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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 31.07.2008
Aktenzeichen: 8 V 1588/08
Rechtsgebiete: GewStG, AO


Vorschriften:

GewStG § 10a
GewStG § 7 Abs. 2 Nr. 2
AO § 163 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

8 V 1588/08

Aussetzung der Vollziehung in Sachen Gewerbesteuermessbetrag 2005

In der Streitsache

...

hat der 8. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

ohne mündliche Verhandlung

am 31. Juli 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Die Vollziehung des Gewerbesteuermessbetragsbescheids 2005 vom 1. April 2008 wird in voller Höhe ab Bekanntgabe bis zur bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Entscheidung über den hiergegen gerichteten Einspruch ausgesetzt.

2. Die Vollziehung des Gewerbesteuermessbetragsbescheids 2005 vom 31. Januar 2008 wird in voller Höhe ab Bekanntgabe aufgehoben.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

4. Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob der Gewerbesteuermessbetrag 2005 aus verfassungsrechtlichen Gründen oder aus Billigkeitsgründen abweichend festzusetzen ist.

Einzige Kommanditistin und zugleich einzige am Vermögen der Antragstellerin beteiligte Gesellschafterin war bis 14. Februar 2005 die N-AG. Letztere veräußerte ihre Kommanditbeteiligung am 14. Februar 2005 zum Preis von 1 EUR an die B GmbH & Co Immobilien Verwaltungs- KG. Das steuerliche Kapitalkonto der Nürnberger Bund Beteiligungs-AG wurde zum Zeitpunkt der Übertragung mit minus 3,8 Mio EUR geführt. Zum 31.12.04 war für die Antragstellerin ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag von 4,1 Mio EUR festgestellt worden.

Die Antragstellerin ist - wie auch der Antragsgegner - der Auffassung, dass der durch die Anteilsveräußerung entstandene und (seit dem Erhebungszeitraum --EZ-- 2002) gewerbesteuerpflichtige Veräußerungsgewinn in Folge der seit dem EZ 2004 betragsmäßig begrenzten Verlustverrechnungsmöglichkeit (gewerbesteuerliche Mindestbesteuerung gem. § 10a Gewerbesteuergesetz --GewStG--) zu einem positiven Gewerbeertrag 2005 führt, obwohl ein ausreichender Verlustvortrag bestanden hätte. Dies sei unbillig, zumal der gem. § 10a GewStG n.F. nicht verrechenbare Verlustvortrag nicht mehr genutzt werden könne. Er gehe wegen des Ausscheidens ihrer Kommanditistin unter. Bereits mit Abgabe der Gewerbesteuererklärung beantragte sie daher, den Gewerbesteuermessbetrag für 2005 aus verfassungsrechtlichen oder aus Billigkeitsgründen auf Null EUR festzusetzen (§ 163 Satz 1 Abgabenordnung --AO--).

Dem entsprach der Antragsgegner nicht. Mit Bescheid vom 31. Januar 2008 setzte dieser den Gewerbesteuermessbetrag für 2005 auf 55.285 EUR fest. In dem sich anschließenden Rechtsbehelfsverfahren wurde der Gewerbesteuermessbetrag mit Änderungsbescheid vom 01. April 2008 auf 50.855 EUR herabgesetzt.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag 2005 vom 1. April 2008 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den anhängigen Einspruch in Höhe von 50.855 EUR auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

II.

1. Mit Bescheid vom 31. Januar 2008, geändert mit Bescheid vom 1. April 2008, hat der Antragsgegner sowohl über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages - materiellrechtlich - wie auch über die beantragte Billigkeitsmaßnahme entschieden. Der Einspruch vom 28. Februar 2006 (Eingang beim Finanzamt 29. Februar 2008) richtet sich ausdrücklich gegen diese beiden Entscheidungen. Der Senat hat daher im vorliegenden Verfahren Zweifel an der Rechtsmäßigkeit sowohl der materiellen Steuerfestsetzung wie auch an der abgelehnten Billigkeitsmaßnahme zu berücksichtigen.

2. Der Aussetzungsantrag ist begründet.

Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts soll auf Antrag ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen (§ 69 Abs. 2 und 3 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Ernstliche Zweifel bestehen, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund präsenter Beweismittel und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechts- oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.1. der Gründe). Dies gilt auch für ernstliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFHE 202, 147, BStBl II 2003, 523, unter II. 1. der Gründe, m.w.N.). An die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen als im Fall der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung (BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454, und vom 27. Januar 2006, VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150). Nach diesen Grundsätzen bestehen bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Gewerbesteuermessbescheides.

