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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 12 K 4311/06 Kg
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 31 S. 3
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

12 K 4311/06 Kg

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand:

Der Kl. besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Er hatte die in der Republik Kamerun (Kamerun) geborenen Kinder M und B im September 2003 in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) geholt, für beide Kinder Kindergeld beantragt und aufgrund des Bescheides der Beklagten (Bekl.) vom 23.10.2003 ab September 2003 bewilligt und ausgezahlt erhalten.

Nach den Angaben im Kindergeldantrag vom 08.10.2003 waren beide Kinder am 16.10.1990 geboren worden. Bis zu deren Abreise aus Kamerun hatten beide Kinder bei ihrer Kindesmutter, Frau T, gelebt. Die Kindesmutter war bei Ausreise der Kinder in Kamerun verblieben.

Ende März 2004 hatte die getrennt lebende deutsche Ehefrau des Kl. gegenüber der Bekl. die Vermutung geäußert, dass es sich bei den beiden Kindern nicht um leibliche Kinder des Kl. handele. Hierzu hatte sie eine Bescheinigung einer kamerunischen Behörde vom 09.02.2000 (Bl. 10 f. der Kindergeldakte - Kg-A. -) vorgelegt, wonach der Kl. ledig sei und keine Kinder zu versorgen habe. Das Ordnungsamt der Stadt D, Abteilung für Ausländer- und Staatsangehörigkeitsangelegenheiten (nachfolgend: Ordnungsamt D), hatte der Bekl. danach auf deren Anfrage mit Schreiben vom 28.06.2004 mitgeteilt, dass der Kl. im Rahmen seines Einbürgerungsverfahrens nicht erklärt habe, Kinder in Kamerun zu haben. Zudem lägen - so die Mitteilung des Ordnungsamtes der Stadt D - Erklärungen zweier Bekannter des Kl. vor, wonach es sich bei den Kindern um Schwestern oder um Cousinen des Kl. handele. Die Kinder seien offensichtlich erheblich älter als dies nach den Angaben des Kl. zum Geburtsjahr der Kinder im Kindergeldantrag der Fall sein könne.

Aufgrund der vorgenannten Erkenntnisse hatte die Bekl. die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 01.07.2004 ab Juli 2004 aufgehoben. Dagegen hatte der Kl. nach erfolglosem Einspruchsverfahren geklagt. Die Klage wurde vom Finanzgericht Münster mit Urteil vom 24.04.2006, Az. 10 K 4472/04 Kg, abgewiesen, da der Kl. seine Vaterschaft nicht zur Überzeugung des Finanzgerichts Münster durch einen sog. DNA-Test hatte nachweisen können.

Mit Bescheid vom 28.09.2004 hatte das Ordnungsamt D die dem Kind M am 18.09.2003 erteilte und bis zum 16.10.2006 befristete Aufenthaltserlaubnis widerrufen und die Abschiebung des Kindes angedroht, falls es das Bundesgebiet nicht bis spätestens zum 05.11.2004 verlassen habe. Die sofortige Vollziehung des Bescheids war nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet worden. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (§ 80 Abs. 5 VwGO) gegen den vorgenannten Bescheid hatte sich das Ordnungsamt D auf Vorschlag des Verwaltungsgerichtes D verpflichtet, gegen das Kind M nicht vorzugehen. Im Gegenzug wurden dem Ordnungsamt die Geburtsurkunde und der Reisepass des Kindes M zur Überprüfung überlassen.

In einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen den Kl. wegen eines Vergehens nach § 92 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG) hatte das Amtsgericht D (Az. 80 Gs 2093/04) mit Beschluss vom 04.01.2005 (Bl. 83 GA) nach § 81a Strafprozessordnung (StPO) die Entnahme einer Blutprobe beim Kl. und den beiden Kindern M und B zur Feststellung der Vaterschaft des Kl. für den Fall angeordnet, dass der Kl. und die Kinder sich mit der Abgabe einer Speichelprobe nicht einverstanden erklären sollten. Daraufhin brachte der Kl. die Kinder - nach seinem eigenen Vortrag im Verfahren zum Az. 10 K 4472/04 Kg - auf "illegalem Weg" nach Kamerun, um sie einer Blut- oder Speichelentnahme zu entziehen.

