Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 05.05.2009
Aktenzeichen: 7 V 355/09
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 3
AO § 42 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des des Richters am Finanzgericht und

der Richterin am Finanzgericht

ohne mündliche Verhandlung

am 5. Mai 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Die Antragstellerin, die in Prozessstandschaft für ihre inländischen Gesellschafter auftritt, ist eine Personengesellschaft spanischen Rechts, die mit der Rechtsform einer deutschen GmbH und Co KG vergleichbar ist. Am 18. Dezember 2007 schloss sie mit der B-GmbH, einen Kauf- und Liefervertrag ab. Darin verpflichtete sich die Antragstellerin zur Abnahme von insgesamt 5.200 Stück so genannten ...-Geräten zum Preis von 4.600 EUR pro Stück zuzüglich Umsatzsteuer. Die Lieferung sollte in Tranchen erfolgen und zwar zunächst 250 Stück bis 31. Januar 2008 an ein inländisches Lager der Antragstellerin. Die übrigen 4.950 Stück sollten jeweils in Tranchen von 50 Stück nach Abruf durch die Antragstellerin (spätestens bis 31. Dezember 2009) geliefert werden. Die Antragstellerin verpflichtete sich des Weiteren - neben der Zahlung des Kaufpreises von 1.150.000 EUR für die Lieferung der 250 Geräte - zu einer Anzahlung in Höhe von 22.770.000 EUR für die vereinbarte Lieferung der restlichen 4.950 Geräte bis 30. Dezember 2007. Die Anzahlung erfolgte vereinbarungsgemäß auf ein Sonderkonto bei der Volksbank, welches zur Absicherung des Anspruchs der Volksbank auf Rückzahlung des der Antragstellerin gewährten Kredits und weiterer Ansprüche an diese verpfändet war. Über das Sonderkonto und das jeweilige Guthaben darauf durfte die B-GmbH nur mit Zustimmung der Antragstellerin und nur nach Maßgabe einer übereinstimmenden schriftlichen Weisung der beiden Parteien verfügen. Der Vertrag ist befristet bis 31. Dezember 2009. Er kann durch die Antragstellerin bereits vor Ablauf der Laufzeit einseitig, erstmals zum 30. Juni 2008, gekündigt werden wenn die finanzierende Bank den Kredit nicht verlängert oder wenn die Antragstellerin weniger als bestimmte Mindestmengen von ...-Geräten verkauft. Die B-GmbH ist nach Zugang der Kündigung zur Rückzahlung der noch nicht verbrauchten Anzahlung verpflichtet. Die B-GmbH verpflichtete sich, während der Laufzeit des Vertrages ...ausschließlich über die Antragstellerin zu vertreiben und im Falle, dass sich Kaufinteressenten an sie wenden, diese an die Antragstellerin weiter zu vermitteln.

Die Antragstellerin gab für ihre inländischen Beteiligten für 2007 eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von nach DBA steuerfreien Einkünften aus Gewerbebetrieb und eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ab und erklärten Einkünfte in Höhe von -25.443.057 EUR, die auf insgesamt 41 inländische Beteiligte verteilt wurden. In der Gewinnermittlung mit Umsatzerlösen von 0 EUR wurde der Kaufpreis sowie die Anzahlung für die ... -Geräte als Betriebsausgabe behandelt.

Der Antragsgegner (das Finanzamt) stellte mit Feststellungsbescheid 2007 vom 12. Dezember 2008 den (nach DBA steuerfreien) Gewinn aus Gewerbebetrieb auf 0 EUR fest. Über den dagegen eingelegten Einspruch hat das Finanzamt noch nicht entschieden.

Nach den Feststellungen des Finanzamts erfolgte die Finanzierung der Anzahlung durch ein Darlehen der Volksbank in Höhe von 6 Millionen EUR. Darlehensnehmer sind die Antragstellerin und die B-GmbH als Gesamtschuldner. Außerdem nahm die Antragstellerin jeweils ein Darlehen bei Herrn A über 5,5 Millionen EUR, bei Herrn B über 5,5 Millionen EUR und bei der A & B GbR über 4,2 Millionen EUR auf. Die Herren A und B und die A & B GbR erhielten die jeweiligen Darlehensbeträge wiederum von der B-GmbH als Darlehen. Aus den Kontoauszügen des Kontokorrentkontos der Antragstellerin bei der Volksbank ergibt sich, dass die Bezahlung der Anzahlung am 19. und 20. Dezember 2007 in Raten von 6 Millionen EUR, 4,25 Millionen EUR, 5,5 Millionen EUR, 5,5 Millionen EUR, 1,15 Millionen EUR und 1,57 Millionen EUR erfolgt ist und parallel dazu auch die entsprechenden Darlehen auf dem Konto eingegangen sind. Das Finanzamt schließt daraus, dass die B-GmbH die jeweils eingegangenen Raten von 4,25 Million EUR und zweimal 5,5 Millionen EUR sofort an die Herren A, B und die A & B GbR als Darlehen weitergegeben hat und dadurch die von der Antragstellerin an die B-GmbH ausbezahlten Beträge wieder an sie zurückgeflossen sind.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vom Finanzamt vorgelegten Akten Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt

