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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 11.11.2008
Aktenzeichen: 1 K 1498/06 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 15
EStG § 24 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

1 K 1498/06 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Art der Besteuerung eines Kundenstamms im Rahmen einer Betriebsveräußerung zum 1.1.2000.

Die Kläger werden als Eheleute im Streitjahr 2000 zusammen veranlagt. Der Kläger betrieb in den Vorjahren einen Getränkegroßhandel. Diesen verkaufte er mit Vertrag vom 11.11.1999 an die W GmbH (auch: Käuferin) zum 1.1.2000. Gemäß § 4 dieses Vertrages war der Kaufpreis nach Übernahme des Betriebs am 3.1.2000 fällig und durch Übergabe eines Verrechnungsschecks zu erfüllen. Weiter heißt es in § 4 des Vertrags:

"Der Verkäufer hat das Recht, anstatt der sofortigen Zahlung des Betrags für den Kundenstamm in Höhe von DM 278.000,00 eine Rentenzahlung über einen Zeitraum von 11 Jahren; Absicherung durch Bankbürgschaft, Zinssatz 6%, jährliche Zahlung zum 02.01. Die Kosten für die Bankbürgschaft trägt der Verkäufer. Der Verkäufer hat dieses Wahlrecht bis spätestens 10.12.1999 dem Käufer gegenüber geltend zu machen."

Unter dem 10.12.1999 erhielt der Kläger von der BfA ein Schreiben, worin auf die Hinzuverdienstgrenze des § 34 SGB VI hingewiesen wurde. Eine Zusicherung konnte nach diesem Schreiben nicht gegeben werden.

Am 3.1.2000 erteilte der Kläger der Käuferin Rechnungen über das Anlagevermögen in Höhe von insgesamt 80.000 DM. Diese wurden fristgerecht durch Scheck gezahlt.

Am 21.6.2000 haben der Kläger und die W GmbH eine Vereinbarung geschlossen, worin auf die Bankbürgschaft verzichtet wird. Die GmbH wird nach Pkt. 2 dieses Vertrages den Betrag von DM 278.000,00 bei der Bank C auf die Laufzeit von 11 Jahren anlegen und die Bank C unwiderruflich anweisen, die fälligen Rentenzahlungen direkt an den Kläger auf ein von ihm anzugebendes Konto zu leisten. Dieser Betrag wurde am 26.6.2000 von der W GmbH in der Form angelegt, dass ein Aktienfonds gekauft wurde. Das Guthaben aus dieser Anlage wurde mit dem Sperrvermerk "gesperrt für BF, ..." versehen. Die Bank C bescheinigte am 21.7.2000, dass die aus dieser Anlage errechneten Leistungen zu den genannten Terminen zu überweisen seien.

Anfang Januar 2001 wurde dem Kläger die erste Rate in Höhe von 25.272,73 DM ausgezahlt.

Die Kläger gaben am 7.12.2001 ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 ab. In dieser machten die Kläger für den Getränkehandel einen Verlust von 49.445 DM geltend. Der Beklagte veranlagte durch Bescheid vom 14.3.2002 die Einkommensteuer insoweit antragsgemäß. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Aufgrund der Prüfungsanordnung vom 16.10.2002 erfolgte die steuerliche Außenprüfung des Getränkegroßhandels. Der BP-Bericht datiert vom 19.3.2003. Der Beklagte sah in der Einbuchung in das Depot den Zufluss des Kaufpreisanteils von 278.000 DM an den Kläger. Der Beklagte änderte durch Bescheid vom 18.6.2003 die Einkommensteuerfestsetzung entsprechend.

Die Kläger haben am 11.7.2003 Einspruch eingelegt, der durch Entscheidung vom 13.3.2008 als unbegründet zurückgewiesen worden ist.

Die Kläger haben am 11.4.2006 Klage eingelegt. Hiermit verfolgen sie ihr Ziel fort, dass die Einbuchung in das Depot nicht als Zufluss des Kaufpreises für den Kundenstamm beim Kläger angesehen wird.

