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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 29.10.2008
Aktenzeichen: 9 K 2323/07
Rechtsgebiete: AO, RL 76/308/EWG
Vorschriften:
AO § 118 S. 1 | |
RL 76/308/EWG Art. 12 |
Finanzgericht München
Beitreibungsersuchen
In der Streitsache
...
hat der 9. Senat des Finanzgerichts München
unter Mitwirkung
[...]
aufgrund der mündlichen Verhandlung
am 29. Oktober 2008
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Ersuchens um Amtshilfe bei der Steuererhebung (Beitreibungsersuchen) nach Zypern.
Der Beklagte (Finanzamt) richtete mit Schreiben vom 22. Januar 2007 ein Beitreibungsersuchen gemäß Artikel 6 und 13 der Richtlinie 76/308/EWG auf dem Dienstweg nach Zypern.
Das Beitreibungsersuchen bezog sich auf rückständige Umsatzsteuer 2001 und 2002 in Höhe von ...EUR (2001) bzw. ... EUR (2002) sowie im Übrigen auf steuerliche Nebenleistungen. Das Finanzamt ordnete in der beigefügten Aufstellung über die Forderungen Zinsen zur Einkommensteuer 1996 in Höhe von ... EUR den Hauptforderungen und nicht der eigenständigen Rubrik "bis zur Unterzeichnung dieses Ersuchens entstandene Zinsen" zu. Dagegen erfasste es unter dieser Rubrik Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1996 und Umsatzsteuer 1999 bis 2002 sowie Säumniszuschläge zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1996. Als Vollstreckbarkeitstermin wurde bei den Zinsen zur Einkommensteuer 1996 der 15. Oktober 2001 angegeben. Auch lag der Vollstreckbarkeitstermin bei einem Großteil der Säumniszuschläge vor dem 22. Januar 2002. Wegen der Einzelheiten wird auf das Beitreibungsersuchen vom 22. Januar 2007 verwiesen.
Eine gegen die Einkommensteuerfestsetzung 1996 zunächst anhängige Klage ... wurde mit Schreiben vom 5. Oktober 2005 zurückgenommen. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 7. Oktober 2005 eingestellt. Mit Schreiben vom 3. November 2005 wurde der Einspruch gegen den Bescheid über Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1996 zurückgenommen.
Dem steuerlichen Vertreter des Klägers wurde das in griechischer Sprache verfasste Beitreibungsersuchen am 25. April 2007 in Limassol zugestellt. Daraufhin legte der Kläger mit Schreiben vom 27. April 2007 beim Finanzamt Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2007 verwarf das Finanzamt den Einspruch als unzulässig.
Es führte aus, dass ein Einspruch gegen das Beitreibungsersuchen nicht statthaft sei, da es sich um eine behördeninterne Maßnahme handle und damit keinen Verwaltungsakt darstelle.
Hiergegen wendet sich der Kläger. Er trägt vor, die Klage sei in Form einer Leistungsklage zulässig. Die vom Finanzamt vertretene Rechtsauffassung, dass das Amtshilfeverfahren eine "behördeninterne Maßnahme" sei, sei auf der Basis der Richtlinie des Rates 76/308/EWG unzutreffend. Durch das Beitreibungsersuchen werde eine Forderung des ersuchten Mitgliedstaates geschaffen, die zuvor nicht existiere. Es erfülle die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts.
Durch das Beitreibungsersuchen sei der Kläger in das Visier der zypriotischen Behörden geraten. Es habe daher unmittelbare Rechtswirkung nach außen.
Im Beitreibungsersuchen vom 22. Januar 2007 seien zu Unrecht die Säumniszuschläge unter der Rubrik "bis zur Unterzeichnung dieses Ersuchens entstandene Zinsen" und die Zinsen unter der Rubrik "Hauptforderung" erfasst. Durch die falsche Erfassung der Zinsen werde der Anschein erweckt, als seien diese formell "Steuerforderungen". Säumniszuschläge seien von der Richtlinie 76/308/EWG nicht umfasst.
