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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 26.02.2009
Aktenzeichen: 11 K 3579/06 F
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 179 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Ablehnungsbescheid vom 14.10.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2006 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, einen Ergänzungsbescheid zum Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2001 der Y. GmbH & Co KG vom 18.07.2003 zu erlassen, durch den für die Klägerin Sonderbetriebsausgaben i.H.v. 200.000 DM nachträglich festgestellt werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO vorliegen.

Die Klägerin (Klin.) - ein eingetragener Verein - war Kommanditistin der Y. GmbH & Co KG (im Folgenden kurz Y. KG) und zugleich auch an der Komplementär-GmbH, der Y. GmbH (kurz: Y. GmbH), mit einer Stammeinlage von 300.000 DM beteiligt.

Der Feststellungsbescheid der Y. KG für das Streitjahr 2001 erging am 18.07.2003. Angaben zu Sonderbetriebseinnahmen oder - ausgaben enthalten der Bescheid und die Feststellungserklärung nicht, und zwar weder für die Klin. noch für die anderen Gesellschafter. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Im Rahmen einer bei der Klin. durchgeführten Betriebsprüfung beanstandete der Prüfer eine Teilwertabschreibung i.H.v. 200.000 DM, die die Klin. im Jahr 2001 in ihrem Jahresabschluss auf ihre Beteiligung an der Y. GmbH vorgenommen hatte. Die Bedenken des Prüfers bezogen sich nicht auf die Höhe der Abschreibung, sondern allein darauf, dass die GmbH-Beteiligung der Klin. zu deren notwendigen Sonderbetriebsvermögen bei der Y. KG gehöre und die Teilwertabschreibung folglich dort zu erfassen sei.

Die Klin. schloss sich dieser Auffassung an und stellte am 22.09.2005 einen Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheids zum Feststellungsbescheid der Y. KG und erhob nach Ablehnung dieses Antrags durch den Bekl. und erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens Klage.

Die Klin. ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 179 Abs. 3 AO für den Erlass eines Ergänzungsbescheids erfüllt seien.

Ein Ergänzungsbescheid sei immer dann zu erlassen, wenn der eigentliche Feststellungsbescheid lückenhaft sei. Dies sei hier der Fall, denn der Feststellungsbescheid enthalte keinerlei Feststellungen zu Sonderbetriebseinnahmen oder - ausgaben.

Zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung verweist die Klin. auf das Urteil des BFH vom 15.01.2001, BFH/NV 2002, 713 und das Urteil des FG München vom 06.07.2004, EFG 2004, 1654.

Die Klin. beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 14.10.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2006 den Bekl. zu verpflichten, einen Ergänzungsbescheid zum Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2001 der Y. KG vom 18.07.2003 zu erlassen, durch den für die Klin. Sonderbetriebsausgaben i.H.v. 200.000 DM nachträglich festgestellt werden,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass ein Ergänzungsbescheid nur einen lückenhaften Ergänzungsbescheid vervollständigen, nicht aber Unrichtigkeiten des Feststellungsbescheids korrigieren dürfe. Im Streitfall gehe es um eine derartige Korrektur, da die Gewinnminderung durch die Teilwertabschreibung irrigerweise nicht als den Gesamtgewinn der Y. KG und den Gewinnanteil der Klin. mindernd angesetzt worden sei und der Gesamtgewinn der Y. KG und der Gewinnanteil der Klin. mithin fehlerhaft festgestellt worden seien.

Mit Beschluss vom 10.06.2008 wurde die Y. KG zum Verfahren beigeladen. Nachdem dem Gericht bekannt geworden war, dass die Y. KG durch Ausscheiden aller Kommanditisten im Jahr 2007 erloschen ist, wurde der Beiladungsbeschluss mit Beschluss vom 11.09.2008 wieder aufgehoben. Auf die Begründung dieses Beschlusses wird verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Steuerakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klin. hat einen Anspruch auf Erlass eines Ergänzungsbescheids gem. § 179 Abs. 3 AO.

Nach § 179 Abs. 3 AO ist eine notwendige Feststellung, die in einem Feststellungsbescheid unterblieben ist, durch Ergänzungsbescheid nachzuholen. Nachholbar sind danach nur unterbliebene Feststellungen, die an sich hätten getroffen werden müssen, aber nicht getroffen worden sind. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass Ergänzungsbescheide deshalb nur einen lückenhaften Feststellungsbescheid vervollständigen, nicht aber Unrichtigkeiten eines Feststellungsbescheids korrigieren oder die in dem Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen ändern dürfen. Denn in einem solchen Fall ist die ursprüngliche Feststellung nicht lückenhaft, sondern inhaltlich falsch (vgl. BFH, Urteile vom 11.05.1999 - IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446, 1447 m.w.N. und vom 15.01.2002 - IX R 21/98, BStBl II 2002, 309 m.w.N.).

Eine Ergänzung ist deshalb nicht möglich, wenn über die strittigen Punkte im Feststellungsbescheid - wenn auch in negativem Sinne - bereits entschieden worden ist (BFH, Urteil vom 22.09.1997 - IV R 120/73, BStBl II 1978, 152). § 179 Abs. 3 AO stellt kein Mittel zur Durchbrechung der Bestandskraft oder Umgehung der Vorschriften des §§ 172 ff AO dar, sondern dient nur der Vervollständigung lückenhafter Bescheide, wobei es keinen Unterschied macht, ob die notwendige Feststellung durch das Finanzamt bewusst oder unbewusst unterblieben ist.