Mit Bescheid vom 11.08.2006 hob die Bekl. nachfolgend auch die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2004 auf und forderte den Kl. zur Erstattung des für den Zeitraum von Januar 2004 bis einschließlich Juni 2004 bezogenen Kindergeldes in Höhe von insgesamt 1.848,00 EUR auf.

Hiergegen legte der Kl. erfolglos Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, seine Vaterschaft sei durch Geburtsurkunden nachgewiesen und in einem "überaus komplizierten Verfahren durch die Deutsche Botschaft in Kamerun" überprüft worden. Hierbei seien sämtliche Urkunden auf ihre Korrektheit hin überprüft worden. Es sei ausgeschlossen, dass bei dieser Überprüfung ein Fehler unterlaufen sei.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 26.09.2006 wies die Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung nahm sie im Wesentlichen auf die Begründung in der EE vom 12.08.2004 sowie die Gründe des Urteils des Finanzgerichts Münster vom 24.04.2006 zum Az. 10 K 4472/04 Kg Bezug.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Zur Begründung verweist der Kl. darauf, dass der zu entscheidende Sachverhalt mit dem bereits im Klageverfahren 10 K 4472/04 Kg gewürdigten Sachverhalt vergleichbar sei. Aus Urkunden ergäbe sich zweifelsfrei, dass die Kinder M und B seine leiblichen Kinder seien. Hierzu reicht der Kl. Geburtsurkunden in französischer und englischer Sprache jeweils in Kopie zur Gerichtsakte - GA - (Bl. 16 f. GA zum Klageverfahren 12 K 4311/06 Kg). Auf diese sowie den Inhalt der GA zum Az. 10 K 4472/04 Kg, auf welche der Kl. Bezug nimmt, wird verwiesen. Daneben verweist der Kl. darauf, dass die Kindesmutter, Frau T, das elterliche Erziehungs- und Sorgerecht für die Kinder durch Erklärung vom 09.07.2003 gegenüber dem Landgericht Bafang, Kamerun, auf ihn, den Kl., als deren Vater übertragen habe. Auf eine hierzu eingereichte behördlich beglaubigte Übersetzung (Kopie) wird Bezug genommen (Bl. 87 GA). Zudem benennt der Kl. den Großvater und einen Onkel der Kinder - beide wohnhaft in Kamerun - als Zeugen dafür, dass er, der Kl., seit Geburt der Kinder als deren Vater "aufgetreten" sei.

Die damalige Ehefrau des Kl. habe entgegen ihrer Angaben gegenüber der Bekl. Kenntnis von der Existenz der Kinder M und B gehabt. Sie habe bei der Erstellung von Einreiseunterlagen mitgewirkt. Zum Nachweis hierfür legt der Kl. die Kopie eines Schriftstückes vor (Bl. 86 GA), auf welche verwiesen wird.

Die Aussage von Bekannten, es handele sich bei den Kindern um seine, des Kl., Cousinen, sei nicht glaubhaft. Die Aussage stamme von einem Asylbewerber, gegen den strafrechtlich ermittelt worden sei. Dieser habe sich einen Vorteil durch seine Aussage erhofft.

Der Kl. ist der Ansicht, dass im Unterschied zum Klageverfahren 10 K 4472/04 Kg nicht er, der Kl., die objektive Feststellungslast dafür trage, dass es sich bei den Kindern um seine leiblichen Kinder handele, sondern vielmehr die Bekl. das Gegenteil darlegen und nachweisen müsse. Ein DNA-Test sei - wie im Verfahren 10 K 4472/04 Kg - aufgrund des Aufenthaltes der Kinder in Kamerun nicht durchführbar.

