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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 09.11.2004
Aktenzeichen: 7 K 244/01
Rechtsgebiete: HGB, BGB, EStG 1990


Vorschriften:

HGB § 249 Abs. 1 S. 1
EStG 1990 § 5 Abs. 1
BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

wegen Körperschaftsteuer 1993

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des ..., des Richters am Finanzgericht ... und des Richters am Finanzgericht ... sowie der ehrenamtlichen Richterinnen ... und ... ohne mündliche Verhandlung am 9. November 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Klage wird der Körperschaftsteuerbescheid 1993 vom 25. September 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2000 dahin geändert, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens Rückstellungen für Aufwendungen zur Rücknahme von Altbatterien in Höhe von DM berücksichtigt werden.

2. Die Berechnung der steuerlichen Auswirkungen wird dem Beklagten übertragen.

3. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I.

Die Klägerin vertreibt Starterbatterien für Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und Motorräder, die von ihrer ausländischen Schwestergesellschaft mit Sitz in ... produziert werden. Bei der Rücknahme von Altbatterien entstehen der Klägerin Kosten durch den Transport von den bei Kunden eingesammelten Altbatterien in besonders ausgestatteten und gekennzeichneten Fahrzeugen sowie durch Prüfungs- und Untersuchungstätigkeiten bei den zurückgenommenen Batterien. Streitig ist, ob die Klägerin hierfür in ihrer Bilanz zum 31. März 1993 eine Rückstellung bilden durfte.

Bereits am 9. September 1988 hatten sich die im Fachverband Batterien des Zentralverbands der Elektrotechnik- und Elektroindustrie e.V. vertretenen Hersteller und Importeure von Batterien, die nicht in diesem Verband vertretenen Importeure sowie die in der Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhandels vertretenen Verbände freiwillig zur Rücknahme gebrauchter Starterbatterien verpflichtet. Seit August 1993 enthalten die Preislisten der Klägerin den deutlich hervorgehobenen Text: B. entsorgt Sie von Altbatterien egal welcher Marke und führt alle lückenlos einem umweltschonenden Recycling zu. Die Klägerin nimmt seitdem bis heute - Altbatterien jedweder Marke von ihren Kunden kostenlos zur Entsorgung zurück.

Im Einzelnen läuft die Rücknahme von Altbatterien durch die Klägerin wie folgt ab: Im Rahmen der Belieferung von Kunden oder nach Aufforderung durch den Kunden werden die Altbatterien von der Klägerin mit speziell für diesen Transport ausgestatteten und gekennzeichneten Fahrzeugen eingesammelt. Neben der speziellen Ausrüstung der Fahrzeuge ist es erforderlich, dass die Mitarbeiter der Klägerin hierfür eine Gefahrengutausbildung samt laufender Nachschulung absolvieren. Nicht mehr verwendete Altbatterien werden zunächst beim Kunden aufgrund einschlägiger umweltrechtlicher Vorschriften in speziell dafür eingerichteten Räumlichkeiten gelagert. Aus diesen Räumen muss der Verkaufsfahrer die Batterien zum Großteil einzeln in die im Verkaufsfahrerfahrzeug stehenden Behälter schlichten. Der Verkaufsfahrer muss die Batterien optisch auf ihre Dichtheit überprüfen, da beschädigte Batterien gesondert in säuredichten Spezialbehältern zu transportieren sind. Werden Batterien wie bei Großkunden üblich bereits in Behältern bereitgestellt, sind diese Behälter durch den Verkaufsfahrer auf die Beimengung anderer Batterietypen (Knopfzellen, Telefonakkus) zu kontrollieren. Nach Abschluss der Verladetätigkeit wird ein Lieferschein mit der eingesammelten Anzahl und dem ausgewiesenen Gewicht der Batterien ausgestellt.

In der Niederlassung der Klägerin werden die Batterien ausgeladen und, je nachdem, ob sie beschädigt sind oder nicht, in säuredichte Spezialbehälter bzw. auf Gitterboxpaletten geschlichtet und mit einer Folie eingeschweißt. Sobald sich eine Menge von ca. 24 Tonnen Altbatterien angesammelt hat, wird eine Spedition mit dem Transport zu einer Recyclinghütte beauftragt. Die Transportkosten hierfür trägt die jeweilige Niederlassung der Klägerin.

