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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 03.07.2007
Aktenzeichen: 1 K 2192/01 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32a
EStG § 32b
EStG § 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

1 K 2192/01 E

Tenor:

Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2000 vom 23.01.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.03.2001 wird die Einkommensteuer für 2000 auf 9.265 DM festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Art der Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts im Rahmen der Ermittlung der ermäßigten Einkommensteuer gemäß § 34 EStG für das Streitjahr 2000.

Die Klägerin, die für das Streitjahr die getrennte Veranlagung gewählt hat, war in der Zeit vom 1.1.2000 bis 31.3.2000 bei einem Kreditinstitut beschäftigt und erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Anschluss war sie arbeitslos gemeldet. Das Arbeitslosengeld im Streitjahr betrug 11.291 DM. Als Arbeitslohn für mehrere Jahre erhielt sie 75.115 DM. Im Rahmen des Einkommensteuerbescheides beantragte die Klägerin die Berücksichtigung der sog. Fünftelregelung gemäß § 34 EStG.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2000 durch Bescheid vom 23.1.2001 auf 9.310 DM fest. Dabei berücksichtigte er bei der Ermittlung des Steuersatzes für das Fünftel aus 75.115 DM das Arbeitslosengeld im Rahmen des Progressionsvorbehalts in voller Höhe. Dies ergab einen Steuersatz von 12,4534%, der auf das Fünftel angewandt, einen Betrag in Höhe von 1.862 DM ausmachte. Multipliziert mit 5 ergab dies die festgesetzte Einkommensteuer.

Die Klägerin legte am 1.2.2001 Einspruch ein, welcher durch Entscheidung vom 26.3.2001 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Hiergegen hat die Klägerin am 17.4.2001 Klage eingereicht. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Berechnung der Einkommensteuer so zu erfolgen hätte, dass eine Schattenveranlagung über fünf Jahre statt zu finden habe und nur im ersten Jahr das Arbeitslosengeld im Rahmen der Ermittlung des Steuersatzes Berücksichtigung finden könne. Im Einzelnen verweist sie auf die folgende Berechnung:

 JahrEinkommenSteuersatzSteuer
1. Jahr1/5 Abfindung 1/1 Arbeitslosengeld15.007 DM 11.291 DMSteuer für 26.298 DM = 3.275 DM = 12,4534% auf 14.958 DM1.862 DM
2. Jahr 15.007 DMNach Tabelle352 DM
3 Jahr 15.007 DMNach Tabelle352 DM
4. Jahr 15.007 DMNach Tabelle352 DM
5. Jahr 15.007 DMNach Tabelle352 DM
Summe86.326 DM 3.270 DM

Die Klägerin beantragt deshalb,

den Einkommensteuerbescheid für 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.3.2001 dahingehend zu ändern, dass eine Einkommensteuer für 2000 auf 3.270 DM festgesetzt wird, hilfsweise im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

den Einkommensteuerbescheid für 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.3.2001 zu ändern und die Einkommensteuer für 2000 auf 9.265 DM festzusetzen und im Übrigen die Klage abzuweisen, hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Der Beklagte verweist auf das unter dem Az. XI R 15/02 geführte Revisionsverfahren. Dieses sei durch Gerichtsbescheid beendet worden und habe nur insoweit eine Änderung in der Berechnung des ermäßigten Steuersatzes ergeben, als ein negativer Betrag des verbleibenden zu versteuernden Einkommens i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG den im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigenden Betrag reduziere. Eine Fünftelung dieses Betrages, wie etwa vom Sächsischen FG im Urteil vom 14.2.2002 (2 K 2084/00, EFG 2002, 1095, Rev: VI R 35/02) vorgenommen, sei in dem Urteil des FG Düsseldorf, welches dem Revisionsverfahren zugrundeliege, nicht erfolgt. Die Revision im Verfahren gegen das Urteil des Sächsischen FG sei nach Ergehen des Gerichtsbescheides auf dieser Basis erledigt worden. Hinsichtlich der sich hieraus ergebenden Einzelheiten wird auf die neue Berechnung im Schriftsatz vom 6.3.2007 verwiesen (Bl. 70 d. GA).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Einkommensteuerfestsetzung für 2000 ist auf 9.265 DM festzusetzen. Im Übrigen ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

Soweit im zu versteuernden Einkommen ganz oder zum Teil außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 EStG enthalten sind, ist die Einkommensteuer auf Antrag nach den Vorschriften der Sätze 2 bis 4 des § 34 Abs. 1 EStG zu berechnen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dieser Antrag ist für das Streitjahr im Rahmen der Einkommensteuererklärung gestellt worden. § 32b Abs. 1 Nr. 1 lit. a EStG, und damit auch das im Streitjahr gezahlte Arbeitslosengeld, ist in die Berechnung des maßgeblichen Steuersatzes mit einzubeziehen (BFH-Urteil vom 18.5.1994 I R 99/93, BStBl II 1994, 845). Dies ergibt sich schon aus der Stellung des § 34 EStG im Nachgang zu den allgemeinen Tarifvorschriften der §§ 32a, 32b EStG. Auch der Sinn und Zweck dieser Regelung spricht nicht dafür, § 32b Abs. 1 Nr. 1 lit. a EStG nicht zu berücksichtigen. Das sog. StEntlG 1999/2000/2002 hat die Regelung des § 34 Abs. 1 EStG allein deshalb eingeführt, um die durch den geballten Zufluss der in § 34 Abs. 2 EStG genannten Einkünfte in ihrer progressiven Wirkung auf den Steuertarif zu mildern (vgl. Horn in HHR, § 34 EStG, Rz. 3; Gänger in Bordewin/Brandt, § 34 EStG, Rz. 1). Nicht bezweckt worden ist dabei eine Milderung des ansonsten geltenden Steuersatzes unter Einbeziehung des Progressionsvorbehaltes aus § 32b EStG.

