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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 21.08.2007
Aktenzeichen: 1 K 5182/05 L
Rechtsgebiete: AO, GüKG


Vorschriften:

AO § 191
GüKG § 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

1 K 5182/05 L

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Mit notariellem Vertrag vom 17.08.1999 errichteten die Klägerin und Herr IU unter der Firma T & U Transport GmbH eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Das Stammkapital übernahmen die Gesellschafter je zur Hälfte. Die Gesellschaft nahm die Geschäftstätigkeit im Januar 2001 auf. Am 02.04.2001 wurde der Antrag auf Eintragung ins Handelsregister gestellt. Mit Zwischenverfügung vom 19.04.2001 wies das Registergericht darauf hin, dass die Eintragung das Vorliegen der Genehmigung nach § 3 GüKG voraussetze. Unter dem 26.07.2001 wurde der Antrag auf Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 GüKG gestellt. Der Landrat des Kreises S lehnte den Antrag ab. Die insoweit erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht H nahmen die Klägerin und Herr IU in der mündlichen Verhandlung vom 13.10.2004 zurück.

Das Amtsgericht D wies den Antrag auf Eintragung der GmbH in das Handelsregister durch Beschluss vom 16.11.2001 (XX AR XX/XXXX HR) zurück, nachdem für das Transportunternehmen die Erlaubnis nach § 3 GüKG nicht erteilt worden war.

Mit Haftungsbescheid vom 28.09.2005 nahm der Beklagte die Klägerin für Lohn- und Annexsteuern 2001 und April bis Juli 2002 der Firma T und U GbR in Höhe von insgesamt 16.170,66 EUR in Haftung. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Gegen die Einspruchsentscheidung vom 22.11.2005 erhob die Klägerin durch Schreiben vom 26.12.2005 Klage. Zur Begründung trägt sie vor, der Beklagte gehe im streitbefangenen Haftungsbescheid unzutreffend von einer persönlichen und unbeschränkten Haftung der Klägerin für Steuerschulden der T & U GbR aus. Eine solche GbR habe nie bestanden. Aus dem Gründungsvertrag vom 17.08.1999 ergebe sich unzweifelhaft der Wille der Gesellschafter zur Gründung einer Kapitalgesellschaft. Sie habe das Stadium der Vorgesellschaft erreicht.

Zu Unrecht gehe der Beklagte auch davon aus, die Vorgesellschaft habe weiter angedauert und sei nicht unverzüglich eingestellt worden, als ein Scheitern der Gründung erkennbar gewesen sei. Es handele sich um eine echte Vorgesellschaft, so dass eine Haftung nur in Bezug auf das eingezahlte Stammkapital der Klägerin in Betracht komme, und zwar unter Berücksichtigung der Insolvenzordnung nur im Rahmen einer entsprechenden Quote.

Die Vorgesellschaft habe ihre betriebliche Tätigkeit Anfang des Jahres 2001 aufgenommen und am 05.04.2001, letztlich erfolglos, die Eintragung ins Handelsregister beantragt. Ein entsprechender Antrag habe aber jederzeit wiederholt werden können.

Die Gesellschaft sei fast ausschließlich im Rahmen der Möbelauslieferung für die Firma P GmbH & Co KG tätig gewesen. Diese Firma habe das Vertragsverhältnis mit Schreiben vom 18.09.2001 zum 31.12.2001 gekündigt. Die letzten Dienstleistungen seien insoweit am 15.12.2001 erbracht worden. Daher habe den Mitarbeitern überwiegend erst zum 31.12.2001 gekündigt werden können. Zwei gewerbliche Arbeitnehmer seien noch im Rahmen der Abwicklung während des laufenden Insolvenzverfahrens beschäftigt worden. Sie seien bis zum 14.02.2002 noch zur Abwicklung des Auftrages der Firma HL eingesetzt worden. Die eigenen Fahrzeuge der Gesellschaft seien am 20.12.2001 beim Straßenverkehrsamt in N abgemeldet worden. Die Abwicklungsarbeiten seien mit geliehenen Fahrzeugen der Firma I erledigt worden.

