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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 18.10.2004
Aktenzeichen: 10 K 3187/03 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 33
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

10 K 3187/03 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Streitig ist, ob Aufwendungen für den behinderungsgerechten Umbau eines Badezimmers in einer Mietwohnung als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind.

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der 1990 geborene Sohn der Kläger ist geh- und stehbehindert und auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Der Grad seiner Behinderung beträgt 100 v.H.

Im Streitjahr 2000 bauten die Kläger das --bereits im Jahre 1988 auf eigene Kosten (Aufwand rund 4.350 DM) teilrenovierte (Elektroboiler und Armaturen, Badewanne, Waschbecken, Toilette, Ersetzung Fliesen im notwendigen Umfang)-- Badezimmer ihrer 1983 angemieteten Wohnung mit Zustimmung ihres Vermieters auf eigene Kosten behindertengerecht um. Hierbei ersetzten sie u.a. die bisherige Badewanne durch eine ebenerdige, mit einem Rollstuhl befahrbare Dusche, tauschten das vorhandene WC durch eine neue, durch Wandaufhängung an die Sitzhöhe des Sohnes angepasste Toilette sowie das vorhandene Waschbecken durch einen neuen Waschtisch aus, den der Sohn "ohne Kraftanstrengung und Kurvenakrobatik" mit dem Rollstuhl erreichen konnte. Um den notwendigen Platz für die behindertengerechte Dusche zu schaffen, verlegten sie außerdem - unter Anschaffung einer neuen Waschmaschine und eines neuen Wäschetrockners - den Wasch- und Trockenturm in ein vor dem Badezimmer gelegenes Zimmer. Im Zuge dieser Maßnahme wurden auch neue Elektroanschlüsse verlegt und das gesamte Bad neu verfließt.

Die Aufwendungen der Kläger beliefen sich nach dem vorliegenden Rechnungen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, auf insgesamt 33.154,20 DM, von denen 3.662,93 DM (Netto 3.323,90 DM abzüglich 5% Nachlass zuzüglich Umsatzsteuer) auf die Waschmaschine und den Wäschetrockner entfielen. Die Techniker Krankenkasse bezuschusste den Umbau des Bades mit 5.000 DM.

Nach einer Bescheinigung des Vermieters vom 02.04.2006 hatte der Umbau keinen Einfluss auf die Miete (keine Mietminderung, kein Verzicht auf künftige Mieterhöhungen). Es bestehe keine Verpflichtung seitens der Mieter, den alten Zustand des Badezimmers wiederherzustellen. Auch die Renovierung im Jahre 1988 habe keinen Einfluss auf die Miete gehabt.

Der Beklagte ließ die Aufwendungen mit der Begründung nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zu, die Kläger hätten einen Gegenwert erhalten. Bei den behindertengerecht installierten Sanitäranlagen handele es sich um gängige Markenartikel, die mitunter auch Gesunden zur Steigerung ihres Lebenskomforts dienten.

Mit der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage begehren die Kläger weiterhin die Berücksichtigung ihrer Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung. Hierzu tragen sie im Wesentlichen vor, sämtliche Aufwendungen seien allein durch die Behinderung ihres Sohnes veranlasst. Es handele sich nicht um eine "Modernisierungs-", sondern um eine Anpassungsmaßnahme, die den individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten ihres behinderten Sohnes entsprechend geplant und nach Erkenntnissen und mit Hilfe der Pflegequalitätsberatung und durch die Reha-Beratung der Techniker Krankenkasse für notwendig erachtet worden sei.

Die medizinische Notwendigkeit der Armaturen, des Waschbeckens, der Dusche und der Toilette ergebe sich eindeutig durch die übersandten Fotos und ihre ausführliche Darstellung im Schreiben vom 26.03.2002, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Allein wegen dieser medizinische Notwendigkeit habe die Krankenkasse den Zuschuss gewährt. Die Gegenwerttheorie finde im Streitfall keine Anwendung, da bereits vorher ein für sie (die Kläger) weitaus komfortableres Badezimmer mit Badewanne existiert habe.

Die Kläger beantragen noch,

den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 05.12.2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.06.2003 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen in Höhe von 24.897,52 DM herabzusetzen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Er ist weiterhin der Auffassung, die Aufwendungen für den Umbau des Bades seien nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, da die Kläger hierfür einen Gegenwert erhalten hätten. Hierbei sei es unmaßgeblich, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um Aufwendungen für Wohneigentum, sondern für eine Mietwohnung gehandelt habe.

Da das Bad unter Verwendung gängiger Markenartikel in einen zeitgemäßen, mittlerweile durchaus üblichen Zustand (wandhängendes WC, barrierefreie Dusche, Duschthermostate, etc.) versetzt worden sei, habe der Umbau nicht nur für den behinderten Sohn, sondern auch für nichtbehinderte Menschen einen länger dauernden Wert und Nutzen. Ein etwaiger Nachmieter würde nicht die Wiederherstellung des ursprünglichen Bades verlangen. Dies sei auch mit dem Vermieter nicht vereinbart worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Steuerakten Bezug genommen.

Die Klage ist nicht begründet.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG).

§ 33 EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige eine (außergewöhnliche) "Belastung" zu tragen hat. Eine solche liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Gegenstände anschafft, die für ihn einen Gegenwert zu den aufgewandten Kosten darstellen. Denn dann handelt es sich um eine bloße Umschichtung von Vermögenswerten, die den Steuerpflichtigen nicht (außergewöhnlich) "belastet". Nur soweit Werte aus seinem Vermögen oder seinem laufenden Einkommen endgültig abfließen, liegt bei ihm --anders als bei einer reinen Vermögensumschichtung-- eine Belastung vor (BFH-Urteil vom 10. Oktober 1996 III R 209/94, BStBl II 1997, 491; BFH-Beschluss vom 15. April 2004 III B 84/03, BFH/NV 2004, 1252, jeweils m.w.N.).

Mehraufwendungen eines Steuerpflichtigen für die behindertengerechte Ausgestaltung seines neu errichteten Wohnhauses (z.B. durch Einbau eines Aufzugs, einer Bodendusche und Vergrößerung des Bades) sind nicht nach § 33 Abs. 2 EStG abziehbar, weil der Steuerpflichtige hierfür einen Gegenwert erhält. Denn die Einrichtungen sind nicht ausschließlich für den Behinderten nutzbar, sondern ebenso von jedem anderen Bewohner des Hauses. Die --nur durch eine fiktive Aufteilung zu ermittelnden-- Mehraufwendungen sind auch nicht zwangsläufig, weil nicht eindeutig und anhand objektiver Merkmale zwischen den steuerrechtlich irrelevanten privaten Motiven für die Gestaltung eines Hauses und den nach § 33 Abs. 2 EStG zu berücksichtigenden, ausschließlich durch die Behinderung verursachten Aufwendungen unterschieden werden kann (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 1997, 491 und v. 2.6.2005, III R 7/04, BFH/NV 2006, 36).

Diese Lehre vom Gegenwert ist auch bei Mietereinbauten anwendbar. Erlaubt der Vermieter --wie im Streitfall-- dem Mieter Umbauten, schließt aber die Erstattung der Aufwendungen auch bei Auszug des Mieters aus, bekommt der Vermieter in Form einer Wertsteigerung des Gebäudes einen Gegenwert. Aber auch der Mieter erhält durch die Umbauten einen Gegenwert, sofern die Einbauten nicht nur für ihn, sondern auch für andere Personen von Wert sein können und eine "gewisse Marktfähigkeit" besitzen, "die in einem bestimmten Verkehrswert zum Ausdruck kommt". Dieser soll sich nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 4. März 1983 VI R 189/79, BStBl II 1983, 378 und vom 15. Dezember 2005 III R 10/04, BFH/NV 2006, 931 m.w.N.) auch darin zeigen, dass in aller Regel ein Nachmieter im Anschluss an eine Selbstnutzung der Einbauten durch den Mieter für deren Restnutzungsdauer bei der Übernahme eine Ablösesumme zahlen würde. Ob ein Gegenwert oder ggf. ein verlorener Aufwand vorliegt, ist anhand objektiver, von ungewissen zukünftigen Ereignissen unabhängigen Kriterien zu ermitteln (BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2000 III B 53/00, BFH/NV 2001, 756 und vom 15. April 2004 III B 113/03, nicht veröffentlicht, juris).