Aufgrund des beschriebenen Recyclingsystems liegt die Rücknahmequote von Altbatterien bei etwa 100 %, d.h., der Klägerin ist es möglich, annähernd die gleiche Anzahl von Batterien einer Wiederverwertung zuzuführen wie von ihr produziert bzw. vertrieben werden. Die von der Beklagten (dem Finanzamt -FA-) zunächst gegen die Höhe der Rücknahmequote vorgebrachten Bedenken wurden trotz Aufforderung des Gerichts nicht näher begründet; im Termin zur Erörterung der Streitsache vom 12. Juli 2004 hat das FA zuletzt an seinen Bedenken nicht länger festgehalten.

Die Klägerin wies Rückstellungen für die Rücknahme von Altbatterien erstmals in ihrer Bilanz zum 31. März 1993 in Höhe von ... DM aus. Ihrer Auffassung nach ist sie zur unentgeltlichen Rücknahme der Altbatterien schon aufgrund ihrer Angaben in den Preislisten, die zumindest konkludent Vertragsbestandteil geworden seien, vertraglich verpflichtet. In der Regel erfolge die Rückgabe beim Kauf einer neuen Batterie, da mit dem Unbrauchbarwerden der alten Batterie regelmäßig der Bedarf nach einer neuen entstehe. In Erfüllung der vertraglichen Nebenpflicht lt. den Preislisten sowie der allgemeinen Geschäftspolitik der Klägerin würden dabei auch Altbatterien zurückgenommen, die von anderen Herstellern stammten. Dies diene vor allem der Vereinfachung des Verfahrens. Von der Klägerin selbst produzierte bzw. vertriebene Batterien würden jedoch immer zurückgenommen, auch dann, wenn keine neue Batterie vom Kunden gekauft werde. Für die Rücknahme werde von der Klägerin kein Entgelt erhoben; die Klägerin berücksichtige die Kosten der Rücknahme von Altbatterien im Verkaufspreis der Neubatterien. Im Ergebnis würden daher ebenso viele Batterien zurückgenommen, wie zuvor verkauft worden seien. Die Rücknahme der Batterien knüpfe daher nur an den zurückliegenden Verkauf der nunmehr verbrauchten Batterie an. Der in diesem Zusammenhang häufiger vorkommende zeitgleiche Erwerb einer neuen Batterie erfolge nur bei Gelegenheit der Rückgabe der alten Batterie, da die verbrauchten Batterien auch ohne den Kauf einer neuen Batterie von der Klägerin zurückgenommen würden. Bei der Rücknahmeverpflichtung handle es sich um eine ungewisse Verbindlichkeit, da die Lebensdauer der Batterien zwischen drei und sieben Jahren schwanke, und damit die Fälligkeit des Rücknahmeanspruchs variieren könne und vom Verhalten des Abnehmers abhängig sei. Wirtschaftlich verursacht sei die Verbindlichkeit bereits durch das Inverkehrbringen der neuen Starterbatterien im Streitjahr. Die künftigen Rücknahmekosten würden kalkulatorisch im Verkaufspreis der Neubatterien berücksichtigt.

Wirtschaftlich verursacht sei diese Verbindlichkeit bereits durch das Inverkehrbringen der neuen Starterbatterien, nicht erst im technischen Verbrauch der Batterie. Der technische Verbrauch der Batterie selbst sei nicht Ursache der Rückgabe, sondern nur zwangsläufige Folge der Benutzung der Batterie durch den Nutzer. Dies zeige sich dadurch, dass die Klägerin aufgrund des beim Verkauf eingegangenen Vertragsverhältnisses rechtlich verpflichtet sei, die Batterie, auch wenn sie noch neuwertig sei, zurückzunehmen und zu entsorgen, wenn der Kunde dies verlange. Die zugesagte Leistung sei daher bereits im Zeitpunkt des Verkaufes konkret entstanden und hänge nicht von einem zukünftigen Verbrauch der Batterie ab, und zwar auch dann, wenn in der Praxis die Rückgabe einer neuwertigen Batterie zu Entsorgungszwecken aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen eher unwahrscheinlich sei. Da die Rücknahmequote von Altbatterien bei der Klägerin unbestritten fast 100 % betrage, würde sich diese durch die Verweigerung der Rücknahme von Altbatterien vertraglichen Schadenersatzansprüchen aussetzen.