nach vorheriger erfolgloser Antragstellung beim Finanzamt, die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2007 vom 12. Dezember 2008 mit der Maßgabe, dass vorläufig von laufenden steuerfreien Einkünften aus Gewerbebetrieb, für die ein Progressionsvorbehalt in Betracht kommt, in Höhe von -25.443.057 EUR und von Sonderbetriebsausgaben in Höhe von -1.340,49 EUR auszugehen ist, die entsprechend der eingereichten Feststellungserklärung 2007 auf die Feststellungsbeteiligten zu verteilen sind.

Das Finanzamt beantragt,

die Ablehnung des Antrags.

II. Der Antrag ist unbegründet. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der Bescheide (vgl. Bundesfinanzhof -BFH-Beschluss vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2000, 298), und zwar aus folgenden Erwägungen:

1. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass die gewerblichen Einkünfte, die die inländischen Beteiligten aus ihrer Beteiligung an der Antragstellerin erzielten, im Inland nach Art. 7 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vom 5. Dezember 1966 (DBA-Spanien) steuerfrei sind, da die Antragstellerin keine Tätigkeit in einer inländischen Betriebsstätte ausgeübt hat. Nach Art. 5 Abs. 3 DBA Spanien gelten - abweichend von § 12 Nr. 5 Abgabenordnung (AO) - Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Wahlen des Unternehmens benutzt werden - nicht als Betriebsstätten. Die nach DBA Spanien steuerfreien Einkünfte der inländischen Beteiligten sind somit nach § 32b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG grundsätzlich für Zwecke des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.

2. Das Finanzamt hat jedoch im Ergebnis zu Recht die gesonderte und einheitliche Feststellung der erklärten negativen Einkünfte für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO abgelehnt. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob entsprechend der Regelung in R. 4.1 Abs. 4 Einkommensteuerrichtlinien für die Ermittlung der Gewinnanteile der Beteiligten zum Zwecke des Progressionsvorbehalts der Gewinn der Antragstellerin auf Antrag nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln ist oder ob - da die steuerfreien Einkünfte nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln und abzugrenzen sind - der festzustellende Gewinn in der Weise zu ermitteln ist, dass von einer fiktiven Buchführungspflicht nach deutschem Handelsrecht auszugehen ist. Auch braucht die in der Literatur umstrittene Rechtsfrage nicht entschieden werden, ob - wie Tz. 24 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 17. Juli 2007 IV B 2 - S2241-b/07/0001 anordnet - ein negativer Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht zu berücksichtigen ist, wenn dieser aus einem Steuerstundungsmodell i.S.v. § 15b EStG herrührt (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 27. Auflage, 32b Rz. 5). Denn auch wenn man der Auffassung der Antragstellerin folgen würde, dass sie ihre nach DBA steuerfreien Einkünfte des Jahres 2007 nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln kann und im Rahmen des § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG die Verlustverrechnungsbeschränkungen der § 15a EStG und § 15b EStG nicht zur Anwendung kommen, könnte die beantragte gesonderte Feststellung der Verlustanteile nicht vorgenommen werden, da zum einen die gewählte Gestaltung rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 42 AO wäre (s. Buchst. a) und zum anderen von einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht der inländischen Gesellschafter auszugehen ist (s. Buchst. b).

a) Nach der Rechtsprechung des BFH - der der Senat folgt - ist eine Gestaltung des Zu- und Abflusses von Einnahmen bzw. Ausgaben dann unangemessen im Sinne von § 42 Abs. 1 AO, wenn ein Zahlungszeitpunkt willkürlich ist und keinen Bezug zum wirtschaftlichen Hintergrund hat. Ein - hier zum Betriebsausgabenabzug berechtigender - Zahlungsabfluss von Ausgaben im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG liegt daher nicht vor, wenn Vorauszahlungen ohne wirtschaftlich vernünftigen Grund geleistet werden (vgl. BFH Urteile vom 11. August 1987 IX R 163/83, BStBl II 1989, 702; vom 23. September 1986 IX R 113/82, BStBl II 1987, 219).

