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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 04.04.2008
Aktenzeichen: 11 K 3186/03 AO
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 37 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

11 K 3186/03 AO

Tenor:

Der Rückforderungsbescheid vom 31.01.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.06.2003 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine Sparkasse, welche aus der Fusion mehrerer Sparkassen - u.a. der Sparkasse C - hervorgegangen ist.

Mit Schreiben vom 06.11.2002 übersandte der Steuerberater des Herrn M die Umsatzsteuer(USt)-Voranmeldung für August 2002 an das Finanzamt R-D und teilte als Bankverbindung "Sparkasse L BLZ: 501 10, Kto.-Nr. 929" mit. Die USt-Voranmeldung und das Begleitschreiben wurden an den Beklagten weiterleitet, bei welchem alsbald eine berichtigte Voranmeldung - diesmal für den Zeitraum 3. Quartal 2002 - einging. Am 16.12.2002 überwies der Beklagte einen Erstattungsbetrag zur USt III/2002 i.H.v. 28.849,64 EUR auf das Konto 1224 des Herrn M bei der Sparkasse C, welches sich im Soll befand. Der Betrag wurde dort am 18.12.2002 gutgeschrieben.

Nach Hinweis des Herrn M, dass der Erstattungsbetrag nicht auf das gewünschte Konto überwiesen worden sei, machte der Beklagte mit Schreiben vom 10.01.2003 einen Rückforderungsanspruch aus rechtsgrundloser Bereicherung gegen Herrn M geltend und rechnete diesen mit dem Erstattungsanspruch des Herrn M auf.

Mit Bescheid vom 31.01.2003 forderte der Beklagte außerdem die Sparkasse C auf, den Betrag von 28.849,64 EUR zurückzuerstatten. Er ging hierbei davon aus, dass nicht Herr M, sondern die Sparkasse Leistungsempfängerin i.S.d. 37 Abs. 2 AO sei, weil dessen Konto 1224 ausweislich eines Schreibens vom 04.03.2002 gekündigt gewesen sei. In diesem Schreiben (Bl. 20 d.A.), das von der Rechtsabteilung der Sparkasse C an Herrn M versandt worden ist und Herrn K als Bearbeiter ausweist, heißt es wie folgt:

"Kündigung

Sehr geehrter Herr M,

wie im persönlichen Gespräch am 28.02.2002 erörtert, waren die beiden Konten mit den Nrn. 1224 und 8839 durch eine Pfändung blockiert. Aufgrund der Pfändung und der Tatsache, daß Sie den laufenden Geschäftsverkehr mittlerweile über eine andere Hausbank abwickeln, kündigen wir die beiden zuvor genannten Konten, wie verabredet, mit sofortiger Wirkung. Unter der Voraussetzung, daß Sie die zugesagten Unterlagen in den nächsten Tagen übersenden und die versprochene Rate in Höhe von EUR 1.250,00 eingeht, stunden wir die gesamten Beträge bis zum 31.03.2002. Nach Auswertung sämtlicher Unterlagen werden wir dann entscheiden, ob ggf. die Verbindlichkeiten zusammengefaßt werden und langfristig umgeschuldet werden können.

Der Betrag von EUR 1.250,00 ist nicht, wie im Termin am 28.02.2002 gesagt, auf das Konto Nr. 1224 sondern auf das Konto der E-GmbH mit der Nr. 3741 zu zahlen."

Der gegen den Rückforderungsbescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass die Sparkasse C nicht Leistungsempfängerin gewesen sei, da der Girovertrag für das Konto 1224 im Zeitpunkt der Überweisung noch bestanden habe.

Es sei zwischen dem Girovertrag, der Kontokorrentvereinbarung und dem Kontokorrentkredit zu unterscheiden:

Im Rahmen des Girovertrages sei die Bank zur Entgegennahme von Zahlungen, die für den Kunden bestimmt sind, berechtigt und ihrerseits verpflichtet, dem Kunden für eingehende Zahlungen Gutschrift in entsprechender Höhe zu gewähren, sobald die Bank die buchmäßige Deckung erhalten habe.

Die neben dem Girovertrag abgeschlossene Kontokorrentvereinbarung beinhalte die antizipierte Verrechnungsabrede.