Eine Verpflichtung zur Rücknahme der Altbatterien ergebe sich für die Klägerin aber auch aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung. Eine Verpflichtung zur unentgeltlichen Rücknahme der Altbatterien bestünde insbesondere aufgrund der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über gefährliche Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren 91/157/EWG vom 18. März 1991 Richtlinie 91/157/EWG -, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1991 Nr. L 78/38 und ihrer Produktverantwortung nach § 22 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes vom 27. September 1994, BGBl I 1994, 2705.

Durch Art. 7 Richtlinie 91/157/EWG würden die Mitgliedstaaten verpflichtet, ein Einsammel- und Wiederverwertungssystem aufzubauen. Diese Vorschrift sei mit der Verordnung über die Rücknahme und Entsorgung gebrauchter Batterien und Akkumulatoren vom 27. März 1998 in nationales Recht umgesetzt worden. Auch §§ 22 und 24 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes enthielten Verpflichtungen für die Hersteller und Vertreiber von Produkten zur Rücknahme verbrauchter Erzeugnisse. Die erforderliche Konkretisierung einer betrieblichen Belastung entfalle auch nicht dadurch, dass die genannten Normen keine bestimmten Verhaltensanweisungen der betroffenen Betriebe enthielten. Es genüge insoweit, dass die genannten gesetzlichen Regelungen für eine geordnete Lagerung bzw. Entsorgung von gefährlichen Altprodukten zur Vermeidung einer Umweltgefährdung enthielten.

Unabhängig von gesetzlichen Vorschriften und Verwaltungsanordnungen bestünde bei Altbatterien ferner ein faktischer Rücknahmezwang. Dieser genüge, um eine ungewisse Verbindlichkeit zu begründen. Die Gefährlichkeit von Batterieabfällen für die Umwelt, insbesondere wegen des darin meist enthaltenen Blei und der enthaltenen Säure, sei in der Gesellschaft allgemein bekannt und akzeptiert. Aufgrund des gestiegenen Umweltbewusstseins in der Bevölkerung und der seit Jahren praktizierten Rücknahme von Batterien sei die Rückgabe der alten Batterie beim Kauf einer neuen eine Selbstverständlichkeit für den Verbraucher geworden. Aus dem daraus folgenden wirtschaftlichen Zwang zur Rücknahme der verbrauchten Batterien ergebe sich bei umfassender Wertung aller Einzelumstände, dass eine hinreichend konkrete betriebliche Belastung der Klägerin zu bejahen sei und der Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung gerechtfertigt sei. Der Umstand, dass bei der Klägerin eine ernsthafte Erfüllungsbereitschaft zur Rücknahme vorhanden sei, zeige sich schon aufgrund der freiwilligen Selbstverpflichtung vom 9. September 1998 betreffend die Entsorgung von Batterien, die die zuständigen Industrieverbände in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Umwelt ausgearbeitet hätten.

