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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 24.03.2004
Aktenzeichen: 10 K 704/02 E, G
Rechtsgebiete: EStG, EStG i.d.F. des StBereinG 1999


Vorschriften:

EStG i.d.F. des StBereinG 1999 § 4 Abs 2 Satz 2
EStG § 6b Abs 3
EStG i.d.F. des StBereinG 1999 § 4 Abs 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

SCHLUSS-URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 24.03.2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtlicher Richter ...

aufgrund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt

Gründe

Streitig ist noch, ob gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 eine Bilanzänderung (Bildung einer Rückstellung nach § 6 b EStG) zulässig ist, wenn nach einer Betriebsprüfung ein Bodenveräußerungsgewinn für ein bisher als Privatvermögen behandeltes Grundstück erfasst wird.

Der Kläger betreibt auf dem zu seinem notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Grundstück P. in X. eine Einzelfirma.

Mit notariellem Vertrag vom 27.10.1998 verkaufte er das unmittelbar an sein Betriebsgrundstück angrenzende unbebaute Grundstück X., Flur ..., Flurstück ... (im Folgenden: Grundstück) zu einem Preis von 352.063 DM.

Beide Grundstücke waren - anders als in den Vorjahren - in den Bilanzen der Einzelfirma zum 31.12.1997, 31.12.1998 und 31.12.1999 nicht mehr mit ihren Buchwerten im Anlagevermögen aufgeführt.

In der Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen für 1999 (Streitjahr) sowie der beigefügten Bilanz bzw. Gewinn- und Verlustrechnung erklärten die Kläger bzw. der Kläger keinen Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks.

Nach einer Betriebsprüfung sah der Prüfer das Grundstück als Betriebsvermögen an. Er erfasste den bisher nicht gebuchten und in der Bilanz nicht ausgewiesenen Verkaufserlös als Betriebseinnahme und errechnete unter Berücksichtigung eines Buchwertabgangs von 12.983 DM einen Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks von 339.100 DM. Außerdem vertrat er die Auffassung, der "in 1997 irrtümlich erfolgsneutral ausgebuchte" Buchwert der Betriebsgrundstücke (Wert 31.12.1996: 40.671 DM) abzüglich des Buchwerts des verkauften Grundstücks sei zum 31.12.1999 wieder zu aktivieren. Von der Erstellung einer Prüferbilanz sah er "wegen der nur geringen Änderungen" ab.

Der Beklagte erließ entsprechend geänderte Bescheide über Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1999, in denen er - unter Berücksichtigung einer Gewerbesteuerrückstellung - den Grundstücksveräußerungsgewinn zusätzlich als laufenden Gewinn berücksichtigte.

Die hiergegen eingelegten Einsprüche, mit denen sich die Kläger bzw. der Kläger gegen die Zuordnung des verkauften Grundstücks zum Betriebsvermögen wandten und hilfsweise die Bildung einer Rücklage nach § 6 b EStG in Höhe des Veräußerungsgewinns von 339.100 DM beantragten, blieben erfolglos.

Im anschließenden Klageverfahren hat der Senat durch Zwischengerichtsbescheid vom 30.07.2003, der als unanfechtbares Zwischenurteil wirkt, entschieden, dass das veräußerte Grundstück noch im Streitjahr 1999 mit der Folge Betriebsvermögen war, dass der bei der Veräußerung erzielte Gewinn bei den gewerblichen Einkünften zu erfassen ist.

Die Kläger begehren nunmehr die Berücksichtigung einer Rücklage gemäß § 6 b EStG in Höhe des aus dem Verkauf des Grundstücks erzielten gewerblichen Gewinns von 339.100 DM.

Sie meinen, diese - hilfsweise schon während der Betriebsprüfung beantragte - Bilanzänderung sei zulässig, da sie in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Änderung von Bilanzansätzen (Position "Grund und Boden", Position "Steuerrückstellungen") stehe und diese Änderungen auf den Gewinn durchschlügen.

Die Kläger beantragen,

1. unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1999 vom 25.10.2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung die Bildung einer Rücklage nach § 6 b EStG in Höhe von 339.100 DM zuzulassen und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Gewinnes aus Gewerbebetrieb in Höhe von 121.929 DM auf 26.144 DM herabzusetzen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Kläger beantragt,

1. unter Änderung des Bescheids über den Gewerbesteuermessbetrag vom 02.11.2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung für 1999 die Bildung einer Rücklage nach § 6 b EStG in Höhe von 339.100 DM zuzulassen und den Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung eines Gewinnes aus Gewerbebetrieb in Höhe von 121.929 DM auf 1.588 DM herabzusetzen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen,

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen,

Er ist der Ansicht, die beantragte Änderung der Bilanz durch Bildung einer Rücklage nach § 6 b EStG sei nicht zulässig, da durch die Bilanzberichtigungen zum 31.12.1999 der Gewinn nicht erhöht worden sei.

