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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 22.07.2005
Aktenzeichen: 11 K 5828/03 E
Rechtsgebiete: EStG, KStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 3
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1997 bis 1999

hat der 11. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 22.07.2005, an der teilgenommen haben:

Richter am Finanzgericht ... als Vorsitzender

Richterin am Finanzgericht ...

Richterin ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtliche Richterin ...

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

I.

Zu entscheiden ist, ob der Beklagte (Bekl.) in den angefochtenen Einkommensteuer (ESt)-Festsetzungen für die Streitjahre 1997 bis 1999 zu Recht davon ausgegangen ist, dass dem Kläger (Kl.) als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu behandelnde verdeckte Gewinnausschüttungen zugeflossen sind.

Der Kl. ist verheiratet und wurde für die Streitjahre mit seiner Ehefrau zusammen zur ESt veranlagt.

Mit notariellem Vertrag vom 20.04.1997 hatte der Kl. zusammen mit seiner Schwiegertochter die U. GmbH (im folgenden: GmbH) gegründet. Nach Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH am 12.12.2002 ist diese mittlerweile im Handelsregister gelöscht. Am Stammkapital der GmbH war der Kl. bis zu deren Löschung zu 98 % und seine Schwiegertochter zu 2 % beteiligt.

Bis einschließlich 27.10.1999 war alleiniger Geschäftsführer der GmbH der Sohn des Kl. und Ehemann der weiteren GmbH-Gesellschafterin. Durch Gesellschafterbeschluss vom 28.10.1999 wurde der Kl. zum weiteren Geschäftsführer der GmbH bestellt.

Gegenstand der GmbH war nach § 2 des Gesellschaftsvertrages der Handel (An- und Verkauf) von ...teilen sowie der Handel und die Vermittlung mit und von Immobilien. Tatsächlich tätig geworden ist die GmbH in den Streitjahren ausschließlich zum einen für die Firma Immobilienservice X. X. KG, zum anderen für die Firma Y. GmbH & Co. KG. Soweit die GmbH in den Streitjahren für die Y. GmbH & Co. KG tätig geworden ist, wurde ihr das für ihre Tätigkeit benötigte Material von dieser gestellt.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der GmbH wurde u. a. festgestellt, dass die GmbH aufgrund fingierter Rechnungen, die der ihre Geschäfte führende Sohn des Kl. und Ehemann der weiteren GmbH-Gesellschafterin geschrieben hatte, in den Streitjahren an diesen Zahlungen i. H. v. insgesamt 133.690,13 DM (1997), 197.169,77 DM (1998) und 160.746,61 DM (1999) geleistet hat. Die Scheinrechnungen waren im Wesentlichen auf Wareneinkaufskonten (3400 und 3410) sowie auf dem Konto Verkaufsprovisionen (4760) verbucht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung der Buchungsvorgänge in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 24.10.2003 verwiesen.

Aufgrund der im Rahmen der bei der GmbH durchgeführten Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen änderte der Bekl. die ESt-Festsetzungen der Streitjahre und setzte die ESt für den Kl. und seine Ehefrau mit Bescheiden jeweils vom 04.12.2002 auf ... EUR (1997),... EUR (1998) und ... EUR (1999) fest. Dabei ging er davon aus, dass die Zahlungen der GmbH an den ihre Geschäfte führenden Sohn des Kl. und Ehemann der weiteren GmbH-Gesellschafterin als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren, dem Kl. entsprechend seinem Anteil an der GmbH i. H. v. 131.016,32 DM (1997), 193.226,37 DM (1998) und 157.531,68 DM (1999) zuzurechnen und bei diesem als (weitere) steuerpflichtige Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen seien.

Hiergegen richtet sich die von dem Kl. nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage.