Das FA erkannte im Anschluss an eine Außenprüfung die Rückstellungen für die Rücknahme von Altbatterien nicht an. Stattdessen berücksichtigte das FA lediglich die voraussichtlichen Transportkosten zum Recyclingbetrieb für den an den Bilanzstichtagen vorhandenen Altbatterie-Lagerbestand durch Einstellung einer Rückstellung in Höhe von 10.000 DM. Nach Auffassung des FA war die Klägerin im Streitjahr (noch) nicht zur Rücknahme der Altbatterien verpflichtet. Bei der Rücknahme von Altbatterien handle es sich nicht um die Behebung eines Mangels der zuvor verkauften Batterie, sondern um eine Leistung, die für einen später aus der Benutzung verkaufter Ware durch den Kunden aufgetretenen Mangel der verbrauchten Ware (Verschleiß, Verbrauch oder Erschöpfung) erbracht werde. Die entsprechende Leistung konkretisiere sich erst in dem Zeitpunkt, in dem die einzelne Maßnahme zur Behebung des Mangels tatsächlich erforderlich sei. Auch eine faktische Rücknahme- und Verwertungsverpflichtung liege nicht vor. Ferner löse die Tatsache, dass die Klägerin Batterien jeglicher Marke unabhängig davon, ob der Kunde im Rückgabezeitpunkt bei der Klägerin neue Batterien kaufe oder nicht, zurücknehme, den Verpflichtungszusammenhang mit dem Verkaufszeitpunkt der Neubatterien. Die von der Klägerin benannten öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbesondere die EG-Richtlinie vom 18. März 1991 (91/157/EWG) sei im Streitjahr noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden. Auch aus den zitierten Vorschriften des Abfallgesetzes lasse sich eine Rücknahmeverpflichtung nicht entnehmen.

Im Übrigen könne der Kunde aus den Preislisten der Klägerin nur entnehmen, dass er im Zeitpunkt des Erwerbs einer neuen Batterie seine Altbatterie zurückgeben könne. Davon, dass ihm auch später diese Möglichkeit geboten werde, könne er nicht mit Sicherheit ausgehen. Damit könnte eine Rückstellung allenfalls in Form einer in der Steuerbilanz nicht zulässigen Aufwandsrückstellung gebildet werden.

Die Klägerin beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid 1993 vom 25. September 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2000 dahin zu ändern, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens Rückstellungen für Aufwendungen zur Rücknahme von Altbatterien in Höhe von 1.402.000 DM berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

In einem Termin zur Erörterung der Streitsache am 12. Juli 2004 hat die Klägerin mit Blick auf die noch klärungsbedürftigen Sachverhaltsaspekte (vgl. BFH-Beschluss vom 15.03.1999 I B 95/98, BFH/NV 1999, 1205, unter II. 2 c) cc) ccc) aaaa) der Entscheidungsgründe) - unwidersprochen vorgetragen, dass sie die streitigen Rückstellungen nicht bereits aufgrund der öffentlich-rechtlichen Selbstverpflichtung zur Rücknahme, sondern erst - zu einem späteren Zeitpunkt - aufgrund einer angenommenen vertraglichen Nebenpflicht aus dem laufenden Verkauf von Neubatterien gebildet habe, da sie davon ausgegangen sei, dass mit dem Verkauf einer Neubatterie die Verpflichtung zur zeitnahen Rücknahme dieser Batterie entstehe. Zwischen der Klägerin und ihren Kunden (überwiegend Discounter, Großhändler und Tankstellen bzw. Werkstätten) bestehe ein nahezu geschlossenes Kreislaufsystem im Sinne von Verkauf und Rücknahme; vor dem Hintergrund eines gestiegenen Umweltbewusstseins werde die umweltgerechte Entsorgung der gefährlichen Batterieinhaltsstoffe von den Kunden auch erwartet. Eine Neubatterie habe in der Regel eine Lebensdauer von 6 - 7 Jahren bei einer Garantiezeit von 3 - 4 Jahren. Spätestens nach Ablauf der Garantiezeit müsse mit der jederzeitigen Rückgabe der Batterie gerechnet werden. Zwar komme es auch vor, dass Kunden Batterien zurückbrächten, ohne eine Neubatterie zu kaufen oder bereits beim Erstkontakt Batterien zurückgäben, jedoch seien diese Fälle zahlenmäßig eher untergeordnet. Die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Klägerin aus der Selbstverpflichtung gegenüber dem Zentralverband und aus den nationalen Umweltgesetzen verstehe die Klägerin weniger als eigenständige Verpflichtung (im Sinne des § 249 HGB), sondern als Auslöser für den, jedenfalls seit 1993 bestehenden, faktischen Rücknahmezwang.