Die Einräumung des Kontokorrentkredits bedeute, dass der Kunde aufgrund einer Kreditzusage nicht mehr verpflichtet sei, einen debitorischen Saldo auszugleichen, sondern bis zu einer bestimmten vereinbarten Kreditlinie frei über das Girokonto verfügen könne. Nach der Rechtsprechung des BGH habe die Kündigung des eingeräumten Kontokorrentkredits zunächst nur die Fälligstellung des Kredits zur Folge und führe nicht zur Beendigung des Girokontos mit Kontokorrentabrede (Hinweis auf BGH, Urteil vom 20.05.2003 - XI ZR 235/02).

Mit der Kündigung vom 04.03.2002 sei nur der eingeräumte Kontokorrentkredit gekündigt worden, um die Kredite fällig zu stellen, nicht aber der Girovertrag und die Kontokorrentvereinbarung und erst recht nicht die Geschäftsbeziehung als Ganzes. Sinn der Kündigung nur der Kontokorrentvereinbarung sei es gewesen, das weitere Zahlungseingänge mit dem Schuldsaldo verrechnen zu können. Denn Herr M habe sich am 28.02.2002 bereit erklärt, monatlich 1.250 EUR auf das Konto 1224 zu zahlen und weitere Unterlagen einzureichen. Deshalb hätten die beiden Konten zunächst aufrechterhalten bleiben und über deren Auflösung erst dann entschieden werden sollen, wenn auf der Basis der nachzureichenden Unterlagen eine Entscheidung über die in Aussicht gestellte Umfinanzierung möglich gewesen sei. Als Zeuge dafür, dass dies so mit Herrn M vereinbart worden sei, werde Herr K benannt.

Konsequenterweise seien die Konten auch nicht aufgelöst und die Kredite auf ein bankinternes Abwicklungskonto umgebucht worden, was bei einer Beendigung der Geschäftsbeziehung durch Kündigung oder bei einer Kündigung des Girovertrags erfolgt wäre.

Da der Girovertrag weiter Bestand gehabt habe, sei die Sparkasse weiterhin verpflichtet gewesen, das Konto für Herrn M zu führen und Zahlungsverkehrsvorgänge zu seinen Gunsten bzw. Lasten zu verbuchen bzw. Kontokorrentverrechnungen vorzunehmen. Dies sei auch tatsächlich geschehen. Zum Beispiel seien im Auftrag des Herrn M am 29.07.2002 und 14.11.2002 Überweisungen an Dritte über 31,50 EUR bzw. 57,12 EUR ausgeführt worden (Kontoauszüge Bl. 38). Am 12.07.2007 seien zudem 10,00 EUR an das Amtsgericht Detmold überwiesen worden (Bl. 76).

Im Rahmen der geplanten Umschuldung sei am 04.11.2002 ein Darlehensvertrag über 150.674,44 EUR abgeschlossen worden, welcher den Vermerk trägt, dass das Darlehen der Ablösung des Kontos 1224 diene (Bl. 25). Der Vertrag sei jedoch von Herrn M mit Schreiben vom 27.11.2002 widerrufen worden. Am 02.12.2002 habe Herr M den Widerruf zurückgenommen und die Aufrechterhaltung der Verträge beantragt, diese Erklärung jedoch mit Schreiben vom 16.12.2002 wiederum widerrufen (Bl. 29). Aus diesem Sachverhalt ergebe sich eindeutig, dass die Sparkasse C auch noch am 16.12.2002 unverändert kontoführende Bank hinsichtlich des nicht aufgelösten Kontos 1224 gewesen sei.

Mithin sei die Sparkasse C berechtigt und verpflichtet gewesen, den Überweisungsbetrag des Finanzamts für Herrn M entgegenzunehmen. Sie habe lediglich als dessen Mittlerin gehandelt mit der Folge, dass nicht sie, sondern Herr M Leistungsempfänger sei.

Der Beklagte habe zudem die Vorschriften des seit dem 01.01.2002 geltenden Überweisungsgesetzes außer Acht gelassen. Hiernach sei die Anwendung der AO und deren Befugnisnormen ausgeschlossen, soweit sich das Finanzamt durch die Einschaltung von Kreditinstituten der Handlungsformen des Zivilrechts bediene. Liege der Fehler nur bei der Zahlung, sei bei bestehenden Girokontenverbindungen ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch von vornherein ausgeschlossen. Dass dies vom Gesetzgeber mit der Einführung der Regelungen der §§ 667a ff. BGB bezweckt gewesen sei, ergebe sich zwingend aus Art. 228 Abs. 3 EG BGB. Hier sei für den öffentlich-rechtlichen Bereich nur eine Ausnahme gemacht worden, nämlich für Zahlungen der öffentlich-rechtlichen Rentenversicherungsträger, für die § 676a bis § 676 g BGB nicht anwendbar seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 31.01.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.06.2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidend sei allein, dass die Erstattung auf ein Konto erfolgt sei, das zuvor gekündigt worden sei. Darauf, ob das Konto nach der Kündigung unter der gleichen Kontonummer fortgeführt worden sei, komme es nicht an.