Durch die Ausbuchung des Grundstücks und die Bildung einer (höheren) Gewerbesteuerrückstellung 1999 seien nur gewinnmindernde Bilanzberichtigungen i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG durchgeführt worden. Es fehle damit an einem Kompensationsvolumen. Die Gewinnauswirkung aus der begehrten Bilanzänderung könne allenfalls mit einer gewinnerhöhenden, nicht aber - wie mit der Bildung der Rückstellung beantragt - mit einer ebenfalls gewinnmindernden Bilanzberückschtigung kompensiert werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Steuerakten und den Zwischengerichtsbescheid vom 30.07.2003 Bezug genommen.

Die Klage ist mit dem nunmehr gestellten ursprünglichen Hilfsantrag hinsichtlich der Einkommensteuer ganz und hinsichtlich des Gewerbesteuermessbetrages zum größten Teil begründet.

Der Beklagte hat zu Unrecht die vom Kläger nachträglich im Wege der Bilanzänderung gebildete Rücklage nach § 6 b Abs. 3 EStG in Höhe von 339.100 DM nicht berücksichtigt.

Die in § 6 b EStG aufgeführten Voraussetzungen für die - wahlweise mögliche - Bildung dieser Rücklage sind sowohl nach Aktenlage als auch nach Auffassung der Beteiligten gegeben. Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.

Die Bilanzänderung mit Ansatz der Rücklage nach § 6 b EStG ist entgegen der Auffassung des Beklagten gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG zulässig.

Diese Vorschrift eröffnet dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einer Bilanzänderung, wenn die Änderung in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG steht und soweit die Auswirkung der Bilanzberichtigung auf den Gewinn reicht.

Im Streitfall liegt eine Bilanzberichtigung mit Auswirkungen auf die Höhe des steuerlichen Gewinns vor.

Das veräußerte Grundstück war in der Anfangsbilanz des Streitjahres unzutreffend nicht (mehr) als Betriebsvermögen ausgewiesen.

Der Prüfer hat dementsprechend für das Jahr 1999 eine Bilanzberichtigung vorgenommen, in der er - gedanklich - zunächst das zu Unrecht als Privatvermögen behandelte Grundstück erfolgsneutral mit seinem Buchwert von 12.983 DM als Betriebsvermögen aktivierte, anschließend - als Folge der Veräußerung des jetzt als Betriebsvermögen erfassten Grundstücks - das Grundstück gewinnmindernd mit dem Buchwert ausbuchte sowie im Gegenzug die bisher als privat behandelte Kaufpreisforderung von 352.083 DM gewinnerhöhend als Betriebseinnahme erfasste, aktivierte und anschließend erfolgsneutral über Privatentnahme wieder ausbuchte.

Mit seinem bereits während der laufenden Betriebsprüfung hilfsweise und nach Rechtskraft des Zwischenurteils allein gestellten Antrag auf Berücksichtigung einer Rücklage nach § 6 b Abs. 3 EStG in Höhe der vorgenommenen Gewinnerhöhung von 339.100 DM hat der Kläger diese Bilanzberichtigungen akzeptiert und übernommen.

Dieser Antrag auf Bilanzänderung steht im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Bilanzberichtigung. Er wurde schon während der Betriebsprüfung hilfsweise gestellt und war erst nach bzw. aufgrund der Erfassung der Grundstücksveräußerung möglich, da § 6 b EStG einen - zuvor noch nicht gebuchten - Gewinn aus der Veräußerung von Grund und Boden voraussetzt. Dies ist im Übrigen auch zwischen den Beteiligten unstreitig.

Mit der Bildung der Rücklage nach § 6 b EStG in Höhe von 339.100 DM wird entgegen der Ansicht des Beklagten der Änderungsrahmen des § 4 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz EStG nicht überschritten.

Durch die im Wege der Bilanzberichtigung erfolgte Erfassung des Grundstücks als Betriebsvermögen und der Kaufpreisforderung als Betriebseinnahme ergibt sich eine Gewinnauswirkung in Höhe des zusätzlich angesetzten laufenden Gewinns von 339.100 DM.

Die Bilanzberichtigungen wirken sich nicht nur durch die Ausbuchung des Buchwerts des veräußerten Grundstücks um 12.983 DM gewinnmindernd, sondern durch die gewinnwirksame Aktivierung der Kaufpreisforderung auch um 352.083 DM gewinnerhöhend aus.

Betriebliche Forderungen aus Lieferungen und anderen Leistungen - wie hier die Kaufpreisforderung aus dem Verkauf des betrieblichen Grundstücks, dessen Besitzübergabe im Streitjahr erfolgte - sind zu aktivieren, sobald im Wesentlichen geleistet, insbesondere wirtschaftlich erfüllt ist (BFH-Urteil vom 12.05.1993 XI R 1/93, BStBl II 1993, 786). Insoweit war die bisher nicht aktivierte Kaufpreisforderung - bzw. nach zwischenzeitlicher Erfüllung eine entsprechend höheres Bankguthaben bzw. ein entsprechend höherer Kassenbestand - in der Bilanz zu erfassen.