Er, der Kl. habe die Ausreise der Kinder nach Kamerun veranlasst, da ihm sein Vater als Familienoberhaupt eine Blutprobenentnahme untersagt habe. Hierzu verweist er auf ein Schreiben des Vaters vom 05.08.2004, dessen deutsche Übersetzung er in Kopie vorlegt. Auf den Inhalt dieses Schreibens (Bl. 85 GA) wird verwiesen. Aus religiösen Gründen und aus Respekt vor seinem Vater habe er, der Kl., die Kinder nach Kamerun gebracht, um eine Blutprobenentnahme bei den Kindern zu verhindern. Eine Beweisvereitelung - insbesondere im Hinblick auf das zu jenem Zeitpunkt noch nicht anhängige vorliegende Klageverfahren - habe er mit der Ausreise der Kinder nicht bezweckt.

In der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2007 machte der Kl. hilfsweise für den Fall, dass er nicht als der leibliche Vater der Kinder angesehen werde, geltend, dass die Kinder bei ihm dann als Pflegekinder (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG) zu berücksichtigen seien. Ihm, dem Kl., sei durch Beschluss des Landgerichts Bafang, Kamerun, das Sorgerecht für beide Kinder übertragen worden. Er habe die Kinder in seinen Haushalt aufgenommen. Nach Scheidung von seiner deutschen Ehefrau, habe er eine neue Wohnung angemietet, in welcher er zusammen mit beiden Kindern gewohnt habe. Beide Kinder hätten in D die Schule besucht und beide hätten dort ihren Schulabschluss absolvieren sollen. Da die Kindesmutter in Kamerun gelebt habe, habe ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu ihr nicht mehr bestanden. Gleiches gelte für den in diesem Fall unbekannten leiblichen Vater der Kinder. Die Kinder seien insbesondere nicht zu Erwerbszwecken im Haushalt des Kl. aufgenommen worden.

Der Kl. beantragt sinngemäß,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 11.08.2006 in Gestalt der EE vom 26.09.2006 aufzuheben.

Die Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt die Bekl. an, dass der Kl. seine Vaterschaft nicht hinreichend nachgewiesen habe. Eine abschließende Klärung der Vaterschaftsfrage sei nur durch einen DNA-Test möglich. Der Kl. habe die Kinder nach Kamerun verbracht, um einem DNA-Test zu entgehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Beteiligten im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren betreffend die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide, Aktenzeichen 12 V 4312/06 Kg, sowie den Inhalt der beigezogenen Gerichtsakten zum Verfahren 10 K 4472/04 Kg verwiesen.

Der Senat hat in der Sache am 06.03.2007 und am 08.11.2007 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschriften wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Die Bekl. hat die Kindergeldfestsetzung zur Recht mit Bescheid vom 11.08.2006 in Gestalt der EE vom 28.09.2006 aufgehoben und das danach für den Zeitraum von Januar 2004 bis einschließlich Juni 2004 ohne Rechtsgrund gezahlte Kindergeld auch zu Recht zurückgefordert. Die Kinder sind beim Kl. weder nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG als leibliche Kinder noch nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Pflegekinder zu berücksichtigen.

1. Grundlage für den Aufhebungsbescheid vom 11.08.2006 war .

Gemäß § 31 Satz 3 EStG wird das Kindergeld als Steuervergütung gezahlt. Auf die Festsetzung einer Steuervergütung finden gemäß § 155 Abs. 4 AO die Vorschriften über die Steuerfestsetzung - also auch § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO - sinngemäß Anwendung. Auf § 70 Abs. 2 EStG konnte der Aufhebungsbescheid dagegen nicht gestützt werden. § 70 Abs. 2 EStG erfasst nicht Sachverhalte, in denen nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für eine Kindergeldgewährung von Beginn an nicht vorgelegen haben (vgl. BFH-Urteil vom 25.07.2001 VI R 18/99, BFHE 196, 260, BStBl. II 2002, 81).

Der Umstand, dass in dem Aufhebungsbescheid eine unzutreffende Änderungsnorm - § 70 Abs. 2 EStG anstelle von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO - genannt wurde, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides (vgl. BFH-Urteil vom 25.07.2001 VI R 18/99, BFHE 196, 260, BStBl. II 2002, 81).