Die Mitarbeiter J und R seien zur Vorbereitung der gutachterlichen Tätigkeit des vom Insolvenzgericht beauftragten Sachverständigen eingesetzt gewesen. Weitergehende werbende, auf Gewinnerzielung ausgerichtete Tätigkeiten seien nicht erfolgt. Die Geschäftstätigkeit sei unverzüglich eingestellt worden, als bekannt geworden sei, dass die Gesellschaft nicht in das Handelsregister eingetragen würde und sie infolge der Kündigung der Auftraggeber vermögenslos und überschuldet gewesen sei. Insoweit sei das Insolvenzverfahren eingeleitet worden.

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid vom 28.09.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 22.11.2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, die gesamtschuldnerische Haftung der Klägerin als Gesellschafterin der GbR folge aus den §§ 421, 427 und 718 BGB. Die Inanspruchnahme der GbR als Steuerschuldnerin sei erfolglos geblieben. Daher sei die Klägerin in Haftung zu nehmen gewesen. Neben dem Entschließungsermessen habe der Beklagte auch das Auswahlermessen zutreffend ausgeübt. Der Mitgesellschafter IU sei ebenfalls in Haftung genommen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsakten verwiesen. Der Senat hat am 21.08.2007 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat die Klägerin zutreffend als Haftende für die Steuerschulden der T und U GbR in Höhe von insgesamt 16.170,66 EUR in Haftung genommen.

Nach § 191 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, wobei die Haftung sowohl auf steuerrechtlichen als auch auf zivilrechtlichen Haftungsvorschriften beruhen kann.

Mit dem Abschluss des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages vom 17.08.1999 ist die T & U Transport GmbH errichtet und die Klägerin Gesellschafterin dieser GmbH i.G. geworden. Solange die GmbH nicht in das Handelsregister eingetragen ist, besteht sie als Vorgesellschaft (Vor-GmbH), für die es gesetzliche Regelungen nicht gibt.

Die Klägerin haftet nach den von der Rechtsprechung für eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einer Vorgesellschaft entwickelten Grundsätzen. Die Vorgesellschaft wird als sog. "unechte Vorgesellschaft" behandelt, wenn die GmbH nicht in das Handelsregister eingetragen wird, weil u.a. die Gründer von vornherein nicht die Absicht hatten, die Eintragung als GmbH zu erreichen, oder wenn der Eintragungsantrag nicht ernsthaft weiterbetrieben wird, insbesondere, weil bestehende Eintragungshindernisse nicht beseitigt oder Eintragungsunterlagen nicht unverzüglich beschafft werden oder weil die Gesellschaft trotz Ablehnung des Eintragungsantrags und Wegfalls des Gründungsziels ihre Geschäfte weiterbetreibt. Auf die unechte Vorgesellschaft werden die Regeln einer zivilrechtlichen Personengesellschaft angewandt. Eine "echte Vor-GmbH" liegt dagegen vor, wenn und solange die Gesellschafter der Vorgesellschaft die Geschäftstätigkeit einverständlich aufgenommen haben und mit dem Ziel der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister betreiben (BFH, Urteil vom 7. April 1998 VII R 82/97, BFHE 185, 356, BStBl II 1998, 532 m.w.N.; FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9. Januar 2002 1 K 202/00, EFG 2002, 1131 mit Anm. Braun; BGH, Urteil vom 4.11.2002 II ZR 204/00 GmbHR 2003, 97 m.w.N., mit Anm. Schmidt; Scholz/Schmidt, GmbG, 9. Aufl. 2000, § 11 Rdnr. 143).

