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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 13.10.2006
Aktenzeichen: 11 K 2803/05 E
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 22
AO § 164 Abs. 2
AO § 169 Abs. 2 S. 2
AO § 164 Abs. 4
AO § 170 Abs. 2 Nr. 1
AO § 125
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

11 K 2803/05 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist im Wesentlichen, ob die formellrechtlichen Voraussetzungen für eine Änderung des Einkommensteuer(ESt)Bescheids 1996 vorliegen.

Der Kläger (Kl.) ist ledig und hat bislang keine ESt-Erklärung für das Jahr 1996 abgegeben.

Mit unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Schätzungsbescheid vom 07.01.2004 setzte der Beklagte (Bekl.) die ESt 1996 erstmalig fest, wobei er sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 EStG i.H.v. 120.000,00 DM berücksichtigte. Hintergrund hierfür war eine Kontrollmitteilung des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen P., wonach der Kl. in dem Strafverfahren 13 Js ....../99 ausgesagt habe, im Jahr 1996 einen Diebeslohn i.H.v. 120.000,00 DM erhalten zu haben. Zudem schätzte der Bekl. einen Bruttoarbeitslohn von 20.000 DM.

Am 05.10.2004 hat der Kl. unter dem Az. 11 K 5219/04 E gegen den ESt-Bescheid 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.07.2004, in welcher der Vorbehalt der Nachprüfung ausdrücklich aufrecht erhalten wird, Klage erhoben. Diese nahm er mit Schriftsatz vom 21.02.2005 zurück, nachdem die Berichterstatterin darauf hingewiesen hatte, dass die Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig sei.

Bereits am 20.10.2004 hatte der Kl. zudem einen Antrag auf Änderung des ESt-Bescheids 1996 nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) gestellt, welcher mit Bescheid vom 03.12.2004 abgelehnt wurde.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat der Kl. gegen den Ablehnungsbescheid Klage erhoben, mit der er die Aufhebung des ESt-Bescheids 1996 vom 07.01.2004 begehrt.

Er ist der Ansicht, dass am 07.01.2004 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Insbesondere habe sich die Festsetzungsfrist nicht gem. § 169 Abs. 2 S. 2 AO auf fünf oder zehn Jahre verlängert, denn die ESt 1996 sei weder hinterzogen noch leichtfertig verkürzt worden. Das Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerverkürzung könne nicht geschätzt oder auf bloße Wahrscheinlichkeitsüberlegungen gestützt werden. Vielmehr habe das Finanzamt die Tatbestandsverwirklichung von Amts wegen zu ermitteln und nachzuweisen, was im vorliegenden Fall auch nicht annähernd geschehen sei.

Insbesondere könne die Ermittlung und Darstellung eines steuerlich relevanten Sachverhalts sowie die daraus sich ergebende steuerrechtliche Beurteilung nicht durch den Verweis auf ein Geständnis, das ein Steuerpflichtiger im Rahmen eines gegen ihn geführten Strafverfahrens abgegeben habe, ersetzt werden. Ihm - dem Kl. - sei im Rahmen des Strafverfahrens bei einer Besprechung aller Verfahrensbeteiligten nahegelegt worden, seine Aussage zu ändern, um so eine Strafverfolgung gegen weitere Beschuldigte möglich zu machen. Es liege auf der Hand, dass er - der Kl. - aufgrund der ihm in Aussicht gestellten Straffreiheit seine Aussage geändert habe. Die Aussage, dass er 120.000 DM Diebeslohn erhalten habe, sei Teil des "Deals" gewesen. Tatsächlich habe er jedoch keinen Diebeslohn erhalten. Auch sei er im Jahr 1996 arbeitslos gewesen, so dass die Schätzung eines Bruttoarbeitslohns von 20.000 DM ebenfalls jeder Grundlage entbehre.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 06.10.2005 brachte die Berichterstatterin Bedenken daran zum Ausdruck, ob die formellrechtlichen Voraussetzungen für eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO gegeben seien. Gem. § 164 Abs. 4 AO entfalle der Vorbehalt der Nachprüfung mit Ablauf der regulären vierjährigen Festsetzungsfrist. Unter Berücksichtigung der dreijährigen Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO habe die reguläre Festsetzungsfrist für das Streitjahr 1996 mit Ablauf des Jahres 2003 geendet. Der im Bescheid vom 07.01.2004 enthaltene Vorbehalt der Nachprüfung sei mithin erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung gesetzt worden, was Zweifel an seiner Wirksamkeit aufkommen lasse.

