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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 16.02.2005
Aktenzeichen: 1 K 1270/03 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 16 Abs 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 16.02.2005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtliche Richterin ...

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob stille Reserven aufzudecken oder von einer Betriebsverpachtung im Ganzen auszugehen ist.

Die verheirateten Kläger (Kl.) werden im Streitjahr zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Der Kl. betrieb bis zum September 1998 auf eigenem Grundstück in guter Wohnlage in einem Außenbezirk von Hamm eine Bäckerei. Die Umsätze wurden im Bereich des Ladenverkaufs (50 %), durch ambulanten Verkauf ("Hausiertour" - 10 %) und durch Belieferung eines großen Krankenhauses sowie zweier Kinderheime (40 %) erzielt.

Mit Vertrag vom 26.09.1998 verpachtete er die Bäckerei für die Zeit vom 01.10.1998 bis 30.09.2013 an Herrn X. Bei nicht rechtzeitiger Kündigung war eine Vertragsverlängerung um jeweils ein Jahr vereinbart. Dem Pächter wurde ein dingliches Vorkaufsrecht für das betrieblich genutzte Grundstück ... in Hamm eingeräumt. In § 9 des Pachtvertrages ist abgesprochen, dass der Pächter das Bäckerei- und Ladeninventar zu einem Kaufpreis von 150.000 DM erwerben wird. Der entsprechende Kaufvertrag datiert vom 30.09.1998. Darüber hinaus heißt es in § 9 des Pachtvertrages: "Miterworben wird auch der Geschäftsname "Bäckerei S "."

Der Kl. ging in den ESt-Erklärungen der Streitjahre von einem während der Verpachtung fortbestehenden Gewerbebetrieb aus und erklärte die Pachteinnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Demgegenüber ging der Beklagte (Bekl.) im Anschluss an das Ergebnis einer Betriebsprüfung von einer Betriebsaufgabe des Kl. aus und ermittelte einen Betriebsaufgabegewinn in Höhe von 817.410,84 DM, einen laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb 1998 (01.01.-30.09.1998) in Höhe von ./. 72.055,95 DM sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4.216,24 DM (01.10.-31.12.1998) und für 1999 in Höhe von 22.637,73 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 10 des Bp.-Berichts vom 21.03.2002 verwiesen.

Gegen die auf dieser Basis ergangenen ESt-Bescheide 1998 und 1999 vom 20.06.2002 erhoben die Kl. Einspruch. Zur Begründung trugen sie vor, der Kl. habe sich bei der Verpachtung davon leiten lassen, den Betrieb bei Ablauf des Pachtvertrages im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge zu übertragen. Der Erbe solle dann die Möglichkeit erhalten, den Betrieb unter dem Firmennamen weiterzuführen.

Im Streitfall sei von einer Betriebsverpachtung auszugehen. Der Kl. habe alle wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet. Der Grundbesitz sei die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage des klägerischen Betriebes. Die veräußerten kurzfristig ersetzbaren Maschinen gehörten nicht dazu, zumal sie bei Ende der Pachtzeit technisch und wirtschaftlich abgeschrieben seien und ohnehin wegen der fehlenden Erneuerungsverpflichtung des Pächters durch den Verpächter ersetzt werden müssten. Jedenfalls wäre der Verpächter nach Beendigung des Pachtvertrages jederzeit in der Lage, den Gewerbebetrieb wieder aufzunehmen.

Der Bekl. wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 14.02.2003 zurück. Zur Begründung trug er vor, eine als Betriebsfortführung geltende Betriebsverpachtung im Ganzen sei nur gegeben, wenn der Steuerpflichtige die wesentlichen Betriebsgrundlagen im Ganzen verpachtet habe und für ihn oder seinen Rechtsnachfolger objektiv die Möglichkeit bestünde, den Betrieb später identitätswahrend fortzuführen.

Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor. Nach dem Verkauf des Warenbestandes, der Maschinen und des Geschäftsnamens würden im Kern nur noch Baulichkeiten verpachtet. Sollte der Kl. oder dessen Erbe im Jahr 2013 einen Bäckereibetrieb fortführen, so werde er wegen des fehlenden Geschäftsnamens niemals mit dem Betrieb aus dem Jahr 1998 identisch sein. Darüber hinaus müsste das gesamte Anlagevermögen neu hinzugekauft werden.

Die Kl. erhoben mit Schreiben vom 04.03.2003 gegen die EE Klage. Unter Wiederholung des Vorbringens aus dem Vorverfahren halten sie an der Auffassung fest, im Streitfall sei von einer Betriebsverpachtung im Ganzen auszugehen. Der Kl. habe sich im Rahmen des ihm zustehenden Wahlrechts für die Fortführung des Betriebes entschieden. Die Möglichkeit der Betriebsfortführung durch den Kl. sei sichergestellt. Insbesondere stehe die Veräußerung von Geschäftsinventar einer Betriebsverpachtung nicht entgegen. Der Kl. könne den Betrieb durch Wiederbeschaffung entsprechender Wirtschaftgüter wieder aufnehmen. Aus den vorgelegten Unterlagen sei zu entnehmen, dass der wesentliche Teil der Produktionsanlagen nicht veräußert, sondern verpachtet worden sei. Die veräußerten Geräte könnten innerhalb weniger Stunden neu montiert werden.

Die Vereinbarung, dass der Name "Bäckerei S" verkauft worden sei, sei so zu verstehen, dass der Name für die Pachtzeit genutzt werden könne. In diesem Zusammenhang werde auf die entsprechende Bestätigung des Pächters vom 26.01.2004 verwiesen (Bl. 52 FG-A.). Deshalb sei der Name weder im Kaufvertrag vom 30.09.1998 aufgeführt noch sei dafür ein Kaufpreis vereinbart worden. Die Maschinenpreise seien im Übrigen nach einem Gutachten festgesetzt worden. Die ermittelten Zeitwerte entsprächen exakt dem Kaufpreis von 150.000 DM, so dass für einen Namenserwerb kein Kaufpreisanteil festzustellen sei.

Die Kl. beantragen,

die ESt-Bescheide 1998 und 1999 vom 20.06.2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.02.2003 zu ändern und die Einkommensteuer auf der Grundlage eines Fortbestehens des Gewerbebetriebes (Betriebsverpachtung) niedriger festzusetzen,

im Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen und im Falle des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Im Streitfall seien nicht - wie für die Betriebsverpachtung im Ganzen erforderlich - alle wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet worden. Firmenname und Maschinen seien verkauft und ein Vorkaufsrecht hinsichtlich des Grundbesitzes eingeräumt worden. Es sei davon auszugehen, dass der Firmenwert bei der Zeitwertermittlung für die Maschinen berücksichtigt worden sei. Im Gutachten der Bäckereiinnung zur Zeitwertermittlung heiße es: "Der für die Maschinen und Gerätschaften ermittelte Zeitwert kann nur erzielt werden, wenn der Betrieb als Ganzes veräußert bzw. weitergeführt wird. Bei Einzelverkäufen muss mit geringeren Erlösen gerechnet werden."

Die Erklärung des Pächters X vom 26.01.2004 stehe im Widerspruch zu § 9 des Pachtvertrages. Danach sei auch der Geschäftsname Bäckerei S miterworben worden.

Im Übrigen sei nach der Struktur des Betriebes nicht unbedingt von einem reinen Handwerksbetrieb mit Ladenverkauf auszugehen. Mit Blick auf die mit wenigen Großabnehmern erzielten Umsätze weise das Unternehmen eher den Charakter eines Produktionsbetriebes auf.

Auch die Fortführungsabsicht sei zweifelhaft. Der Kl. sei bei Ablauf des Pachtvertrages 74 Jahre alt und an einer Wiederaufnahme der gewerblichen Tätigkeit vermutlich nicht interessiert. Ein Enkel, der eine Berufsausbildung als Bäcker anstrebe, sei nicht benannt worden.

