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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 06.08.1990
Aktenzeichen: X 11/85 E 2
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4
EStG § 10d
EStG § 20
EStG § 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

X 11/85 E 2

Einkommensteuer 198l

In der Streitsache

...

hat der X. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht

der Richter am Finanzgericht und sowie

der ehrenamtlichen Richter und ...

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 6. August 1987

für Recht erkannt:

Tenor:

1. In Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1981 vom 9. Mai 1985 wird die Einkommensteuer auf 4.088 DM festgesetzt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 54 v.H. und der Kläger zu 46 v.H.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann durch Sicherheitsleistung in Höhe der dem Kläger zu erstattenden Kosten die Vollstreckung abwenden wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Gründe:

I. Der Kläger (Kl) erzielt als Ingenieur Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit. In seiner Einkommensteuer-ESt-Erklärung für 1981 (Streitjahr) machte er 317.420,03 DM Aufwendungen aus einer Bürgschaftsübernahme als Betriebsausgaben geltend. Zur Begründung verwies der Kl in seinem Schreiben vom 4. Januar 1983 darauf, daß sich die Firmen des Hauptschuldners, des Herrn F., u.a. mit Flughafenanlagenbau, Hallen, Hafenanlagen und Flächenbauprojekten befaßt hätten, zum Zwecke der Zusammenarbeit 1979 eine entsprechende Vereinbarung geschlossen worden sei und daß er die Bürgschaft letztlich nur wegen dieser Zusammenarbeit und besonders im Hinblick auf ein größeres Vorhaben übernommen habe.

Konkret sollte bei dem Herrn F. die Bürgschaft eine Kaufpreisverpflichtung aus dem Kauf von Roller-Skates gegenüber der Bank in H. absichern.

Im ESt-Bescheid für das Streitjahr vom 11. August 1983 ließ der Beklagte (das Finanzamt = FA) die Bürgschaftsaufwendungen nicht zum Abzug zu.

Der Einspruch des Kl hatte insoweit Erfolg, als das FA die freiberuflichen Einkünfte des Kl um 24.200 DM zugeflossener Bürgschaftsprovisionen minderte. Den 24.200 DM stellte es gezahlte Zinsen ab 24. November 1984 gegenüber (4.344 DM) und ermittelte hieraus bisher nicht angesetzte Einkünfte nach § 22 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus der Bürgschaftsübernahme i.H. von 19.856 DM.

Die Bürgschaftszahlung selbst von umgerechnet 313.076 DM, die der Kl trotz eines am 4. Juni 1982 zu seinen Gunsten ergangenen Urteils des Landgerichts gegen F. nicht hatte realisieren können, setzte es dabei nicht als Werbungskosten an. Die Einspruchsentscheidung (EE) führte insgesamt zu einer Herabsetzung der ESt auf 13.434 DM.

Mit der hiergegen erhobenen Klage wird im wesentlichen vorgetragen: Herr G. F., zu dessen Firmengruppe Unternehmen der verschiedensten Art gehört hätten, habe dem Kl bei der Akquisition von Aufträgen behilflich sein sollen. Daraus seien Kontakte des Kl für folgende Projekte entstanden: Fabrik in Taiwan, Werk in Taiwan, Flughafen in L., Hafenerweiterung in H., Hochbaumaßnahmen in Ä. und Verbindungen nach China Ergänzend sei darauf hinzuweisen, daß Herr F. ein Patent für ein Passagierabfertigungssystem besitze, dessen kommerzielle Verwertung unter Beteiligung des Kl habe erfolgen sollen. Hierzu werde Zeugenbeweis angeboten durch Vernehmung des Herrn F.

Als weiterer Nachweis für die berufliche Veranlassung der Bürgschaftsübernahme könnten die dem Gericht vorgelegten Schreiben über die Projekte in Ä. und A., über das Hafenprojekt und das Flughafenprojekt sowie die Vereinbarung vom. 20. März 1981 mit der E-GmbH (Geschäftsführer: Herr F.) über die Patentauswertung für Flugzeughallen angesehen werden.

Der Kl beantragt,

in Änderung der angefochtenen Entscheidungen die Leistungen aufgrund der Bürgschaftsübernahme wie erklärt als Betriebsausgabe anzuerkennen.

Das FA beantragt Klageabweisung.

Es bezieht sich im wesentlichen auf den Inhalt seiner EE.

Während des Klageverfahrens hat das FA den angefochtenen Bescheid nach § 10 d Satz 2 EStG mit Bescheid vom 9. Mai 1985 geändert. Der Kl hat diesen Bescheid in der mündlichen Verhandlung nach § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

II. Zutreffend hat das FA die Leistungen aufgrund der Bürgschaft nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Es durfte sie jedoch nicht bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 22 EStG außer Betracht lassen.

1. Da die Tätigkeit eines Freiberuflers, zu der auch der vom Kl ausgeübte Ingenieurberuf gehört, durch die Person des Unternehmers geprägt wird (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 3 EStG) können Geldgeschäfte nur in Ausnahmefällen als betrieblich gewertet werden (vgl. dazu Schmidt/Seeger, EStG 6. Aufl., § 18 Anm. 15; Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Oktober 1981 IV R 77/76, BStBl II 1982, 340). Verluste aus solchen Geschäften führen deshalb regelmäßig zu keinen Betriebsausgaben i.S. des § 4 EStG.