Die im Beitreibungsersuchen aufgeführten Zinsen zur Einkommensteuer i.H.v. ... EUR seien seit dem 8. Oktober 2001 fällig und damit älter als fünf Jahre. Dies gelte auch für einen großen Teil der Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1996 und der Säumniszuschläge zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1996.
Die verbleibenden Beträge im Beitreibungsersuchen lägen unter der Mindestbetragsgrenze des Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2002/94/EG von 1.500 EUR.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2007 das Finanzamt zu verpflichten, das Ersuchen um Beitreibung gemäß Art. 6 und 13 der Richtlinie 76/308/EWG ... vom 22. Januar 2007 zurückzuziehen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es führt aus, das Beitreibungsersuchen nach Zypern sei kein Verwaltungsakt. Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage. Das Beitreibungsersuchen bereite Maßnahmen der ausländischen Behörde lediglich vor. Den Betroffenen bliebe nur die Möglichkeit, sich gegen die konkrete Vollstreckungsmaßnahme der ausländischen Behörde mit dem im dortigen Recht vorgesehenen Rechtsbehelf zu wehren. Im Beitreibungsersuchen seien nur Rückstände erfasst, die tatsächlich auch bestandskräftig und damit unanfechtbar seien.
Die Fünfjahresfrist beginne bei einem Einspruch gegen die Steuerfestsetzung erst mit Unanfechtbarkeit des Bescheides. Weder ein Einspruch noch eine Klage gegen ein Beitreibungsersuchen löse eine Mitteilungspflicht an die ausländische Behörde aus. Die Voraussetzungen für einen Vollstreckungsaufschub gemäß § 258 AO lägen nicht vor. Im Übrigen sei das Finanzamt nicht passivlegitimiert.
Wegen des weiteren Sachverhalts und hinsichtlich des weiteren rechtlichen Vortrags wird auf die Einspruchsentscheidung, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 29. Oktober 2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die auf Verpflichtung des Finanzamts zur Rücknahme des Beitreibungsersuchens vom 22. Januar 2007 gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Sie ist nicht auf Vornahme eines Verwaltungsakts, sondern auf Vornahme "einer anderen Leistung" i.S.d. § 40 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) gerichtet.
a) Ein Beitreibungsersuchen auf der Grundlage der Richtlinie des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen (Richtlinie 76/308/EWG; ersetzt durch Richtlinie 2008/55/EG des Rates vom 26. Mai 2008 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen, Amtsblatt der Europäischen Union - ABl. - L 150 vom 10. Juni 2008, S. 28 ff.) stellt keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 118 Abgabenordnung (AO) dar.
aa) Gemäß § 118 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Amtshilfeersuchen an andere Behörden sind grundsätzlich keine Verwaltungsakte, da sie keine Einzelfallregelung mit unmittelbarer Außenwirkung darstellen (vgl. Brandis in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung - AO/FGO, § 111 AO Rz. 2). Dies gilt auch für Amtshilfeersuchen im Rahmen der Steuererhebung bzw. Vollstreckung (§ 250 AO; Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 250 AO Rz. 10; Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp, § 250 AO Rz. 56; vgl. auch Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 18. November 1960 VII C 184.57, NJW 1961, 332) oder für Amtshilfeersuchen im Rahmen der zwischenstaatlichen Amtshilfe (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Mai 2005 I B 218/04, BFH/NV 2005, 1503; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 117 AO Rz. 43; a.A. Finanzgericht Düsseldorf, Beschluss vom 13. September 1989 5 V 364/89 AE, EFG 1989, 646 für Vollstreckungsersuchen an ausländische Behörden).
bb) Der erkennende Senat hält an dieser Auffassung auch für Beitreibungsersuchen auf der Grundlage der Richtlinie 76/308/EWG fest. Die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts sind weder insoweit erfüllt, als die örtlich zuständige Vollstreckungsbehörde auf dem Dienstweg ein Beitreibungsersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) leitet, noch insoweit, als das BZSt das Beitreibungsersuchen an die zuständige ausländische Behörde weiterleitet (vgl. hinsichtlich des Ablaufs Tz. 1.4.1 Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe bei der Steuererhebung vom 19. Januar 2004, BStBl I 2004, 66).