Die Klägerseite behauptet, dass der Kläger sein Wahlrecht auf Rentenzahlung fristgerecht ausgeübt habe. Er verweist diesbezüglich auf ein Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft T & E GmbH vom 4.2.2003. Die Verzögerungen hätten sich dadurch ergeben, dass zunächst eine Bank mit günstigen Konditionen gesucht worden sei. Herr W, der Gesellschafter der Käuferin, habe die Hingabe einer Bankbürgschaft vermeiden wollen und deshalb die dann gewählte Abwicklung vorgeschlagen. Dass der Kläger sich für die Rentenzahlung entschlossen habe, zeige auch die Tatsache, dass der Kaufpreis für den Kundenstamm nicht am 3.1.2000, wie sonst vereinbart, gezahlt worden sei.

Der Klägervertreter weist darauf hin, dass sich der Kläger im Rahmen einer Besprechung - vermutlich am 15.12.1999 - nach dem Erhalt des Schreibens der BfA für eine Ratenzahlung entschieden habe. Hinsichtlich des Zeitpunktes der Ausübung des Wahlrechts wird auch auf die im Klageverfahren eingereichten Schreiben des Herrn W, der Frau N und des Sohnes der Kläger, Herrn GF, hingewiesen.

Aufgrund der Ausübung des Wahlrechts im Dezember 1999 scheide eine Novation aus.

Grund für diese Rentenzahlung sei die rechtliche Unklarheit über die eventuell erfolgende Anrechnung der Kaufpreiszahlung auf Versorgungsbezüge der BfA gewesen. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Verkaufsgespräche arbeitsunfähig gewesen und habe Krankengeld bezogen. Es habe die Zwangsbeantragung von Versorgungsbezüge der BfA durch die Krankenkasse gedroht. Eine verbindliche Auskunft der BfA sei nicht zu erhalten gewesen.

Die Sondervereinbarung vom 21.6.2000 sei auf Wunsch der Käuferin erfolgt, um so Avalprovisionen zu sparen. Der Sperrvermerk sei zur Sicherung der Ansprüche auf Zahlung der jährlichen Rente des Klägers eingetragen worden. Die jährlichen Zahlungen seien durch Herrn W mittels Überweisungsauftrag erteilt worden. Erst zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger die tatsächliche wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt. Er sei nicht Verfügungsberechtigter des Guthabens und deshalb auch nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Guthabens geworden.

Die Rente diene hier der Versorgung des Klägers. Dies zeige der Bezug der Rente über 10 Jahre hinaus und das Alter des Klägers von 62 Jahren bei Vertragsschluss im Verhältnis zur durchschnittlichen Lebenserwartung von 73,36 Jahren. Statt einer Indexierung sei bewusst eine 6%ige Verzinsung gewählt worden, da diese dem Kläger günstiger erschien als die zu erwartende Steigerung des Lebenshaltungskostenindex.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerfestsetzung 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.3.2006 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 278.000 DM reduziert werden und im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass eine Verfügungsmacht des Klägers bereits in dem Zeitpunkt vorlag, als er sein Wahlrecht hinsichtlich des Kaufpreises am 21.6.2000 ausübte. Er hätte in diesem Zeitpunkt über den Betrag von 278.000 DM verfügen können, in dem er den Betrag unmittelbar entnommen hätte. Statt dessen habe er eigenständig die Entscheidung getroffen, wie der Kaufpreis angelegt und ausgezahlt werden sollte. Auch der Verzicht auf die Absicherung der Bankbürgschaft habe in seinem Entscheidungsspielraum gelegen.

Eine Rentenzahlung bereits am 10.11.1999 oder in 1999 sei nicht erkennbar. Vielmehr stelle die Zusatzvereinbarung vom 21.6.2000 klar, dass eine Rentenzahlung tatsächlich erfolgen sollte.

Zu beachten sei auch, dass ein eigenes Interesse der Käuferin an der Raten- oder Rentenzahlung nicht ersichtlich sei.

Die Sperrklausel stehe der Annahme der Erfüllung durch die Käuferin nicht entgegen. Sie diene lediglich der Sicherung von Zahlungsverpflichtungen.

Die Voraussetzungen für eine ratierliche Zuflussversteuerung gemäß R 139 Abs. 11 EStR lägen auch ansonsten nicht vor. Die Vereinbarung und Ausgestaltung des Verkaufes lasse eine Versorgungsleistung nicht erkennen. Die vereinbarte Laufzeit von 11 Jahren sei zu kurz, um von einer angemessenen, lebenslangen Versorgung auszugehen. Auch fehle es an der Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 24.8.2007 erörtert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht den vereinbarten Wert für den Kundenstamm in Höhe von 278.000 DM im Streitjahr 2000 als Veräußerungsgewinn gemäß § 16 Abs. 1 EStG berücksichtigt.