Ausnahmen von diesen Grundsätzen hat die Rechtsprechung nur dann angenommen, wenn das Geldgeschäft ein notwendiges Hilfsmittel der freiberuflichen Tätigkeit war. So wurde ein Darlehen eines Steuerberaters als notwendiges Betriebsvermögen anerkannt, das dieser hingegeben hatte, um eine Honorarforderung zu retten (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 1980 VIII R 236/77, BStBl II 1980, 571). Daß berufsfremde Geschäfte aus den Geschäftsbeziehungen eines Freiberuflers entstehen, macht sie noch nicht zu Geschäftsvorfällen nach § 18 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1983 VIII R 92/83, BStBl II 1984, 129). Entgeltliche Darlehensgewährungen oder Bürgschaftsübernahmen, die für sich genommen Einkünfte nach § 20 bzw. § 22 Nr. 3 EStG begründen, verfügen über ein wirtschaftliches Eigengewicht und sind deshalb regelmäßig diesen genannten Einkunftsarten und nicht den Einkünften aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen (vgl. für den Fall einer Darlehensgewährung BFH-Urteil vom 19. Oktober 1982 VIII R 97/79, BStBl II 1983, 295).

Diese Grundsätze auf den Streitfall angewendet ergeben, daß die Aufwendungen aus der Inanspruchnahme als Bürge zu keinen Betriebsausgaben bei der freiberuflichen Tätigkeit des Kl führen.

Dem Kl ist zwar einzuräumen, daß er nach den vorgelegten Unterlagen ein berufliches Interesse an der Bürgschaftsübernahme haben konnte. Denn Herr F. stand mit ihm in einem engen geschäftlichen Kontakt. Der Senat unterstellt auch zugunsten des Kl, daß er zusammen mit F. dessen Patent auf dem Gebiet der Passagierabfertigung verwerten wollte und daß diesem Zweck auch die Gewinne aus der Bürgschaftsübernahme dienen sollten. Er kann deshalb auf die angebotene Einvernahme des Herrn F. als Zeugen verzichten.

Der Bürgschaft kommt Indessen ein wirtschaftliches Eigengewicht zu. Den unbestritten gebliebenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts 7. Zivilkammer, im Urteil vom 7. Mai 1982 zufolge sicherte der am 3. März 1981 zwischen dem Kl und Herrn F. abgeschlossene Vertrag bei einer Bankbürgschaft von 200.000 US-Dollar dem Kl ein monatliches Entgelt von 5.000 US-Dollar. Bei einer derartigen Vergütung, die sogar den Rahmen des Üblichen überschreitet, bildet die Bürgschaftsübernahme nicht lediglich ein Hilfsmittel der freiberuflichen Tätigkeit, sondern - wie das FA zu Recht angenommen hat - eine Einkunft i.S. des § 22 Nr. 3 EStG.

Bei einer derartigen Sachlage scheidet ein beruflicher Zusammenhang aus. Der Senat muß deshalb keine Erwägungen darüber anstellen, ob sich die fehlende berufliche Veranlassung des Geldgeschäftes außerdem auch daraus ergibt, daß der der Bürgschaft zugrundeliegende Kaufvertrag des Herrn F. (der Erwerb von Roller-Skates) mit dem Beruf des Kl nichts zu tun hatte. Ferner kann offenbleiben, ob die vom Kl in Zusammenhang gebrachte Patentauswertung und die anderen gemeinsamen Projekte überhaupt zu im Inland steuerbaren Erträgnissen geführt hätten.

Die Bürgschaftsverpflichtung oder Ersatzansprüche daraus als gewillkürtes Betriebsvermögen zu behandeln, scheidet aus, weil der Kl seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt.

2. Das FA durfte aber im Rahmen des § 22 EStG die Kosten aus der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nicht unberücksichtigt lassen.

Der Senat schließt sich dazu der Auffassung von Schmidt/ Drenseck, a.a.O. § 9 Anm. 2 k an, daß auch der unfreiwillige völlige oder teilweise Verlust eines privaten Wirtschaftsguts zu Werbungskosten i.S. des § 9 EStG führen kann, wenn er aus Gründen erfolgt, die in der Einkunftserzielungsspähre liegen und die Ausgabe deshalb als durch die Einkunftserzielung veranlaßt anzusehen ist. Dies ist im Streitfall anzunehmen.

Die entschädigungslos gebliebene Inanspruchnahme aus der Bürgschaft geht auf dieselben rechtlichen Beziehungen zurück, aus denen dem Kl auch die nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbaren Provisionen erwuchsen. Es handelt sich deshalb im Streitfall nicht um einen zufälligen Untergang eines privaten Vermögenswerts, den der Gesetzgeber nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 i.V. mit § 7 Abs. 1 Nr. 5 EStG möglicherweise nur für abnutzbare Gegenstände der Einkunftserzielung als Werbungskosten ansieht.