Dem Senat ist zu den Verfahrensabläufen der Klägerin aus einem anderen Verfahren Folgendes bekannt: Und zwar antwortete die Klägerin in dem Verfahren 11 K 801/07 AO, an dem sie nicht beteiligt ist, auf gerichtliche Nachfrage, ob die Kündigung eines bestimmten Kontos nur den Kreditvertrag oder auch den Girovertrag umfasst habe, mit Schreiben vom 05.07.2007 Folgendes:

"Nach unserer Auffassung umfasst die Kündigung nicht nur die Kontoinanspruchnahme, sondern auch das Konto selbst. Es wird nach der Kündigung nur als Verrechnungskonto für eingehende Zahlungen und zu leistende Kosten weitergeführt.

Nach erfolgter Kündigung wird das Konto aus dem normalen Kontoführungssystem herausgenommen und in ein spezielles EDV-Programm für notleidende Forderungen eingestellt. Kontoauszüge werden für diese Konten nicht mehr angedruckt.

Es werden dagegen sog. Forderungsaufstellungen gefertigt, die alle Umsätze erkennen lassen. Den Kunden werden bei Bedarf Kopien dieser Forderungsaufstellung zugeleitet."

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Steuerakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Rückforderungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin ist nicht zur Rückzahlung der 28.849,64 EUR verpflichtet.

1. Anders als die Klägerin meint, folgt dies allerdings nicht bereits daraus, dass § 37 Abs. 2 AO nach Einführung des Überweisungsgesetzes nicht mehr anwendbar wäre, weil sich das Finanzamt durch die Einschaltung von Kreditinstituten der Handlungsformen des Zivilrechts bedient habe.

Der BFH hat bereits unter der Geltung der Reichsabgabenordnung in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass Rückforderungsansprüche wegen Steuern, die zu Unrecht erstattet worden sind, dem öffentlichen Recht angehören und durch Verwaltungsakt geltend zu machen sind, weil sie nichts anderes als umgekehrte Erstattungs- und Vergütungsansprüche seien. Das gilt nach der Rechtsprechung des BFH nicht nur für Leistungen an den vermeintlichen Steuerpflichtigen (einschließlich der Rückforderung zu viel gezahlter Erstattungs- und Vergütungsbeträge), sondern auch dann, wenn sich eine Zahlung entgegen der inneren Vorstellung des Finanzamts nicht als Leistung an den Steuerpflichtigen, sondern als solche an einen an dem Steuerschuldverhältnis unbeteiligten Dritten darstellt (sog. fehlgeleitete Zahlung). § 37 Abs. 2 AO bezwecke den Ausgleich aller ungerechtfertigten und irrtümlichen Steuererstattungen; maßgeblich für eine Rückforderung gemäß § 37 Abs. 2 AO sei daher allein, dass das Finanzamt zum Zwecke der Tilgung eines Erstattungsanspruchs innerhalb eines wirklichen oder vermeintlichen Steuerschuldverhältnisses eine --wenn auch fehlgeleitete-- Zahlung willentlich erbracht hat. Deshalb könnten bei Fehlüberweisungen grundsätzlich auch Banken nach § 37 Abs. 2 AO durch Verwaltungsakt in Anspruch genommen werden (vgl. BFH, Beschluss vom 06.06.2003 - VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532 m.w.N.; BFH, Beschluss vom 28.01.2004 - VII B 139/03, BFH/NV 2004, 762).