Im Streitfall haben die Gesellschafter der T & U Transport GmbH i.G. von vornherein keine Eintragungsabsicht im Sinne dieser Rechtsprechungsgrundsätze gehabt. Das ergibt sich daraus, dass sie die Eintragung der Gesellschaft nicht ernsthaft verfolgt haben.

Zum einen haben sie den Eintragungsantrag erst am 02.04.2001 gestellt, obwohl bereits Anfang Januar der Geschäftsbetrieb aufgenommen worden war. Sinn und Zweck der Rechtsprechung zur Haftung bei einer Vorgesellschaft ist es, bei aufgenommenem Geschäftsbetrieb die Haftungsgrundsätze einer eingetragenen GmbH schon vor der Eintragung anzuwenden, wenn die Eintragung ernsthaft verfolgt wird. Die Gesellschafter müssen ohne schuldhaftes Zögern die Voraussetzungen für die Eintragung der GmbH in das Handelsregister schaffen, die in ihrem Verantwortungsbereich liegen. Das bedeutet, dass sie den Antrag zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister unverzüglich stellen müssen. Das haben die Klägerin und ihr Mitgesellschafter im Streitfall tatsächlich jedoch erst drei Monate nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit getan.

Auch nachdem das Registergericht unter dem 19.04.2001 auf das Eintragungshindernis der fehlenden Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 GüKG hingewiesen hatte, haben sie diese Erlaubnis nicht unverzüglich beantragt, sondern wiederum weitere drei Monate bis zur Antragstellung - am 26.07.2001 - verstreichen lassen.

Vor diesem Hintergrund kann es letztlich dahinstehen, ob eine unechte Vorgesellschaft mit der Folge der persönlichen Haftung der Klägerin für die im Haftungsbescheid aufgeführten Steuern auch deshalb anzunehmen ist, weil die GmbH i.G. ihre Geschäftstätigkeit nach Ablehnung des Eintragungsantrags durch das Registergericht nicht umgehend aufgegeben hat. Dass ein Liquidationsbeschluss gefasst und die Gesellschaft umgehend liquidiert worden ist, ist nicht ersichtlich. Zwar sind gegenüber der Mehrzahl der Arbeitnehmer, nicht jedoch gegenüber allen, zum 31.12.2001 Kündigungen ausgesprochen worden (s. Bl. 82 FG-Akte). Diese Kündigungen waren jedoch nicht Folge einer Unternehmensliquidation. Sie waren als Anpassungsreaktionen darauf erforderlich, dass der maßgebende Geschäftspartner, die Firma P GmbH & Co. KG, mit Schreiben vom 18.09.2001 (Bl. 79 FG-Akte) die Einstellung der Zusammenarbeit zum 31.12.2001 mitgeteilt hatte. Der mit Schreiben vom 11.12.2001 von der Sparkasse D abgelehnte Kreditwunsch (Bl. 36 FG-Akte) der GmbH i.G. spricht nicht für eine Liquidation des Unternehmens, sondern für eine Fortführungsabsicht. Ob die GmbH i.G. vertraglich verpflichtet war, gegenüber der P GmbH & Co. KG bis Mitte Dezember Transportleistungen zu erbringen, und ob keine Möglichkeit bestand, sich aus den Verpflichtungen angesichts des Scheiterns der GmbH-Eintragung zu lösen, ist nicht klar. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Auflösung der Geschäftsbeziehungen zur HL.

Als Gesellschafter der unechten Vorgesellschaft, die als Transportunternehmen kein Handelsgewerbe betreibt, haftet die Klägerin nach § 718 i.V.m. §§ 421, 427 BGB für die Verbindlichkeiten, die während des Bestehens der Vorgesellschaft entstanden sind.

Das Entschließungs- und Auswahlermessen, die Klägerin als Haftende in Anspruch zu nehmen, ist in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt worden. Die Inanspruchnahme der Gesellschaft war nach Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse aussichtslos. Der Mitgesellschafter IU ist ebenfalls in Haftung genommen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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