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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 26.01.2005
Aktenzeichen: 1 K 24/02 F
Rechtsgebiete: EStDV, EStG


Vorschriften:

EStG § 4a Abs. 1 Nr.2 Satz 1
EStG § 4a Abs. 2 Satz 2
EStDV § 8b
EStG § 2 Abs. 7 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 1992

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 26.1.2005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtliche Richterin ...

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin ihren Gewinn für das Streitjahr 1992 nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr berechnen darf.

Am 22. Januar 1992 schlossen die Gesellschafter der Klägerin einen Vertrag zur Errichtung einer GmbH & Co. KG. Die Klägerin sollte hiernach als Holding im Bereich der H-Gruppe fungieren. Die Kommanditisten verpflichteten sich in diesem Vertrag, mit Wirkung vom 1. Februar 1992 die Kommanditanteile an der M KG und Q GmbH & Co. KG zu übertragen. Die Klägerin sollte im Innenverhältnis zum 1. Februar 1992, im Außenverhältnis frühestens mit Eintragung in das Handelsregister beginnen.

Das Geschäftsjahr der Klägerin sollte jeweils der Zeitraum vom 1. Februar bis zum 31. Januar des Folgejahres sein. Dies galt auch für die Komplementärin der Klägerin. Dagegen hatten die Beteiligungsgesellschaften der Klägerin das Kalenderjahr als Geschäftsjahr.

Ein eigenes Geschäft außerhalb ihrer Stellung als Holdingunternehmen betrieb die Klägerin im Streitjahr nicht. Sie unterhielt nur eigene Bankkonten. Erst seit dem 1. Januar 2004 tätigt die Klägerin das Rechnungswesen für die gesamte H-Gruppe.

Der Jahresabschluss der Klägerin per 31. Januar 1993 wurde am 31. Oktober 1993 aufgestellt. Am 8. Dezember 1993 wurde der Jahresabschluss der Beteiligungsgesellschaft M KG per 31. Dezember 1992 aufgestellt. Zuvor war am 30. Juni 1993 der Jahresabschluss der Beteiligungsgesellschaft Q GmbH & Co. KG per 31. Dezember 1992 aufgestellt worden.

Eine Feststellungserklärung der Klägerin für das Streitjahr 1992 wurde nicht eingereicht, da nach Ansicht der Klägerin in diesem Kalenderjahr kein solcher Gewinn festzustellen sei. Dieser sei erst mit Ende des Wirtschaftsjahrs am 31. Januar 1993 entstanden. Die Feststellungserklärung für 1993 wurde durch die Klägerin am 5. Dezember 1994 eingereicht. Darin gab sie einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM an. Der Feststellungsbescheid 1993 vom 2. Februar 1995 wich geringfügig hiervon ab und stellte einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von ... DM fest. Er erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

In der nachfolgenden steuerlichen Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass die Wahl des vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs ein Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO sei. Dem folgte der Beklagte durch Bescheid vom 21. Dezember 1998 und setzte für das Streitjahr 1992 einen geänderten Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM fest, indem er den ursprünglich für 1993 berücksichtigten Gewinn in das Streitjahr 1992 übertrug.

Hiergegen legte die Klägerin am 12. Januar 1999 Einspruch ein. Diesen wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2002 als unbegründet zurück. Den Gewinn aus Gewerbebetrieb setzte er in dieser Einspruchsentscheidung mit ... DM fest.

Mit der am 3. Januar 2002 eingereichten Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel fort, das vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr beibehalten zu dürfen. Sie ist der Ansicht, dass ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO schon deshalb hier nicht in Frage komme, da sie durch handelsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Vorschriften zu einer zeitnahen Aufstellung des Jahresabschlusses verpflichtet sei. Dieser sei zeitlich wiederum von den zuvor aufgestellten und festgestellten Abschlüssen der Untergesellschaften abhängig. Zu berücksichtigen sei auch, dass ursprünglich geplant gewesen sei, das Rechnungswesen des Konzerns bei der Klägerin anzusiedeln. Es hätte dann einer zeitlichen Karenz hinsichtlich der Erstellung des eigenen Jahresabschlusses bedurft. Das gewählte Geschäftsjahr, beginnend am 1. Februar 1992, sei auch Folge der Gründungsgeschichte der Klägerin. Im Rahmen der Unternehmensnachfolge sei eine Einbringung der von verschiedenen Gesellschafterstämmen gehaltenen Beteiligungen in eine Holding-Gesellschaft geplant worden. Eine Einigung über die Kaufpreise der zu übertragenden Unternehmensanteile gelang den Beteiligten erst Ende 1991. Die Gründung der Holding konnte deshalb erst gegen Ende Januar 1992 erfolgen. Der Beginn des Geschäftsjahrs am 1. Februar 1992 sei nur die Folge dieses Geschehensablaufs. Diesbezüglich wird auf das Schreiben des Rechtsanwalts Dr. E vom 9. Januar 1992 verwiesen, der erst an diesem Tag die entsprechenden Vertragsentwürfe übersandte. Folglich hätte der Notartermin erst nach Durchsicht und Änderung der Verträge im Januar 1992 stattfinden können. Letztlich sei die Steuerpause insoweit nur Folge der Vertragsverhandlungen und insoweit als immanent hinzunehmen und keine Gestaltung.