Der Vertreter des Finanzamts hat im Termin zur Erörterung der Streitsache insbesondere darauf hingewiesen, dass die auf den Kunden überwälzten Kosten im Verkaufspreis der Neubatterie nicht betragsmäßig ausgewiesen seien oder sonst abgrenzbar dargestellt werden könnten. Die Klägerin habe im Zeitpunkt des Verkaufs einer Neubatterie noch nicht mit der kostenlosen Rückgabe dieser oder einer anderen Batterie rechnen müssen; sie selbst habe in einer Kundenzeitschrift vom Juni 1993 ausgeführt, dass eine kostenlose Rücknahme von Altbatterien in Zukunft möglicherweise nicht mehr gewährleistet sei. Die Klägerin habe im Übrigen in ihren Preislisten nicht davon gesprochen, dass eine Rücknahme stets kostenlos erfolgen könne. Vielmehr sei nur ausgeführt, dass die Klägerin den Kunden von der Altbatterie entsorge.

Auf das Protokoll des Termins zur Erörterung der Streitsache vom 12. Juli 2004 sowie auf die vorgelegten Steuerakten wird Bezug genommen. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe

II.

Die Klage ist begründet; das FA hat die von der Klägerin gebildeten Rückstellungen für die Rücknahme von Altbatterien zu Unrecht nicht anerkannt.

1. Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) sind u.a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die Vorschrift enthält einen Grundsatz ordnungsgemäßer Bilanzierung und statuiert eine handelsrechtlich und nach § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch steuerrechtlich zu beachtende Passivierungspflicht. Die Pflicht zur Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzt allgemein voraus, dass eine Verbindlichkeit dem Grunde nach nicht mit Sicherheit aber doch mit Wahrscheinlichkeit besteht oder entstehen wird oder dass über die Höhe dieser Verbindlichkeit Unsicherheit besteht, die künftigen Ausgaben im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht wurden und die Inanspruchnahme aus der Verbindlichkeit nach den am Bilanzstichtag gegebenen Verhältnissen wahrscheinlich war. Wirtschaftlich verursacht ist eine Verbindlichkeit, wenn der Tatbestand, von dessen Verwirklichung ihre Entstehung abhängt, in dem betreffenden Wirtschaftsjahr im wesentlichen bereits verwirklicht ist und die Verbindlichkeit damit so eng mit dem betrieblichen Geschehen dieses Wirtschaftsjahres verknüpft ist, daß es gerechtfertigt ist, sie wirtschaftlich als eine bereits am Bilanzstichtag bestehende Verbindlichkeit zu behandeln (Urteile des Bundesfinanzhofs BFH - vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92, BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891; vom 10. Dezember 1992 XI R 34/91, BFHE 170, 149, BStBl II 1994, 158, jew. m.w.N.).

Auch für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem Recht ergeben (Geld- oder Sachleistungsverpflichtungen), können Rückstellungen gebildet werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die öffentlich rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Die Verpflichtung muss auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zielen. Diese Voraussetzungen werden im Regelfall bei Erlass einer behördlichen Verfügung oder bei Abschluss einer entsprechenden verwaltungsrechtlichen Vereinbarung vorliegen. Grundsätzlich kann auch eine Verpflichtung, die sich allein aus gesetzlichen Bestimmungen ergibt, zur Bildung einer Rückstellung führen. Dies setzt einen entsprechend konkreten Gesetzesbefehl voraus; zudem ist nach der Rechtsprechung für die Rückstellung auf Grund einer sich aus öffentlichem Recht ergebenden Verpflichtung erforderlich, dass an die Verletzung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, sodass sich der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis gleichsam nicht entziehen kann (vgl. BFH - Urteile vom 25. März 2004 IV R 35/02, DStR 2004, 1247; vom 25. März 1992 I R 69/91, BFHE 1968, 527, BStBl II 1992, 1010; vom 12. Dezember 1991 IV R 28/91, BFHE 167, 334, BStBl II 1992, 600 und in BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891, jeweils m.w.N.)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gelten die Grundsätze zur Rückstellungsbildung auch für faktische ungewisse Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, denen sich ein Kaufmann aus sittlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht entziehen kann, obwohl keine Rechtspflicht zur Leistung besteht (BGH-Urteil vom 28. Januar 1991 II ZR 20/90, Neue Juristische Wochenschrift 3NJW3 1991, 1890; s. auch BFH-Beschluss vom 15. März 1999 I B 95/98, BFH/NV 1999, 1205).

