Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 28.09.2009
Aktenzeichen: 7 V 2320/09
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 7g Abs. 3
EStG § 7g Abs. 5
EStG § 7g Abs. 7
Die Frage, ob der Steuerpflichtige Existenzgründer i.S.d. §§ 7 g Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 EStG ist, ist zu verneinen, wenn er zuvor im Gewinnfeststellungsverfahren das Fortbestehen eines Gewerbebetriebs behauptet hat und es gegen Treu- und Glauben verstößt, wenn er diesen Sachverhalt nunmehr zum Zwecke der Anerkennung als Existenzgründer verneint.
In der Streitsache

...

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des ...

des Richters am Finanzgericht ... und

der Richterin am Finanzgericht ...

ohne mündliche Verhandlung

am 28. September 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist eine GmbH, die sich inzwischen in Liquidation befindet. Sie wurde durch notarielle Urkunde vom 28. Mai 2001 von Herrn H mit einem Stammkapital in Höhe von 25.000 EUR errichtet. H war ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer.

Die Antragstellerin hat in den Jahresabschlüssen 2001 bis 2003 jeweils gewinnmindernde Ansparabschreibungen für Existenzgründer nach § 7 g Abs. 3 und 7 Einkommensteuergesetz (EStG) geltend gemacht. Nach einer Betriebsprüfung (BP) gelangte die Antragsgegnerin (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, dass die Antragstellerin nicht Existenzgründerin im Sinne von § 7 g Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 EStG gewesen sei, denn H habe von 1995 bis 1996 und damit innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung gewerbliche Einkünfte erzielt. Dabei wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Am ... 1995 hat H in Stuttgart ein Einzelunternehmen (Vertrieb von Werbemitteln und Drucksachen) angemeldet und am ... 1996 wieder abgemeldet. Gemäß den beim Finanzamt Stuttgart I eingereichten Gewinnfeststellungserklärungen und Einnahmenüberschussrechnungen hat er im Jahr 1995 ein Verlust in Höhe von 12.733,10 DM (Betriebseinnahmen 219 DM, Betriebsausgaben 12.952,10 DM) und im Jahr 1996 einen Verlust in Höhe von 6.015,58 DM (Betriebseinnahmen 0 DM, Betriebsausgaben 6.015,58 DM) erwirtschaftet. Im Zusammenhang mit der eingereichten Gewinnfeststellungserklärungen 1996 bat das Finanzamt Stuttgart I H um Stellungnahme, ob angesichts der Tatsache, dass er den Gewerbebetrieb zum 1. Oktober 1996 abgemeldet und im Wirtschaftsjahr 1996 keine Betriebseinnahmen erzielt habe, von einer Betriebsaufgabe bereits im Kalenderjahr 1995 auszugehen sei. Mit Schreiben vom 14. Januar 1999 und 5. März 1999 hat H jedoch versichert, dass er den Vertrieb von Drucksachen und Werbemitteln bis zum Zeitpunkt der Gewerbeabmeldung und hinsichtlich einzelner Abschlussarbeiten sogar darüber hinaus ausgeführt habe. Dabei hat er seine Vermarktungstätigkeiten im Einzelnen beschrieben, Beweismittel angeboten und angekündigt, dass er im Falle einer negativen Entscheidung des Finanzamts unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln und Instanzen dagegen vorgehen werde. Die geltend gemachten gewerblichen Verluste sind schließlich antragsgemäß anerkannt und im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung von H berücksichtigt worden.

Das FA behandelte daraufhin die geltend gemachte Rücklage für Existenzgründer als normale Anspracheabschreibung nach § 7 g Abs. 3 EStG, was dazu führte, dass es die Rücklage in den Wirtschaftsjahren 2003 bis 2005 teilweise aufgelöst, eine Verzinsung nach § 7 g Abs. 5 EStG vorgenommen und die Gewinne 2003 bis 2005 entsprechend erhöht hat.

Gegen die entsprechend den Feststellungen der BP geänderten Körperschaftsteuerbescheide 2003 bis 2005 legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, dass H gegenüber dem Finanzamt Stuttgart I hinsichtlich der geltend gemachten gewerblichen Verluste für 1996 falsche Angaben gemacht habe. Tatsächlich seien die seinerzeit geltend gemachten Aufwendungen nicht entstanden. Auch habe im Jahr 1996 kein Gewerbebetrieb von H mehr existiert. Dieser Sachverhalt sei in einem Schreiben von H an das Finanzamt Stuttgart I vom 12. Juni 2007 richtig gestellt worden. Es seien zahlreiche, von H eingeholte Erklärungen der angeblich bewirteten Personen sowie sonstiger Personen, welche die Verhältnisse von H im Jahr 1996 gekannt hätten, vorgelegt worden. Aus den Erklärungen dieser Zeugen gehe hervor, dass die von H geltend gemachten "Geschäftsessen" ebenso wenig stattgefunden hätten wie die angeblichen " Fahrten zu Werbegrafiker nach A" und dass es das steuerlich geltend gemachte Arbeitszimmer tatsächlich nicht gegeben habe. Zwar habe das Finanzamt Stuttgart I daraufhin den Gewinnfeststellungsbescheid 1996 nicht aufgehoben sondern lediglich die Verluste gekürzt. Dies sei für das vorliegende Verfahren jedoch nicht bindend. Die vorgelegten Beweismittel belegten vielmehr, dass H im Jahr 1996 keinerlei Gewinneinkünfte mehr erzielt und ein Gewerbebetrieb von H nicht mehr existiert habe. Es sei für die Frage der Existenzgründerrücklage auch nicht entscheidend, ob im Jahr 1996 formal noch ein Gewerbebetrieb existiert, sondern allein, ob H in diesem Jahr noch gewerbliche Einkünfte erzielt habe.