Der Kl. ist der Auffassung, dass der Eintritt der regulären Festsetzungsverjährung an der Wirksamkeit des Vorbehalts der Nachprüfung nichts ändere. Der Vorbehalt der Nachprüfung entfalle, vom Ablauf der Festsetzungsfrist abgesehen, nach ständiger Rechtsprechung des BFH erst durch ausdrückliche Aufhebung. Im vorliegenden Fall sei der Vorbehalt der Nachprüfung nach Ablauf der Festsetzungsfrist verfügt worden. Er habe daher nicht mehr nach § 164 Abs. 4 S. 1 AO durch Zeitablauf entfallen können, sondern nur durch ausdrückliche Aufhebung. Bis dahin bleibe der Vorbehalt der Nachprüfung wirksam. Insbesondere sei dieser nicht eine "juristische Sekunde" nach seinem Erlass wieder entfallen. Für ein derartiges Konstrukt gebe es keine rechtliche Grundlage.

Wenn das Gericht die Auffassung vertrete, dass der Vorbehalt der Nachprüfung keine Wirksamkeit entfalte, dann sei der EStBescheid insgesamt nichtig und schon aus diesem Grund aufzuheben, ohne dass es darauf ankomme, ob der Bescheid materiellrechtlich rechtswidrig sei. Denn wenn der Vorbehalt der Nachprüfung von Anfang an keine Wirksamkeit entfalte, dann würde eine nichtige Nebenbestimmung vorliegen. Der vom Bekl. gesetzte Vorbehalt der Nachprüfung bilde als unselbständige Nebenbestimmung mit der Steuerfestsetzung eine Einheit, die in ihrem Schicksal voneinander abhängig seien. Beide seien nur gemeinsam rechtmäßig oder rechtswidrig, ggf. nichtig und damit gemeinsam unwirksam. Die rechtswidrige Nebenbestimmung könne im vorliegenden Fall nicht weggedacht oder ignoriert werden. Denn eine rechtswidrige unselbständige Nebenbestimmung führe nicht zum Fortbestand des Verwaltungsaktes ohne Nebenbestimmung.

Zudem würde der ESt-Bescheid bei Unwirksamkeit des Vorbehalts der Nachprüfung auch deshalb an einem schwerschwiegenden Fehler leiden, weil dieser unter Berücksichtigung des unzureichenden Kenntnisstandes, den der Bekl. am 07.01.2004 gehabt habe, lediglich als Provisorium betrachtet werden könne und niemals endgültig hätte ergehen dürfen.

Der Kl. beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 03.12.2004 und die Einspruchsentscheidung vom 27.06.2005 aufzuheben und den Bekl. zu verurteilen, den ESt-Bescheid 1996 vom 07.01.2004 aufzuheben,

hilfsweise

festzustellen, dass der ESt-Bescheid 1996 vom 07.01.2004 nichtig ist,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO nicht mehr möglich sei. Gem. § 164 Abs. 4 S. 1 AO entfalle der Vorbehalt der Nachprüfung nach Ablauf der Festsetzungsfrist mit der Rechtsfolge, dass eine wirksame endgültige Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt vorliege. Übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt bedeute dies, dass bei Erlass des Steuerbescheides mit dem Vorbehalt der Nachprüfung nach Ablauf der Festsetzungsfrist der Vorbehalt eine juristische Sekunde nach seiner Entstehung entfallen sei. Er könne daher von Anfang an keine Wirksamkeit entfalten, d.h. der Bescheid ergehe rechtlich gesehen ohne Vorbehalt der Nachprüfung, sei im Übrigen jedoch rechtmäßig und bestandskräftig.

Darauf, ob im Streitfall die Voraussetzungen für eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung vorliegen, komme es letztendlich nicht an. Denn der ESt-Bescheid 1996 vom 07.01.2004 sei auch dann wirksam, wenn er ggf. außerhalb der Festsetzungsfrist erlassen worden sei. Dieser Umstand führe nicht zur Nichtigkeit des Bescheides, sondern allein zur Rechtswidrigkeit, welche wegen der eingetretenen Bestandskraft und mangels Änderungsvorschriften nicht mehr gerügt werden könne.

Nach dem Beschluss des BFH vom 06.05.1994 V B 28/94 sei ein nach Ablauf der Festsetzungsfrist bekannt gegebener Steuerbescheid zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig im Sinne von § 125 AO. Der Bescheid sei damit wirksam und - nach Rücknahme der Klage - auch bestandskräftig geworden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Steuerakten Bezug genommen. Das Gericht hat die Akten des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen P. zu Informationszwecken beigezogen.

II.

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Weder der Haupt- noch der Hilfsantrag haben Erfolg.

Der Kl. hat keinen Anspruch auf Aufhebung des ESt-Bescheids 1996. Denn der wirksame Bescheid ist bestandskräftig und die Tatbestandsmerkmale einer Änderungsnorm liegen nicht vor.

Insbesondere kann der ESt-Bescheid nicht nach § 164 Abs. 2 AO geändert bzw. aufgehoben werden. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes ist eine Änderung nach dieser Vorschrift nur zulässig, "solange der Vorbehalt wirksam ist". Dieser Passus ist in Zusammenhang mit Abs. 3 und 4 zu sehen, wonach der Vorbehalt der Nachprüfung jederzeit aufgehoben werden kann, spätestens jedoch mit Ablauf der regulären vierjährigen Festsetzungsfrist entfällt. Ist der Vorbehalt aufgehoben worden oder ist dieser durch Zeitablauf unwirksam geworden, ist keine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO mehr möglich.

Nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist - unter Berücksichtigung etwaiger Ablaufhemmungen mit Ausnahme der § 171 Abs. 7, 8 und 10 AO (s. § 164 Abs. 4 Satz 2 AO) - kann ein Vorbehalt der Nachprüfung nicht mehr erstmalig gesetzt werden. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetzeswortlaut, jedoch aus dem Sinn und Zweck des § 164 Abs. 4 AO. Diese Vorschrift dient nicht nur der Arbeitserleichterung der Finanzbehörde, welche nicht gezwungen sein soll, jeden Vorbehalt der Nachprüfung ausdrücklich aufheben zu müssen. Vielmehr dient die Vorschrift auch der Herstellung des Rechtsfriedens und der Planungssicherheit. Die Finanzbehörde soll die abschließende Überprüfung des Steuerfalls nicht unbegrenzt hinausschieben dürfen, sondern dieses Recht soll nur innerhalb eines überschaubaren Zeitraums bestehen, welchen der Gesetzgeber auf den Zeitpunkt des Ablaufs der regulären Festsetzungsfrist begrenzt hat. Ist die Finanzbehörde bis dahin - aus welchen Gründen auch immer - nicht abschließend tätig geworden, verwehrt ihr § 164 Abs. 4 AO zum Schutz des Steuerpflichtigen das Recht auf Änderung. Diese Zielsetzung - nämlich die Herstellung des Rechtsfriedens und der Planungssicherheit - würde ausgehebelt, wenn die Finanzbehörde berechtigt wäre, nach Eintritt der Regelverjährung erstmalig einen Vorbehalt der Nachprüfung zu setzen. § 164 Abs. 4 AO ist daher dahingehend auszulegen, dass ein derartiger verspätet gesetzter Vorbehalt der Nachprüfung eine juristische Sekunde nach seinem Erlass kraft Gesetzes wieder entfällt.

So verhält es sich auch im Streitfall. Der im Bescheid vom 07.01.2004 enthaltene Vorbehalt der Nachprüfung wurde erst nach Eintritt der Regelverjährung gesetzt und ist deshalb sogleich wieder entfallen. Und zwar endete die reguläre Festsetzungsfrist für das Streitjahr 1996 unter Berücksichtigung der dreijährigen Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 2003. Anhaltspunkte dafür, dass eine Ablaufhemmung eingetreten ist, bestehen nicht. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 171 Abs. 5 AO nicht vor. Nach dieser Vorschrift tritt eine Ablaufhemmung ein, wenn die Zollfahndungsämter oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen beginnen oder dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist. Das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen P. ist eine Dienststelle in diesem Sinne. Diese hat auch im Jahr 2002 - und damit vor Ablauf der Festsetzungsfrist - unter dem Aktenzeichen 2002/......./... eine Akte für den Kl. angelegt wegen Verdachts der Steuerhinterziehung. Grund hierfür war, dass die Staatsanwaltschaft die steuerstrafrechtlichen Delikte abgetrennt und an das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen P. abgegeben hat. Dieses hat jedoch weder ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet noch hat es eigene Ermittlungen aufgenommen. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 AO setzt nur dann ein, wenn die genannten Dienststellen tatsächlich Ermittlungshandlungen getätigt haben, und zwar beim Steuerpflichtigen, d.h. dieser muss erkennen können, dass in seinen Angelegenheiten ermittelt wird. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Akte des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen P. ist dieses jedoch niemals gegenüber dem Kläger in Erscheinung getreten. Der Akteninhalt beschränkt sich vielmehr auf Auszüge aus den Akten der Staatsanwaltschaft sowie auf einer eigenen Zusammenfassung der aus diesen Unterlagen gewonnenen Erkenntnisse.