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO waren nach den Feststellungen des Senats gegeben. Nach dieser Vorschrift sind Bescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer bzw. einer geringeren Steuervergütung führen.

Die durch die Bekl. nach Ergehen des Bescheides vom 23.10.2003 über die Festsetzung von Kindergeld ab September 2003 gewonnenen Erkenntnisse sprechen gegen eine Vaterschaft des Kl und damit gegen das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für eine Kindergeldgewährung von Beginn an.

2. Nach §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist kindergeldberechtigt nur der leibliche Vater oder der Adoptivvater. Darüber, dass der Kl. nicht als Adoptivvater in Betracht kommt, besteht kein Streit.

Die der Bekl. im März 2004 sowie im Verlauf des Klageverfahrens zum Az. 10 K 4472/04 Kg zur Kenntnis gelangten Umstände sprechen gegen eine Vaterschaft des Kl.

Am 26.03.2004 hatte die deutsche Ehefrau des Kl. gegenüber der Bekl. erklärt, sie vermute, dass es sich bei den Kindern nicht um solche des Kl. handele. Hierzu hatte sie eine Ledigkeitsbescheinigung vom 09.02.2000 in französischer Sprache mit deutscher Übersetzung vorgelegt (Bl. 10 f. Kindergeldakte), wonach der Kl. ledig sei und für keine Kinder zu sorgen habe.

Nach einer der Bekl. vom Ordnungsamt der Stadt D erteilten Auskunft hatte der Kl. im Rahmen seines Einbürgerungsverfahrens nicht angegeben, Kinder in Kamerun zu haben. Zudem hatten Bekannte des Kl. gegenüber dem Ordnungsamt angegeben, dass es sich bei den Kindern um Schwestern oder um Cousinen handele.

Schließlich hatte der Kl. die Kinder wieder nach Kamerun gebracht, um diese einer Blutprobenentnahme zu entziehen. Die Ausländerbehörde der Stadt D hatte zuvor im August 2004 die Durchführung eines DNA-Tests zur Klärung der Vaterschaft des Kl. beantragt.

Aus diesem Verhalten des Kl. konnte die Bekl. bei Erlass des Aufhebungsbescheides vom 11.08.2006 den für den Kl. nachteiligen Schluss ziehen, dass er nicht der leibliche Vater der Kinder M und B ist, auch wenn die Vaterschaft des Kl. zum Zeitpunkt nicht als zur vollen Überzeugung der Behörde widerlegt angesehen werden konnte.

So kann die Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen bzw. Kindergeldberechtigten bei der Sachverhaltsaufklärung dann, wenn sie Tatsachen oder Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Kindergeldprätendenten betrifft, dazu führen, dass aus seinem Verhalten für ihn nachteilige Schlüsse gezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 15.02.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl. II 1989, 462). Dies gilt insbesondere für den sog. "Beweisvereitler" (Rechtsgedanke des § 444 ZPO i. V. m. § 155 FGO), welcher aus seinem Verhalten keinen Vorteil ziehen können soll (vgl. BFH-Urteil vom 15.02.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl. II 1989, 462).

Als der Kl. die Kinder M und B nach Kamerun brachte, um diese einer Blutentnahme zu entziehen, nachdem ein DNA-Test beantragt worden war, hat er damit dessen Durchführung bewusst vereitelt.

Den Kl. trafen aufgrund des Auslandbezuges des streitigen Sachverhaltes nach § 90 Abs. 2 AO erhöhte Mitwirkungspflichten bei der Sachverhaltsermittlung im Verwaltungsverfahren. Aus § 90 Abs. 2 AO folgt nach ständiger Rechtsprechung des BFH insbesondere die Pflicht des Steuerpflichtigen - hier: des Kindergeldprätendenten -, im Rahmen seiner rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten (§ 90 Abs. 2 Satz 2 AO) den Sachverhalt aufzuklären, Beweismittel zu beschaffen (§ 90 Abs. 2 Satz 1 AO) und ggf. Beweisvorsorge zu treffen (§ 90 Abs. 2 Satz 3 AO). Das Gegenteil hat der Kl. durch die Verbringung der Kinder nach Kamerun getan, womit er eine sichere Klärung der Vaterschaftsfrage vereitelt hat.

