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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 27.06.2007
Aktenzeichen: 9 K 2851/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3
EStG § 63 Abs. 1 S. 1
EStG § 63 Abs. 1 S. 2
EStG § 70 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

9 K 2851/05

Kindergeld

In der Streitsache

hat der 9. Senat des Finanzgerichts München

ohne mündliche Verhandlung

am 27. Juni 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Klägerin für ihren Sohn C, geboren am 30. März 1983, Kindergeld für die Zeit ab November 2004 zusteht.

Der Sohn der Klägerin erlitt am 12. Dezember 2002 einen schweren Verkehrsunfall mit einem Polytrauma, das mehrere Folgeoperationen nach sich zog. Zum Zeitpunkt des Unfalls war C als Hilfsarbeiter beschäftigt, da er seine Malerlehre wegen der nicht bestandenen theoretischen Prüfung noch nicht abgeschlossen hatte. Im weiteren Verlauf hielt der Hausarzt von C, Dr. med. G, eine Umschulung und eine Reintegration in das Arbeitswesen für dringend erforderlich (vgl. Attest vom 19. Februar 2004).

Nach dem Auslaufen des Krankengeldes am 9. Juni 2004 meldete sich C am 10. Juni 2004 bei der Agentur für Arbeit M, Geschäftsstelle D, arbeitslos. Diese bewilligte ihm ab 10. Juni 2004 Arbeitslosengeld für 360 Tage i.H.v. 66,36 EUR wöchentlich.

Gemäß den Feststellungen in der amtsärztlichen Beurteilung vom 14. Juli 2004 durch das Berufsförderungswerk M gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung - Ärztlicher Dienst - (Berufsförderungswerk -), auf die im Einzelnen Bezug genommen wird, hätten Umschulungsmaßnahmen sofort begonnen werden können. C habe sich bei der körperlichen Untersuchung in einem guten Allgemeinzustand gezeigt. Die Untersuchung der internistisch relevanten Organe und der Laborbefunde habe keine Auffälligkeiten ergeben. Dem von C geäußerten Wunsch, zum Autodesigner umgeschult zu werden, könne aus arbeitsmedizinischer Sicht entsprochen werden. Er sei in der Lage, vollschichtig bis zeitweise mittelschwere Arbeiten unter Beachtung des genannten Leistungsbildes zu verrichten.

In der Zeit vom 26. bis 29. Oktober 2004 befand sich C zur Metallentfernung erneut in stationärer Behandlung und war anschließend bis mindestens 22. November 2004 arbeitsunfähig krank.

Am 22. November 2004 reichte die Klägerin einen Kindergeldantrag bei der Beklagten ein, in dem angegeben war, C wolle eine Ausbildung aufnehmen. Er habe sich bei der Berufsberatung in D gemeldet. Auf Anfrage teilte die Agentur für Arbeit M der Agentur für Arbeit P - Familienkasse - (= die Beklagte) mit Schreiben vom 30. November 2004 mit, dass C seit 10. Juni 2004 arbeitslos gemeldet und für berufliche Rehabilitationsmaßnahmen vorgemerkt sei. Ausweislich der beigefügten Beratungsvermerke der Arbeitsvermittlung, die C bis mindestens 1. Februar 2005 regelmäßig aufgesucht hat, habe dieser eine für den 22. November 2004 geplante Reintegrationsmaßnahme aufgrund des Krankenhausaufenthalts nicht beginnen können. Da er durch Vermittlung des behandelnden Arztes einen konkreten Arbeitsplatz in Aussicht habe, werde eine neue Kontaktaufnahme nach dem 1. Februar 2005 erst stattfinden, falls eine Einstellung nicht zustande kommen sollte. Aus dem Schreiben der Agentur für Arbeit M an den Sohn der Klägerin vom 13. Oktober 2004 ergibt sich, dass es sich bei der geplanten Reintegrationsmaßnahme um eine Trainingsmaßnahme handeln sollte, die durch Bewerbertraining und Beratung über die Möglichkeiten der Arbeitsplatzsuche dazu beitragen sollte, die Selbstsuche bzw. die Vermittlung des Suchenden zu unterstützen oder die Arbeitsbereitschaft und -fähigkeit zu prüfen sowie notwendige Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, um eine Vermittlung in Arbeit oder einen erfolgreichen Abschluss einer beruflichen Ausbildung erheblich zu erleichtern. Laut eines Aktenvermerks der Beklagten über ein Telefongespräch mit der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit M vom 8. März 2005 war C nicht bei der Berufsberatung gemeldet.

Auf den Antrag des Sohnes der Klägerin vom 14. Juli 2004 stellte das Amt für Versorgung und Familienförderung M mit Bescheid vom 21. Februar 2005 die Schwerbehinderung von C im Sinne des § 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest.

Die Beklagte hob daraufhin die Kindergeldfestsetzung für C ab November 2004 nach § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) unter dem Datum vom 17. März 2005 mit der Begründung auf, die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld seien nicht gegeben. Insbesondere sei C erwerbsfähig, so dass eine Berücksichtigung als behindertes Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG ausscheide. Eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG scheitere daran, dass C bereits das 21. Lebensjahr vollendet habe. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2005 zurückgewiesen.

Zur Begründung verwies die Beklagte zusätzlich auf ein Schreiben der Agentur für Arbeit M vom 1. Juni 2005, in dem diese mitteilte, dass die Voraussetzungen einer Mehrfachanrechnung nicht gegeben seien und das Kind in der Lage sei, eine arbeitslosenversicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für es in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben.

Auf die Einspruchsentscheidung wird ergänzend Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt, die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG hätten mindestens bis zum 21. Juni 2005 vorgelegen, da C jedenfalls bis zu diesem Tag durchgängig krank gewesen sei, wie sich aus dem vorgelegten Attest des Dr. G vom 25. Juli 2005 ergebe. Die Einstufung des GdB auf 50 sei, wie der behandelnde Arzt in seinem Attest vom 8. August 2005 zur Vorlage beim Versorgungsamt festhalte, nicht ausreichend. Er sehe einen GdB von 80 als gegeben an, da die Unfallfolgen nach wie vor gravierend seien. So schließe insbesondere die seelische Verfassung des Sohnes eine Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit aus. C habe bereits vor dem Un- fall an dem sog. "Borderline-Syndrom" gelitten, welches ein konzentriertes Arbeiten verhindere. Dieses Symptom sei durch den Unfall erheblich verstärkt worden, wie das Attest des Dr. G vom 8. Februar 2006 bestätige. Eine seelische Erkrankung könne eine Person ebenso an einer Erwerbstätigkeit hindern wie eine körperliche Behinderung.

Schließlich habe die ARGE Landkreis D im Schreiben vom 17. August 2006 selbst festgestellt, dass C lange Zeit arbeitsunfähig gewesen sei und jetzt seine Arbeitsfähigkeit erst ärztlich festgestellt werden müsse. Die Beklagte verhalte sich daher widersprüchlich, wenn sie einerseits als Beteiligte der ARGE dem Sohn langandauernde Arbeitsunfähigkeit attestiere, andererseits aber im Rahmen der Festsetzung des Kindergeldes Arbeitsfähigkeit unterstelle.

Auf die Schriftsätze vom 26. Juli, 12. August und 31. Oktober 2005 sowie vom 8. Februar und 15. September 2006 und die die damit eingereichten Atteste und Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 17. März 2005 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Sie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf ihre Einspruchsentscheidung und führt weiter aus, wie sich aus der Stellungnahme der Agentur für Arbeit M vom 1. Juni 2005 ergebe, seien die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht erfüllt. Auch die Bewilligung von Arbeitslosengeld bis mindestens Februar 2005, die nach den §§ 117 SGB III (bis 31. Dezember 2004) bzw. 118 SGB III (ab 1. Januar 2005) und 119 SGB III zur Voraussetzung habe, dass der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehende Antragsteller eine versicherungspflichtige und mindestens 15 Wochenstunden umfassende Beschäftigung suche sowie arbeitsfähig und arbeitswillig sei, belege, dass besondere Umstände, auf Grund derer eine Erwerbsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeschlossen sei, nicht gegeben seien. Maßgeblich sei insoweit das Gutachten des Facharztes, also des Ärztlichen Dienstes des Berufsförderungswerks und nicht die Stellungnahme des Hausarztes des Sohnes der Klägerin, Dr. G.

Auf die Schriftsätze vom 27. September 2005, 10. Januar, 21. März und 21. Juni 2006 sowie die dazu eingereichten Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für C ab November 2004 aufgehoben.

1. Eine Gewährung von Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG auf Grund der Arbeitslosigkeit von C scheitert - wie die Beklagte richtig festgestellt hat - daran, dass der Sohn am 30. März 2004 das 21. Lebensjahr vollendet hat.

2. Es besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG.

a) Nach § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten.

Das Kind muss nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht nur behindert sein, vielmehr muss die Behinderung - und nicht die allgemein ungünstige Situation auf dem Arbeitsmarkt - auch ursächlich sein für die Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt. Davon ist nach Auffassung der Verwaltung grundsätzlich auszugehen, wenn der Grad der Behinderung 50 oder mehr beträgt und besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint (vgl. Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs - DA-FamEStG -, Bundessteuerblatt - BStBl - I 2004, 742, 767 DA 63.3.6.3. Abs. 2). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles (BFH-Urteile vom 16. April 2002 VIII R 62/99, BStBl II 2002, 738;26. August 2003 VIII R 58/99, BFH/NV 2004, 326). Außerdem setzt die Berücksichtigung eines behinderten Kindes über das 27. Lebensjahr hinaus nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 2001 VI R 56/98, BStBl II 2001, 832). Den Nachweis für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für das Bestehen eines Kindergeldanspruchs hat der Antragsteller zu führen.

b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nach der Überzeugung des Senats nicht vor.

Zwar wurde C durch den Bescheid des Versorgungsamtes vom 21. Februar 2005 ein GdB von 50 bescheinigt. Es fehlt dennoch an weiteren besonderen Umständen, aufgrund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint und damit am Nachweis der Ursächlichkeit der Behinderung - und nicht der allgemein ungünstigen Situation auf dem Arbeitsmarkt - für die Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Der behandelnde Hausarzt des Sohnes der Klägerin, Dr. G, hat selbst im Attest vom 19. Februar 2004 zur Vorlage beim Arbeitsamt festgestellt, dass eine Umschulung und Reintegration in das Arbeitswesen dringend erforderlich sei und gleichzeitig darum gebeten, schon vor der Gesundschreibung entsprechende Förder- und Beratungsmaßnahmen durchzuführen.

Dafür spricht auch das amtsärztliche Gutachten des ärztlichen Dienstes des Berufsförderungswerks vom 14. Juli 2004, an dessen Objektivität und Richtigkeit der Senat keinen Anlass hat, zu zweifeln. Der Gutachter ist auf Grund der beim Sohn durchgeführten umfangreichen Untersuchung, die neben einer körperlichen auch eine Untersuchung der internistisch relevanten Organgruppen und der Laborbefunde einschloss, zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser "jetzt" in der Lage sei, vollschichtig bis zeitweise mittelschwere Arbeiten unter Beachtung des genannten Leistungsbildes zu verrichten. Anhaltspunkte dafür, dass zwischen dem Zeitpunkt der Untersuchung am 14. Juli 2004 und dem Erlass der Einspruchsentscheidung am 4. Juli 2005 eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eingetreten ist, bestehen nicht. Vielmehr deuten gerade die Tatsachen, dass C nach der stationären Metallentfernung im Oktober 2004 am 22. November 2004 eine Reintegrationsmaßnahme und im Februar 2005 nach Vermittlung durch den Hausarzt sogar eine Arbeitsstelle antreten sollte, auf eine kontinuierliche Besserung hin.

Dafür spricht schließlich der chirurgische Bericht des Krankenhauses B anlässlich der Metallentfernung, in dem festgestellt wird, dass das rechte Bein voll belastet werden kann, wenngleich Spitzenbelastungen zu vermeiden sind. Das Attest des Dr. G vom 25. Juli 2005 ist demgegenüber nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die danach bis Februar 2005 dauernde Arbeitsunfähigkeit reicht allein für die Begründung der im Rahmen des § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG erforderlichen Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt nicht, zumal der Arzt selbst eine Reintegration nicht nur für erforderlich hielt, sondern dem Sohn der Klägerin sogar eine Arbeitsstelle vermittelte.

Das Gutachten ist damit eindeutig, so dass keine Notwendigkeit für ein weiteres Gutachten besteht. Ein neues Gutachten könnte überdies hinreichend sichere Feststellungen nur zur aktuellen gesundheitlichen Situation des Sohnes, nicht aber zu der im Streitzeitraum treffen.