Im Streitfall ist es offensichtlich, das die sofortige Bezahlung des Kaufpreises für die während der gesamten Laufzeit des Kauf- und Liefervertrages von zwei Jahren zu liefernden Geräte bei gleichzeitiger Wahl der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nur dazu diente, im Jahr 2007 möglichst hohe Verluste anfallen zu lassen, um diese bei den inländischen Beteiligten im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe für diese Gestalten sind nicht erkennbar und können nach Auffassung des Senats ausgeschlossen werden. Der angegebene Grund, dass die Antragstellerin durch die Anzahlung den flächendeckenden Vertrieb der ...-Geräte finanziere und im Gegenzug dafür die B-GmbH die Geräte ausschließlich über die Antragstellerin vertreibe, ist nicht stichhaltig. Üblicherweise werden Waren Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises geliefert (§ 320 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Vorleistung des Käufers für einen - wie im Streitfall - sukzessive über einen längeren Zeitraum zu erfüllenden Vertrag, durch die dieser das volle Insolvenzrisiko des Verkäufers trägt, würde wirtschaftlichen nur Sinn machen, wenn dies der Finanzierung von Investitionsmaßnahmen auf Seiten des Käufers dienen würde und auch der Käufer an diesem Investitionen partizipieren könnte. Davon kann im Streitfall jedoch nicht die Rede sein, denn von den 23,97 Millionen EUR, die die Antragstellerin an die B-GmbH gezahlt hat, sind 15,5 Millionen EUR wieder von der B- GmbH durch Zwischenschaltung weiterer Personen an die Antragstellerin in Form von Darlehen zurückgeflossen. Dass die B-GmbH mit dem von der Antragstellerin erhaltenem Geld vertriebsfördernde Maßnahmen finanziert hätte, ist nicht erkennbar und wird auch nicht vorgetragen. Sie wäre dazu auch gar nicht in der Lage gewesen, weil die Anzahlung zum größten Teil wieder an die Antragstellerin in Form von Darlehen zurückgeflossen ist.

Auch die Art und Weise, wie das Vertragsverhältnis zwischen der Antragstellerin und die B-GmbH vollzogen worden ist, spricht für eine Umgehungsabsicht im Sinne von § 42 AO. Zwar erfüllte die Antragstellerin mit Bezahlung der 23,97 Millionen EUR bereits im Jahr 2007 ihre gesamten, auch erst künftig fälligen Verpflichtungen aus dem Kauf- und Liefervertrag. Tatsächlich hat sie ihren Zugriff auf das Geld jedoch nicht verloren, da dieses auf ein Sperrkonto der kreditgebenden Bank gezahlt worden ist, über welches der Verkäufer nur gemeinsam mit der Antragstellerin verfügen konnte. Auch der Umstand, dass bei Nichterreichung bestimmter Verkaufsmengen der Antragstellerin ein Kündigungsrecht eingeräumt worden ist, welches zur Rückzahlung der noch nicht verbrauchten Anzahlung führt, zeigt auf, dass alleiniger Zweck dieser rechtlichen Konstruktion die Zusammenballung von Betriebsausgaben im Jahr 2007 zum Zwecke der sich daraus ergebenden steuerlichen Vorteile für die inländischen Beteiligten war.

b) Zu Recht geht das Finanzamt auch von einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht der inländischen Gesellschafter der Antragstellerin aus. Nach den vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen handelt es sich bei der Antragstellerin offensichtlich um eine Gesellschaft, die die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen an eine Verlustzuweisungsgesellschaft erfüllt. Eine Verlustzuweisungsgesellschaft ist eine Gesellschaft, deren Initiatoren selbst oder durch Dritte - z.B. durch Prospekt - interessierte Kapitalanleger mit dem Versprechen von Einkommensteuerminderungen durch Verlustzuweisungen werben und nach deren Ergebnisvorschau die Kapitalanlagen regelmäßig ganz oder teilweise durch Steuerersparnisse finanziert werden, so dass das Streben nach einem Totalüberschuss von persönlichen Gründen, nämlich der Absicht der Erzielung von Einkommensteuerersparnissen, verdrängt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 2. August 2007 IX B 92/07, BFH/NV 2007, 2270 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor, da das Modell, über die Beteiligung an der Antragstellerin hohe steuerfreie ausländische Verluste zu erzielen, die aufgrund ihrer Berücksichtigung im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu einer entsprechenden Einkommensteuerminderung bis hin zu einer Einkommensteuer von 0 EUR führen, von den Prozessbevollmächtigten bzw. von mit dieser Kanzlei verbundenen Gesellschaften initiiert worden ist und diese auch damit geworben haben, das Know-how für entsprechende Gestaltungen zu besitzen (z.B. die Anzeige "..."). Zweck der Gestaltung zur Leistung einer Anzahlung für die erst in Zukunft zu liefernden Geräte, welche in nahezu vollen Umfang fremdfinanziert worden ist, war die Erzielung eines möglichst hohen Verlustes. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Erzielung eines Totalgewinns für die Beteiligung an der Antragstellerin keine Rolle spielte. Damit spricht eine nicht widerlegte Vermutung für die fehlende Gewinnerzielungsabsicht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück