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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 10.08.2005
Aktenzeichen: 1 K 2491/02 E
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 17 Abs. 2 Satz 4 lit. b | |
EStG § 17 Abs. 1 Satz 1 |
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 10.8.2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht. ...
Richter am Finanzgericht ...
Ehrenamtliche Richterin ...
Ehrenamtlicher Richter ...
auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung eines Darlehens in Höhe von 50.000 DM als Verlust i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG im Streitjahr 2000.
Der Kläger gründete am 21.8.1996 mit zwei weiteren Beteiligten die H GmbH (im weiteren: GmbH). Diese wurde mit einem Stammkapital von 50.000 DM ausgestattet. Der Kläger übernahm einen Geschäftsanteil in Höhe von 12.500 DM, so dass er exakt mit 25% beteiligt war.
Am 1.10.1996 gewährte der Kläger der GmbH ein Darlehen in Höhe von 50.000 DM. Dieses Darlehn war mit 6% p.a. verzinst und hatte ursprünglich eine Laufzeit vom 1.10.1996 bis 31.12.1997. Die Tilgung sollte am Ende der Laufzeit in einer Summe erfolgen, vorzeitige Rückzahlungen waren aber möglich.
Eine Rückzahlung des Darlehens zum Endfälligkeitstermin erfolgte nicht. In 1998 erhielt der Kläger einen Betrag in Höhe von 900 DM zurückerstattet. Weitere Zahlungen erfolgten trotz des Verlangens des Klägers nicht.
Am 13.1.2000 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet, welches mangels Masse abgelehnt wurde. Die GmbH ist am 15.3.2000 aus dem Handelsregister gelöscht worden.
Im Einkommensteuerbescheid vom 29.5.2001 erkannte der Beklagte einen Verlust i.S.d. § 17 EStG in Höhe der Stammeinlage von 12.500 DM an. Der Kläger legte hiergegen am 7.6.2001 Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren beantragte er den Verlust i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG um die Darlehenssumme in Höhe von 50.000 DM zu erhöhen. Durch Einspruchsentscheidung vom 25.4.2002 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Am 6.5.2002 legte der Kläger Klage ein. Er verfolgt mit dieser sein Ziel fort, auch den Darlehensbetrag als Verlust i.S.d. § 17 EStG anerkannt zu bekommen. Er behauptet, dass das Darlehen im Rahmen der zur GmbH-Gründung notwendigen Finanzplanung gewährt worden sei. Es sollte die erforderliche Kapitalausstattung der GmbH sicherstellen. Anstelle einer erhöhten Stammeinlage sei diese Form der Finanzierung gewählt worden, weil die Rückzahlung bei vorhandener Liquidität grundsätzlich problemloser als eine Stammkapitalherabsetzung und -rückzahlung gewesen sei.
Die Grenze für das Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung sei aufgrund der Änderung im Jahr 1999 auf 10% auch für die Vergangenheit abgesenkt worden.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.4.2002 dahingehend zu ändern, dass weitere 49.100 DM als Veräußerungsverlust i.S.d. § 17 EStG bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb berücksichtigt werden,
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass das Darlehen nicht als Finanzplandarlehn zu qualifizieren sei, weil es nicht als solches bezeichnet und erkennbar gewesen sei. Außerdem spräche die beschränkte Laufzeit dagegen. Einziehungsversuche blieben bis auf die gezahlten 900 DM erfolglos. Dies alles spräche für ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen, bei dem der Teilwert mit 0 DM anzusetzen sei.
Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 27.7.2004 erörtert. Diesbezüglich und hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Zwar betrifft der hier geltend gemachte Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG das Streitjahr, da die GmbH in diesem Jahr Insolvenz anmeldete und auch nach Ablehnung der Insolvenz aus dem Handelsregister gelöscht worden ist. Es liegt des Weiteren auch ein Finanzplandarlehen vor - wird noch ausgeführt. Der Verlust kann jedoch deshalb keine Berücksichtigung finden, weil der Kläger bis zur Löschung nicht in jedem Veranlagungszeitraum wesentlich an der Gesellschaft beteiligt war.
Nach § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG ist ein Auflösungsverlust nur zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige entweder eine relevante Beteiligung im Rahmen der Gründung der aufgelösten GmbH entgeltlich erworben hatte (lit. a) oder die Anteile mehr als fünf Jahre vor der Auflösung der GmbH entgeltlich erworben hatte und während dieses Zeitraums relevant beteiligt war (lit. b). Da im vorliegenden Fall der Kläger seine Anteile bei Gründung der GmbH erworben hatte und die Gründung als Fall des entgeltlichen Erwerbs anzusehen ist (vgl. nur Weber-Grellet in Schmidt, EStG, § 17, Rz. 199), ist eine Berücksichtigung des Auflösungsverlustes im Fall des § 17 Abs. 2 Satz 4 lit. b EStG zu beurteilen. Auf den Zeitraum kommt es gemäß Satz 2 in lit. b u.a. dann nicht an, wenn der Erwerb zur Begründung einer Beteiligung des Steuerpflichtigen i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG geführt hat. Ein solcher Fall ist auch die Erwerbung einer nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG relevanten Beteiligung bei Gründung der Gesellschaft (Eilers/R. Schmidt in HHR, § 17 EStG, Rz. 247).
Eine Berücksichtigung des Auflösungsverlustes scheitert im vorliegenden Fall daran, dass der Kläger in der Zeit von der Gründung in 1996 bis zum 31.12.1998 nicht relevant an der GmbH beteiligt war. Damit liegt gerade kein Fall des Satzes 2 in lit. b vor. Nach Ansicht des Senats muss ein Steuerpflichtiger bei Gründung einer GmbH vor dem 1.1.1999 nämlich zu mehr als 25% am Stammkapital beteiligt gewesen sein. Dies ist hier nicht der Fall.
Die Höhe der jeweils relevanten Beteiligung ist nach Auffassung des Senats Veranlagungszeitraum bezogen zu betrachten. Somit ist für die Zeit vor dem 1.1.1999 eine relevante Beteiligung im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 4 lit. b Satz 1 EStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG nur gegeben, wenn diese Beteiligung mehr als 25% ausmachte. Die zur Beurteilung des § 17 Abs. 2 Satz 4 lit. b EStG als relevant anzusehende Beteiligung ist nicht nachträglich aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Gesetzesänderungen mit Absenkung der relevanten Beteiligungsgrenzen auf mindestens 10% ab dem 1.1. 1999 bzw. mindestens 1% ab dem 1.1.2002 auch für die Veranlagungszeiträume vor 1999 gesenkt worden (a.A. etwa Jäschke in Lademann, § 17 Rz. 335 mit Hinweis auf Herzig/Förster, DB 1999, 711 (716); Eilers/R. Schmidt in HHR, § 17 EStG, Rz. 247; Schüppen/Sanna, BB 2001, 2397).
Hierfür spricht nach Ansicht des Senats schon die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 34a S. 1 a.E. EStG in der nunmehr geltenden Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl I, S. 1433), wonach die neue Relevanzgrenze von mindestens 1% (§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG) für Veräußerungen grundsätzlich erst ab dem VZ 2001 und nicht für die VZ davor gelten soll. Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, dass eine Änderung der Relevanzgrenze mit ex nunc-Wirkung und nicht rückwirkend zu erfolgen hat. Dem entspricht auch die Vorschrift des § 52 Abs. 1 S. 1 i.d.F. Gesetzes v. 22.12.1999 (BGBl. I S. 2601), die mangels eigener Anwendungsvorschrift die 10%ige Wesentlichkeitsgrenze ab dem VZ 1999 zur Anwendung bringt. Das § 52 Abs. 34a Satz 2 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I, S. 1433) die rückwirkende Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG auch für Veranlagungszeiträume vor 1999 anordnet, ist hier ohne Belang. Denn in § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die Frage der relevanten Beteiligung selbst nicht geregelt. Es wird nur auf § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG verwiesen, so dass die hierzu getroffenen beschriebenen Anwendungsvorschriften zu beachten sind. Aus diesem Grunde kann es auch nicht nur auf den heute geltenden Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ankommen.
Gegen eine ex tunc-Wirkung spricht nach Ansicht des Senats weiter der Sinn und Zweck der Regelungen des § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG selbst. § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG will Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit Verlusten i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG verhindern. Dabei hat der Gesetzgeber verlangt, dass die relevante Beteiligung grundsätzlich über einen längeren, nämlich in der Regel fünfjährigen Zeitraum bestehen musste und nicht wie im Fall des Veräußerungsgewinns gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 nur für einen Zeitpunkt im Fünf-Jahres-Zeitraum (vgl. nur Weber-Grellet in Schmidt, § 17 EStG, Rz. 197 m.w.N.). Es sollte verhindert werden, dass Veräußerungsverluste bei sog. nicht wesentlichen Beteiligungen durch bestimmte Gestaltungen steuerlich abziehbar gemacht werden, während andererseits Gewinne aus diesen Beteiligungen grundsätzlich nicht steuerpflichtig waren (BT-Drs. 14/23, S. 179). Damit wird klar, dass es insbesondere dem Gesetzgeber darauf ankam, dass eine Verbindung zwischen Steuerverhaftung und Abzugsmöglichkeit bestehen musste. Ist eine Steuerverhaftung gegeben, so soll auch ein Veräußerungsverlust berücksichtigungsfähig sein, ansonsten nicht. Im vorliegenden Fall war aber gerade im Zeitraum vor dem 1.1.1999 eine solche Steuerverhaftung nicht gegeben. Nach der damaligen Gesetzeslage hätte der Kläger seine Beteiligung verkaufen können, ohne dass diese Veräußerung steuerbar war. Gleichzeitig mußte dann in dieser Zeit auch eine Berücksichtigung eines Verlustes ausscheiden.