Die Klägerin beantragt,

den Feststellungsbescheid 1992 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.12.2001 aufzuheben und

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Wahl des Geschäftsjahres hier allein zum Ziel gehabt habe, das Entstehen bzw. die Fälligkeit des Steueranspruchs hinauszuschieben. Dies sei als Gestaltungsmissbrauch zu werten. Auch die aufgezeigte Chronologie der Kaufpreisverhandlungen lasse keine andere Notwendigkeit erkennen. § 8b S. 2 Nr. 1 EStDV gehe grundsätzlich davon aus, dass bei Eröffnung eines Betriebs das Wirtschaftjahr kürzer sein dürfe. Es entstehe dann ein Rumpfwirtschaftsjahr. Dem entspräche die Regelung des § 240 Abs. 2 S. 2 HGB für den Jahresabschluss. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass das Wirtschaftsjahr und das Geschäftsjahr von einander abweichen könnten. Es sei deshalb hier steuerrechtlich ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden gewesen. Andernfalls läge Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vor. Hinsichtlich des Klägervortrags, das Rechnungswesen der H-Gruppe bei der Klägerin anzusiedeln, verweist der Beklagte darauf, dass die in diesen Bereichen beschäftigten Mitarbeiter erst seit dem 1. Januar 2004 bei der Klägerin tätig seien, also 12 Jahre nach Gründung der Klägerin.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage am 27. Juli 2004 mit den Beteiligten erörtert. Diesbezüglich und auch hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Eine Feststellung für das Streitjahr 1992 hatte nicht zu erfolgen, da in diesem Jahr bei der Klägerin kein Gewinn angefallen ist. Aufgrund der Wahl eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres, welches erst am 31. Januar 1993 endete, gilt der in 1992 von der Klägerin erzielte Gewinn gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) erst im Veranlassungsjahr 1993 als bezogen. Die Wahl eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs ist bei Gründung vom Gesetzgeber in die Entscheidung des Steuerpflichtigen gelegt worden und deshalb kein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 Abgabenordnung (AO).

Soweit Gewerbetreibende in das Handelsregister eingetragen sind, ist gemäß § 4a Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG der Gewinn nach dem Wirtschaftsjahr und nicht wie es ansonsten § 2 Abs. 7 S. 2 EStG vorschreibt, nach dem Kalenderjahr zu ermitteln. Die Wahl eines steuerrechtlichen Wirtschaftsjahrs wird durch die Erstellung der ersten regelmäßigen Steuerbilanz ausgeübt (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2003 VIII R 69/02, BFH/NV 2004, 936 m. w. N.). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin, eine in das Handelsregister eingetragene Kommanditgesellschaft, am 31. Oktober 1993 die Schlussbilanz zum 31. Januar 1993 für das erste Wirtschaftsjahr aufgestellt und somit als Wirtschaftsjahr für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Januar des Folgejahrs gewählt. Dementsprechend war gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 EStG der Gewinn der Klägerin erst im Veranlagungsjahr 1993 als bezogen anzusehen, da in diesem Kalenderjahr das erste Wirtschaftsjahr endete.

Für die von der Klägerin getroffene Wahl eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs bedurfte es keines Einvernehmens des Beklagten, da § 4a Abs. 2 Satz 2 EStG dies nur für eine Umstellung des Wirtschaftsjahrs nicht aber für die erstmalige Wahl bei Gründung vorsieht.

Die Klägerin, die zum 1. Februar 1992 gegründet worden ist, hatte auch kein Wirtschaftsjahr von weniger als zwölf Monaten einzuhalten. § 8b Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) sieht grundsätzlich ein Wirtschaftsjahr von zwölf Monaten vor. Nur in besonderen Ausnahmefällen darf gemäß § 8b S. 2 EStDV das Wirtschaftsjahr einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten umfassen. Dies ist etwa gemäß Nr. 1 des § 8b S. 1 EStDV bei der Betriebseröffnung der Fall. In diesem Fall hat der Steuerpflichtige ein dementsprechendes Wahlrecht auf Verkürzung des Wirtschaftsjahrs. Ein Gesetzesbefehl, bei Betriebseröffnung ein verkürztes Wirtschaftsjahr zu wählen, existiert nicht. Dementsprechend ist auch bei der Gründung einer Kommanditgesellschaft ein etwa auf das Kalenderjahr der Gründung verkürztes Wirtschaftsjahr nicht zwingend zu wählen.

