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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: 12 K 3598/04 E
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 171 Abs. 10
AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

12 K 3598/04 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Gründe:

I. Zu entscheiden ist, ob das Finanzamt (FA) zu Recht eine Änderung der Einkommensteuer (ESt)-Veranlagung für das Kalenderjahr 1975 abgelehnt hat.

Der Kläger (Kl.) war an der Firma A-Bau GmbH & Co. KG (KG) beteiligt, die das Bauvorhaben " " in B begonnen hatte. Durch Feststellungsbescheid des für die KG zuständigen FA für Körperschaften IV in B vom 17.07.1984/30.04.1986/30.03.1988 wurde für den Kl. ein Veräußerungsgewinn i. H. v. 40.974,53 DM festgestellt. Nach mehrjährigen Rechtsstreitigkeiten, die ein anderer Kommanditist der KG geführt hatte, wurde auch der Feststellungsbescheid des Kl. für das Kalenderjahr 1975 geändert. Durch Feststellungsbescheid vom 23.12.2002 wurden die Einkünfte des Kl. aus seiner Beteiligung an der KG für das Kalenderjahr 1975 auf 0 DM festgestellt.

Da weder beim Kl. noch beim FA Unterlagen zur ESt 1975 noch vorhanden waren, beantragte der Kl. beim FA, für das Kalenderjahr 1975 einen neuen ESt-Bescheid zu erlassen, in dem der zuvor festgestellte Veräußerungsgewinn i. H. v. 40.974,00 DM von einem geschätzten zu versteuernden Einkommen des Jahres 1975 von 150.000,00 DM abgezogen werden sollte. Diesen Antrag lehnte das FA durch Bescheid vom 15.04.2003 ab. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen für die Steuerakten liege die Beweislast für die bisherigen Besteuerungsgrundlagen des Jahres 1975 beim Kl. Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in Anlehnung an die angrenzenden Veranlagungszeiträume sei nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kl. am 16.04.2003 Einspruch. Hiermit machte er geltend, das FA sei zur Änderung der ESt-Veranlagung für das Kalenderjahr 1975 gem. § 175 Abgabenordnung (AO) verpflichtet. Als Folge des geänderten Grundlagenbescheides des FA für Körperschaften IV in B ergäben sich für ihn Erstattungen. Aus dem Umstand, dass das FA Akten früherer Jahre vernichtet habe, dürfe sich für ihn kein Nachteil ergeben. Aus seiner Beteiligung an der Firma N GmbH & Co. KG seien in den Jahren 1971 bis 1973 Gewinnanteile in einer Größenordnung von 180.000 bis 240.000 DM auf ihn entfallen. Dazu kämen noch weitere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen. In den Folgejahren habe sich das Einkommen etwa in der gleichen Größenordnung bewegt. Unter Hinweis auf § 163 AO müsse deshalb bei der Änderung der ESt-Veranlagung für das Kalenderjahr 1975 ein bisheriges zu versteuerndes Einkommen von 150.000 DM geschätzt werden.

Durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 24.06.2004 wies das FA den Einspruch des Kl. als unbegründet zurück. In der EE ist im Wesentlichen ausgeführt, die ESt-Veranlagung des Kalenderjahres 1975 könne nicht geändert werden. Der Kl. trage die objektive Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Änderung der ESt-Veranlagung. Die Unerweislichkeit entscheidungserheblicher steuerbefreiender oder steuermindernder Tatsachen gehe zu Lasten des Steuerpflichten. Der Kl. trage die objektive Beweislast dafür, dass der bisher festgestellte Veräußerungsgewinn i. H. v. 40.974,00 DM auch tatsächlich bei der ESt-Veranlagung des Jahres 1975 berücksichtigt worden sei. Diesen Nachweis habe der Kl. nicht erbracht. Die Aufbewahrungspflicht für ESt-Akten belaufe sich auf zehn Jahre. Das FA habe daher die ESt-Akten für das Kalenderjahr 1975 nicht mehr aufbewahren müssen. Es sei Aufgabe des Kl. als Gesellschafter einer Personengesellschaft gewesen, seinen ESt-Bescheid für das Kalenderjahr 1975 bis zur Bestandskraft des Grundlagenbescheides aufzubewahren. Das Wohnsitz-FA der Beteiligten erhalte von laufenden Rechtsbehelfs- bzw. Klageverfahren der Personengesellschaft regelmäßig keine Kenntnis.