Die o.g. Rechtsprechung des BFH bezog sich zwar auf Überweisungen, die vor dem 01.01.2002 und mithin vor Einführung des Überweisungsgesetzes getätigt worden sind. Allerdings bediente sich das Finanzamt mit der Überweisung auch damals schon einer zivilrechtlichen Handlungsform, denn die Überweisung wurde mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung als widerrufliche Weisung i.S.d. §§ 665 Satz 1, 675 BGB infolge des zwischen dem Überweisenden und seinem Kreditinstitut geschlossenen Girovertrags begriffen, der wiederum als ein besonderer Fall des Geschäftsbesorgungsvertrags qualifiziert wurde (Casper, in Münchener Kommentar, BGB, vor § 676a Rn 6). Warum § 37 Abs. 2 AO allein dadurch, dass nunmehr in § 676 a ff BGB ausdrückliche Regelungen zum Überweisungsverkehr in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden sind, nicht länger anwendbar sein sollte, ist nicht ersichtlich, zumal die §§ 676a ff BGB keine Regelungen dazu enthalten, welche bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüche der Überweisende bei Fehlüberweisungen hat.

Dass der Gesetzgeber mit der Einführung der §§ 676a ff BGB beabsichtigt hätte, den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 AO einzuschränken und das Finanzamt bei Leistungsstörungen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Vorschrift des Art. 228 Abs. 3 EGBGB. Denn die "inländischen Überweisungen im Rahmen des Rentenzahlverfahrens der Rentenversicherungsträger und vergleichbare inländische Überweisungen anderer Sozialversicherungsträger" wurden nicht etwa deshalb vom Anwendungsbereich der § 676a bis 676 g BGB ausgeschlossen, um für diese Zahlungen weiterhin öffentlich-rechtliche Rückforderungen zu ermöglichen. Vielmehr wurde der Ausschluss allein deshalb aufgenommen, weil es sich hierbei um Überweisungen handelt, "die von ihrem Umfang und ihrer Infrastruktur her - frühzeitige Avisierung der Überweisungsbeträge durch EDV und garantierter Zufluß der Deckungsmittel zum Tag der Fälligkeit - so stark vom Regelfall üblicher Überweisungen abweichen, daß die Vorschriften des allgemeinen Überweisungsverkehrs hierfür nicht passen" (s. BT/Drucksache 14/745, Bl. 28).

2. Die Klägerin ist hinsichtlich der am 16.12.2002 auf dem Konto 1224 eingegangenen 28.849,64 EUR allerdings nicht Leistungsempfängerin i.S.d. § 37 Abs. 2 AO.

Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Schuldner des Rückforderungsanspruchs ist derjenige, zu dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die zurückverlangt wird. Dies ist in der Regel derjenige, demgegenüber das Finanzamt seine --vermeintliche oder tatsächlich bestehende-- abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will. Ein Dritter ist folglich, obgleich tatsächlicher Empfänger einer Zahlung, dann nicht Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 AO, wenn er lediglich als Zahlstelle, unmittelbarer Vertreter oder Bote für den Erstattungsberechtigten aufgetreten bzw. von diesem benannt worden ist oder das Finanzamt aufgrund einer Zahlungsanweisung des Erstattungsberechtigten an ihn eine Steuererstattung ausgezahlt hat. Denn in einem solchen Fall will das Finanzamt erkennbar nicht mit befreiender Wirkung zu dessen Gunsten leisten, sondern es erbringt seine Leistung mit dem Willen, eine Forderung gegenüber dem steuerlichen Rechtsinhaber zu erfüllen (BFH-Urteil vom 22. August 1980 VI R 102/77, BFHE 131, 371, BStBl II 1981, 44).

Ob bei Überweisungen die die Überweisung empfangende Bank oder Sparkasse Leistungsempfängerin ist, hängt folglich davon ab, ob diese annehmen kann, sie werde von dem Finanzamt lediglich als Zahlstelle eines Steuerpflichtigen in Anspruch genommen. Bestand für das Konto, auf das die Überweisung erfolgt ist, bei Zahlungseingang ein wirksamer Girovertrag, hat das Kreditinstitut den Überweisungsbetrag lediglich als Vertreter des Kontoinhabers entgegen genommen und ist selbst nicht Leistungsempfänger. Hat der bei einer Überweisung als Zahlungsempfänger benannte Steuerpflichtige dagegen bei dem Kreditinstitut niemals ein Konto unterhalten, ist eindeutig die Bank selbst Leistungsempfängerin.