Soweit das Beitreibungsersuchen vom Finanzamt über das Bayerische Landesamt für Steuern an das BZSt geleitet wird, kann offen bleiben, ob das Ersuchen insoweit eine (Einzelfall-) Regelung darstellt, als es festlegt, welche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch die ersuchte ausländische Behörde vollstreckt werden sollen. Das Ersuchen entfaltet, jedenfalls solange es den Bereich der nationalen Finanzbehörden nicht verlässt, keine unmittelbare Außenwirkung.
Soweit das Beitreibungsersuchen auf der Grundlage der Richtlinie 76/308/EWG vom BZSt an die ausländische Behörde weitergeleitet wird, kann offen bleiben, ob es ab diesem Zeitpunkt unmittelbare Wirkung nach außen entfaltet, da es sich an eine Behörde richtet, die nicht in die nationale Steuerverwaltungsorganisation integriert ist. Das Beitreibungsersuchen auf der Grundlage der Richtlinie 76/308/EWG stellt jedenfalls keine hoheitliche Maßnahme dar.
Ein Beitreibungsersuchen auf der Grundlage der Richtlinie 76/308/EWG ist an eine ausländische Behörde und nicht an den Vollstreckungsschuldner selbst gerichtet. Es ergeht nicht im Rahmen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses. Vielmehr stehen sich die ersuchende inländische und die ersuchte ausländische Behörde gleichgeordnet gegenüber.
Dass ein Beitreibungsersuchen im Rahmen eines (hoheitlichen) Vollstreckungsverfahrens gestellt wird und in eine konkrete hoheitliche Vollstreckungsmaßnahme münden kann, macht das Ersuchen selbst noch nicht zu einer hoheitlichen Maßnahme.
Gegen einen hoheitlichen Charakter des Ersuchens spricht auch, dass die Richtlinie 76/308/EWG von einer gegenseitigen Unterstützung (vgl. 3., 5. und 6. Erwägungsgrund der Richtlinie 76/308/EWG) spricht und damit von einem kooperativen Zusammenwirken der ersuchenden inländischen und ersuchten ausländischen Behörde ausgeht. Die Richtlinie wollte erkennbar kein Weisungsverhältnis begründen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass die ersuchte ausländische Behörde die Zulässigkeit des Ersuchens selbst noch einmal prüft und die Erfüllung verweigern kann (vgl. Art. 14 der Richtlinie 76/308/EWG).
Eine hoheitliche Maßnahme beansprucht jedoch kraft öffentlicher Gewalt bis zu ihrer Änderung bzw. Aufhebung Verbindlichkeit gegenüber dem Betroffenen (Söhn in HHSp, § 118 Rz 111) und steht nicht zur Disposition des Adressaten. Sie muss mittels eines förmlichen Rechtsbehelfs angegriffen und beseitigt werden.
b) Das Begehren des Klägers ist nicht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit umzustellen (§ 41 FGO), da das Beitreibungsersuchen nach dem Vorbringen der Beteiligten weder von der ausländischen Behörde erledigt noch in der Zwischenzeit zurückgenommen wurde.
2. Der Senat sieht für eine (Leistungs-)Klage auf Rücknahme des Beitreibungsersuchens entgegen der Auffassung des Finanzamts auch ein Rechtsschutzbedürfnis.