2. Im Streitfall war die Klägerin gegenüber ihren Kunden schon vertraglich zur Rücknahme von Altbatterien verpflichtet.

a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Preislisten der Klägerin seit August 1993 den deutlich hervorgehobenen Text: B. entsorgt Sie von Altbatterien egal welcher Marke und führt alle lückenlos einem umweltschonenden Recycling zu. enthalten und die Klägerin jedenfalls seit diesem Zeitpunkt - bis heute - Altbatterien jedweder Marke von ihren Kunden kostenlos zur Entsorgung zurücknimmt. Schriftliche, mit den Kunden abgeschlossene Verträge über eine Rücknahme von Altbatterien oder dahin gehende allgemeine Geschäftsbedingungen existieren hingegen nicht.

b) Nach § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist bei Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Außerdem sind nach § 157 BGB Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Unzulässig ist damit die Buchstabeninterpretation; geboten ist hingegen die Berücksichtigung des sprachlichen Zusammenhangs der abgegebenen Willenserklärungen, der Stellung der auslegungsbedürftigen Formulierung im Gesamtzusammenhang des Textes und sämtlicher Begleitumstände.

Der Senat geht davon aus, dass die von der Klägerin in ihren Preislisten enthaltene Formulierung B. entsorgt Sie von Altbatterien egal welcher Marke und führt alle lückenlos einem umweltschonenden Recycling zu. auslegungsbedürftig ist. Bei verständiger Würdigung und unter Berücksichtigung des sprachlichen sowie des inhaltlichen Zusammenhangs kann der damit abgegebenen Willenserklärung unterschiedliche Bedeutung beigemessen werden.

- Soweit zwischen der Klägerin und ihren (überwiegend Groß-)Kunden ein Kreislaufsystem im Sinne von Verkauf und (späterer) Rücknahme von Batterien besteht, ist die Willenserklärung der Klägerin nach Auffassung des Senats dahin zu verstehen, dass die Pflicht zur Rücknahme von Batterien im Zeitpunkt des Unbrauchbarwerdens eine aus dem laufenden Verkauf von Neubatterien entstandene, vertragliche Nebenpflicht im Rahmen einer auf Dauer angelegten Kundenbeziehung darstellen solle. Dem steht nicht entgegen, dass die Rücknahmeverpflichtung nicht ausdrücklich Bestandteil eines schriftlichen (Rahmen-)Vertrages mit jedem einzelnen Kunden, sondern nur als allerdings schriftliche - Versicherung an alle Kunden gerichtet war.

- Soweit es vorkommt, dass (Neu-)Kunden bereits beim Erstkontakt Batterien zurückgeben, ist zu beachten, dass vertragliche Beziehungen in diesem Zeitpunkt (noch) nicht bestehen oder gerade erst entstehen; insoweit ist die von der Klägerin in ihre Preislisten aufgenommene Formulierung nach Auffassung des Senats dahin zu verstehen, dass die (Neben-)Pflicht zur Rücknahme von Altbatterien bereits mit Aufnahme einer auf Dauer angelegten Kundenbeziehung und nicht erst mit dem Unbrauchbarwerden einer bei der Klägerin erworbenen Batterie - entstehen solle.

