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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 24.04.2009
Aktenzeichen: 10 K 3163/06 E,Kap
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 20 Abs. 1
EStG § 43 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I. Streitig ist, ob für eine Gewinnausschüttung Kapitalertragsteuer abzuführen ist.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der der X-kreis (im Folgenden: X-K) zu 100 % beteiligt ist.

Von ihrem Gewinn des Jahres 2003 wollte die Klägerin €; XXX,YY ausschütten. Der diesen Betrag übersteigende Teil des Gewinns sollte in die Gewinnrücklage eingestellt werden, die mit einem Teil der Kapitalrücklage zum Ablauf des Jahres 2008 aufgelöst werden sollte. In Höhe von €; XXX,YY soll der Bilanzgewinn im Jahre 2009 ausgeschüttet werden.

Mit der B-Bank Aktiengesellschaft, Filiale C-Stadt (im Folgenden: B-Bank), schloss die Klägerin am 19.11.2004 einen "Forfaitierungsvertrag" (im Folgenden: Vertrag), durch den die B-Bank die beiden Forderungen kaufte (§ 1 Abs. 1 des Vertrages). Der X-K trat die Forderungen in dem Vertrag ab, die B-Bank nahm die Abtretung an (§ 1 Abs. 2 des Vertrages).

Vorbehaltlich der §§ 3 bis 5 des Vertrages erfolgte der Kauf unter Ausschluss des Rückgriffs auf den X-K (§ 2 des Vertrages). Der X-K versicherte und garantierte der B-Bank verschuldensunabhängig, dass die angekauften Forderungen in voller Höhe bestehen bzw. zum angegebenen Fälligkeitszeitpunkt entstehen, fällig werden und bis zu ihrer vollständigen Erfüllung fortbestehen (§ 4 Satz 1 des Vertrages). Für die Zahlungsfähigkeit der Klägerin übernahm der X-K keine Haftung (§ 4 Satz 4 des Vertrages). Auf erste Anforderung der B-Bank musste der X-K den Kaufpreis nebst 4,000 % p.a. Zinsen für die Zeit von der Zahlung des Kaufpreises bis zu dessen Rückzahlung zahlen, wenn die Klägerin bei Fälligkeit die Zahlung unter Berufung auf Gründe verweigerte, die der X-K in § 4 des Vertrages zugesichert hatte (§ 5 Abs. 1 des Vertrages). Vor Eintritt der Fälligkeit sollte eine Rückabwicklung auf erste schriftliche Anforderung möglich sein, wenn die Unrichtigkeit der Zusicherung nachgewiesen wird (§ 5 Abs. 2 des Vertrages).

Für den Fall einer verspäteten Zahlung durch die Klägerin verpflichtete sich der X-K zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 3,2267 % p.a. auf Basis 365/360 (§ 6 des Vertrages). Der X-K verpflichtete sich ferner, Gebühren, Steuern und Abgaben, welche die B-Bank im Zusammenhang mit dem Erwerb der Forderungen und/oder der Geltendmachung sowie Vereinnahmung der Forderungen zu zahlen haben würde, unverzüglich zu erstatten. Dasselbe sollte gelten, wenn bei der Klägerin Gebühren, Steuern und Abgaben einbehalten werden würden (§ 8 des Vertrages).

Die B-Bank zinste die Forderungen auf den Tag der jeweiligen Fälligkeit ab und zahlte den sich ergebenden Betrag am 22.11.2004 an den X-K.

Die Gesellschafterversammlung beschloss die Ausschüttung in Höhe von €; XXX,YY im Februar 2005; die Klägerin überwies den Betrag daraufhin an die B-Bank.

In der Kapitalertragsteuer-Anmeldung gab die Klägerin die für die Gewinnausschüttung abzuführende Kapitalertragsteuer mit €; 0,- an. Der Beklagte vertrat hingegen die Auffassung, es bestehe eine Kapitalertragsteuerpflicht und setzte für den Anmeldungszeitraum Februar 2005 Kapitalertragsteuer in Höhe von 10 % des Ausschüttungsbetrages (= €; XXX,YY) fest.

Nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren verfolgt die Klägerin das Ziel der Aufhebung des Bescheides im Klagewege weiter. Sie meint, die Regelungen des Vertrages entsprächen den Regelungen eines Forderungskaufvertrages, sodass keine Kapitalertragsteuer abzuführen sei. Der X-K gewährleiste zwar den Bestand der Forderung, nicht aber deren wirtschaftliche Verwertbarkeit. Die Regelungen in §§ 3 und 4 des Vertrages beträfen allein das Eintreten für das Bestehen der Forderung. Aus § 4 Satz 4 des Vertrages folge ausdrücklich, dass der X-K keine Haftung für die Zahlungsfähigkeit des X-K übernehme.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid über die Festsetzung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer für den Anmeldungszeitraum Februar 2005 vom 18.01.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2006 aufzuheben,

2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, die Gewinnausschüttung sei kapitalertragsteuerpflichtig, denn es liege kein Forderungskaufvertrag, sondern nur ein Darlehensvertrag vor. Der X-K habe ein erhebliches Bonitätsrisiko übernommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und der Kapitalertragsteuerakte verwiesen.

II. Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten ( § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)).

Die Festsetzung der Kapitalertragsteuer für den Anmeldungszeitraum Februar 2005 in Höhe von 10 % der Gewinnausschüttung (€; 80.000,-) gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Nr. 1, 44a Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist rechtmäßig.

Dividenden - wie hier die Gewinnausschüttung in Höhe von €; 800.000,- aus dem Bilanzgewinn 2003 - unterliegen gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG der Kapitalertragsteuer.

Eine Kapitalertragsteuerpflicht der Gewinnausschüttung ist nach inzwischen ausgelaufenem Recht nur ausgeschlossen, wenn die Ansprüche auf Ausschüttung der Dividenden veräußert wurden ( § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a) EStG). Die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung tritt an die Stelle der Besteuerung der Dividende ( § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a) Satz 2 EStG). Floss das Veräußerungsentgelt dem Verkäufer bis zum 31.12.2004 zu, unterlag die Veräußerung nicht der Kapitalertragsteuer ( §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 52 Abs. 53a EStG). Bei einem Zufluss ab dem 1.01.2005 ist aufgrund der Einfügung des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auch der Gewinn aus einer Veräußerung des Dividendenanspruchs kapitalertragsteuerpflichtig.

Im vorliegenden Fall trat der X-K seinen Gewinnausschüttungsanspruch in Höhe von €; 800.000,- mit Vertrag vom 19.11.2004 an die B-Bank ab und erhielt hierfür am 22.11.2004 den abgezinsten Barwert der Forderung.

Der Vertrag erfüllt im vorliegenden Fall jedoch nicht die Voraussetzungen einer Veräußerung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG.

Eine Veräußerung verlangt, dass das wirtschaftliche Eigentum an dem Dividendenschein bzw. an dem sonstigen Anspruch auf eine andere Person aufgrund eines entgeltlichen Verpflichtungsgeschäfts übergeht (Geurts in: Bordewin/Brandt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, EStG, § 20 Rz. 436; von Beckerath in: Kirchhof, EStG, KompaktKommentar, 8. Aufl. 2008, § 20 Rz. 135; Wassermeyer in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 20 Rz. L 17). Ist Veräußerungsgegenstand ein Anspruch auf Gewinnausschüttung, ist dies nur dann der Fall, wenn die vertragliche Gestaltung als Forderungskauf (echte Forfaitierung) und nicht als Vorfinanzierung der Forderung (unechte Forfaitierung) zu werten ist. Ob eine echte oder eine unechte Forfaitierung vorliegt, ist im jeweiligen Einzelfall - unabhängig von der von den beteiligten Parteien gewählten Bezeichnungen - aufgrund einer Gesamtbetrachtung der vertraglichen Bestimmungen zu ermitteln (FG Münster, Urteil vom 2.12.2008, 9 K 2344/07 G, [...]). Voraussetzung für die Annahme eines Forderungskaufs ist, dass das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Forderungen vollständig auf den Erwerber übergeht, insoweit also keine Möglichkeit eines Regresses besteht (BFH, Urteil vom 8.11.2000, I R 37/99, BStBl. II 2001, S. 722; Urteil vom 5.05.1999, XI R 6/98, BStBl. II 1999, S. 735). Nach den Regeln des Kaufrechts haftet der Verkäufer ausschließlich für den rechtlichen Bestand (oder das künftige Entstehen) sowie für die Einredefreiheit (Verität) der verkauften Forderung (BGH, Urteil vom 10.11.2004, VIII ZR 223/03, WM 2005, S. 23), nicht jedoch für den wirtschaftlichen Wert der Forderung (Bonität), weil der Käufer die im Kaufgegenstand liegenden wirtschaftlichen Chancen und Risiken übernehmen soll (Huber in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl. 1991, § 437 Rz. 5). Verbleibt das Bonitätsrisiko hinsichtlich der abgetretenen Forderungen - wenn auch nur teilweise - beim Verkäufer, liegt eine bloße Vorfinanzierung der Forderung vor (s. BFH, Urteil vom 8.11.2000, I R 37/99, BStBl. II 2001, S. 722; Urteil vom 5.05.1999, XI R 6/98, BStBl. II 1999, S. 735; FG Münster, Urteil vom 2.12.2008, 9 K 2344/07 G, [...]).