Er ist der Auffassung, dass die von der GmbH aufgrund der fingierten Rechnungen an seinen Sohn geleisteten Zahlungen schon deshalb nicht als verdeckte Gewinnausschüttungen beurteilt werden könnten, da sie nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen seien. Aber selbst wenn man insoweit von verdeckten Gewinnausschüttungen ausginge, könnten diese jedenfalls ihm (dem Kl.) nicht zugerechnet werden, da ihm nichts zugeflossen und er auch nicht in den Genuss der aus der GmbH abgeflossenen Beträge gekommen sei.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 25.05.2004 - VIII R 4/01 (BFHE 207, 103, BFH/NV 2005, 105). Der Sachverhalt, der vom BFH zu beurteilen gewesen sei, sei mit dem Sachverhalt im Streitfall nicht vergleichbar. Denn anders als im vom BFH entschiedenen Fall sei im Streitfall der Geschäftsführer nur nahestehende Person, nicht aber Minderheitsgesellschafter gewesen. Sein Sohn habe auch keiner dritten Person etwas zugewandt, sondern aus dem Vermögen der Gesellschaft etwas zu eigenem Nutzen entwendet.

Da sein Sohn die entwendeten Beträge für sich selbst verwandt und er (der Kl.) von diesen strafbaren Handlungen gar nichts gewusst habe, seien die bei der GmbH aufgrund der Handlungen seines Sohnes eingetretenen Vermögensminderungen im Übrigen auch nicht - wie vom BFH in seiner Entscheidung vom 07.08.2002 - I R 2/02 (BStBl II 2004, 131) gefordert - geeignet gewesen, bei ihm (dem Kl.) und seiner Mitgesellschafterin einen Beteiligungsertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG hervorzurufen. Ihm sei vielmehr eher ein Schaden entstanden, weil aufgrund der nicht vorhandenen Gewinne nichts habe ausgeschüttet werden können, als dass ihm etwas zugewendet worden sei.

Der Kl. beantragt,

die EE vom 24.10.2003 aufzuheben, die ESt für die Streitjahre niedriger festzusetzen und dabei für 1997 um 131.016,32 DM, für 1998 um 193.226,31 DM und für 1999 um 157.531,68 DM geringere Einnahmen aus Kapitalvermögen der Besteuerung zugrunde zu legen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist auch weiterhin der Auffassung, dass die von der GmbH aufgrund der fingierten Rechnungen an den Sohn des Kl. geleisteten Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren und dem Kl. entsprechend seinem Anteil an der GmbH zuzurechnen seien. In diesem Zusammenhang sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kl. als beherrschender Gesellschafter gegenüber seinem die Geschäfte der GmbH führenden Sohn weisungsbefugt gewesen sei und auch die Möglichkeit gehabt habe, die Geschäftsführertätigkeit seines Sohnes zu überprüfen. Da er für die GmbH im Bereich der Herstellung von Betonteilen tätig gewesen sei, habe er zudem durchaus Einblicke in deren Geschäftstätigkeit gehabt. Aufgrund des Umstandes, dass er seine Kontrollrechte und -pflichten offensichtlich nur unzureichend ausgeübt habe, müsse daher geschlossen werden, dass er die erfolgte Zuwendung von Vorteilen an seinen Sohn zumindest in Kauf genommen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die vom Bekl. vorgelegten Steuerakten verwiesen.

Der Senat hat am 24.06.2005 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Gründe

II.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bekl. ist zu Recht davon ausgegangen, dass es in den Streitjahren zu verdeckten Gewinnausschüttungen gekommen ist, die dem Kl. zuzurechnen sind.

Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG, d.h. eine verdeckte Gewinnausschüttung auf Gesellschafterebene, ist gegeben, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung liegt dabei stets dann vor, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Kapitalgesellschaft den Vorteil einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt hätte. Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die verdeckte Gewinnausschüttung beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm oder der nahestehenden Person der zugewandte Vermögensvorteil zufließt (vgl. Urteil des BFH vom 25.05.2004 - VIII R 4/01, BFHE 207, 103, BFH/NV 2005, 105).

