlich anzusehen ist, denn im Streitfall ist G die Tantieme für das Jahr 2000, ebenso wie die Tantiemen der Jahre 1998, 1999 und 2001, erst durch die Aufrechnungserklärung vom 22. August 2008 - deren Wirksamkeit unterstellt - zugeflossen. Bei Nichtgeltendmachung der Tantiemeforderung über einen so langen Zeitraum hinweg liegt keinesfalls mehr ein geringfügiges zeitliches Überschreiten der Fälligkeit vor.

4. Da das Finanzamt erst nach Erlass der Bescheide vom 10. November 2004 Kenntnis von der Zusammensetzung des Bilanzpostens "Lohn- und Gehaltsverrechnungen" erhielt, lagen auch in formeller Hinsicht die Voraussetzungen für eine Änderung dieser Bescheide nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vor.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorlagen.

Ende der Entscheidung

Zurück