Die von der Klägerin vorgenommene Entscheidung, das ungekürzte Wirtschaftsjahr beizubehalten, war auch unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes eines Gestaltungsmissbrauchs gemäß § 42 AO zulässig. Gemäß § 42 Abs. 1 S. 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts ein Steuergesetz nicht umgangen werden. Gestaltungsmissbrauch ist nach ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche und sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH, BFH/NV 2004, 936). Eine solche Rechtsgestaltung ist der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, wenn sie ausschließlich der Steuerminderung dient und bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtender Auslegung des Gesetzes missbilligt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteil vom 18. Dezember 1991 XI R 40/89, BFHE 16, 550, BStBl II 1992, 486 m. w. N.).

Ein solcher Gestaltungsmissbrauch ist hier nicht erkennbar. Es fehlt schon an der für einen Gestaltungsmissbrauch notwendigen Gestaltung durch die Klägerin. Wie bereits aufgezeigt, ist die hier im Rahmen der Gründung der Klägerin vorgenommene Wahl, den Gewinn nicht aufgrund eines abgekürzten Wirtschaftsjahrs zu ermitteln, der gesetzliche Normalfall, wie in § 8b S. 1 EStDV ausdrücklich vorschreibt. Eine Wahl und damit auch eine Gestaltung läge vielmehr erst vor, wenn § 8b S. 2 EStDV zum Tragen käme.

Auch ist im vorliegenden Fall der Beibehaltung eines abweichenden Wirtschaftsjahrs bei Gründung der Gesellschaft kein Missbrauch erkennbar, da das EStG als Einzelgesetz dies ausdrücklich in die Disposition des Steuerpflichtigen stellt. Die Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen ist im Fall der Gründung hinsichtlich der Wahl des Wirtschaftsjahrs nämlich anders als im Fall der Umstellung des Wirtschaftsjahrs nicht eingeschränkt worden. Weder in § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 S. 1 EStG noch in dem diese Vorschriften ergänzenden § 8b S. 1 EStDV ist etwa eine Zustimmung des Finanzamtes vorgeschrieben. Dies ist im Fall der Umstellung aufgrund der Vorschrift des § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 S. 2 EStG anders geregelt worden. Eine solche Einschränkung der Wahl des Wirtschaftsjahrs im Fall der Gründung ist auch bewusst vom Gesetzgeber nicht gewollt worden. Dies zeigt das Gesetzgebungsverfahren zum Dritten Steuerreformgesetz, im Rahmen dessen der ursprüngliche Entwurf, der auch die Zustimmung der Finanzverwaltung im Gründungsfall vorsah (BT-Drs. 7/1470, S. 19), nicht Gesetz wurde. Eine Umgehung des Steuergesetzes, wie es § 42 Abs. 1 S. 1 AO beschreibt, kann dann aber nicht vorliegen.

Durch die Anerkennung des abweichenden Wirtschaftsjahrs kommt es im vorliegenden Fall zu einer sog. Steuerpause, da der Gewinn, der im Streitjahr 1992 wirtschaftlich erzielt worden ist, erst im Rahmen der Besteuerung des Folgejahres anzusetzen ist. Der Senat verkennt nicht, dass erst zuletzt der 8. Senat des BFH in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 2003 VIII R 89/02 (BFH/NV 2004, 936) das Hinausschieben der Entstehung oder Fälligkeit des Steueranspruchs durch Wahl eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs als Gestaltungsmissbrauch gerade auch im Fall der Gründung einer Kommanditgesellschaft angesehen hat. Diese Entscheidung befasst sich aber gerade nicht mit der für den Senat entscheidenden Frage, ob ein Gestaltungsmissbrauch auch dann angenommen werden kann, wenn der Gesetzgeber bewusst die entsprechende Regelung zugelassen hat.

Aber auch bei Zugrundelegen der Auffassung des 8. Senats des BFH, einen Gestaltungsmissbrauch in den Fällen der Wahl eines abweichenden Wirtschaftsjahrs anzunehmen, kommt der Senat nicht zu einem abweichenden Ergebnis, da die Klägerin für ihre Wahl nachvollziehbare außersteuerliche Gründe vorgebracht hat. Dabei reicht es auch nach Ansicht des Senats aus, dass diese Gründe, wie vom 8. Senat des BFH gefordert, plausibel erscheinen (BFH, BFH/NV 2004, 936). Die Klägerin hat diesbezüglich dargelegt, dass es aufgrund ihrer innerbetrieblichen Struktur einer zeitlichen Karenz zwischen den Jahresabschlüssen der Beteiligungsgesellschaften und der Klägerin bedurft hätte. Auch hat sie aufgezeigt, dass die Gründung zum 1. Februar 1992 aufgrund eines komplexen Gründungsablaufs erfolgte. Beides ist zumindest in sich plausibel und reicht deshalb nach Ansicht des Senats aus, als außersteuerliche Gründe Beachtung zu finden.

Der Beklagte seinerseits, den hinsichtlich des Gestaltungsmissbrauchs die Feststellungs- und Beweislast trifft, hat andere Gründe, die für einen Gestaltungsmissbrauch sprächen, etwa einen entsprechenden Gesamtplan, weder dargelegt noch bewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision ist auf Grund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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