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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 07.08.2007
Aktenzeichen: 1 K 4684/05 E,F
Rechtsgebiete: EStG, UmwStG


Vorschriften:

EStG § 22 Abs. 2
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EStG § 23 Abs. 2
UmwStG § 13 Abs. 1
UmwStG § 13 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

1 K 4684/05 E,F

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) einen Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf von Aktien nach den §§ 22 Abs. 2, 23 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zu versteuern hat.

Der Kl. wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.

Der Beklagte (Bekl.) führte die Steuerveranlagung für das Streitjahr 2000 wegen Nichtabgabe der Steuererklärung zunächst im Schätzungswege durch. Der ESt-Bescheid vom 22.01.2002 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Nachdem die Kl. im Einspruchsverfahren die ESt-Erklärung 2000 eingereicht hatten, änderte der Bekl. die Steuerfestsetzung mit ESt-Bescheid vom 23.04.2004 nach § 164 Abs. 2 AO. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

In der Folgezeit änderte der Bekl. den ESt-Bescheid 2000 mehrfach nach § 164 Abs. 2 AO sowie nach § 10 d EStG. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb dabei weiterhin bestehen.

In einem erneut nach § 164 Abs. 2 AO geänderten ESt-Bescheid für 2000 vom 10.09.2004 erfasste der Bekl. erstmals Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft in Höhe von 5.124.995,- DM.

Dem privaten Veräußerungsgeschäft liegt nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:

Mit Anteilskaufvertrag vom 22. März 1999 erwarb der Kl. Anteile im Nominalwert von 2.050 EUR am Stammkapital von 25.000 EUR der Firma E******* GmbH. Die E******* GmbH firmierte am gleichen Tag zur Firma T******** GmbH (GmbH) um.

Am 19. April 1999 erfolgte die Aufnahme neuer Gesellschafter, das Kapital der GmbH wurde erhöht, wobei gleichzeitig die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft unter der Firmierung "P******** AG **************************************" erfolgte.

Am 14.12.1999 wurde die vorbezeichnete Aktiengesellschaft verschmolzen auf die zuvor neugegründete J******* Aktiengesellschaft, die im Anschluss daran zur Firma P******** Aktiengesellschaft ************************************** (P******** AG) umfirmierte. Die Handelsregistereintragung der P ******** AG erfolgte am 16.12.1999 (Eintrag in das HR).

Mit Vertrag vom 27.06.2000 veräußerte der Kl. die gesamten von ihm gehaltenen Anteile an der P******** AG für einen Kaufpreis von 5.125.000,- Euro.

Die Kl. legten gegen den ESt-Änderungsbescheid vom 10.09.2004 Einspruch ein.

Sie vertraten dabei die Auffassung, der Kl. habe seine Anteile an der Firma P******** AG nicht erst mit der Verschmelzung auf die Firma J******* AG am 14.12.1999 erworben. Dem Zeitraum ab Verschmelzung seien vielmehr die Vorbesitzzeiten an der GmbH seit dem 22.03.1999 hinzuzurechnen, mit der Folge, dass der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als 1 Jahr betrage und ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG wegen Fristablaufs nicht mehr besteuert werden könne.

Der Bekl. wies den Einspruch der Kl. mit Einspruchsentscheidung vom 21.10.2005 zurück.

Er vertrat dabei die Auffassung, der Gewinn aus dem Aktienverkauf sei gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG einkommensteuerpflichtig. Der Kl. habe die von ihm veräußerten Aktien am 14.12.1999, dem Zeitpunkt der Verschmelzung der Firma P******** AG auf die J******* AG angeschafft. Die Verschmelzung setzte eine neue einjährige Behaltensfrist i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG in Gang (Rdz. 13.08 des BMF-Schreibens vom 25.03.1998, BStBl. I S. 268), deren Lauf mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister beim übernehmenden Rechtsträger beginne. Die einjährige Frist sei im Zeitpunkt der Veräußerung am 27.06.2000 daher nicht abgelaufen gewesen.

Mit der am 23.11.2005 erhobenen Klage verfolgen die Kl. ihr Begehren weiter.

Die Kl. beantragen,

den ESt-Änderungsbescheid 2000 vom 01.09.2006 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2000 der Gestalt zu ändern, dass sonstige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nicht angesetzt werden,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen und

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bekl. hatte in den angefochtenen Steuerbescheiden und der Einspruchsentscheidung dem Grunde nach zutreffend den Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach den §§ 22 Abs. 2 i.V.m. 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfasst. Nach den vorbezeichneten Vorschriften sind Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften steuerbar, wobei bei Wertpapieren ein solches steuerbares Geschäft nach den Regelungen des Gesetzgebers nur dann vorliegt, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 1 Jahr beträgt (Spekulationsfrist).

Im Streitfall hat der Kl. mit Vertrag vom 27.06.2000 seine gesamten Anteile an der P******** AG für einen Verkaufspreis von 5.125.000,- EUR veräußert. Dies ist zwischen den beteiligten Parteien unstreitig.