Zu den notwendigen Feststellungen gehören auch die Sonderbetriebsausgaben der einzelnen Beteiligten (BFH, Urteil vom 15.01.2002 - IX R 21/98, BStBl II 2002, 309). Sie können nur im Rahmen des für die Gesellschaft durchzuführenden Gewinnfeststellungsverfahrens, nicht aber unmittelbar bei der Veranlagung zur Einkommensteuer berücksichtigt werden (BFH - Urteil vom 11.09.1991 - XI R 35/90, BStBl. II 1992, 4; BFHE 165, 336; FG München vom 06.07.2004 12 K 3017/03, EFG 2004, 1654).

Ob Feststellungen zu den Sonderbetriebsausgaben unterblieben oder negativ beschieden sind, ist durch Auslegung des Feststellungsbescheides zu ermitteln (BFH vom 05.1999 IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446, HFR 1999, 876). Dabei kommt es darauf an, wie der Adressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 27.11.1996 - X R 20/95, BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791, m.w.N.).

Einigkeit - soweit ersichtlich - besteht in der Rechtsprechung dahingehend, dass die bezifferte Nennung von Sonderbetriebsausgaben im Feststellungsbescheid die Anwendung des § 179 Abs. 3 AO stets ausschließt, und zwar auch dann, wenn dem Finanzamt der Lebenssachverhalt, aufgrund dessen der Steuerpflichtige die Anerkennung weiterer Sonderbetriebsausgaben begehrt, überhaupt nicht bekannt war. Denn sobald der Feststellungsbescheid eine bezifferte Angabe zu den Sonderbetriebsausgaben enthält, ist diese Angabe allenfalls der Höhe nach falsch, der Feststellungsbescheid jedoch nicht dem Grunde nach lückenhaft.

Das Gleiche muss grundsätzlich auch dann geltend, wenn die Höhe der Sonderbetriebsausgaben im Feststellungsbescheid mit 0,00 DM/€; ausgewiesen ist. Denn auch mit der Angabe 0,00 DM/€; hat das Finanzamt eine verbindliche Aussage zu den Sonderbetriebsausgaben dem Grunde und der Höhe nach getroffen. Nach Ansicht des FG Hamburg (Urteil vom 18.06.2007 - 2 K 190/06, EFG 2007, 1661; Revision anhängig unter IX R 43/07) reicht es sogar schon aus, dass der Mehrheitsgesellschafter in der von ihm abgegebenen Feststellungserklärung auf dem Vordruck Anlage EST 1,2,3, B in der Spalte für "Sonderwerbungskosten" einen Strich gemacht hat und das Finanzamt diese Anlage EST 1,2,3 B unverändert und kommentarlos dem Feststellungsbescheid beigefügt hat, um eine Lücke i.S.d. § 179 Abs. 3 FGO zu vereinen. Denn der Strich bedeute seitens des Gesellschafters die Erklärung, es seien keine Sonderwerbungskosten angefallen, und Übernahme des Strichs durch das Finanzamt bedeute, dass es die Sonderwerbungskosten geprüft und mit 0,00 DM berücksichtige.

Enthält - wie im Streitfall - weder die Feststellungserklärung noch der Feststellungsbescheid eine Eintragung zu den Sonderbetriebsausgaben, wird die Anwendbarkeit des § 179 Abs. 3 AO von den Finanzgerichten teils verneint (so Thüringer FG, Urteil vom 01.04.1998 - I 82/98, EFG 1998, 1232) und teils aber auch bejaht (so FG München, Urteil vom 06.07.2004 - 12 K 3017/03, EFG 2004, 1654; FG Münster, Urteil vom 08.06.2005 - 1 K 5236/04 F, EFG 2005, 1874). Letztere Ansicht wird damit begründet, dass dann wenn a) Sonderbetriebsausgaben in den Feststellungserklärungen nicht aufgeführt seien, b) kein Anlass bestehe, ihrer möglichen Existenz nachzugehen, und c) die Angaben der Feststellungserklärung ohne Abweichung in die Feststellungsbescheide übernommen würden, keine negative, sondern mangels Kenntnis bislang überhaupt keine Entscheidung über zuzurechnende Sonderbetriebsausgaben vorliege.

Der Senat schließt sich dieser Begründung an. Es ist im Streitfall nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte bei Erlass des Feststellungsbescheids vom 18.07.2003 eine Entscheidung über Sonderbetriebsausgaben getroffen hat. Der Feststellungsbescheid enthält hierzu keinerlei Eintragungen, sondern beschränkt sich allein darauf, die laufenden Einkünfte quotal auf die einzelnen Feststellungsbeteiligten zu verteilen. Der Begriff "Sonderbetriebsausgaben" wird im Bescheid nicht einmal erwähnt, geschweige denn mit einem Wert - und sei es auch nur 0 DM/€; - versehen. Der Beklagte hatte auch keinen Anlass dazu, sich über Sonderbetriebsausgaben Gedanken zu machen, da die Feststellungserklärung zu keinem Feststellungsbeteiligten Eintragungen enthält (auch keine Nullen oder Striche). Ohne Entscheidung zu den Sonderausgaben ist der Feststellungsbescheid nicht nur unrichtig, sondern unvollständig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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