Gegen diese EE hat der Kl. Klage erhoben. Hierzu macht er im Wesentlichen unter Wiederholung seines Vorbringens im Einspruchsverfahren geltend, aus der Tatsache, dass das FA nach Ablauf einer zehnjährigen Aufbewahrungsdauer die Steuerakten vernichtet habe, dürften für ihn keine steuerlichen Nachteile erwachsen. Insbesondere könne die Aktenvernichtung durch das FA nicht dazu führen, dass ihm die objektive Beweislast für die Besteuerungsgrundlagen auferlegt werde. Er mache keine Steuervergünstigung geltend. Das FA sei vielmehr nach § 175 Abs. 1 AO verpflichtet, die ESt-Veranlagung des Kalenderjahres 1975 zu ändern. Seien weder beim FA noch bei dem Steuerpflichtigen Unterlagen über die ESt-Festsetzung für das Kalenderjahr 1975 vorhanden, müsse von geschätzten Besteuerungsgrundlagen ausgegangen werden. Bei Annahme eines zu versteuernden Einkommens von 150.000 DM ergebe sich durch den Wegfall des Veräußerungsgewinns eine Reduzierung der ESt um 7.957,00 DM.

Die Kl. beantragen,

das FA zu verpflichten, die ESt für das Kalenderjahr 1975 um 7.957,00 DM niedriger festzusetzen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist der Auffassung, dem Kl. obliege die objektive Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die von ihm begehrte Steuererstattung vorlägen. Der Nachweis könne regelmäßig nur durch Vorlage des Steuerbescheides im Original erbracht werden.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die EE und die Steuerakte verwiesen. Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25.04.2006 wird Bezug genommen.

Die Klage ist unbegründet.

Die ESt-Veranlagung des Kl. für das Kalenderjahr 1975 ist nicht zu ändern. Zwar ist gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, geändert wird. Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass der bisherige Folgebescheid eine andere Regelung enthält als der neue Grundlagenbescheid. Ein Grundlagenbescheid, der den Regelungsinhalt des Folgebescheids unberührt lässt, löst keine Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO aus (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.2000 X R 42/96, BStBl II 2001, 471). Das FA für Körperschaften IV in B hat zwar den Grundlagenbescheid für den Kl. hinsichtlich dessen Beteiligung an der KG geändert. Der Kl. kann jedoch nicht nachweisen, dass diese Änderung auch zu einer Änderung des bisherigen ESt-Bescheides für das Kalenderjahr 1975 führen muss.

Eine gesetzlich festgelegte Regel über die Verteilung der Feststellungslast fehlt für den Steuerprozess. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) trägt der Steuerpflichtige jedoch die Feststellungslast für die Tatsachen, die Steuerbefreiungen und -ermäßigungen begründen oder einen Steueranspruch aufheben oder einschränken (vgl. BFH-Urteil vom 07.07.1983 VII R 43/80, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1983, 760 m. w. H.). Wie sich aus der erwähnten Rechtsprechung des BFH ergibt, gilt diese Regel nicht nur für die Geltendmachung von Steuerermäßigungen sondern - im Gegensatz zur Auffassung des Kl. - für alle Tatsachen, die einen Steueranspruch einschränken. Damit trägt der Kl. die Feststellungslast dafür, dass der bisherige Ansatz der Einkünfte aus der Beteiligung an der KG im Rahmen der ESt-Veranlagung für das Kalenderjahr 1975 unzutreffend ist. Diesen Nachweis hat der Kl. jedoch nicht erbracht.

Zu den bisherigen Besteuerungsgrundlagen für die ESt-Veranlagung des Kalenderjahres 1975 fehlen Unterlagen, die einen zuverlässigen Schluss auf den bisherigen Ansatz der Beteiligung an der KG zulassen. Es kann daher auch nicht festgestellt werden, dass der bisherige Ansatz der Einkünfte aus der Beteiligung an der KG ein anderer war als der jetzt durch den Grundlagenbescheid des FA für Körperschaften IV in B vom 23.12.2002 bindend vorgeschriebene.

Auch fehlen Angaben über die bisherige Höhe der ESt-Festsetzung. Es bleibt daher unklar, ob die jetzt bekannte Höhe der Einkünfte aus der Beteiligung an der KG überhaupt zu einer Änderung der Höhe der ESt führt.

Der Kl. kann nicht geltend machen, dass das FA die Steuerakten des Streitjahres hätte aufbewahren müssen. Da nach dem Inhalt der dem Gericht vorliegenden Steuerakten sich kein Hinweis auf ein noch laufendes Verfahren hinsichtlich der Höhe aus der Beteiligung an der KG ergab, konnte das FA diese nach Ablauf der üblichen Aufbewahrungsfristen vernichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht gemäß § 115 FGO zuzulassen. Da die Rechtsfrage nach der erwähnten Entscheidung des BFH vom 07.07.1983 VII R 43/80 schon entschieden ist, ist eine erneute Befassung des BFH nicht erforderlich.

Ende der Entscheidung

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