Auch aus der Besonderheit, daß es sich im Streitfall um Bürgschaftsaufwendungen handelt, läßt sich ein anderes Ergebnis nicht begründen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß solche Inanspruchnahmen zu Werbungskosten führen können, wenn die Bürgschaftsübernahme aus beruflichen Gründen erfolgt und deshalb das Eingehen der Verpflichtung einen Bezug zur Einkunftserzielung aufweist. Es sind keine überzeugenden Gründe dafür ersichtlich, den Streitfall anders zu sehen als die Arbeitnehmerbürgschaft (vgl. dazu BFH-Urteil vom 29. Februar 1980 VI R 165/78 R 165/78, BStBl II 1980, 395 m.w.N.). Hier wie dort wird die Bürgschaft eingegangen, um Einkünfte zu erlangen. Das gezielte Eingehen des Risikos für diese Zwecke folgt für den Senat vorliegend schon aus der außergewöhnlichen Höhe der vereinbarten Provisionen.

Dem kann auch nicht mit dem Einwand begegnet werden, daß der Verlust des zur Einkunftserzielung eingesetzten Gegenstands, der sog. Einkunftsquelle, keinen Werbungskostencharakter hat, weil diese "außerhalb der Einkünfteermittlung" bleibt (vgl. für die Kapitalforderung des § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG das BFH-Urteil in BStBl II 1983, 295). Dem könnte entgegengehalten werden, daß dieser Satz nur darin seine Berechtigung hat, als Aufwendungen für nichtabnutzbare Vermögensgegenstände der Einkunftserzielung einen möglichen Zusammenhang mit nichtsteuerbaren Veräußerungsgewinnen aufweisen und nur deshalb und in diesen Grenzen gleichzeitig für außerhalb der Einkunftserzielung liegende Zwecke eingesetzt werden. Dies ließe aber den Abzug von solchen Vermögensabflüssen zu, die mit nichtsteuerbaren Vermögensveräußerungen deshalb nicht verbunden sind, weil sie dem Steuerpflichtigen als unfreiwilliges Vermögensopfer aus allein in der Einkunftssphäre liegenden Gründen erwachsen (vgl. dazu Schmidt/Drenseck a.a.O., § 9 Anm. 2 i; Paus, Finanzrundschau -FR- 1983, 502, 504). Gerade die Anerkennung auch von unfreiwillig erlittenen und daher nicht kalkulierten Verlusten als Werbungskosten (vgl. die Übersicht im BFH-Urteil vom 4. Juli 1986 VI R 227/83, BStBl II 1986, 771) läßt erhebliche Zweifel daran aufkommen, daß der sog. Einkunftsquelle oder dem sog. Vermögensbereich ein Sonderstatus zukommt (s. zu Verlusten an der Einlage eines typisch stillen Gesellschafters Finanzgericht München, Urteil vom 5. November 1980, V (IX) 57/76 E 2; BB 1981, 1315, mit zustimmender Anmerkung von Döllerer, und Hinweis auf den amtlich nicht veröffentlichten BFH-Beschluß vom 30. September 1980 VIII B 84/79).

Der Senat muß diese Fragen indessen nicht abschließend beantworten.

Denn im Streitfall erlitt der Kl keinen Verlust an einem der Einkunftserzielung dienenden Gegenstand. Er hat vielmehr Zahlungen auf die Bürgschaftsverpflichtungen geleistet, die er von vornherein riskiert hat und die ausschließlich durch die Erzielung von Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG veranlaßt sind. Sie stellen Werbungskosten dar.

Die gegenteilige Entscheidung des BFH vom 11. Januar 1966 I 53/63, BStBl III 1966, 218, ist nach Auffassung des Senats durch das Urteil in BStBl II 1980, 395 überholt. Andernfalls könnte sich der Senat der Rechtsprechung des BFH nicht anschließen.

Nach § 22 Nr. 3 Satz 3 können die Werbungskosten jedoch nur i.H. der angefallenen Einnahmen abgezogen werden. Der übersteigende Betrag kann nicht bei der Ermittlung des Einkommens ausgeglichen werden; er darf auch nicht nach § 10 d EStG abgezogen werden. Daraus ergibt sich folgende Steuerberechnung: DM zu versteuerndes Einkommen lt. Änderungsbescheid vom 9.5.1985 46.929 Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG 19.856 ./. 313.076 mindestens 0 bisher angesetzt 19.856 Differenz 19.856 ./. 19.856 zu versteuern 27.073 Steuer lt. Splittingtabelle 4.088 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 3, § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V. mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Bei der Kostenentscheidung geht der Senat von einem Streitwert von 8.846 DM (Steuer lt. Änderungsbescheid vom 9. Mai 1985) aus, die der Kl auf 0 DM herabgesetzt haben will, über die Folgeberichtigung nach § 10 d EStG wurde zwischen den Beteiligten nicht gestritten.

Der Antrag des Kl ist auf den Abzug der Bürgschaftszahlungen gerichtet.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Ende der Entscheidung

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