Entgegen der Auffassung des Kl. war zu diesem Zeitpunkt die für den Verkauf von Wertpapieren geltende einjährige Spekulationsfrist noch nicht abgelaufen. Der Kl. hat die im Juni 2000 veräußerten Anteile an der P******** AG anlässlich der mit Vertrag vom 14.12.1999 erfolgten Verschmelzung der ursprünglichen Gesellschaft auf die J******* AG unter gleichzeitiger Umfirmung in P******** AG angeschafft.

Ob die Verschmelzung als tauschähnlicher Vorgang insoweit unmittelbar zu einer Anschaffung führt (so Nöcker, Spekulationsfrist bei Verschmelzung, [...] PR - SteuerR 22/2002, Anm. 2), oder die Aktien der P******** AG nach § 13 Abs. 1 und 2 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) im Wege der Fiktion zu den historischen Anschaffungskosten als angeschafft gelten (Vgl. BFH - Urteil vom 29. 11. 2005, IX R 49/04, BStBl. II 2006, 178, BFHE 211, 230 ; FG München, Beschluss vom 08.03.2007, 1 V 4900/06, EFG 2007, 1168) hält der Senat für nicht entscheidungserheblich. In jedem Fall beginnt mit der Verschmelzung der Gesellschaften, unabhängig von der Einordnung als echter Anschaffungsvorgang oder Fiktion die Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 2 EStG neu zu laufen.

Wird die Verschmelzung als echter Anschaffungsvorgang qualifiziert, bedarf dieses Ergebnis keiner weiteren Erörterung.

Beziehen sich demgegenüber die Fiktionen des Gesetzgebers in § 13 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG nicht nur auf den Buchwert (Abs. 1) und die Anschaffungskosten ( Abs. 2) selbst (so aber Nöcker a.a.O.), sondern auch auf den Verschmelzungsvorgang, beschränkt sich diese nicht nur auf den Ansatz der o. a. Werte bzw. Kosten für die Anschaffung. Folge dieser Fiktion ist dann ebenfalls der Beginn einer neuen Spekulationsfrist i. S. v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der §§ 11 ff UmwStG. Das Prinzip der Regelung der Verschmelzung oder Vermögensübertragung (Vollübertragung) von zu einem Betriebsvermögen gehörenden Anteilen auf eine andere Körperschaft besteht darin, die Realisierung und Versteuerung der stillen Reserven auf der Ebene der Anteilseigner zu vermeiden, stattdessen aber die Steuerverstrickung dieser stillen Reserven fortzusetzen und damit die spätere Versteuerung sicherzustellen.

Bei nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Anteilen kann eine Steuerverstrickung bestehen, wenn die Voraussetzungen des § 17 EStG (wesentliche Beteiligung) oder die des § 23 EStG (Spekulationsgewinn) vorliegen. Auch in diesem Fall bewirkt die Bewertung des Anschaffungsvorgangs mit den historischen Anschaffungskosten eine Steuerfreistellung des ansonsten vorliegenden Spekulationsgewinns. Diese Steuerfreistellung ist aus Sicht des erkennenden Senates nur dadurch gerechtfertigt, das eine spätere Besteuerung durch das Anlaufen einer neuen Spekulationsfrist vollumfänglich sichergestellt ist (so i. E. auch BFH - Urteil vom 29.11.2005 a.a.O.; FG München Beschluss vom 08.03.2007 a. a. O.; Schmidt/Weber-Grellet EStG, 26. Aufl., § 23, Rz. 46; Frotscher, UmwStG, § 13, Rz. 15; Steinlein, DStR 2005, S. 456, Anm. 9).

Der Kl. hat damit seine Anteile an der P******** AG innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG veräußert, mit der Folge, dass ein entsprechender Gewinn steuerlich zu berücksichtigen ist.

Soweit der Bekl. im ESt - Änderungsbescheid vom 10.09.2004 erstmals einen Spekulationsgewinn nach den § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG von 5.124.995,- DM angesetzt hat, ist dies der Höhe nach nicht zutreffend. Er hat bei der Gewinnermittlung erkennbar z.B. Anschaffungs- und Veräußerungskosten nicht steuermindernd berücksichtigt. Die Anschaffungskosten betragen nach dem Schriftsatz des Kl. vom 01.08.2007 2.050,- Euro.

Trotzdem ist der Ansatz eines Gewinns in der im Steuerbescheid in " Deutsche Mark" ausgewiesenen Höhe schon deswegen nicht zu beanstanden, weil der vereinbarte Kaufpreis ausweislich des Kaufvertrages vom 27.06.2000 tatsächlich 5.125.000,- Euro beträgt. Entsprechend weist der vom Kl. bereits im Besteuerungsverfahren vorgelegte Kontoauszug am 15.08.2000 eine Kaufpreiszahlung von 949.111,63 DM aus.

Nicht berücksichtigte Anschaffungs- und Veräußerungskosten wären daher mit den materiell-rechtlich fehlerhaft ermittelten, um ca. 5.000.000,- DM zu niedrigen Kaufpreisansatz zu kompensieren (sog. Kompensationsgebot). Auf der anderen Seite kommt eine Verböserung zu Lasten des Kl. durch Ansatz eines höheren Veräußerungsgewinns jedoch schon wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbotes nicht in Betracht, so dass es bei der angefochtenen Steuerfestsetzung bleibt.

Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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