Aus diesem Grund sind auch die vorgelegten Atteste des Dr. G vom 8. August 2005 und 8. Februar 2006 sowie der Hinweis der Klägerin auf das Schreiben der ARGE Landkreis D vom 17. August 2006 insoweit unbeachtlich.

3. Ein Kindergeldanspruch der Klägerin nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG scheidet ebenfalls aus.

a) Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG erhält ein Steuerpflichtiger Kindergeld für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wenn es noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Hat das Kind noch keinen Ausbildungsplatz gefunden, hängt die Berücksichtigung davon ab, dass es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen ist, seine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Der Berechtigte muss der Familienkasse die ernsthaften Bemühungen des Kindes um einen Ausbildungsplatz durch geeignete Unterlagen nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Als Nachweis kommen insbesondere in Betracht schriftliche Bewerbungen sowie deren Zwischennachricht oder Ablehnung und die Registrierung als Bewerber für einen Ausbildungsplatz bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit (vgl. DA-FamEStG, BStBl I 2004, 742, 767 DA 63.3.4; BFH-Beschluss vom 21. Juli 2005 III S 19/04 - PKH -, BFH/NV 2005, 2207). Ein ernsthaftes Bemühen ist dagegen nicht zu verlangen, wenn die Ausbildung aus Krankheitsgründen nicht begonnen werden konnte oder unmittelbar nach Beginn für mehrere Monate unterbrochen werden müsste (DA- FamEStG, a.a.O., DA 63.3.4 Abs. 4 Satz 2; vgl. auch Jachmann in Kirchhoff/Söhn, EStG, § 32 Rdnr. C 26). Als Ausbildung ist auch die Vorbereitung eines Behinderten auf eine Erwerbstätigkeit durch Ausbildungsmaßnahmen zu sehen (vgl. Schmidt/Loschelder, EStG 26. Aufl., § 32 Rz. 27; DA-FamEStG, a.a.O., DA 63.3.2 Abs. 7).

b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zwar hätte eine Meldung bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit für den Nachweis der ernsthaften Bemühungen um einen Ausbildungsplatz genügt. Dies ist jedoch ausweislich des Aktenvermerks der Beklagten über das Telefongespräch mit der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit M vom 8. März 2005 - entgegen den Angaben der Klägerin im Kindergeldantrag vom 22. November 2004 - nicht geschehen. C war vielmehr ab 10. Juni 2004 bei der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit M arbeitslos gemeldet.

Zudem handelt es sich bei der im Schreiben vom 13. Oktober 2004 angebotenen Reintegrationsmaßnahme um keine Ausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG. Nach der Beschreibung im Hinweisblatt des Schreibens sollte es sich um eine Trainingsmaßnahme handeln, die durch Bewerbertraining und Beratung über die Möglichkeiten der Arbeitsplatzsuche dazu beitragen sollte, die Selbstsuche bzw. die Vermittlung des Suchenden zu unterstützen oder die Arbeitsbereitschaft und -fähigkeit zu prüfen sowie notwendige Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, um eine Vermittlung in Arbeit oder einen erfolgreichen Abschluss einer beruflichen Ausbildung erheblich zu erleichtern. Ein Training bzw. eine Beratung stellen jedoch weder eine Ausbildung noch eine Ausbildungsmaßnahme dar, sondern sollen eine Ausbildung gerade erst ermöglichen. Die Trainingsmaßnahme bzw. Beratung ist daher im Vorfeld einer eventuellen Ausbildung anzusiedeln. Eine Umschulung von C, die als Ausbildung i. S. der genannten Vorschrift angesehen werden kann, war nach den Beratungsvermerken der Agentur für Arbeit M vom 6. September und vom 13. Oktober 2004 nicht möglich.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass C ab 10. Juni 2004 bis mindestens Februar 2005 Arbeitslosengeld erhielt und so die für § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG typische Unterhaltssituation bei den Eltern nicht gegeben war (vgl. Jachmann in Kirchhoff/Söhn, a.a.O., § 32 Rdnr. C 26).

4. Da sich die Verhältnisse geändert haben, konnte die Beklagte die Festsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG aufheben. Da eine Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren nicht möglich ist, braucht der Senat nicht entscheiden, ob eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung wegen Änderung der Verhältnisse unter Umständen schon zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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