Ein Veräußerungsgewinn ist gemäß § 16 Abs. 1 EStG im Zeitpunkt der Veräußerung verwirklicht. Der Veräußerungszeitpunkt ist im vorliegenden Fall der in § 1 des Kaufvertrags vereinbarte Übernahmetermin am 1. Januar 2000.

Der Zeitpunkt der Veräußerung ist unabhängig davon, ob ein Kaufpreis gestundet oder langfristig in Raten fällig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Beschluss vom 29.3.2007 XI B 56/06, BFH/NV 2007, 1306 mwN.).

Im vorliegenden Fall haben die Vertragsparteien die Zahlung des Kaufpreises in elf Jahresraten vereinbart, beginnend in 2001. Dabei ist es aus Sicht des Senats unerheblich, wann diese Vereinbarung erfolgte. Er lässt es deshalb dahinstehen, ob bereits in 1999 oder erst in 2000 eine solche Vereinbarung geschlossen worden ist.

Entscheidend ist hier, dass aufgrund der vereinbarten Ratenzahlung eine teleologische Reduktion des grundsätzlich zwingenden Anwendungsbereichs der §§ 16, 34 EStG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht erfolgen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist nur in bestimmten Fällen die Wahl zwischen der sofortigen Versteuerung zum Veräußerungszeitpunkt und der nicht tariflich begünstigten Besteuerung nachträglicher Betriebseinnahmen im Jahr des Zuflusses nach § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 EStG möglich. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zwischen den Parteien Leibrenten, auch in abgekürzter Form, vereinbart worden sind. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da im Kaufvertrag eine Vereinbarung, wonach die Zahlung des Kaufpreises für den Kundenstamm in ein Verhältnis zum Leben des Klägers oder seiner Angehörigen gesetzt worden ist, fehlt. Die Raten sind schon nach dem Wortlaut unabhängig von solchen Bedingungen zu zahlen. Eine Verpflichtung der Käuferin bestand deshalb auch im Todesfall des Klägers gegenüber den Erben fort. Aufgrund dieser unbedingten Zahlungsverpflichtung der Käuferin scheidet eine teleologischen Reduktion des § 16 EStG aus.

Im Fall der Leibrentenzahlung ist eine solche teleologische Reduktion auch nur deshalb gerechtfertigt, weil ansonsten der vorzeitige Tod des Verkäufers vor Erreichen der statistischen Lebenserwartung des Rentenberechtigten nicht zu einer rückwirkenden Korrektur des im Veräußerungszeitpunkts anzusetzenden Veräußerungsgewinns führen kann (zuletzt: BFH-Beschluss vom 29.3.2007 XI B 56/06, BFH/NV 2007, 1306 und FG Köln, Urteil vom 14.8.2008, 15 K 3288/06, [...]). Der Verkäufer hätte dann mehr zu versteuern als er erhielte. Dagegen stehen im vorliegenden Fall Zahlungen nach dem Tod des Klägers den Erben zu, so dass der Kaufpreis in voller Höhe vom Käufer an die Klägerseite zu erbringen ist.

Der Senat vermag im vorliegenden Fall auch vom Sinn und Zweck der Vereinbarung der Ratenzahlung in § 4 des Kaufvertrags auch nicht zu erkennen, welchen Versorgungscharakter diese Regelung haben sollte. Wie von Klägerseite vorgetragen, war diese Zahlungsmodalität aufgrund der unklaren Anrechnung der Raten auf die noch zu beantragende gesetzliche Rente in den Vertrag aufgenommen worden. Damit stand sie zwar im Zusammenhang mit der Altersversorgung des Klägers. Dies allein reicht aber nicht aus, um ihr selbst einen Versorgungscharakter zuzusprechen. Anhaltspunkte für einen eigenen Versorgungscharakter der Zahlungen sind nicht erkennbar.

Aufgrund des bisher Gesagten erübrigen sich Ausführungen zur Frage der Novation und zur Erfüllungswirkung trotz Sperrvermerk.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, sind nicht erkennbar.

Ende der Entscheidung

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