Anhand einer Gesamtbetrachtung der konkreten vertraglichen Bestimmungen ist der Vertrag vom 19.11.2004 im vorliegenden Fall als ein Vorfinanzierungsgeschäft (unechte Forfaitierung) und nicht als Forderungskauf zu werten. Das Bonitätsrisiko verblieb teilweise bei dem X-K. Selbst wenn der X-K nach § 4 Satz 4 des Vertrages für die Zahlungsfähigkeit der Klägerin nicht einsteht, übernahm der X-K in erheblichem Maße Risiken der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Forderungen. Denn er eröffnete der B-Bank die Möglichkeit, bei ihm für den Fall Regress zu nehmen, dass sie aufgrund von Umständen nicht vollständig oder nicht rechtzeitig befriedigt werden würde, die nicht mit der Entstehung, dem Fortbestand und der Einredefreiheit der Forderungen zusammenhängen.

So übernahm der X-K das typischerweise von einem Forderungsinhaber zu tragende wirtschaftliche Risiko, dass die Werthaltigkeit einer Forderung durch eine Abgabenbelastung gemindert würde. In diesem Fall konnte die B-Bank bei dem X-K Regress nehmen, um (wirtschaftlich) den ungeminderten Betrag der entstandenen Forderung vereinnahmen zu können. Nach § 8 des Vertrages verpflichtete sich der X-K, der B-Bank alle diejenigen Gebühren, Steuern und Abgaben zu erstatten, die aufgrund der Geltendmachung und Vereinnahmung der Forderung bei ihr oder der Klägerin erhoben würden.

Durch § 6 des Vertrages übernahm der X-K zudem das typische Gläubigerrisiko einer verspäteten Erfüllung, indem er sich verpflichtete, den während des Überfälligkeitszeitraums entstehenden Zinsnachteil auszugleichen. Der X-K eröffnete der B-Bank hierdurch eine Regressmöglichkeit, die dieser von Gesetzes wegen nur gegenüber der Klägerin als Schuldnerin der abgetretenen Forderung zustehen könnte (Verzugszinsen).

Der X-K nahm der B-Bank schließlich das typische (und die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Forderungen mindernde) Gläubigerrisiko ab, die Zahlung einer Forderung notfalls im Klagewege - mit dem üblichen Prozessrisiko - erzwingen zu müssen. Auch wenn die Klägerin die Zahlung zu Unrecht unter Berufung auf Gründe verweigern sollte, deren Nichtvorliegen der X-K in § 4 des Vertrages zusicherte, musste der X-K auf erste Anforderung - nebst Verzinsung sowie Kosten- und Auslagenerstattung - den Kaufpreises zurückzahlen (§ 5 Abs. 1 des Vertrages). Während es vor der Fälligkeit der Forderungen für eine Rückabwicklung auf den Nachweis der Unrichtigkeit der Zusicherungen nach § 4 des Vertrages ankommen sollte (§ 5 Abs. 2 des Vertrages), stellte der Vertrag für die Zeit nach Fälligkeit der Forderungen nur auf die Leistungsverweigerung der Klägerin unter formaler Berufung auf das Nichtvorliegen der Zusicherungen nach § 4 des Vertrages ab.

Dass die nach §§ 43a Abs. 1 Nr. 1, 44a Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 EStG erfolgte Festsetzung von Kapitalertragsteuer in hälftiger Höhe von 10 % in rechtswidriger Weise zu hoch erfolgt ist, ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

IV. Die Revisionszulassung folgt aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, denn die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die Entscheidung aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen (abstrakten) Interesse liegt. Die Bedeutung der Rechtssache darf sich nicht in der Entscheidung des konkreten Einzelfalls erschöpfen, sondern muss eine Vielzahl gleichartiger Fälle betreffen und einer Verallgemeinerung zugänglich sein (BFH, Beschluss vom 3.03.2006, V B 80/05, BFH/NV 2006, S. 1250; Seer in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 46).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Denn die vorliegende Vertragsgestaltung und ihre kapitalertragsteuerlichen Folgen sind Gegenstand einer Vielzahl noch nicht abgeschlossener Verfahren (vgl. OFD Münster vom 13.09.2006, DStZ 2006, S. 858).

Ende der Entscheidung

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