- Soweit es daneben in seltenen Fällen - auch vorkommt, dass Dritte Batterien zurückbringen, ohne eine Neubatterie zu kaufen und ohne eine auf Dauer angelegten Kundenbeziehung zu begründen, ist die Willenserklärung der Klägerin nach Auffassung des Senats dahin zu verstehen, dass dem Dritten und potentiellen (Neu-)Kunden - der Abschluss eines (Garantie-)Vertrages über die umweltgerechte Entsorgung von Altbatterien angeboten wird. Es handelt sich insoweit ähnlich dem bloßen Aufstellen eines Automaten, der der Entsorgung von recycelbaren Gütern dient - um ein Angebot an Jedermann, das durch die Übergabe der Altbatterie seitens des Dritten angenommen wird (s. allgemein Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Aufl., § 145 BGB Rz. 7). c) Eine vertragliche Verpflichtung zur Rücknahme von Altbatterien ergibt sich für die Klägerin jedenfalls in den ersten beiden genannten Fallgestaltungen gegenüber ihren Dauerkunden. Soweit die Klägerin ihren Vertragspartnern gegenüber eine Willenserklärung dahin abgegeben hat, dass sie eine vertragliche Nebenpflicht zur Rücknahme von Altbatterien eingehen wolle, würde eine Verletzung dieser Nebenpflicht nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine Verpflichtung der Klägerin zum Schadensersatz begründen. Diese vertragliche Verpflichtung der Klägerin stellt eine betriebliche Verbindlichkeit i. S. des § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB dar, deren künftiges Entstehen dem Grunde und/oder der Höhe nach ebenso wahrscheinlich ist wie die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen selbst, da zwischen ihr der Klägerin - und ihren Kunden ein nahezu geschlossenes Kreislaufsystem im Sinne von Verkauf und Rücknahme von Starterbatterien besteht. Die Klägerin kann und muss insoweit davon ausgehen, dass ihre Dauerkunden auch künftig Altbatterien im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Starterbatterien zurückgeben werden.

Diese Verbindlichkeit ist wirtschaftlich auch - spätestens - im Streitjahr verursacht worden. Die Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Entsorgung der verbrauchten Batterien ist die zwangsläufige Folge des vorherigen Inverkehrbringens im Neuzustand; hierfür hat die Klägerin stets Sorge getragen, da es ihr darauf ankam, die bereits durch die Lieferung der Neubatterien entstandenen Gefahren für die Umwelt zu vermeiden. Insoweit ist mit der Klägerin davon auszugehen, dass spätestens nach Ablauf der Garantiezeit - eine Neubatterie hat in der Regel eine Lebensdauer von 6 - 7 Jahren bei einer Garantiezeit von 3 - 4 Jahren - mit der jederzeitigen Rückgabe der Batterie gerechnet werden muss. Da die Klägerin mit Beginn ihrer öffentlich-rechtlichen Selbstverpflichtung zur Rücknahme im Jahr 1988 damit rechnen musste, dass ihre Kunden die (nunmehr) laufend erworbenen Altbatterien zurückgeben werden, war unter Berücksichtigung einer Garantiezeit von bis zu 4 Jahren spätestens im Jahr 1993 mit einer Rückstellungsbildung zu beginnen.

3. Grundsätzlich anders verhält es sich bei der Rücknahme von Batterien, die Dritte zurückbringen, ohne eine Neubatterie zu kaufen und ohne einer auf Dauer angelegten Kundenbeziehung zu begründen. Zwar ist die Willenserklärung der Klägerin insoweit dahin zu verstehen, dass dem Dritten der Abschluss eines Vertrages über die Entsorgung von Altbatterien angeboten wird. Die erstrebte Rückstellung aufgrund eine vertraglichen Verpflichtung zur Rücknahme von Altbatterien läßt sich damit indes nicht begründen, da die ungewisse Rücknahmeverbindlichkeit rechtlich noch nicht entstanden ist.

Der Senat konnte gleichwohl davon absehen, diese - zahlenmäßig untergeordneten - Fälle von den ungewissen Verbindlichkeiten aus den vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin zur Rücknahme von Altbatterien betragsmäßig abzugrenzen, da die Klägerin insoweit einem jedenfalls seit 1993 bestehenden, faktischen Rücknahmezwang unterliegt. Dabei geht der Senat davon aus, dass die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Klägerin aus der Selbstverpflichtung gegenüber dem Zentralverband und aus den nationalen Umweltgesetzen insbesondere ihrer Produktverantwortung nach § 22 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes - KrW-/AbfG - vom 27. September 1994 (BGBl I 1994, 2705) - zwar mangels Sanktionierungsmöglichkeiten keine eigenständige Verpflichtung im Sinne des § 249 HGB begründen, indes zusammen mit der in den Preislisten enthaltenen Formulierung B. entsorgt Sie von Altbatterien egal welcher Marke und führt alle lückenlos einem umweltschonenden Recycling zu. - den Auslöser für einen faktischen Rücknahmezwang darstellen. Die Klägerin konnte sich insoweit aus tatsächlichen und wirtschaftlichen Gründen einer Rücknahme von Batterien nicht entziehen, obwohl keine Vertragspflicht zur Leistung bestand.