Bei Anwendung dieser Grundsätze können die Kläger die Aufwendungen für den Umbau des Badezimmers nicht als außergewöhnliche Belastung abziehen.

Anlass für den Umbau und die Renovierung des Badezimmers war im Streitfall zwar unbestritten die Krankheit des Sohnes der Kläger. Er war für ein soweit wie möglich selbständiges Leben auf einen Umbau des Badezimmers angewiesen. Der Umbau des Badezimmers war aber ebenso für andere Bewohner der Wohnung, insbesondere die Kläger und ggf. spätere Nachmieter von Nutzen. Die Kläger erhielten ein mit gängigen Markenartikel zeitgemäß renoviertes und gefliestes Bad. Insoweit lässt sich bei Beachtung der Rechtsprechung des BFH nicht eindeutig und anhand objektiver Kriterien ausschließen, dass auch sonstige private Gründe zumindest hinsichtlich des Umfangs der Umbauarbeiten eine Rolle gespielt haben. Auf den Umfang der tatsächlichen Nutzung durch die Kläger oder durch andere Personen kommt es hierbei nicht an.

Ein verlorener Aufwand könnte nur angenommen werden, wenn absehbar gewesen wäre, dass die Kläger alsbald aus dem Haus ausgezogen und verpflichtet gewesen wären, den ursprünglichen baulichen Zustand wiederherzustellen (vgl. Blümich/Heger, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 33 EStG Rz. 193). Hierfür liegen aber keine Anhaltspunkte vor. Der Umbau erfolgte vielmehr in Einvernehmen mit dem Vermieter und ohne Verpflichtung der Kläger, bei einem etwaigen Auszug den alten Zustand des Badezimmer wiederherzustellen. Ferner wohnen die Kläger tatsächlich nach wie vor in der gemieteten Wohnung.

Ein verlorener Aufwand liegt auch nicht deshalb vor, weil bereits vor dem behindertengerechten Umbau ein für die Bedürfnisse der Kläger ausreichendes Badezimmer mit Badewanne existiert hat. Zwar kann nach der Rechtsprechung des BFH Renovierungs- und Umbaumaßnahmen ein Gegenwert fehlen, wenn der Steuerpflichtige in Folge einer Erkrankung gezwungen ist, "noch neue Gegenstände" auszuwechseln und er daher nichts erhält, was er nicht schon vorher besessen hatte (vgl. BFH Urteile vom 29. November 1991 III R 74/87, BStBl II 1992,290 und in BStBl II 1997, 491). Ein solcher Fall liegt indessen hier nicht vor. Das Bad war seit seiner Errichtung lediglich im Jahre 1988 unter Verwendung von im Baumarkt gekauften Material und Ersetzung der Fliesen nur im notwendigen Umfang in Eigenregie teilrenoviert worden.

Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht, dass ein Teil der Aufwendungen (z.B. Mehrkosten für den Einbau einer Bodendusche, eines mit dem Rollstuhl unterfahrbaren Waschbeckens) allein durch die Behinderung veranlasst sind und bei einer normalen Badrenovierung nicht angefallen wären; es lässt sich aber nach den vorliegenden Rechnungen nicht feststellen, dass dieser Mehraufwand gegenüber einer normalen Badrenovierung mehr als die von der Krankenkasse erstatteten 5.000 DM betrug.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Absatz 1 Finanzgerichtsordnung.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 FGO zugelassen. Der BFH hat in seinem Urteil in BFH/NV 2006, 931 ausdrücklich die Frage offen gelassen hat, ob Aufwendungen für einen Rollstuhl gerechten Umbau des Badezimmers als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen seien.



Ende der Entscheidung

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