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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: 11 K 6822/02
Rechtsgebiete: EStG, EStDV


Vorschriften:

EStDV § 73g
EStG § 49 Abs 1 Nr 2d
EStG § 50a Abs 4 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 25.04.2006, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richterin ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtliche Richterin ...

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Klägerin für Steuerabzugsbeträge i.S.d. § 50a Abs. 4 Nr. 1 EStG haftet.

Die Klägerin - eine Anbieterin von sportlichem Autozubehör - wurde als XXX. Handels GmbH (im Folgenden: a GmbH) gegründet und mit notarieller Urkunde vom 10.06.1996 (UrkNr 11/1996 des Notars ...) unter Verweis auf §§ 190 - 213, 226 - 237 UmwG in die XXX. Handels GmbH & Co KG (im Folgenden: b KG) formwechselnd umgewandelt. Die Eintragung der Umwandlung im Handelsregister erfolgte am 16.07.1996.

Während einer Lohnsteueraußenprüfung bei der Klägerin stellte der Prüfer fest, dass anlässlich von inländischen Veranstaltungen Honorarzahlungen an ausländische Tänzerinnen geleistet wurden, ohne dass ein Steuerabzug nach § 50 a EStG vorgenommen wurde. Der Beklagte nahm dies zum Anlass, die Klägerin unter Verweis auf § 50 a Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 EStG i.V.m. § 73 g EStDV in Anspruch zu nehmen und zwar mit Haftungsbescheid vom 18.11.1999 für das II. und IV. Quartal 1995 in Höhe von insgesamt 28.071,86 DM und mit Haftungsbescheid vom 14.07.2000 für das II. bis IV. Quartal 1996 in Höhe von insgesamt 41.931,25 DM. Die Bescheide wurden an die KG "als Gesamtrechtsnachfolgerin der GmbH" bekannt gegeben. Der Besteuerung zugrunde gelegt wurden - zum Teil im Schätzungswege - die Gage sowie Aufwendungen für Flug, Hotel und Verpflegung, die die Klägerin anlässlich der folgenden Veranstaltungen an verschiedene aus den USA stammende Tänzerinnen (sog. "American Girls") geleistet hat:

 Juni 1995BochumNew, Dowell, Butler, Lynn-Bryant
Nov/Dez 1995EssenDorian, Jordan, Tweeden, Spangler
   
April 1996LeipzigJordan, Hogel, Celli
Juni 1996BochumJordan, Kaye, Hogle
Juli 1996Boxendrei Tänzerinnen
Nov/Dez 1996EssenMc Keown, Carroll, Parson

Bei den Veranstaltungen handelt es sich unter anderem um Messeauftritte "Motorshow" in Essen, "Automobil International" in Leipzig) sowie um die jährlich stattfindende, von der Klägerin veranstaltete hauseigene "...- Show" in m. Die von der Klägerin angeworbenen Tänzerinnen präsentierten sich auf einer Bühne, die wie ein erhöhter Laufsteg mit heller Beleuchtung angelegt war. Die Auftritte sahen so aus, dass jeweils eine Tänzerin den Laufsteg auf und ab ging und sich zur Musik bis auf einen Bikini oder Badeanzug auszog. Jede Tänzerin hatte pro Tag in der Regel vier Auftritte á 3 bis 5 Minuten. Die übrige Zeit hatten die Tänzerinnen zur freien Verfügung.

Den gegen die o.g. Haftungsbescheide eingelegten Einsprüchen half der Beklagte mit geändertem Haftungsbescheid vom 07.01.2000 betreffend das II. und IV. Quartal 1995 teilweise dahingehend ab, dass die Klägerin nur in Höhe von insgesamt 13.914,32 DM in Anspruch genommen wird.

Im Übrigen wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Zudem änderte er im Rahmen der Einspruchsbescheidung die Adressierung des Bescheides vom 14.07.2000 durch Streichung des Rechtsnachfolgezusatzes dahingehend, dass die GmbH - vertreten durch die KG als Rechtsnachfolgerin - nur noch für das II. Quartal 1996 in Haftung genommen wurde. Für das III. und IV. Quartal 1996 wird nunmehr unmittelbar die KG in Anspruch genommen.

Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung führte der Beklagte aus, dass die Auftritte der American Girls künstlerischen Darbietungen "ähnlich" seien i.S.d. § 50 a Abs. 4 Nr. 1 EStG. Es werde zwar nicht bestritten, dass den Darbietungen keine Choreografie zugrunde liege. Jedoch sei davon auszugehen, dass sie in einer Form präsentiert würden, der zumindest ein darauf ausgerichtetes planvolles Handeln zugrunde liege. Hierin sei eine eigenschöpferische Leistung zu sehen. Für eine künstlerische Gestaltungskraft spreche auch, dass die Shows ansonsten keine so große Popularität hätten. Auch wenn das künstlerische Niveau nicht unbedingt hoch sei, hätten die Shows einen eindeutigen und unverwechselbaren Charakter, der von Dritten nicht ohne weiteres nachgeahmt werden könne.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass die American Girls keine Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 d EStG erzielt hätten und mithin keine Abzugssteuer nach § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG entstanden sei.

Die American Girls seien Teil eines gewerblichen Werbe- und Vertriebskonzepts ohne Anspruch auf ein künstlerisches Niveau. Sie, die Klägerin, habe ihre Stellung als bekanntester Anbieter sportlichen Autozubehörs durch ein umfassendes Verkaufs- und Marketingkonzept erreicht. Die Werbestrategie basiere auf einer psychologischen Analyse, wonach ihr typischer Kunde männlich und unter 35 Jahren alt sei und mit ihren Produkten Attribute wie Erlebnis, Modernität, Dynamik und Lust verbinde. Die Werbung sei daher darauf ausgelegt zu vermitteln, dass das Fahren mit einem gut ausgerüsteten PKW Ausdruck eines modernen und erfolgreichen Lebensgefühls sei. Die American Girls seien zur Unterstützung dieses Werbekonzepts engagiert worden sowie um die Aufmerksamkeit der Kundenzielgruppe für die Werbeveranstaltungen zu erhöhen.

Über die Werbeagentur Borsche sei Kontakt zu in den USA ansässigen Frauen aufgenommen worden, die sich in dortigen Clubs durch Table Dance ein Zubrot verdienten. Eine Tanz- oder ähnliche Ausbildung sei dazu nicht erforderlich, sondern nur eine gute Figur und eine freundliche Ausstrahlung sowie der Mut, sich vor Publikum bis auf einen Badeanzug auszuziehen. Im Grunde genommen könne das jede Frau, die sich in einer Disco einigermaßen bewegen könne. Bei einigen Auftritten habe die Tänzerin z.B. nur gestanden oder sei ein paar Schritte auf und ab gegangen, während sie sich gekonnt ihres Outfits entledigt habe.

Den Auftritten habe auch keine choreografische Gestaltung zugrunde gelegen. Die wesentlichen Merkmale einer künstlerischen Tätigkeit wie Individualität, neue Ideen und Gestaltungsfreiheit sowie eine künstlerische Gestaltungshöhe seien nicht gegeben. Auch könne nicht aus der großen Anziehungskraft der Veranstaltungen geschlossen werden, dass die Darbietungen künstlerische oder zumindest ähnliche Leistungen beinhaltet hätten. Das Interesse resultiere im Wesentlichen aus dem erotischen Charakter der Darbietungen.

Die von der Finanzverwaltung vorgenommene Auslegung des Begriffs "ähnliche Darbietung" i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 d EStG auf das gesamte Show- und Unterhaltungsgeschäft sei nicht verfassungskonform. Denn der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung nach Art. 20 Abs. 3 GG bzw. das Rechtsstaatprinzip würden es erfordern, dass die Verwaltung in den Rechtskreis des Einzelnen nur eingreifen dürfe, wenn sie hierdurch durch ein Gesetz ermächtigt sei und diese Ermächtigung nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sei. Einen derart hinreichend bestimmten Inhalt erhalte § 49 Abs. 1 Nr. 2 d EStG nur bei einer engen Auslegung des Begriffs "ähnliche Darbietung". Der Begriff sei nicht als eigenes Tatbestandsmerkmal zu verstehen, sondern nur als Auslegungsregel für die Begriffe künstlerisch, sportlich und artistisch.