Die Antragstellerin beantragt nach erfolgloser Antragstellung beim FA

die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Körperschaftsteuerbescheide 2003 bis 2005 vom 30. August 2007 insoweit, wie sich durch die Gewinnerhöhung um 115.160 EUR in 2003, 98.740 EUR in 2004 und 5.440 EUR 2005 in 2005 die festgesetzte Körperschaftsteuer erhöht hat wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der Einzelheiten wird auf dem Betriebsprüfungsbericht vom 17. August 2007, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist unbegründet. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung( FGO) bestehen nach Aktenlage nicht.

1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (Bundesfinanzhof - BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 IX R 141/89, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994; vom 25. August 1998 II B 25/98, BStBl II 1998, 674; vom 23. Juli 1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684).

2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

Das Finanzamt hat zutreffend die Existenzgründereigenschaft der Antragstellerin verneint, da H als ihr Alleingesellschafter jedenfalls bis einschließlich 1996 und damit innerhalb der letzten fünf Jahre vor Betriebseröffnung im Jahr 2001 gewerbliche Einkünfte erzielt hat (§ 7 g Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 EStG). Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, H habe im Rahmen des Gewinnfeststellungsverfahrens für sein Einzelunternehmen beim Finanzamt Stuttgart I unzutreffende Angaben gemacht und das Weiterbestehen des Gewerbebetriebs nur zum Zwecke der Erlangung von Steuervorteilen angegeben, in Wirklichkeit sei 1996 der Gewerbebetrieb jedoch nicht mehr existent gewesen. Ob das 1995 unstreitig bestehende gewerbliche Unternehmen im Jahr 1996, in dem keine Umsätze mehr getätigt worden sind, steuerlich existiert hat und zu gewerblichen Einkünften geführt hat, ist - da H eine Betriebsaufgabe nicht erklärt hat - nicht anhand äußerlich erkennbarer Umstände eindeutig feststellbar. In diesen Konstellationen hängt es vor allem von den Erklärungen des Steuerpflichtigen gegenüber dem Finanzamt ab, ob von einer Fortsetzung des gewerblichen Tätigkeit auszugehen ist (BFH- Urteil vom 16. Dezember 1997 VIII R 11/95, BStBl II 1998, 379).

H hat im Gewinnfeststellungsverfahren beim Finanzamt Stuttgart I auf mehrmaliges Nachfragen des Finanzamts erklärt, dass der Betrieb 1995 noch nicht aufgegeben, sondern auch im Jahr 1996 fortbestanden habe. Hat sich - wie im Streitfall -das Finanzamt von der Richtigkeit der Darstellung überzeugen lassen, kann sie der Steuerpflichtige nicht ohne triftigen Grund als von Anfang an falsch bezeichnen, um dadurch weitere Steuervorteile zu erlangen; ein solches widersprüchliches Verhalten würde gegen das auch im Steuerrecht geltende Gebot von Treu und Glauben verstoßen ("venire contra factum proprium", vgl. BFH-Beschluss vom 10. Oktober 1985 IV B 30/85, BStBl II 1986, 68; BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 VI R 12/06, BFH/NV 2009, 1105).

Es stellt ein widersprüchliches Verhalten dar, dass H zur Erlangung von Steuervorteilen im Rahmen seiner persönlichen Einkommensteuerpflicht das Fortbestehen der gewerblichen Betätigung in 1996 behauptet und sogar Tatsachen und Beweismitteln dargelegt hat, um dies glaubhaft zu machen, er später aber in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Antragstellerin genau das Gegenteil dessen zu beweisen versucht, um Steuervorteile für die GmbH in noch größerem Ausmaß zu erreichen. In diesem Fall muss er sich an seiner früheren Erklärung festhalten lassen.

Geht man somit vom Fortbestand der gewerblichen Tätigkeit von H in 1996 aus, so spielt es keine entscheidende Rolle, wie hoch seine gewerblichen Einkünfte in 1996 gewesen sind, da für den Begriff der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 - 3 EStG der Gewinnbegriff nach §§ 4 ff. EStG maßgebend ist (§ 2 Abs. 2 EStG). Damit führt jeder von einem Gewerbetreibenden erzielte Gewinn - sei er positiv oder negativ - zum Ausschluss der Existenzgründerrücklage.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück