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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 15.07.2008
Aktenzeichen: 1 K 4029/06 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

1 K 4029/06 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die steuerliche Behandlung von handelbaren Optionsscheinen, die der Kläger bis zum Ende der Zeichnungsfrist nicht veräußerte und bei denen er auch nicht das damit verbundene Optionsrecht ausgeübt hat. Außerdem ist die Anwendung der Tarifermäßigung des § 34 EStG streitig.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind. Der Kläger hat im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Produktmanager der O GmbH (im Weiteren auch: Arbeitgeber) erzielt.

Im Rahmen seiner Tätigkeit hatte er die Möglichkeit, als leitender Angestellter am Stock Option Programm 1999 des Arbeitgebers teilzunehmen. Entgegen früheren Programmen des Arbeitgebers wurden hierbei Optionsscheine ohne Verbindung mit einer Anleihe ausgegeben. Die Optionsscheine berechtigten zum Bezug einer Aktie im Nennwert von 0,24 EUR zu einem bestimmten Zeichnungspreis. Das Optionsprogramm sah die Zuteilung von Optionsscheinen über drei Kalenderjahre verteilt vor. Diese Optionsscheine waren je nach Kalenderjahr in die A-Optionsscheine, B-Optionsscheine und C-Optionsscheine unterteilt. Die hier zu beachtenden Optionsscheine sind die sog. A-Optionsscheine. Diese sahen die Zeichnung von Aktien des Arbeitgebers ab dem 01.04.2001 vor. Diese Zeichnungsfrist endete am 31.12.2004. Ab dem Beginn der Zeichnungsfrist waren die Optionsscheine frei übertragbar und auch handelbar. Der Handel erfolgte an der Wertpapierbörse in I.

Nachdem der Kläger seine Teilnahme am Programm 1999 erklärt hatte, erhielt er 2000 Optionsscheine des Typs A. Diese wurden zunächst vom Arbeitgeber verwahrt und mit Beginn der Zeichnungsfrist am 01.04.2001 in das Depot des Klägers übertragen. Der niedrigste Kurs am ersten Handelstag dieser Optionsscheine, am 01.04.2001, betrug 48,64 EUR. Am 02.04.2001 betrug der Eröffnungskurs dieses Handelstages 55 EUR.

Bis zum Ende der Zeichnungsfrist am 31.12.2004 hat der Kläger sein Optionsrecht nicht ausgeübt. Er hat auch in keiner anderen Art und Weise über diese Optionsscheine verfügt, so dass die Optionsscheine mit Ende der Zeichnungsfrist ohne Gegenwert verfallen sind.

Nach erfolgter Lohnsteueraußenprüfung beim Arbeitgeber schloss sich der Beklagte der Ansicht der Lohnsteueraußenprüfung an und qualifizierte die Gewährung der Optionsscheine als Arbeitslohn. Die Einkommensteuerfestsetzung wurde deshalb entgegen der eingereichten Einkommensteuererklärung durch Bescheid vom 09.04.2003 um einen geldwerten Vorteil aus der Überlassung von Optionsscheinen am 01.04.2001 erhöht. Dabei setzte der Beklagte den Eröffnungskurs vom 02.04.2001 in Höhe von 55 EUR an. Aus seiner Sicht erfolgte mit der Übertragung in 2001 ein entsprechender Zufluss. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden dementsprechend um 215.140 DM (= 2.000 x 107,57 DM (= 55 EUR)) erhöht. Eine Tarifbegünstigung gemäß § 34 EStG wurde nicht angewandt.

Die Kläger legten gegen diesen Bescheid am 12.05.2003 Einspruch ein. Der Beklagte half diesem in seiner Entscheidung vom 14.09.2006 in der Art und Weise teilweise ab, dass er nunmehr den niedrigsten Kurs des ersten Handelstages am 01.04.2001 in Höhe von 48,64 EUR (= 95,13 DM) ansetzte. Dies führte zu einer Reduzierung des geldwerten Vorteils auf 190.260 DM (2.000 x 95,13 DM). Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Die Kläger legten am 25.09.2006 Klage ein. Sie sind der Ansicht, dass die Einbuchung in das Depot zu Beginn der Handelbarkeit noch keinen Zufluss von Arbeitslohn i.S.d. § 11 EStG darstelle. Vielmehr dürfe eine Berücksichtigung erst zu dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der Kläger über das Optionsrecht verfügt habe. Eine solche Verfügung könne nur durch eine Veräußerung der Optionsscheine oder durch den Bezug der entsprechenden Aktien erfolgen.

Zwar verkennen auch die Kläger nicht, dass ein handelbarer Optionsschein ein marktfähiges Wirtschaftsgut darstelle. Für den Zufluss von Arbeitslohn komme es aber darauf an, dass der Arbeitnehmer durch einen Vermögensvorteil bereichert sei. Erst dies führe zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Würde man statt dessen den Zeitpunkt der Handelbarkeit als Zuflusszeitpunkt berücksichtigen, so würde dies gegen das Gebot der Besteuerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstoßen. Eine Kursschwankung sei dann allein der Risikosphäre des Steuerpflichtigen zuzurechnen. Dieser könnte je nach Entwicklung des Kurses für die Optionsscheine mehr versteuern müssen als er überhaupt an Wert erhalten habe.

Letztlich zeige dies, dass handelbare und nicht handelbare Optionsscheine gleichzusetzen seien.

Eine moralische Verpflichtung, die Optionsscheine zu halten, habe es nicht gegeben. Allerdings hätten die Gesamtumstände dazu geführt, dass eine Realisierung nicht erfolgte. Auf Grund der Konstruktion des Optionsprogramms und auch der Verschwiegenheitspflicht gegenüber anderen Mitarbeitern habe er eine Realisierung zunächst nicht in Betracht gezogen.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerfestsetzung 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.09.2006 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um den geldwerten Vorteil in Höhe von 190.260 DM reduziert werden, und im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist unter Hinweis auf die Ausführungen der Einspruchsentscheidung der Ansicht, dass bei handelbaren Optionsscheinen der Zufluss zu dem Zeitpunkt erfolge, zu dem diese Optionsscheine durch den Steuerpflichtigen veräußerbar seien. Handelbare Optionsscheine hätten einen eigenen Marktwert und stellten daher ein selbständiges Wirtschaftsgut dar. Dies führe gemäß § 8 Abs. 1 EStG zu Einnahmen und zwar im Zeitpunkt des Beginns der Handelbarkeit.

Auch dem Kläger sei durch die Handelbarkeit die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Optionsscheine gegeben worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei ihm deshalb der Gegenwert der Optionsscheine effektiv zugeflossen. Spätere Kursverluste beträfen somit seine nicht steuerbare Vermögenssphäre.

Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 23.03.2007 erörtert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger ist mit Einbuchung der handelbaren Optionsscheine in sein Depot am 01.04.2001 ein geldwerter Vorteil in Höhe von 190.260 DM zugeflossen. § 34 EStG ist diesbezüglich nicht anwendbar.

Auf Grund der unstreitig vorliegenden Handelbarkeit der Optionsscheine an der Börse in I ist dem Kläger bereits mit Einbuchung in sein Depot am 01.04.2001 ein geldwerter Vorteil zugeflossen, der als Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 EStG im Streitjahr zu berücksichtigen ist. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört als Arbeitslohn jede Einnahme in Geld oder Geldeswert, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließt. Ein solcher geldwerter Vorteil ist auch im Fall der Einräumung von Aktienoptionsverträgen gegeben, wenn hierdurch Leistungen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber vergütet werden sollen (vgl. FG Berlin, Urteil vom 13.12.2004, Az. 9 K 9090/03, EFG 2005, 1354 m.w.N., Rev. VI R 25/05). Dies ist hier der Fall.

Entscheidend ist letztlich die Frage, wann der Zufluss eines solchen geldwerten Vorteils i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (heute § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG) erfolgt. § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des Streitjahres sieht vor, dass für sonstige Bezüge, also auch bei Vorliegen geldwerter Vorteile, § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG und damit das allgemeine Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG Anwendung findet. Es kommt damit auf den Zeitpunkt an, in dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das wirtschaftliche Eigentum über ein Wirtschaftsgut, also einen bewertbaren Vermögensgegenstand, einräumt (vgl. nur BFH-Urteil vom 26.07.1985 VI R 200/81, BFH/NV 1986, 306 sowie BFH-Urteil vom 1.2.2007 VI R 73/04, BFH/NV 2007, 896). Bei nicht handelbaren Optionsrechten wird dieser Zufluss von der BFH-Rechtsprechung nicht bereits mit der Einräumung des Optionsrechts auf den späteren Erwerb von Aktien zu einem bestimmten Übernahmepreis, sondern erst mit dem preisgünstigen Erwerb der Aktien nach Ausübung der Option selbst angenommen (vgl. nur BFH-Beschluss vom 12.10.2006 VI B 12/06, [...] m.w.N.).

Im Fall handelbarer Optionsscheine muss der Zufluss allerdings schon im Augenblick der Verfügbarkeit der Optionsscheine durch den Steuerpflichtigen bei gleichzeitiger Handelbarkeit vorliegen (so auch FG Berlin, Urteil vom 13.12.2004 9 K 9090/03, EFG 2005, 1354). Denn in diesem Fall erhält der Steuerpflichtige ein Wirtschaftsgut, welches, da handelbar, einen Marktwert enthält, der ohne Probleme realisierbar ist. Gerade die Optionsscheine entsprechen in ihrer Funktion im Börsenhandel Aktien. Sie sind anders als die Optionen echte Wertpapiere, die wie Aktien auch an Börsen gehandelt werden. Beachtet man ferner, dass Optionsscheine den Aktienwert, wenn auch nur teilweise repräsentieren - es sind sog. Derivate -, so stellt die Einbuchung von handelbaren Optionsscheinen schon wirtschaftlich gesehen einen Vermögenszugang beim Steuerpflichtigen dar. Anders als bei börsengehandelten Optionen oder OTC-Optionen eignen sich diese Optionsscheine auch für den Vertrieb am Markt, da sie in kleinen Größen gehandelt werden. Sie sind genauso wie Aktien durch Angabe der Wertpapierkennnummer orderbar. Ein Zugang zu einer Terminbörse ist nicht notwendig. Als besonders risikoreiche Anlageform unterliegen die Optionsscheine typischerweise hohen Kursveränderungen, auch Kursverluste. Entscheidend ist aus Sicht des Senats, dass es sich bei dem vorliegenden Stock Option Programm 1999 gerade nicht um mit einer Anleihe verbundene Optionsscheine handelte. Dies zeigt deutlich, dass der Optionsschein selbst im Mittelpunkt dieses Programms stand.

Die Entscheidung des 11. Senats des FG Münster vom 09.05.2003 (11 K 6754/01 L, [...]), auf die die Klägerseite hinweist, stellt auf diese Besonderheiten handelbarer Optionsscheine nicht ab. Vielmehr problematisiert diese Entscheidung die Handelbarkeit von Optionsrechten selbst. Gerade dieses Optionsrecht ist aber aus Sicht des erkennenden Senats sekundär. Nicht die Option zum Erwerb, sondern der Handel statt der Aktie mit dem Optionsschein ist das Typische und Wesentliche im vorliegenden Fall.

Nicht entscheidend kann aus Sicht des Senats die Motivation des Arbeitgebers sein. Der Senat verkennt nicht, dass ein Arbeitgeber bei Gewährung von Aktienoptionen den Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens teilhaben lassen will und insoweit auf die Ausübung der Option zum Erwerb von Aktien hofft. Wird allerdings die Einbuchung von handelbaren Optionsscheinen in das Depot des Arbeitnehmers vorgenommen, so gibt der Arbeitgeber klar zu erkennen, dass er dem Arbeitnehmer auch die Möglichkeit zur einfachen und schnellen Realisierung von Gewinnen einräumt, was eine Ausübung der Aktienoption in den Hintergrund treten lässt.

Ausgehend von der dargelegten Ansicht des Senats ist es hier deshalb konsequent, wie vom Beklagten auch vorgenommen, nicht auf eine Differenz zum Aktienkurs abzustellen, sondern den niedrigsten Kurs des Optionsscheins selbst am Tag seiner Einbuchung in das Depot zugrunde zu legen. Wertveränderungen erfolgen dann im Bereich der nichtsteuerbaren Vermögenssphäre bzw. des Anwendungsbereichs des § 23 EStG.

Soweit im konkreten Fall die Optionsscheine nicht veräußert worden sind und auch keine Ausübung der Aktienoption erfolgte, können die hierfür maßgeblichen Beweggründe im vorliegenden Festsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden.

Eine Anwendung des § 34 EStG scheidet im Streitfall aus. Es fehlt an der für das Streitjahr 2001 notwendigen Voraussetzung der Außerordentlichkeit i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Hiernach liegen außerordentliche Einkünfte erst dann vor, wenn Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten erfolgen. Mehrjährig ist eine Tätigkeit hiernach, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monate umfasst. Das vorliegende Stock Option Programm teilt aber gerade die Zuteilung der Optionsscheine auf Tranchen (A bis C) auf, die jeweils nur ein Jahr umfassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO und § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen. Die vorliegende Konstruktion, handelbare Optionsscheine an Arbeitnehmer im Rahmen eines Stock Option Programms herauszugeben, ist nicht unüblich. Mangels Vorliegens höchstrichterlicher Rechtsprechung hat die Rechtssache deshalb grundsätzliche Bedeutung und dient gleichzeitig der Fortbildung des Rechts in Bezug auf diese Gestaltungen.

Ende der Entscheidung

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