Die strittige Vaterschaft hätte mit der erforderlichen Sicherheit nur durch einen DNA-Test geklärt werden können.

Zur Durchführung des Testes war zudem nicht eine Blutprobenentnahme erforderlich. Vielmehr hätte zur Durchführung eines DNA-Tests u. a. eine Speichelentnahme ausgereicht. Die Blutprobenentnahme war auch nur hilfsweise für den Fall angeordnet worden, dass der Kl. bzw. die Kinder nicht freiwillig eine Speichelprobe abgeben würden. Die Abgabe einer Speichelprobe wäre dem Kl. und den Kindern auch zumutbar gewesen. Dass dem Kl. und den Kindern auch die Abgabe einer Speichelprobe aus religiösen Gründen verwehrt gewesen wäre, hat der Kl. nicht geltend gemacht. Zudem hat der Senat bereits Zweifel daran, dass dem Kl. die Abgabe einer Blutprobe aus religiösen Gründen unzumutbar gewesen wäre. Aus dem Inhalt der zur Glaubhaftmachung vorgelegten Übersetzung eines Schreibens des Vaters des Kl. vom 05.08.2004 (Bl. 85 GA) lassen sich die vom Kl. vorgebrachten religiösen Gründe nicht hinreichend eindeutig ableiten. Insoweit geht der Senat von einer nicht näher glaubhaft gemachten Schutzbehauptung des Kl. aus.

Dass der Kl. die Kinder nicht im Hinblick auf den klagebefangenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid, sondern im Hinblick auf den vom Ausländeramt D beantragten DNA-Test nach Kamerun verbracht hat, ist unerheblich. Die Beweisvereitlung des Kl. im ausländerrechtlichen Verfahren war gleichwohl ein wesentliches Indiz gegen die Vaterschaft des Kl. im kindergeldrechtlichen Verfahren.

Durch Vorlage der - lediglich in Kopie vorgelegten - Geburtsurkunden (Bl. 16 ff. der GA) konnte der Kl. auch nicht etwa den (Gegen-)Beweis seiner Vaterschaft führen. Die Tatsache der Zeugung der Kinder durch den Kl. bzw. dessen Vaterschaft ist von der Beweiswirkung der vorgelegten Urkunden nicht umfasst (vgl. zum Umfang der Beweiswirkung von Urkunden die §§ 415 bis 418 ZPO). Zudem lässt sich aus den vorgelegten Urkunden nicht zweifelsfrei erkennen, dass der dort genannte " " mit dem Kl. personenidentisch ist. Ein Geburtsdatum ist in den Urkunden nicht angegeben. Die Geburtsurkunden haben im Hinblick auf die strittige Vaterschaft des Kl. nicht mehr Gewicht als ein sonstiger Parteivortrag des Kl.

Gleiches gilt im Hinblick auf die in deutscher Übersetzung - in Kopie - vorgelegte Sorgerechtserklärung der Kindesmutter (Bl. 87 GA). Auch diese liefert keinen urkundlichen Beweis für die Vaterschaft des Kl.

Soweit sich der Kl. auf das Zeugnis des Großvaters und des Onkels der Kinder beruft, konnte der Senat aus zweierlei Gründen von einer Vernehmung absehen. Zum einen sind im Ausland ansässige Zeugen nach ständiger Rechtsprechung des BFH im finanzgerichtlichen Verfahren jedenfalls dann nicht vom Finanzgericht zu laden, sondern von den Beteiligten zum Termin vor dem Finanzgericht zu stellen, wenn es um die Aufklärung von Auslandssachverhalten - wie vorliegend der behaupteten Vaterschaft des Kl. durch Zeugung der Kinder in Kamerun - geht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 09.02.2001 II B 9/99, BFH/NV 2001, 933;vom 14. November 2003 VIII B 70/02, BFH/NV 2004, 513, m.w.N.;vom 19. Mai 2004 III B 23/03, [...];vom 6. Juni 2006 XI B 162/05, BFH/NV 2006, 1785).