Nach Auffassung des Senats bestehen erhebliche Bedenken, ob § 10a GewStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung den verfassungsrechtlichen Geboten, die Ertragssteuerbelastung an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auszurichten (sog. objektives Nettoprinzip) und eine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung zu vermeiden, entspricht (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFH/NV 2008, 651 und vom 27. Januar 2006 VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150).

a) § 10a GewStG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes u.a. vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, 2922) mit Wirkung ab dem EZ 2004 geändert. Seither kann ein Unternehmen - entsprechend dem § 10d Abs. 2 Einkommensteuergesetz --EStG-- n.F. - einen Gewerbeertrag nur noch bis zu einem Betrag von 1 Mio. EUR in voller Höhe mit seinem gewerbesteuerlichen Verlustvortrag ausgleichen (Satz 1). Der diese Grenze übersteigende Gewerbeertrag kann nur noch zu 60% ausgeglichen werden und unterliegt damit zu 40% der Gewerbesteuer (Satz 2). Im Fall einer Mitunternehmerschaft ist ein Gewerbeverlust den einzelnen Mitunternehmern entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen; ein späterer Gewerbeertrag kann auch nur noch mit dieser Quote mit den Höchstbeträgen nach den Sätzen 1 und 2 ausgeglichen werden.

Mit dieser betragsmäßigen Begrenzung des Verlustausgleichs wollte der Gesetzgeber den periodenübergreifenden gewerbesteuerlichen Verlustausgleich nicht endgültig kappen, sondern nur strecken und somit die Kommunen zur Stärkung und Verstetigung ihrer steuerlichen Finanzierung temporär begünstigen (vgl. BTDrucks. 15/1517, 12, 19). Da der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung, wie er den periodenübergreifenden Verlustausgleich ausgestalten will, d.h. ob dieser sachlich oder zeitlich begrenzt werden soll, einen weiten Gestaltungsspielraum hat (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 22. Juli 1991 1 BvR 313/88, DStR 1991, 1278, HFR 1992, 423), bestehen gegen eine derartige Abflachung und Streckung des Verlustausgleichs nach dem BFH-Beschluss vom 27. Januar 2006 VIII B 179/05 (BFH/NV 2006, 1150 ) dem Grunde nach keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Ob dies auch dann gilt, wenn ein nur wegen der Ausgleichsbeschränkung des § 10a GewStG n.F. verbliebener Verlustvortrag nicht mehr geltend gemacht werden kann, da z.B. die Unternehmens- oder Unternehmeridentität (teilweise) entfallen ist (vgl. hierzu Blümich/von Twickel, § 10a GewStG Rz. 64, 81, 88; Kleinheisterkamp in Lenski/Steinberg, § 10a GewStG Anm. 18 ff., 69 ff.), lies der BFH in dem vorgenannten Beschluss ausdrücklich offen. Nach Auffassung des BFH wäre eine etwaige verfassungswidrige übermäßige Steuerbelastung des Unternehmers erst dann zu befürchten, wenn es tatsächlich zum Ausschluss des Verlustausgleichs kommen sollte.

b) Gerade dies ist hier aber der Fall. Der im Streitjahr 2005 erzielte Gewerbeertrag übersteigt einerseits den Höchstbetrag des § 10a Satz 1 GewStG und unterliegt damit zu 40% der Gewerbeertragsteuer. Andererseits ging der Verlustvortrag in Folge des Gesellschafterwechsels und des dadurch bedingten Wegfalls der Unternehmeridentität unter. Im Ergebnis würde damit die vom Gesetzgeber mit dem neuen § 10a GewStG beabsichtigte Streckung des Verlustausgleichs in Höhe von 40% des im Streitjahr erzielten Gewerbeertrages zu dessen Ausschluss führen. Die nur temporär gewollte Begünstigung der hebeberechtigte(n) Kommune(n) würde sich für die Antragstellerin zur definitiven Steuerbelastung verfestigen. Dies stellt nach Auffassung des Senats einen verfassungswidrigen Verstoß gegen das auch im Gewerbesteuerrecht geltende objektive Nettoprinzip dar.

Der Gesetzgeber ist von Verfassungswegen (vgl. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) gehalten, die Ertragsbesteuerung an der finanziellen Lebensleistungsfähigkeit des Steuersubjektes auszurichten (objektives und subjektives Nettoprinzip; vgl. BFH-Beschluss vom 17 Dezember 2007 GrS 2/04, BFH/NV 2008, 651). Wegen des für die Ertragsteuern geltenden Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung (§ 2 Abs. 7 EStG, § 14 Satz 2 GewStG) ist daher ein periodenübergreifender Verlustausgleichs unverzichtbar. Dieser darf weder gänzlich ausgeschlossen, noch in seinem Kernbereich ausgehöhlt werden (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 1998 I R 81/97, BStBl II 1998, 485). Es muss vielmehr sichergestellt sein, dass Verluste entweder im Verlustentstehungsjahr oder in einem anderen Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden können (BFH-Beschluss vom 27. Januar 2006 in BFH/NV 2006, 1150; BVerfG Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88).