Die Anschaffungskosten des veräußerten beweglichen Anlagevermögens hätten 540.000 DM betragen. Nach Ablauf des Pachtvertrages sei von erheblich höheren Wiederbeschaffungskosten auszugehen. Der nach den Umsätzen beurteilt eher kleinere Bäckereibetrieb des Kl. werde wirtschaftlich nicht ohne weiteres zur Wiederbeschaffung und zur Betriebsfortführung in der Lage sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Steuerakten verwiesen.

Am 12.12.2003 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Der Senat hat am 16.02.2005 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschriften wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Bekl. ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kl. den Bäckereibetrieb durch die Verpachtung an Herrn X aufgegeben hat.

Die Verpachtung eines Gewerbebetriebes führt nicht zwangsläufig zu einer Betriebsaufgabe und damit zur Aufdeckung der stillen Reserven. Die im Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven sind dann nicht aufzudecken, wenn der Steuerpflichtige zwar selbst seine werbende Tätigkeit einstellt, aber entweder den Betrieb im Ganzen als geschlossenen Organismus oder zumindest alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet und gegenüber den Finanzbehörden nicht ausdrücklich, d.h. klar und eindeutig, die Aufgabe des Betriebes erklärt (BFH, Urteil 11. Februar 1999 III R 112/96, BFH/NV 1999, 1198 m.w.N.).

Eine Betriebsverpachtung setzt danach u.a. voraus, dass der Steuerpflichtige dem Pächter einen Betrieb zur Nutzung überlässt, den der Pächter im Wesentlichen fortsetzen kann. Dem Verpächter muss objektiv die Möglichkeit verbleiben, den "vorübergehend" eingestellten Betrieb als solchen wieder aufzunehmen und fortzuführen (BFH, Urteil vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFH/NV 2003, 1495 m.w.N.).

Für die Anerkennung der gewerblichen Verpachtung reicht es aus, dass die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände verpachtet werden. Das sind die Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Betriebszweckes erforderlich sind und ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung besitzen (BFH, Beschluss vom 18.05.2004 X B 167/03, BFH/NV 2004, 1262).

Im Streitfall hat der Kläger mit dem Betriebsgrundstück und dem Geschäftsnamen "Bäckerei S" alle wesentlichen Grundlagen seines Bäckereibetriebes verpachtet.

Dem Betriebsgrundstück kommt zum einen wegen seiner örtlichen Lage besondere Bedeutung für das verpachtete Untenehmen zu. Der Standort bestimmt den örtlichen Wirkungs- und damit auch wesentlich den Kundenkreis der Bäckerei, der maßgeblich aus der im Einzugsbereich des Ladenlokals ansässigen Bevölkerung gebildet wird. Daneben ist der Kundenstamm mit dem über Jahre hinweg verwendeten Geschäftsnamen der Bäckerei verknüpft, der den Ruf des Unternehmens über den örtlichen Wirkungskreis hinaustragen kann.

Das Betriebsgebäude ist zum anderen für die Bäckerei des Kl. von besonderer Bedeutung, weil es speziell für die betrieblichen Anforderungen hergerichtet ist. Es ermöglicht nicht nur die räumlich enge Verbindung von Ladenlokal und Bäckerei. Die Bäckereiräume verfügen darüber hinaus - wie der Kl. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darlegte - über ein fest installiertes Rohrleitungssystem, an die die Backöfen angeschlossen werden können.