Danach sind die vom Bekl. in den Streitjahren beim Kl. als Einnahmen aus Kapitalvermögen angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen nicht zu beanstanden. Denn die GmbH, vertreten durch den Sohn des Kl. als ihr bzw. einer ihrer Geschäftsführer, hat außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung dem Sohn des Kl. und damit einer Person, die dem Kl. nahesteht, in den Streitjahren Vermögensvorteile zugewandt, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.

Demgegenüber kann sich der Kl. nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sein Sohn nicht selbst Gesellschafter der GmbH gewesen sei und überdies durch seine Handlungen der GmbH geschadet habe. Denn die Handlungen des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft sind dieser stets zuzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer durch diese Handlungen die Gesellschaft in strafbarer Weise schädigt (vgl. Urteil des BFH vom 25.05.2004 - VIII R 4/01, a.a.O.). Darauf, ob der die Zuwendung veranlassende Geschäftsführer selbst Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist, kommt es nicht an (vgl. auch Urteil des FG Münster vom 19.07.1999 - 9 K 2572/96 U, 9 K 2573/96 G, F, EW, 9 K 2574/96 K, F).

Unabhängig davon hat der Kl. aber auch selbst in nicht unerheblichem Umfang an dem Zustandekommen der verdeckten Gewinnausschüttungen mitgewirkt, da er seine gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechte und -pflichten - worauf der Bekl. zu Recht hinweist - offensichtlich nicht wahrgenommen hat. Denn im Hinblick darauf, dass die GmbH für die von ihr ausgeübte Tätigkeit im Wesentlichen nicht auf den Bezug von Waren angewiesen war, hätte ihm (dem Kl.) die teilweise Verbuchung der fingierten Rechnungen über die Wareneinkaufskonten zwingend auffallen müssen.

Vor diesem Hintergrund ist der Senat auch davon überzeugt, dass der Sohn des Kl. die Zuwendungen von Seiten der GmbH im Ergebnis allein deshalb erhalten hat, weil er dem Kl. nahestand, und sie ohne seine verwandtschaftliche Beziehung zum Kl., der die GmbH aufgrund der Höhe seiner Beteiligung vollständig beherrschte, nicht erhalten hätte.

Dass der Sohn des Kl. darüber hinaus auch noch in einer familienrechtlichen Beziehung zu der weiteren (Minderheits-)Gesellschafterin seiner Ehefrau stand, vermag die Überzeugung des Senats nicht zu erschüttern. Denn anders als im Fall, der der Entscheidung des BFH vom 22.02.2005 (VIII R 24/03, DStRE 2005, 764) zugrundelag, ist im Streitfall nach Lage des Falles nicht anzunehmen, dass nur diese dem Sohn des Kl. etwas zuwenden wollte.

Ebenfalls nicht mit Erfolg kann sich der Kl. darauf berufen, dass die Zuwendungen der GmbH an seinen Sohn nicht geeignet gewesen seien, bei ihm (dem Kl.) oder seiner Mitgesellschafterin einen Beteiligungsertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG hervorzurufen. Denn nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, setzt die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung in Form der Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahestehende Person weder auf Gesellschaftsebene (vgl. Urteil des BFH vom 18.12.1996 - I R 139/94, BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301) noch auf Gesellschafterebene (vgl. Urteil des BFH vom 25.05.2004 - VIII R 4/01, a.a.O.) voraus, dass diese Zuwendung einen Vorteil für den Gesellschafter zur Folge hat.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BFH vom 07.08.2002 - I R 2/02 (BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131). Zum einen betrifft die Entscheidung nicht den - vorliegend zu beurteilenden - Fall der Zuwendung an eine nahestehende Person. Zum anderen hätten die Zahlungen, die von der GmbH an den Sohn des Kl. geleistet wurden, wären sie an den Kl. selbst geleistet worden, ohne weiteres einen sonstigen Bezug i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ausgelöst.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Rechtssache nach Auffassung des Senats grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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