Umgekehrt muss dem Grunde nach auch sichergestellt sein, dass Gewinne (Gewerbeerträge) mit den Verlustvorträgen aus den früheren Jahren ausgeglichen werden können. Andernfalls ginge der periodenübergreifende Verlustausgleich ins "Leere". Das objektive Nettoprinzip würde in seinem Kernbereich ausgehöhlt. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Verlustausgleichs einen weiten Entscheidungsspielraum hat und die Voraussetzungen für einen Verlustausgleich auch noch nachträglich ändern kann (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Januar 2006 in BFH/NV 2006, 1150). Da die Möglichkeit zum Verlustausgleich jedenfalls in seinem verfassungsrechtlich garantierten Kern erhalten bleiben muss, sind Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips grundsätzlich nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe zulässig (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Januar 2006, s. o.).

Eine Rechtfertigung dafür, dass auch im Fall eines Gesellschafterwechsels der Verlustausgleich betragsmäßig begrenzt wird, obwohl zu diesem Zeitpunkt feststeht, dass ein späterer Verlustausgleich, soweit er dem ausgeschiedenen Gesellschafter zuzurechnen war (§ 10a Satz 4 GewStG), nicht mehr möglich sein wird, gibt es nach Auffassung des Senats nicht. Der vom Gesetzgeber mit der Streckung des Verlustausgleichs verfolgte Zweck, die steuerliche Gemeindefinanzierung zu sichern und zu verstetigen, ist nach Auffassung des Senats hierfür kein hinreichender Grund. Die betragsmäßige Begrenzung des Verlustausgleichs sollte diesen nicht definitiv kappen, sondern den Verlustausgleich nur "deckeln" und in Höhe von 40% des den Betrag von 1 Mio. EUR übersteigenden Gewerbeertrags in spätere Erhebungszeiträume verschieben. Wirtschaftlich betrachtet ist also nur eine temporäre Begünstigung der Kommunen und eine vorübergehende Belastung des Unternehmers gewollt. Im Fall des Gesellschafterwechsels würde sich diese jedoch insoweit zur definitiven Steuerbelastung der Gesellschaft verfestigen, als der auf den ausgeschiedenen Gesellschafter entfallende Verlustvortrag untergeht. Dadurch würde die Gesellschaft aber in verfassungswidriger Weise belastet, soweit für den ausgeschiedenen Gesellschafter ein dem Grunde nach möglicher Verlustausgleich (definitiv) gekappt wird.

Dieser Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip wäre nach Auffassung des Senats wegen der detaillierten Verlustfeststellung gem. § 10a Satz 4 GewStG durchaus vermeidbar.

c) Die "Deckelung" des Verlustausgleichs führt im vorliegenden Fall nach Auffassung des Senats aber auch zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung.

Der Gewerbeertrag des Erhebungszeitraumes 2005 setzt sich fast ausschließlich aus dem Gewinn aus der Veräußerung einer Kommanditbeteiligung zusammen (§ 7 Satz Nr. 2 GewStG). Es liegt also ein außerordentlicher Gewerbeertrag vor, der allein auf den Gesellschafterwechsel zurückzuführen ist. Der Gesellschafterwechsel war aber nicht nur hierfür ursächlich; dieser ist auch der alleinige Grund für den Wegfall des Vorlustvortrags, soweit dieser dem ausgeschiedenen Gesellschafter zuzurechnen war. Die beiden Rechtsfolgen: außerordentlicher Gewerbeertrag i. S. des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG einerseits und das Wegfallen des anteiligen Verlustvortrags wegen Verlusts der Unternehmeridentität, haben damit nicht nur eine gemeinsame rechtliche Ursache (Gesellschafterwechsel); sie stehen zudem in einer gegenseitigen Abhängigkeit dergestalt, dass das Eine nicht ohne das Andere denkbar ist. Soweit ein außerordentlicher Gewerbeertrag i. S. des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG besteuert wird, muss daher zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung und zur Wahrung der Besteuerungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) immer die zwingende weitere Rechtsfolge des Gesellschafterwechsels (partieller Wegfall des Verlustvortrags) berücksichtigt werden. Dies gilt auch für die mit dem neuen § 10a GewStG beabsichtigte Verluststreckung. Die jetzige Regelung,

den die Grenze des § 10a Satz1 GewStG (1 Mio. EUR) übersteigenden außerordentlichen Gewerbeertrag i. S. des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG zu 40% von dem an sich möglichen Verlustausgleich auszunehmen und

den Steuerpflichtigen insoweit auf die Möglichkeit des späteren Verlustausgleichs zu verweisen, obwohl feststeht, dass dieser aus dem gleichen rechtlichen Grund, aus dem es zu dem außerordentlichen Gewinn (Gewerbeertrag) kam, gar nicht möglich sein wird,