Zwar trifft Art. 12 der Richtlinie 76/308/EWG keine Regelung, wie gegen ein Beitreibungsersuchen selbst vorgegangen werden kann bzw. was zu geschehen hat, wenn es angefochten worden ist. Es wird nur Bezug genommen auf Rechtsbehelfe gegen die beizutreibende Forderung bzw. den ausgestellten Titel (Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 76/308/EWG) und gegen die Vollstreckungsmaßnahmen der ausländischen Behörde (Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 76/308/EWG). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass gegen das Betreibungsersuchen kein Rechtsbehelf eröffnet ist und der Betroffene auf eine Anfechtung der von der ausländischen Behörde vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahme verwiesen werden kann.
Das Gebot eines effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) (vgl. Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 3. März 2004 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77) gebietet, dass in Fällen, in denen durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) geschützt Verhältnisse offenbart werden sollen, bereits frühzeitig die Zulässigkeit überprüft wird, da die Folgen einer erteilten Auskunft nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Aus diesem Grund kann der Betroffene bereits vor Auskunftserteilung an eine ausländische Behörde Rechtsschutz in Anspruch nehmen (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Mai 2005 I B 218/04, BFH/NV 2005, 1503).
Sofern wie im vorliegenden Fall das Beitreibungsersuchen bereits gestellt wurde und damit nach § 30 AO geschützte Verhältnisse offenbart wurden, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage nicht nachträglich. Es besteht ein berechtigtes Interesse, die Zulässigkeit der Weitergabe gerichtlich überprüfen zu lassen und mögliche Beeinträchtigungen aus Vollstreckungsmaßnahmen der ausländischen Behörde im Falle einer unrechtmäßigen Weitergabe zu verhindern.
3. Die Klage auf Rücknahme des Beitreibungsersuchens ist auch nicht deshalb unzulässig, weil das Finanzamt - wie es vorträgt - keine Passivlegitimation (§ 63 FGO) besitzt.
Gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 FGO ist die Klage gegen die Behörde zu richten, die den beantragten Verwaltungsakt oder die andere Leistung unterlassen oder abgelehnt hat. Dabei ist die prozessual zu beurteilende Passivlegitimation von der materiell-rechtlich zu beurteilenden Sachlegitimation (sachliche und örtliche Zuständigkeit) zu unterscheiden (BFH-Beschluss vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501). Die Passivlegitimation hängt folglich nicht davon ab, ob die begehrte Leistung von der beklagten Behörde materiell- rechtlich gefordert werden kann.
Vorliegend begehrt der Kläger ausdrücklich die Rücknahme des Beitreibungsersuchens vom Finanzamt und nicht vom BZSt. Diese begehrte "andere Leistung" i.S.d. § 63 Abs. 1 Nr. 2 FGO wurde vom Finanzamt abgelehnt, so dass dieses allein deshalb für die vorliegende Klage passivlegitimiert ist. Ob der Kläger tatsächlich einen Anspruch auf Rücknahme des Beitreibungsersuchens gegenüber dem Finanzamt besitzt, ist eine Frage der Begründetheit.
4. Soweit der Kläger sein Begehren auf Rücknahme des Beitreibungsersuchens auf die Verletzung von Vorschriften der Richtlinien 76/308/EWG und der Richtlinie 2002/94/EG der Kommission vom 9. Dezember 2002 zur Festlegung ausführlicher Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie 76/308/EWG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit bestimmten Abgaben, Zöllen, Steuern und sonstigen Maßnahmen (Richtlinie 2002/94/EG; ABl. L 337 vom 13. Dezember 2002, S. 41 ff., zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/84/EG der Kommission vom 23. Oktober 2006, Abl. L 362 vom 20. Dezember 2006, S. 99 ff.) stützt, kann die Klage keinen Erfolg haben, da er sich im vorliegenden Verfahren gegen das beklagte Finanzamt darauf nicht berufen kann.