Schwieriger stellt sich die Sach- und Rechtslage dar, wenn der Steuerpflichtige ein solches Konto früher unterhalten hat und dieses, weil es sich noch im Soll befindet, noch nicht endgültig abgerechnet worden ist. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 05.12.2006 - XI ZR 21/06, BGHZ 170, 121, NJW 2007, 914 m.w.N.) kann das Kreditinstitut auch nach Erlöschen des Girovertrags als Zahlstelle des Begünstigten fungieren. Mit dem Erlöschen des Girovertrages verliere das laufende Konto zwar seine Eigenschaft als Zahlungsverkehrskonto und die kontoführende Bank sei danach grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, nachträglich eingehende Beträge auf dem Konto zu verbuchen. Die Bank sei jedoch auch bei einem erloschenen Girovertrag in dessen Nachwirkung noch befugt, im Interesse ihres früheren Kunden eingehende Zahlungen weiterhin für ihn entgegenzunehmen, müsse sie dann aber auf dem bisherigen Konto entsprechend § 676f Satz 1 BGB verbuchen bzw. nach § 667 BGB herausgeben. In dem o.g. vom BGH entschiedenen Fall war das Girokonto des Überweisungsempfängers bereits zwei Jahre vor Eingang der Überweisung wegen eines Insolvenzeröffnungsantrags gekündigt, aber intern weitergeführt worden. Die Bank schrieb den Überweisungsbetrag zunächst unter Verrechnung mit dem Debet auf dem Konto gut, unterrichtete alsbald den Insolvenzverwalter von dem Zahlungseingang und gab den Überweisungsbetrag zeitnah an diesen heraus. Nach Auffassung des BGH steht es außer Zweifel, dass die Bank bei der Entgegennahme des streitigen Überweisungsbetrags und dessen Verbuchung auf dem intern weitergeführten Konto für den früheren Kontoinhaber gehandelt habe und die Überweisung nicht etwa als Zahlung an sich angesehen habe. Ihr Vorgehen sei als bloße Zahlstellentätigkeit zu werten.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Bank dagegen nach Kündigung des Kontos nicht mehr als bloße Zahlstelle anzusehen, und zwar auch dann nicht, wenn das gekündigte Konto noch nicht gelöscht wurde, weil es noch nicht endgültig abgerechnet worden ist (BFH, Beschluss vom 06.06.2003 - VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532; bestätigt durchBeschluss vom 28.01.2004 - VII B 139/03, BFH/NV 2004, 762). Der BFH nimmt den Umstand, dass die Bank auch nach Kündigung des Girovertrages auf Grund dessen rechtlicher Nachwirkungen berechtigt ist, noch eingehende Überweisungsbeträge für ihren ehemaligen Kunden entgegenzunehmen und mit dessen diesbezüglichen Herausgabeanspruch gegen ihre eigene, aufgrund des unausgeglichenen Solls bestehende Forderung aufzurechnen, zwar zur Kenntnis. Die Bank sei bei einem derartigen Verhalten jedoch nicht als bloße Zahlstelle anzusehen. Denn die in diesem Falle gegenüber dem Steuerpflichtigen bewirkte Leistung --die Befreiung von seiner Verbindlichkeit gegenüber der Bank --sei ebenso wenig wie bei Weiterleitung von Zahlungen auf ein niemals eröffnetes Konto dem Finanzamt zuzurechnen, sondern eine solche der Bank, welche die in diesem Zusammenhang maßgebliche Zweckbestimmung treffe und nicht auf Grund ihrer diesbezüglichen Verpflichtung zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen Finanzamt und ihrem Kunden aus einem mit diesem noch bestehenden Girovertrag, sondern aus eigenem Entschluss das ihr als Leistungsempfängerin vom Finanzamt Zugewandte dazu verwende, es ihrem ehemaligen Kunden in der Weise zugute kommen zu lassen, dass sie durch Aufrechnung eigene Forderungen realisiere. Der zwischen der Bank und dem Finanzamt entstandene Rückforderungsanspruch bleibe hiervon unberührt (vgl. BFH, Beschluss vom 06.06.2003 - VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532 m.w.N.).

Die zivilrechtliche und bisherige finanzgerichtliche Rechtsprechung stehen folglich im Gegensatz zueinander, denn während der BFH die Bank bei Gutschrift auf dem gekündigten Konto unter Verrechnung mit eigenen Forderungen niemals als Zahlstelle ansieht, hält der BGH ein derartiges Vorgehen für eine reine Zahlstellentätigkeit. Welcher Auffassung sich der Senat anschließt, bedarf keiner Entscheidung. Denn es steht bereits nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Girovertrag im Streitfall überhaupt gekündigt war.