Für eine enge Auslegung spreche auch der Vergleich mit dem Begriff des "ähnlichen" Berufs i.S.d. § 18 EStG. Hier lege die Rechtsprechung seit jeher strenge Maßstäbe an, wenn es um die Vergleichbarkeit einer Tätigkeit mit einem Katalogberuf gehe.

Die Klägerin beantragt,

die Haftungsbescheide vom 07.01.2000 (II. und IV. Quartal 1995) und 14.07.2000 (II. bis IV. Quartal 1996) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.11.2002 aufzuheben,

hilfweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfweise,

die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung sowie auf die Rechtsausführungen des FG Thüringen im Urteil vom 18.10.2000 - I 1043/00, EFG 2001, 74.

In der mündlichen Verhandlung wies der Beklagtenvertreter des Weiteren darauf hin, dass freiberuflich ausgeübte künstlerische Tätigkeiten i.S.d. § 18 EStG bereits unter § 49 EStG Abs. 1 Nr. 3 fallen würden. Der Begriff der künstlerischen Darbietung i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 d EStG müsse mithin über den einer künstlerischen Tätigkeit i.S.d. § 18 EStG hinausgehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, die Finanzamtsakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

II.

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist es unschädlich, dass die Klage betreffend die Haftung für die Quartale III/1996 und IV/1996 von der b KG "als Rechtsnachfolgerin der a GmbH" erhoben wurde, obwohl sie in der Einspruchsentscheidung für diese Quartale persönlich als Einspruchsführer und damit als Adressat der Einspruchsentscheidung ausgewiesen ist und sie laut Anlage zur Einspruchsentscheidung für diese Quartale nunmehr persönlich - d.h. nicht länger als Rechtsnachfolgerin - als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen wird. Denn es handelt sich hierbei lediglich um die unrichtige Bezeichnung ein und derselben Rechtsperson.

Anders als dies noch nach dem Umwandlungsgesetz in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung der Fall war, führt eine formwechselnde Umwandlung ab dem Jahr 1995 nicht mehr dazu, dass die formwechselnde Gesellschaft mit der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses im Handelsregister erlischt. Vielmehr bestimmt das UmwG 1995 nunmehr als Rechtsfolge, dass der formwechselnde Rechtsträger in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter besteht (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Fiktion des Fortbestands kann dem Rechtsnachfolgezusatz jedenfalls im Fall der formwechselnden Umwandlung bei der Adressierung der Bescheide bzw. der Bezeichnung des Haftungsschuldners keine maßgebliche Bedeutung zukommen. Etwaige Fehler in der Bezeichnung können nachträglich richtig gestellt werden (vgl. FG Münster, Urteil vom 25.02.2005 - 9 K 861/02 G,EFG 2005, 1211).

Bezogen auf den Streitfall bedeutet das, dass die a GmbH nicht erloschen ist, sondern diese lediglich in einen anderen rechtlichen Mantel gekleidet wurde. Es handelt sich bei der GmbH und der KG um ein und denselben Rechtsträger. Von daher ist es letztlich nicht von Bedeutung, dass sich die KG - in Anlehnung an die Adressierung der ursprünglich Haftungsbescheide - bei der Erhebung der Klage auch bezogen auf die Quartale III/1996 und IV/1996 als Rechtsnachfolger der GmbH bezeichnet hat, obwohl sie für diese Zeiträume bereits selbst verantwortlich war und der Fehler in der Adressierung der Bescheide in der Einspruchsentscheidung bereits richtig gestellt war.

Die Klage ist auch begründet.

Der Beklagte hat die Klägerin zu Unrecht in Haftung genommen. Auf die Vergütungen, die die Klägerin an die American Girls geleistet hat, war keine Abzugssteuer zu erheben. Denn bei den Darbietungen der American Girls handelt es sich nicht um Darbietungen i.S.d. §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 d, 50 a Abs. 4 Nr. 1 EStG.

Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind gemäß § 1 Abs. 4 EStG grundsätzlich nur einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG haben. Hierunter fallen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 d EStG u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG), die, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne der Nummern 3 und 4 gehören, durch im Inland ausgeübte oder verwertete künstlerische, sportliche, artistische oder ähnliche Darbietungen erzielt werden. Die Einkommensteuer ist in diesem Fall im Wege des Steuerabzugs zu erheben (§ 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG).

Die Steuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütungen dem Gläubiger der Vergütung zufließen. In diesem Zeitpunkt hat der Schuldner der Vergütungen den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers vorzunehmen. Steuerschuldner ist der beschränkt Steuerpflichtige; der Schuldner der Vergütungen haftet aber für die Einbehaltung und Abführung der Steuer (§ 50 a Abs. 5 Satz 1 bis 5 EStG). Ist die Steuer nicht ordnungsgemäß einbehalten oder abgeführt worden, hat das Finanzamt die Steuer von dem Schuldner der Vergütungen durch Haftungsbescheid oder von dem Steuerschuldner durch Steuerbescheid anzufordern (§ 73 g EStDV).

Bei den Darbietungen der American Girls handelt es sich nicht um solche i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 d EStG. Insbesondere sind diese nicht künstlerisch.

Bezüglich der Definition des Begriffs "künstlerisch" kann auf die Rechtsprechung zu § 18 EStG zurückgegriffen werden, da nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber trotz identischer Wortwahl Unterschiedliches gemeint hat (so auch Hidien in K/S/M, EStG, § 49 Rn. 246 ff). Das Wesen künstlerischer Betätigung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in der freien schöpferischen Gestaltung, in der der Steuerpflichtige seine individuelle Anschauungsweise und Darstellungskraft zum Ausdruck bringt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht (z.B. BFH, Urteil vom 15. Oktober 1998, Az: IV R 1/97, BFH/NV 1999, 465 m.w.N.). Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht das Wesentliche der künstlerischen Betätigung in der freien schöpferischen Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden (z.B. Beschluss vom 17.07.1984 - 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213, NJW 1985, 261).

Die Darbietung der American Girls erfüllt diese Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil sich die Auftritte in der bloßen Unterhaltung des Publikums in Form einer optisch ansprechenden Leistung mit erotischem Reiz erschöpfen. Eine über die bloße Unterhaltung hinausgehende Komponente eigenschöpferischer Gestaltung hatten die Auftritte nicht. Die Tänzerinnen konnten zwar frei bestimmen, wie sie sich auf dem Laufsteg bewegen und der Kleidung entledigen wollten. Dass die Auftritte der Tänzerinnen aufgrund dieses Bewegungsspielraums zwangsläufig leicht unterschiedlich ausfielen, bedeutet jedoch nicht, dass mit den Darbietungen über die bloße Unterhaltung hinaus auch individuelle Anschauungsweisen zum Ausdruck gebracht wurden bzw. werden sollten, die ausschließlich im Zusammenhang mit der Person der jeweiligen Tänzerin standen und allein durch sie verkörpert werden konnten. Für eine eigenschöpferische Leistung bleibt umso weniger Raum, wenn man zusätzlich bedenkt, dass der eigentliche Handlungsablauf - nämlich das Laufen auf dem Laufsteg und das Ausziehen - vom Veranstalter vorgegeben war und den Tänzerinnen mithin nur ein geringer Entfaltungsspielraum verblieb. Dem "sich Entledigen" von Kleidungsstücken per se einen besonderen künstlerischen Wert zu unterstellen, verbietet sich im Hinblick darauf, dass dies letztendlich von Jedermann dargeboten werden kann. Von einer künstlerischen Tätigkeit kann nur dann gesprochen werden, wenn bei der konkreten Beschäftigung das künstlerische Schaffen tatsächlich im Vordergrund steht, die künstlerische Leistung also nicht beliebig austauschbar ist. Im Streitfall sind die erbrachten Leistungen jedoch ohne weiteres austauschbar, was letztlich auch dadurch bestätigt wird, dass die Tänzerinnen ständig ausgetauscht wurden. Diese sollten durch ihr gutes Aussehen bzw. durch ihre gute Ausstrahlung das Publikum begeistern und wurden anhand dieser äußeren Merkmale ausgewählt. Die eigentliche Tanzleistung war eher nebensächlich, weshalb die Tänzerinnen auch nicht über eine besondere Tanzausbildung verfügen mussten und leicht ersetzbar waren.