Dies gilt auch nach den beschriebenen Gesetzesänderungen fort. Ein Hineinwachsen in die Steuerverhaftung durch die Gesetzesänderung ist nicht erfolgt. Etwas anderes ist auch nicht aus der Entscheidung des BFH (Urteil vom 1.3.2005 VIII R 92/03, DStR 2005, 727) zur Verfassungsmäßigkeit der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze ab dem VZ 1999 erkennbar. Der BFH geht in diesem Urteil davon aus, dass die Änderung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG durch das Gesetzes v. 22.12.1999 (BGBl. I S. 2601) als unechte Rückwirkung im Hinblick auf die Veräußerungsfälle anzusehen ist. Dadurch macht er deutlich, dass nicht rückwirkend neue Relevanzgrenzen zum Tragen kommen, sondern allein die im Zeitpunkt der Veräußerung vorliegende Relevanzgrenze entscheidend ist. Im vorliegenden Fall wäre aber eine echte, hier zugunsten des Steuerpflichtigen geltende Rückwirkung nötig, um zur Berücksichtigungsfähigkeit des Verlustes gemäß § 17 Abs. 2 Satz 4 lit. b Satz 2 EStG kommen zu können.
Gegen ein Hineinwachsen in die Steuerverhaftung spricht aus Sicht des Senats auch ein Vergleich mit der rechtlichen Beurteilung von Veränderungen der relevanten Beteiligung durch Maßnahmen auf der Gesellschafterebene, wie sie auch vor den Gesetzesänderungen denkbar waren. So konnte auch damals bereits durch Kapitalveränderungen oder Veränderungen der Beteiligungsstruktur im Konzern die Wesentlichkeitsgrenze überschritten werden. Folge war dann zwar die Steuerverhaftung nach § 17 Abs. 1 S. 1 EStG, nicht aber auch die Möglichkeit der Geltendmachung einer Verlustes i.S.d. § 17 Abs. 2, wenn die Wesentlichkeit nicht gleichzeitig für den gesamten Fünf-Jahres-Zeitraum bestanden hatte. Hätte der Gesetzgeber angesichts dieser rechtlichen Beurteilungssituation eine Änderung herbeiführen wollen, so hätte es einer entsprechend eindeutigen gesetzlichen Regelung bedurft, die gerade nicht vorliegt.
Nach Ansicht des Senats hätte die Klage ansonsten Erfolg gehabt, da ein Finanzplandarlehen vorliegt. Ein Finanzplandarlehn ist anzunehmen, wenn das zu beurteilende Darlehen von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft in der Weise einbezogen ist, dass die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung der Gesellschaft durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung erreicht werden soll (BFH-Urteil vom 4.11.1997 VIII R 18/94, BStBl II 1999, 344). Entscheidend ist hierbei die Gesamtwürdigung der im Zeitpunkt des Abschlusses von Gesellschafts- und/oder Darlehensvertrag vorliegenden Umstände, wie etwa auch Ingangsetzung des Geschäfts, fehlende Regelung bei Nichteinhaltung der Tilgungsvereinbarung oder Stehenlassen bei Verschärfung der Krise. Das ist im vorliegenden Fall gegeben. Die Darlehenshingabe erfolgte in zeitlicher Nähe zur Gründung der GmbH. Eine Regelung für den Fall der nicht erfolgten Tilgung zum Ende der Laufzeit fehlt im Vertrag. Ungewöhnlich ist auch die vorzeitige Rückzahlungsmöglichkeit bei einem Festzinsdarlehen. Schließlich spricht auch das Stehenlassen bei Laufzeitende dafür, dass dieses Darlehen von Anfang an als einlageähnlich angesehen wurde. Die Rückzahlung innerhalb der kurzen Laufzeit ist nach Überzeugung des Senats in der Annahme vereinbart worden, dass die Investition schnell so hohe Erträge bringt, dass die Rückzahlung möglich war.
Die Frage, ob die relevante Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, auf die in § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG bezug genommen wird, auch für die Vergangenheit gesenkt worden ist, ist von grundsätzlicher Bedeutung, so dass gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 EStG die Revision zuzulassen ist.
Die Kostentragung des Klägers ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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