Dass Maschinen und Einrichtungsgegenstände an den Pächter veräußert wurden, steht der Annahme einer Betriebsverpachtung nicht entgegen. Sie stellen für einen handwerklich geprägten Bäckereibetrieb keine wesentliche Grundlage dar. Davon geht auch der Bundesfinanzhof ausdrücklich für eine entsprechend ausgerichtete Metzgerei (Urteil vom 14. Dezember 1978 IV R 106/75, BFHE 127, 21, BStBl II 1979, 300) und eine Bäckerei/Konditorei mit Cafe-Restaurant sowie Hotel (Urteil vom 07. August 1979 VIII R 153/77, BFHE 129, 325, BStBl II 1980, 181) aus, weil für Umsatz und Gewinn derartiger Unternehmen die Lage und der Zustand der Betriebsgebäude ausschlaggebend seien. Im Übrigen können die veräußerten beweglichen Anlagegüter jederzeit leicht und kurzfristig wiederbeschafft werden. Das gilt nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag des Kl. auch für die Backöfen.

Der Bäckereibetrieb des Kl. ist kein Fabrikationsbetrieb, zu dessen wesentlichen Betriebsgrundlagen in der Regel auch das bewegliche Anlagevermögen, vor allem Maschinen und andere Produktionsanlagen, gerechnet werden (BFH, Beschluss vom 18. Mai 2004 X B 167/03, BFH/NV 1004, 1262). Der Betrieb des Kl. ist handwerklich geprägt. Die Backwaren werden nicht in industrieller Form hergestellt, auch wenn ein nicht unerheblicher Teil des Umsatzes (40 %) durch die Belieferung eines Krankenhauses und einiger Kinderheime erzielt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kl. neben dem mobilen Verkauf, der 10 % des Gesamtumsatzes ausmacht, nur über ein Ladenlokal verfügt. Die Höhe des Gesamtumsatzes des Unternehmens spricht eindeutig dafür, dass der Rahmen eines Handwerksbetriebes nicht überschritten ist.

Von einer Betriebsaufgabe ist nicht deshalb auszugehen, weil nach § 9 des Pachtvertrages neben dem Bäckerei- und Ladeninventar der Geschäftsnahme "Bäckerei S" mitverkauft worden ist. Die Vertragspartner sind sich darin einig, dass damit nicht der dauerhafte Erwerb des Geschäftsnamens, sondern lediglich dessen Nutzung während der Pachtzeit gemeint ist. Das hat der Pächter durch Schreiben vom 26.01.2004 bestätigt.

Die Höhe der seinerzeitigen Anschaffungskosten der verkauften Wirtschaftsgüter und damit die Höhe der bei einer späteren Wiederaufnahme des Betriebes anstehenden Investitionen ist kein Indiz dafür, dass es sich insoweit um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Sie stünde auch der Möglichkeit nicht entgegen, dass der Kl. oder sein Rechtsnachfolger den Betrieb nach Ablauf des Pachtvertrages (wieder) bewirtschaften. Die für die Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit erforderlichen Investitionen können durch Kreditaufnahme finanziert, Wirtschaftsgüter geleast oder gebraucht erworben werden.

Auch der Umstand, dass dem Pächter ein Vorkaufsrecht für das verpachtete Grundstück eingeräumt worden ist, führt nicht zu einer Betriebsaufgabe. Es hindert den Kl. (bzw. seinen Rechtsnachfolger) nicht, den Betrieb nach Ablauf der Pachtzeit wieder aufzunehmen.

Da die Möglichkeit bestand, die Bäckerei nach Ablauf des Pachtvertrages wieder selbst durch den Kl. oder seinen Rechtsnachfolger zu bewirtschaften, könnte die Absicht der dauernden Betriebseinstellung nur bei einer unmissverständlichen Erklärung des Kl. gegenüber dem Finanzamt angenommen werden. Diese Erklärung hat der Kl. jedoch nicht abgegeben.

Die streitbefangenen ESt-Bescheide 1998 und 1999 sind daher antragsgemäß auf der Grundlage zu ändern, dass der Gewerbebetrieb des Kl. (Bäckerei) nach Einstellung der werbenden Tätigkeit nicht aufgegeben ist und der Kl. aus dem ruhenden Gewerbebetrieb Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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