a) Dabei steht nach Auffassung des Senats der Geltendmachung der Verletzung der Vorschriften der Richtlinien 76/308/EWG und 2002/94/EG zwar noch nicht entgegen, dass sich die Richtlinien nur an die Mitgliedstaaten richten (vgl. Art. 249 Satz 3 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957 in der Fassung des Vertrags über die Europäische Union vom 7. Februar 1992, BGBl. II 1253, zuletzt geändert durch die Akte zum Beitrittsvertrag vom 24. April 2005, ABl. Nr. L 157 vom 21. Juni 2005, S. 203; Art. 26 der Richtlinie 76/308/EWG; Art. 34 der Richtlinie 2002/94/EG) und, soweit es um Beitreibungsersuchen an andere Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft geht, keine Umsetzung in unmittelbar verbindliches Recht erfolgte. Das zur Umsetzung der Richtlinien erlassene EG-Beitreibungsgesetz (EG-BeitrG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Mai 2003, BGBl. I 2003, S. 654, zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007, BGBl. I 2007, S.2897) erfasst nämlich nach seinem Anwendungsbereich (§ 1 EG-BeitrG) nur Vollsteckungen von Geldforderungen, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft entstanden sind, im Inland.
Soweit das Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe bei der Steuererhebung vom 19. Januar 2004 (BStBl I 2004, 66) allgemeine Grundsätze für ausgehende Ersuchen aufstellt (unter Tz. 2 des Merkblatts) und im Rahmen der Zulässigkeit solcher Ersuchen auf die Vorgaben der Richtlinie 76/308/EWG und der Richtlinie 2002/94/EG Bezug nimmt, wird jedoch eine Verwaltungspraxis begründet, die bei Klagen gegen Amtshilfeersuchen ins Ausland zumindest zu einer mittelbaren Berücksichtigung der Regelungen der EG-Richtlinien führt. Soweit ein Beitreibungsersuchen gestellt wird, ohne dass die Voraussetzungen im BMF-Merkblatt erfüllt sind, kann das Steuergeheimnis in unzulässiger Weise beeinträchtigt worden sein.
b) Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass der Kläger seine Einwendungen bezüglich der Verletzung der Richtlinien 76/308/EWG und 2002/94/EG nur gegenüber dem BZSt mit Erfolg geltend machen kann.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) obliegt dem BZSt die Ausübung der Funktion der zuständigen Behörde auf dem Gebiet der Rechtsund Amtshilfe, soweit das zuständige Bundesministerium seine Befugnisse in diesem Bereich delegiert. Gemäß Erlass vom 13. Dezember 1976 (BStBl I 1977, 33) hat das BMF aus dem Aufgabengebiet "Internationale Rechts- und Amtshilfe" den Teilbereich "Vollstreckungs- und Zustellungssachen" dem früheren Bundesamt für Finanzen (BfF) und nunmehrigen BZSt übertragen. Damit gilt das BZSt als "ersuchende Behörde" i.S.d. der Richtlinien 76/308/EWG und 2002/94/EG. Es reicht die Beitreibungsersuchen ins EU-Ausland weiter und ist Ansprechpartner für die ausländische Behörde. Dementsprechend bestimmt auch das Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe bei der Steuererhebung, dass das BfF (nun: BZSt) auf die Einhaltung der einschlägigen Verfahrensvorschriften und Fristen insbesondere der Richtlinie 2002/94/EG zu achten hat (Tz. 1.4.1 des Merkblatts; vgl. auch § 2 Abs. 2 EG-BeitrG hinsichtlich der Zuständigkeit des BMF bzw. BZSt für eingehende Beitreibungsersuchen). Die Verantwortung für die Berücksichtigung der Vorgaben der EG-Beitreibungsrichtlinien liegt damit letztlich beim BZSt.