Die Auffassung des Kl., dass die erstmalige Aufnahme eines Vorbehalts der Nachprüfung nach Eintritt der Regelverjährung zur Nichtigkeit des gesamten Steuerbescheids führe, teilt der Senat nicht. Zu einer derartigen Folge könnte es allenfalls kommen, wenn der Vorbehalt der Nachprüfung nichtig wäre und zudem die Voraussetzungen des § 125 Abs. 4 AO vorliegen. Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen, in denen die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts betrifft, der Verwaltungsakt im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Abgesehen davon, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Bekl. den ESt-Bescheid ohne Vorbehalt der Nachprüfung nicht erlassen hätte, ist im Streitfall die Nebenbestimmung - der Vorbehalt der Nachprüfung - auch nicht nichtig. Vielmehr ist dessen Wirksamkeit lediglich unmittelbar nach seinem Erlass kraft Gesetzes entfallen. Der Fall ist letztlich nicht anders zu beurteilen, als ob der Bekl. den streitgegenständlichen Bescheid am 31.12.2003 erlassen hätte und der Vorbehalt der Nachprüfung mit Ablauf dieses Tages kraft Gesetzes weggefallen wäre. Die Zeitspanne zwischen Erlass und Wegfall ist lediglich auf eine juristische Sekunde verkürzt.

Auch kann sich der Kl. nicht darauf berufen, dass er darauf vertraut habe, dass der ESt-Bescheid 1996 unter Vorbehalt der Nachprüfung stände, und er diesen im Vertrauen auf die durch § 164 Abs. 2 AO grundsätzlich eröffnete jederzeitige Änderungsmöglichkeit habe bestandskräftig werden lassen. Voraussetzung hierfür wäre, dass eine Kausalität zwischen der Bestandskraft des Bescheides und dem Vorbehalt der Nachprüfung besteht, was z.B. dann der Fall sein kann, wenn ein Steuerpflichtiger im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vorbehalts der Nachprüfung und die damit verbundene Änderungsmöglichkeit auf die Einlegung eines Einspruchs oder einer Klage von vornherein verzichtet oder er ein zulässig erhobenes Rechtsmittel allein aus Beweisnöten zurücknimmt in dem Vertrauen darauf, dass er nach der Beschaffung der Beweise eine Änderung über § 164 Abs. 2 AO herbeiführen könne. So verhält es sich im Streitfall jedoch nicht, denn der Kläger ist gegen den ESt-Bescheid 1996 vom 07.01.2004 mit Einspruch und Klage vorgegangen und hat letztere nur deshalb zurückgenommen, weil diese laut Hinweis der Berichterstatterin wegen Verfristung unzulässig war. Eine Kausalität zwischen der Bestandskraft des Bescheides und dem Vorbehalt der Nachprüfung besteht somit nicht.

Da der Vorbehalt der Nachprüfung am 20.10.2004, als der Kl. seinen Änderungsantrag gestellt hatte, bereits weggefallen war, scheidet eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO aus. Auch ist keine andere Vorschrift einschlägig, welche die Änderung oder Aufhebung des mit Rücknahme der Klage 11 K 5219/04 E bestandskräftig gewordenen ESt-Bescheids 1996 ermöglichen würde. Ob dieser Bescheid materiellrechtlich richtig ist, kann mangels Änderungsmöglichkeit dahinstehen.

Aus gleichem Grund kann dahinstehen, ob sich die Festsetzungsfrist wegen leichtfertiger Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung verlängert hat. Selbst wenn im Zeitpunkt des Erlasses bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sein sollte, würde dies nicht zur Nichtigkeit des Bescheids führen. Vielmehr wäre der Bescheid lediglich rechtswidrig, was nach Eintritt der Bestandskraft nicht mehr gerügt werden kann (vgl. BFH, Beschluss vom 06.05.1994 V B 28/94, BFH/NV 1995, 275).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 AO.

Die Revision wurde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen, da die Frage, welche Rechtswirkungen von einem nach Eintritt der regulären Festsetzungsverjährung gesetzten Vorbehalt der Nachprüfung ausgehen, höchstrichterlich bislang nicht geklärt ist.



Ende der Entscheidung

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