Die Milderung der außerordentlichen Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 2 EStG, und damit auch einer im vorliegenden Fall gegebenen Abfindung als Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, erfolgt durch Anwendung eines Fünftelungsverfahrens. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG beträgt die für die außerordentlichen Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 2 EStG anzusetzende Einkommensteuer das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese (außerordentlichen) Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen. Letzteres wird dort als verbleibendes zu versteuerndes Einkommen legal definiert. Ist das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ und das zu versteuernde Einkommen positiv, so beträgt die Einkommensteuer gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer.

Im vorliegenden Fall ist § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG anzuwenden, da das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ, das zu versteuernde Einkommen aber positiv ist. Das zu versteuernde Einkommen betrug im Streitjahr 75.035 DM, nach Abzug der Abfindung als außerordentliche Einkünfte in Höhe von 75.115 DM ergibt sich ein negatives verbleibendes zu versteuerndes Einkommen von - 80 DM. Demzufolge ist die hier festzusetzende Einkommensteuer das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommen entfallenden Einkommensteuer. Dies ergibt den Betrag von 9.265 DM. Dabei ist im Rahmen der Berechnung des zu berücksichtigenden Steuersatzes für das Fünftel des zu versteuernden Einkommens von 15.007 DM (1/5 von 75.035 DM) der im Rahmen des Progressionsvorbehalts des § 32b EStG zu berücksichtigende Betrag in voller Höhe anzusetzen. Eine Fünftelung, wie von Klägerseite angenommen, lässt sich aus der Regelung des § 34 Abs. 1 EStG nicht herleiten (ebenso: FG Düsseldorf, Urteil vom 13.5.2002, 1 K 5072/00 E, EFG 2002, 1454; FG Brandenburg, Urteil vom 11.12.2002, 2 K 3118/00, EFG 2003, 395; a.A. Sächsisches FG, Urteil vom 14.2.2002, 2 K 2084/00, EFG 2002, 1095; FG Düsseldorf, Urteil vom 9.9.2004, EFG 2005, 49; FG Brandenburg, Urteil vom 6.3.2007, 6 K 1128/01, juris). Die Fünftelung betrifft allein die außerordentlichen Einkünfte, so in § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG festgelegt, oder das zu versteuernde Einkommen, wenn § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG zur Anwendung kommt.

Es entspricht aus Sicht des Senats auch dem im Einkommensteuerrecht geltenden Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dass im Rahmen der Ermittlung des maßgeblichen Steuersatzes neben dem zu versteuernden Einkommen die unter Progressionsvorbehalt zu berücksichtigenden Zuflüsse relevant sein müssen, da diese im entsprechenden Veranlagungszeitraum die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erhöhen.

Da § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG keine Aussage zum anzuwendenden Steuertarif macht, ist dieser unter Beachtung des dargestellten Sinn und Zwecks des § 34 EStG in Anlehnung an das Rechenschema aus § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG zu ermitteln. Dies bedeutet, dass die unter Progressionsvorbehalt zu berücksichtigenden Beträge nur insoweit relevant sein können, als sie das negative verbleibende zu versteuernde Einkommen übersteigen. Ausgangsgröße ist somit das um die unter Progressionsvorbehalt stehenden Beträge erhöhte zu versteuernde Einkommen. Von diesem sind die außerordentlichen Erträge zu subtrahieren und anschließend ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens hinzuzurechnen. Letzteres ist Folge des § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG, der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens abstellt. § 32a Abs. 2 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung ist zu beachten.

Folge dieser Berechnung ist die Ermittlung eines um lediglich dieses Fünftel erhöhtes und für die Berechnung des durchschnittlichen Steuersatzes maßgebliches zu versteuerndes Einkommen. Damit wird man dem bereits dargestellten Sinn und Zweck der besonderen Tarifregelung des § 34 Abs. 1 EStG gerecht, nämlich - lediglich - die Progressionswirkung durch die außerordentlichen Einkünfte zu mildern.

Für die Ermittlung des maßgebenden Steuersatzes ergibt sich somit die folgende Berechnung:

z.v.E. 75.035 DM

+ Arbeitslosengeld 11.291 DM

- a.o. Erträge - 75.115 DM

+ 1/5 von z.v.E 15.007 DM

Für die Steuersatzberechnung

maßgeblicher Betrag 26.218 DM

Steuer 3.246 DM

Steuersatz 12,3940% (unter Beachtung von § 32a Abs. 2 EStG, ausgehend von 26.190 DM)

Dieser Steuersatz ist auf 1/5 des z.v.E, unter Berücksichtigung der Rundung gemäß § 32a Abs. 2 EStG anzuwenden, das Ergebnis mit Fünf zu multiplizieren:

1/5 von z.v.E. 14.958 DM

12,3940% 1.853 DM

* 5 9.265 DM

Aus Sicht des Senates bleibt bei der Berechnung der Einkommensteuer nach dem dargestellten Schema die Gesamtsteuer auf das gesamte z.v.E. entscheidend und nicht eine ggf. rechnerisch ermittelbare Teilsteuer auf die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Beträge. Deshalb hält der Senat die Regelung des § 34 Abs. 1 EStG auch unter Einbeziehung des § 32b EStG nicht für verfassungswidrig. Ggf. auftretende Unbilligkeiten im Einzelfall müssen einem separat durchzuführenden Billigkeitsverfahren vorbehalten bleiben, welches aus Sicht des Senats aber insbesondere auch die steuerliche Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen im Verhältnis zur Durchschnittsbelastung von Steuerpflichtigen beachten sollte.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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