Dass ein Beitreibungsersuchen an eine ausländische Behörde grundsätzlich auf Veranlassung eines Finanzamts gestellt und i.d.R. von der dem Finanzamt unmittelbar vorgesetzten Behörde (vorliegend Bayerisches Landesamt für Steuern) geprüft wird (Tz. 1.4.1 und 2.2.2.1 des Merkblatts) ändert daran nichts, dass Einwendungen, die die Einhaltung der Richtlinie 76/308/EWG und der Richtlinie 2002/94/EG betreffen, gegenüber dem BZSt geltend zu machen sind, da diese verwaltungsinterne Aufgabenregelung nichts an der gesetzlich bestimmten Aufgabenverteilung (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 FVG) ändert.
Für dieses Rechtsverständnis spricht auch, dass im vergleichbaren Bereich der zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen Rechtsbehelfe gegen Auskünfte an ausländische Behörden nicht gegen das örtlich zuständige Finanzamt, sondern gegen das BMF bzw. BZSt zu richten sind, sofern die Zuständigkeit nicht auf eine untergeordnete Behörde verlagert wurde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 1986 I B 28/86, BFHE 147, 492, BStBl II 1987, 440; vom 13. Januar 2006, I B 35/05, BFH/NV 2006, 924; vgl. auch BMF-Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen vom 25. Januar 2006, BStBl I 2006, 26 unter Tz. 6.2).
Es kann deshalb offen bleiben, ob Säumniszuschläge vom Anwendungsbereich der Richtlinie 76/308/EWG erfasst werden, die unzutreffende Erfassung der Zinsen in der Anlage erheblich ist sowie die 5-Jahresfrist gemäß Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 76/308/EWG eingehalten und somit die Mindestbetragsgrenze von 1.500 EUR nach Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2002/94/EG erreicht wurde. Diese Einwendungen können nach Auffassung des Senats nur gegenüber dem BZSt geltend gemacht werden.
5. Abgesehen von den ausgeschlossenen Einwendungen hinsichtlich der Verletzung der Richtlinien 76/308/EWG und 2002/94/EG sind keine Umstände erkennbar und wurden auch nicht vorgetragen, die einen Anspruch auf Rücknahme des Beitreibungsersuchens gegenüber dem beklagten Finanzamt begründen.
Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch auf Rücknahme des Beitreibungsersuchens gemäß § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.V.m. § 30 AO (BFH-Beschlüsse vom 20. Januar 1988 I B 72/87, BFHE 152, 50, BStBl II 1988, 412; vom 13. Januar 2006 I B 35/05, BFH/NV 2006, 924).
Die Weiterleitung des Beitreibungsersuchens auf dem Dienstweg an das BZSt war gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a AO zulässig, da es zur Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen (Vollstreckungsverfahrens nach §§ 249 ff AO) dient. Die Entscheidung, ein Verfahren zur Beitreibung der Steuerrückstände des Klägers nach der Richtlinie 76/308/EWG einzuleiten war nicht ermessensfehlerhaft, nachdem eine Vollstreckung im Inland nicht zur vollständigen Befriedigung der Steueransprüche geführt hatte und die Vollstreckungsvoraussetzung (§§ 251, 254 AO) gegeben waren. Dies gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen der Richtlinien 76/308/EWG und 2002/94/EG nicht erfüllt sind, da die abschließende Prüfung dem BZSt obliegt und nach der vorliegenden streitigen Verfahrenslage ein Beitreibungsersuchen ins Ausland nicht offensichtlich unzulässig ist.
Es kann offen bleiben, welche Auswirkungen ein Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO auf ein Beitreibungsersuchen auf der Grundlage der Richtlinie 76/308/EWG hat. Vorliegend wurde weder ein solcher gewährt noch wurden Umstände vorgetragen, die das Finanzamt verpflichten würden, einen solchen zu gewähren. Die vorgetragenen Beeinträchtigungen des Klägers in Zypern durch das Beitreibungsersuchen reichen hierfür nicht aus und sind im Übrigen nicht ausreichend substantiiert. Daher kann es auch dahinstehen, ob möglicherweise die ersuchte Behörde in Zypern hierüber zu entscheiden hätte (vgl. FG Saarland 11. September 2003 1 V 259/03, [...]).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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