Abgesehen davon, dass den Auftritten der American Girls mangels Ausdrucks einer eigenschöpferischen Gestaltung kein künstlerisches Element zukommt, würde die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit i.S.d. §§ 18 bzw. 49 Abs. 1 Nr. 2 d EStG auch daran scheitern, dass es den Darbietungen an einer gewissen Leistungshöhe fehlt. Der Senat hat keine Hinweise darauf, dass die Darbietungen über ein paar einfache, leicht nachzumachende rhythmische Bewegungen zur Musik bei gleichzeitigem Entkleiden hinausgingen.

Eine derartige Darbietung erfüllt offensichtlich auch nicht die Anforderungen, die an eine sportliche bzw. artistische Tätigkeit zu stellen sind.

Auch liegt keine "ähnliche" Darbietung i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 d EStG vor.

Welche Anforderungen an eine "ähnliche" Darbietung zu stellen sind, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. So vertritt z.B. das Thüringer Finanzgericht in seinem Urteil vom 18.10.2000 - I 1043/00 (EFG 2001, 74) die Auffassung, dass dieser Begriff weit auszulegen sei und nicht nur hochrangige Leistungen im Grenz- bzw. Mischbereich von Kunst, Sport und Artistik erfasse, sondern auch Aktivitäten auf niedrigerem Niveau. Darauf, ob bei der Darbietung noch gewisse Ansätze von Gestaltungskraft oder schöpferischer Eigeninitiative festzustellen seien, komme es nicht an, sondern es reiche schon aus, wenn die Darbietungen das Ergebnis einer über das Dilettantische hinausgehenden Schulung und Vorbereitung seien, und zwar dergestalt, dass Dritte vergleichbare Darbietungen nicht nachahmen könnten, ohne ihrerseits erhebliche Fertigkeiten sowie Aufwand an Vorbereitungszeit und Einübung einzusetzen. Auch Ritterschauspiele und Vorführungen handwerklicher Tätigkeiten des Mittelalters durch kostümierte ausländische Akteure seien daher "ähnliche Darbietungen" i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 d EStG. Diese Auslegung stehe zudem im Einklang mit dem Künstlerbegriff i.S.d. Art. 17 des OECD-Musterabkommens, welcher alle unterhaltenden Darbietungen erfasse "Entertainer", "artistes du spectacle"). Besteuerungslücken würden sich nur vermeiden lassen, wenn die Merkmale der Abzugsbesteuerung und die Merkmale der Zuweisung des zwischenstaatlichen Besteuerungsrechts inhaltlich nicht entscheidend voneinander abwichen.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung, die ebenfalls eine weite Auslegung des Begriffs "ähnlich" befürwortet, soll hierunter sogar "das gesamte Show- und Unterhaltungsgeschäft" fallen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen, BStBl I 1996, 89 Tz. 2.2.1).