Diese Aktivierung hat nicht deshalb zu unterbleiben, weil der Steuerpflichtige noch im selben Wirtschaftsjahr eine - ebenfalls zunächst beim Kapitalkonto nicht berücksichtigte - Entnahme in Höhe der Kaufpreisforderung getätigt hat und sich daher per Saldo keine Auswirkungen auf die Bilanzsumme ergaben.

Die - unabhängig von einer Grundstücksveräußerung mögliche und auch hier nur tatsächlich, nicht rechtlich mit ihr zusammenhängende - Entnahmehandlung hat nicht zur Folge, dass eine unterbliebene Aktivierung der Kaufpreis-/Bankforderung bzw. des Kassenbestandes nicht mehr erfolgen muss bzw. darf. Sie setzt vielmehr voraus, dass - zumindest eine juristische Sekunde vorher - der Verkaufspreis als Forderung bzw. Kassenbestand des Betriebsvermögens erfasst ist.

Der Beklagte verkennt, dass jeder Geschäftsvorfall die Bilanz ändert (vgl. Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, § 4 Rd.Nr. 16). Denn alle Geschäftsvorfälle sind in der Bilanz zu erfassen. Da es aus praktischen Gründen jedoch (nahezu) unmöglich ist, bei jedem Geschäftsvorfall eine neue Bilanz aufzustellen, werden die Bilanzpositionen der Anfangsbilanz in Konten aufgelöst. Diese Konten nehmen die während des Abrechnungszeitraums eintretenden Bilanzänderungen auf.

Bei Aufstellung der Schlussbilanz werden die Konten abgeschlossen und deren Salden in die Bilanz eingestellt. Bei den Positionen der Schlussbilanz handelt es sich mithin um zusammenfassende (verdichtete) Angaben, mit denen alle Geschäftsvorfälle einzeln erfasst sind.

Hat der Steuerpflichtige einen Geschäftsvorfall nicht verbucht, holt der Betriebsprüfer dies nach und ändert damit die Bilanz in dem erforderlichen Umfang.

Zudem kann die Erfassung eines Forderungs- bzw. eines Kassenzuganges in der Bilanz, in der unter Berücksichtigung aller Vorgänge im laufenden Jahr die Werte zum Stichtag zusammengefasst werden, nicht davon abhängig sein, ob ein Steuerpflichtiger noch im laufenden Jahr (dann nach Auffassung des Beklagten ohne Aktivierung) bzw. erst im Folgejahr oder überhaupt nicht (dann nach Auffassung der Beklagten unter bilanzberichtigender Aktivierung) Entnahmen vom Bankkonto oder aus der Kasse tätigt.

Im Übrigen wird die - hier vorliegende - Erfassung eines Bodenentnahmegewinns für ein Grundstück, das in der Bilanz als Privatgrundstück behandelt wurde, auch von der Literatur im Ergebnis offenbar als typischer Fall für eine nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG mögliche Bilanzänderung angesehen (vgl. z.B. Schmidt/Heinicke EStG, 22. Aufl. 2003, § 4 Rdnr. 751; Stopperfend in Hermann/Heuer/Raupach, EStG § 4 Rdnr. 469).

Der bei der Einkommensteuer und beim Gewerbesteuermessbetrag laut Urteil zu berücksichtigende Gewinn aus Gewerbebetrieb berechnet sich wie folgt:

 Gewinn laut angegriffenen Bescheiden401.749 DM
./. Rückstellung gemäß § 6b EStG laut Urteil./. 339.100 DM
+ Minderung Gewerbesteuerrückstellung+ 59.282 DM
Gewinn laut Urteil121.929 DM

Die laut Urteil festzusetzende Einkommensteuer 1999 errechnet sich wie folgt:

 Zu versteuerndes Einkommen (z.v.E.) laut Bescheid392.511 DM
Gewinn bisher401.749 DM
Gewinn laut Urteil:121.929 DM
Minderung laut Urteil./. 279.820 DM
z.v.E. laut Urteil112.691 DM
Einkommensteuer laut Splittingtabelle26.144,00 DM
 = 13.367,21 EUR

Ein Entlastungsbetrag für gewerbliche Einkünfte war nicht mehr zu berücksichtigen.

Der laut Urteil festzusetzende Gewerbesteuermessbetrag errechnet sich wie folgt:

 Gewerbeertrag laut Bescheid403.909 DM
Minderung Gewinn laut Urteil./. 279.820 DM
Gewerbeertrag laut Urteil124.089 DM
Gewerbeertrag abgerundet auf volle 100 DM124.000 DM
Abzüglich Freibetrag nach § 11 Abs. 1 GewStG./. 48.000 DM
Verbleibender Gewerbeertrag76.000 DM
Messbetrag zum Staffeltarif1.600 DM
 = 818,07 EUR

Wegen des darüber hinausgehenden Antrags (Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrages auf 1.588 DM) war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 EStG. Hierbei ist insbesondere berücksichtigt, dass die Kläger mit dem Hauptantrag voll unterlegen sind und mit dem Hilfsantrag voll obsiegt haben.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendig.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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