Die Klägerin hat überdies im gesamten Verfahren unwidersprochen vorgetragen, dass die von ihr vertriebenen, die von ihren Kunden gesammelten und insbesondere auch die von Dritten lediglich zurückgebachten Altbatterien bis heute - ohne Berechnung eines gesonderten Entgelts zurückgenommen werden und die Rücknahmekosten insoweit bereits in den Verkaufspreisen der Batterien mit einkalkuliert sind. Für die rechtliche Beurteilung ist es daher nicht erheblich, dass sie selbst in einer Kundenzeitschrift vom Juni 1993 ausgeführt hat, dass eine kostenlose Rücknahme von Altbatterien in Zukunft möglicherweise nicht mehr gewährleistet sei. Denn zum einen spielt es für die Beurteilung im Streitjahr keine Rolle, ob die Klägerin davon ausgegangen sein könnte, dass in künftigen Jahren eine eigenständige Verpflichtung im Sinne des § 249 HGB möglicherweise nicht mehr in der bisherigen Weise bestehen könnte, zum anderen geht offenbar auch das FA davon aus, dass die Klägerin weder allgemein oder im Einzelfall zu irgendeinem Zeitpunkt Rücknahmegebühren erhoben hat. Der Umstand, dass die Klägerin in ihren Preislisten nicht davon gesprochen hat, dass eine Rücknahme kostenlos erfolgen könne, kann jedenfalls die Annahme eines faktischen Rücknahmezwangs nicht hindern.

Entgegen der Ansicht des FA ist die Verpflichtung der Klägerin zur Rücknahme von Altbatterien auch von dritter Seite im Streitjahr wirtschaftlich verursacht. Die wirtschaftliche Verursachung im Streitjahr kann nicht schon deshalb verneint werden, weil es für die Rücknahmeverpflichtung Dritten gegenüber noch an dem tatsächlichen Rückgabevorgang fehle. Die Klägerin ist - vor dem Hintergrund ihrer Selbstverpflichtungserklärung und den Angaben in ihren Preislisten schon aufgrund des vorherigen Inverkehrbringens gefährlicher Wirtschaftsgüter verpflichtet, Fremdbatterien zurückzunehmen, und zwar unabhängig davon, ob der Kunde im Rückgabezeitpunkt bei der Klägerin neue Batterien kauft oder nicht. Insoweit ist die Willenserklärung der Klägerin in ihren Preislisten dahin zu verstehen, dass dem Dritten der Abschluss eines Garantievertrages über die umweltgerechte Entsorgung seiner zurückgegebenen Altbatterie angeboten wird. Die hierfür aufgewendeten Ausgaben sind wirtschaftlich dem Inverkehrbringen gefährlicher Wirtschaftsgüter und damit bereits realisierten Erträgen zuzuordnen. Zwar besteht insoweit auch eine gewisse Verknüpfung mit künftigen Gewinnchancen, da jedenfalls die abstrakte Möglichkeit besteht, dass aus dem Dritten ein potentieller Neukunde wird. Diese Verbindung ist gegenüber dem ungleich stärkeren, dem laufenden Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Element der umweltgefährlichen kaufmännischen Betätigung derart lose, dass nach Auffassung des Senats kein Raum für die Annahme besteht, eine dahin gehende Verbindlichkeit der Klägerin werde erst in der Zukunft verursacht.

Im Ergebnis ergibt sich für die Klägerin eine rückstellungsfähige, vertragliche und faktische Verpflichtung zur Rücknahme von Altbatterien gegenüber ihren Kunden in allen drei unter Ziff. II. 2 b) genannten Fallgestaltungen. Danach hat das FA die von der Klägerin gebildeten Rückstellungen im Streitjahr zu Unrecht nicht anerkannt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung. Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO war im Streitfall nicht möglich, da es sich bei der vorgenommenen Vertragsauslegung um eine Entscheidung im Einzelfall handelt.

Ende der Entscheidung

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