Die Gegenmeinungen, die für eine enge Auslegung des Begriffs "ähnlich" stimmen, verweisen insbesondere darauf, dass der Gesetzeswortlaut zu unbestimmt sei und die sich hieraus ergebende Ungewissheit nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen dürfe. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe in belastenden Eingriffsvorschriften setze zumindest die Bestimmbarkeit voraus. Das gelte in besonderem Maße dann, wenn das Gesetz, wie im Streitfall, an die zutreffende Auslegung Haftungsfolgen dritter Personen knüpfe, bei denen bereits die Höhe der auszahlbaren Vergütungen von einer zutreffenden Gesetzesauslegung abhängig sei (FG München, Beschluss vom 09.04.1998 - 1 V 618/98). Selbst in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wo der Gesetzgeber bestimmte Berufsgruppen "und ähnliche Berufe" der freiberuflichen Tätigkeit zuordnet, habe die Rechtsprechung für den Ähnlichkeitsvergleich stets auf die Ähnlichkeit mit einem bestimmten Katalogberuf abgestellt und nicht auf die Ähnlichkeit einer Berufstätigkeit mit einer beliebigen Auswahl von Katalogberufen als Gruppe. Um so zweifelhafter sei es, im Rahmen von §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 d, 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG einer künstlerischen, sportlichen oder artistischen Darbietung beliebig ähnliche Darbietungen im weiteren Sinne zuzuordnen, selbst wenn eine erschöpfende Aufzählung zur Konkretisierung des Begriffs nicht möglich sein sollte. Verneint wurde die "Ähnlichkeit" in der bisherigen finanzgerichtlichen Rechtsprechung u.a. für ausländische Fotomodelle (FG Nürnberg, Urteil vom 28.01.1998 - III 128/95, EFG 1998, 951) und Talk-Show-Gäste (FG München, Beschluss vom 09.04.1998 - IV 618/98, EFG 1998, 1013).

Der Senat hält ebenfalls eine enge Auslegung des Begriffs "ähnlich" für geboten. Zwar mag es aus fiskalischen Interessen wünschenswert sein, jegliche Art von Darbietungen der Abzugsbesteuerung zu unterwerfen. Maßgeblich für die Auslegung des Gesetzeswortlauts darf jedoch nicht sein, was zweckmäßig oder wünschenswert wäre, sondern entscheidend ist, wie der Steuerbürger das Gesetz verstehen konnte bzw. musste. Insbesondere bei Eingriffsvorschriften muss für den Bürger ausreichend erkennbar sein, durch welches Verhalten er den Tatbestand der Vorschrift verwirklicht. Eine hinreichende Bestimmtheit in diesem Sinne ist jedoch nicht mehr gegeben, wenn der Begriff "ähnlich" auf eine beliebige Vielzahl unterschiedlichster Sachverhalte ausgedehnt wird, deren einzige Gemeinsamkeit letztlich ist, dass Publikum unterhalten wird. Hätte der Gesetzgeber eine derartige Ausweitung der Abzugsbesteuerung auf sämtliche unterhaltende Tätigkeiten gewollt, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, den Wortlaut der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 d, 50 a Abs. 4 Nr. 1 EStG entsprechend zu fassen. Stattdessen hat der Gesetzgeber eine Eingrenzung auf drei Kernbereiche von Darbietungen vorgenommen, nämlich auf solche, die künstlerisch, sportlich oder artistisch sind. Eine derartige namentlich benannte Eingrenzung macht keinen Sinn, wenn der Gesetzgeber - so wie von der Finanzverwaltung angenommen - tatsächlich das gesamte Show- und Unterhaltungsgeschäft hat erfassen wollen. Aus Sicht des Steuerbürgers kann die Eingrenzung vielmehr nur so verstanden werden, dass grundsätzlich nur diese drei Arten von Darbietungen der Abzugsbesteuerung unterliegen. Dies bedeutet für die Auslegung des Begriffs "ähnlich", dass die zu beurteilende Darbietung in hohem Maße und in wesentlichen Punkten mit einer künstlerischen, sportlichen oder artistischen Leistung vergleichbar sein muss. Der bloße Umstand, dass jemand irgendetwas vor Publikum aufführt, kann zur Begründung der "Ähnlichkeit" nicht genügen, zumal dieser Umstand bereits Teil des Tatbestandsmerkmals "Darbietung" ist.

Eine Ähnlichkeit zu einer sportlichen oder artistischen Darbietung ist im Streitfall fernliegend. Auch liegt kein einer künstlerischen Darbietung ähnlicher Auftritt vor. Denn eine Tätigkeit, der wie im Streitfall das ureigenste Element künstlerischer Betätigung - nämlich der Ausdruck eigenschöpferischer Gestaltung - fehlt, kann schon aus diesem Grund keine hinreichende Ähnlichkeit aufweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. § 709 ZPO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Auslegung des Ähnlichkeitsbegriffs ist noch nicht ergangen.

Ende der Entscheidung

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