hält der Senat nicht nur für grob widersprüchlich. Gemessen an dem mit der Verluststreckung verfolgten Gesetzeszweck (temporäre Begünstigung der Kommunen zur Stärkung und Verstetigung ihres Gewerbesteueraufkommens) führt der dadurch bedingte Verstoß gegen das objektive Nettoprinzips zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch einen Gesellschafterwechsel in der Regel stille Reserven im Unternehmensvermögen (anteilig) aufgedeckt werden, die meist im Laufe mehrerer Jahre angesammelt wurden. Werden diese "en bloc" aufgedeckt, wie dies bei einem Gesellschafterwechsel (oder einem Unternehmensverkauf) in der Regel der Fall sein kann, kann die Grenze des § 10a Satz 1 GewStG sehr leicht und zudem deutlich überschritten werden. Um die außerordentliche Belastung des Steuerpflichtigen, die sich aus der "zusammengeballten" Aufdeckung stiller Reserven ergeben kann, zu mindern, werden die Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen (Mitunternehmeranteilen) oder Unternehmen daher eher ermäßigt besteuert (vgl. § 34 EStG, § 7 GewStG in der bis zum EZ 2001 geltenden Fassung). Mit dieser Wertung des Gesetzgebers lässt sich die einschneidende Folge des neuen § 10a GewStG, außerordentliche Gewerbeerträge i. S. des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG, soweit sie den Betrag von 1 Mio. EUR übersteigt, unter dem Deckmantel "Streckung des Verlustausgleichs" zu 40% vom durchaus möglichen Verlustausgleich auszuschließen und definitiv der Gewerbeertragsteuer zu unterwerfen, nur schwer in Einklang bringen.

d) Die Antragstellerin wird durch die Kappung des dem Grunde nach möglichen Verlustausgleichs zudem in ihrer Unternehmenssubstanz belastet.

Durch den Gesellschafterwechsel (Verkauf der negativen Kommanditbeteiligung für 1 EUR) wurden bei ihr die stillen Reserven in ihrem Anlagevermögen (soweit diese der veräußerten Kommanditbeteiligung zuzurechnen waren) aufgedeckt. Für sie selbst handelte es sich hierbei nur um einen "Buchgewinn" (Aufstockung der Aktiva in der Ergänzungsbilanz ihrer neuen Gesellschafterin in Höhe des negativen Kapitalkontos der ausgeschiedenen). Ein durch den Betrieb erwirtschafteter (laufender) Gewerbeertrag liegt nicht vor. Die Antragstellerin müsste daher eine auf den Veräußerungsgewinn erhobene Gewerbesteuer aus ihrer Unternehmenssubstanz bestreiten. Hierbei verbliebe es auch im vorliegenden Fall, da die ausgeschiedene Kommanditistin allein am Gesellschaftsvermögen beteiligt war und damit der gesamte verbleibende Verlustvortrag entfällt.

2. Auch die zu einer abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO getroffene, in den Grenzen des § 102 FGO überprüfbare Ermessensentscheidung begegnet erheblichen Zweifeln im Sinne des § 69 Abs. 2, 3 FGO.

Den gesetzesbegleitenden Drucksachen (vgl. Bundestagsdrucksache - BTDrs. - 15/1518 S. 13 und 15/119) kann nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber überhaupt gesehen hat, dass im Fall eines Gesellschafterwechsels die angepeilte Verluststreckung ins "Leere" geht und sich die beabsichtigte temporäre Begünstigung der Kommunen zur definitiven Belastung für die Gesellschaft verfestigt. Von einer bewusst in Kauf genommenen Härte des Gesetzgebers kann daher nicht ausgegangen werden. Diese - fehlerhafte - Annahme hat das Finanzamt als Ausgangspunkt seiner Ermessensentscheidung gewählt. Die Besonderheiten des Streitfalls hat der Antragsgegner seiner Ermessensentscheidung damit noch nicht zugrunde gelegt, so dass die Entscheidung bislang an einem Ermessensdefizit leidet und sich derzeit als rechtswidrig darstellt.

3. Der Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2005 vom 31. Januar 2008 wurde mit Bescheid vom 01. April 2008 geändert. Er entfaltet daher keine Wirkung mehr. Da jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass er noch vor Ergehen des Änderungsbescheids vollzogen wurde, ist zur Vermeidung von Säumniszuschlägen seine Vollziehung aufzuheben (vgl. BFH Beschluss vom 28. November 2006 X S 2/06, BFH/NV 2007, 484).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 FGO. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten war nicht für notwendig zu erklären. Das beim Antragsgegner geführte Aussetzungsverfahren ist für das vorliegende Verfahren kein Vorverfahren i. S. des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. Beschluss des FG Hamburg vom 27. April 2007 4 V 196/06, EFG 2007, 503).

5. Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof ist wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. §§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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