Die objektive Feststellungslast (Beweislast) für die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin Leistungsempfängerin ist, trägt der Beklagte. Bezogen auf den Streitfall bedeutet dies, dass der Beklagte nachweisen muss, dass das Konto 1224 am 16.12.2002 gekündigt war. Denn andernfalls - d.h. bei Fortbestehen des Girovertrags - hat die Klägerin unzweifelhaft lediglich als Zahlstelle des Herrn M gehandelt, als sie den Überweisungsbetrag für diesen entgegennahm und auf dessen Konto gutgeschrieben hat.

Die Behauptung des Beklagten, das Konto 1224 sei am 16.12.2002 gekündigt gewesen, stützt sich allein auf das Schreiben vom 04.03.2002. Tatsächlich lässt dieses Schreiben die Auslegung zu, dass das Konto insgesamt gekündigt sei, denn es heißt dort "kündigen wir die beiden zuvor genannten Konten ... mit sofortiger Wirkung", ohne dass eine Unterscheidung zwischen dem Girovertrag und dem Kontokorrentkredit gemacht wird. Bei der Auslegung der Kündigungserklärung ist gem. § 133 BGB jedoch nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern es ist der wirkliche Wille zu erforschen. Maßgeblich bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsitte verstehen musste. Dabei sind auch die außerhalb der Erklärung liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.

Das Kündigungsschreiben von Montag, den 04.03.2002, verweist auf ein Gespräch vom 28.02.2002 (Donnerstag) und darauf, dass in diesem Gespräch vereinbart worden sei, dass Herr M einen Betrag von 1.250 EUR "in den nächsten Tagen" auf das Konto 1224 zahlen werde. Aus der Formulierung "kündigen wir...,wie verabredet," ergibt sich zudem, dass auch über die Kündigung gesprochen worden ist. Dass die Verhandlungspartner die Überweisung der 1.250 EUR trotz Bewusstseins der Kündigung noch auf das Konto 1224 erfolgen lassen wollten, spricht für die Behauptung der Klägerin, dass der Girovertrag nicht von der Kündigung umfasst sein sollte, sondern sich diese nur auf den Kontokorrentkredit bezog. Auch der Hinweis, dass nach Auswertung sämtlicher Unterlagen entschieden werde, ob ggfs. die Verbindlichkeiten zusammengefasst und langfristig umgeschuldet werden können, lässt die Auslegung zu, dass über die Auflösung der beiden Konten erst später befunden werden sollte.

Dafür, dass der Girovertrag nicht von der Kündigung umfasst war, spricht auch die tatsächliche Vorgehensweise der Vertragsparteien. Denn diese unterscheidet sich im Streitfall ganz erheblich von den Fällen, in denen ein Konto gekündigt und lediglich mangels Abwicklung noch nicht gelöscht worden ist. So hat die Klägerin das Konto 1224 gerade nicht - wie bei Kündigungen des Girovertrags üblich - aus dem normalen Kontoführungssystem herausgenommen und in ein spezielles EDV-Programm für notleidende Forderungen eingestellt. Die weitere Entwicklung des Kontos wurde auch nicht nur in Form einer bloßen Forderungsaufstellung festgehalten, sondern vielmehr wurden auch nach der "Kündigung" normale Kontoauszüge erstellt. Zudem hat Herr M nach dem Kündigungsschreiben vom 04.03.2002 weiterhin über das Konto verfügt und am12.07.2007, 29.07.2002 und 14.11.2002 Überweisungen an Dritte über 10,00 EUR, 31,50 EUR bzw. 57,12 EUR veranlasst, welche von der Klägerin auch ausgeführt worden sind.

Letzteres zeigt ganz deutlich, dass sowohl Herr M als auch die Klägerin übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass der Girovertrag fortbestand. Ob dieses übereinstimmende Verständnis seine Grundlage darin hat, dass die Kündigung von vornherein nur den Kontokorrentkredit - und nicht den Girovertrag - zum Gegenstand hatte oder ob die Vertragsparteien sich nachträglich - ggfs. auch konkludent - auf die Rücknahme der Kündigung bzw. Fortführung des Girovertrags verständigt haben, bedarf keiner Entscheidung. Maßgebend ist allein, dass der Senat nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen vermag, dass der Girovertrag für das Konto 1224 am 16.12.2002 bei Eingang der 28.849,64 EUR erloschen war. Für die Annahme, die Bank habe bei der Entgegennahme und Gutschrift des Überweisungsbetrags nicht als Zahlstelle des Herrn M gehandelt, bleibt daher kein Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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