Des Weiteren hat Kl. die Zeugen nicht zum maßgeblichen Beweisthema benannt, wenn er vorträgt, die Zeugen könnten bestätigen, dass er, der Kl., seit Geburt der Kinder "als deren Vater aufgetreten" sei. Selbst wenn die Zeugen dies zur Überzeugung des Senats aussagen sollten, wäre damit noch nicht bewiesen, dass es sich bei den Kindern auch um leibliche Kinder des Kl. handelt.

Allein der vom Kl. vereitelte DNA-Test wäre zur Beweisführung geeignet. Ein solcher ist jedoch nicht durchführbar, da der Kl. die Kinder nach Kamerun gebracht hat.

Dabei verkennt der Senat auch nicht, dass die Feststellungslast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO - darin ist dem Kl. zuzustimmen - grundsätzlich bei der Bekl. lag und liegt (vgl. nur von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler/ AO/FGO, § 173 Rn. 373). Eine Entscheidung nach Feststellungslastgrundsätzen ist allerdings grundsätzlich nur "ultima ratio" (vgl. BFH-Urteil vom 15.02.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl. II 1989, 462) und kommt im Streitfall nicht in Betracht.

Vorgreiflich ist die Frage, ob der Kl. als vermeintlicher Kindergeldberechtigter seinen Mitwirkungspflichten im Rahmen der Sachaufklärung hinreichend nachgekommen ist. Dies gilt in besonderem Maße für solche Tatsachen, welche - wie seine behauptete Vaterschaft - allein seiner Einflusssphäre zuzuordnen sind.

Kann ein Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt werden, weil der Kindergeldberechtigte seine Mitwirkungspflicht verletzt hat, so führt dies nicht zu einer Entscheidung nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast), sondern zu einer Begrenzung der Sachaufklärungspflicht und zu einer Minderung des Beweismaßes (vgl. BFH-Urteil vom 15.02.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl. II 1989, 462). Dies gilt im Streitfall nach dem zuvor Ausgeführten bereits deshalb, weil der Kl. die Durchführung eines DNA-Tests zur Klärung der strittigen Vaterschaft des Kl. endgültig vereitelt hat, indem er die Kinder M und B nach Kamerun gebracht hat. Dies muss sich der Kl. auch im vorliegenden Verfahren entgegen halten lassen. Seine Behauptung, er habe dies getan, da ihm und den Kindern die Abgabe einer Blutprobe aus religiösen Gründen verwehrt gewesen wäre, erweist sich als Schutzbehauptung. Einerseits ergibt sich aus dem vom Kl. mit Schriftsatz vom 02.02.2007 vorgelegten Schreiben vom 05.08.2004, welches mit "Das Haupt der Familie " überschrieben ist (Bl. 85 GA), nicht hinreichend konkret, dass dem Kl. eine Blutentnahme aus religiösen Gründen verwehrt gewesen wäre. Andererseits kann dem Einwand auch deshalb keine Bedeutung zukommen, da für einen DNA-Test bereits eine Speichelprobe ausgereicht hätte, was dem Kl. bekannt sein musste, da die Blutentnahme nur für den Fall angeordnet worden war, dass der Kl. und die Kinder nicht freiwillig eine Speichelprobe abgeben würden. Dass auch die Abgabe einer Speichelprobe dem Kl. aus religiösen Gründen verwehrt gewesen wäre, hat er selbst nicht behauptet.

Die vorgenannten, gegen eine Vaterschaft des Kl. sprechenden Tatsachen (Indizien) wurden der Bekl. auch erst nachträglich i. S. v. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bekannt.

Eine Tatsache wird nachträglich bekannt im Sinne der Vorschrift, wenn sie bei Erlass des Bescheides bereits vorhanden, der Behörde jedoch nicht bekannt war. Die Kindergeldfestsetzung erfolgte ursprünglich mit Bescheid vom 23.10.2003. Kenntnis von den Umständen, welche den Schluss auf eine fehlende Vaterschaft des Kl. zulassen, erlangte die Bekl. erst im März 2004 sowie im Verlauf des Klageverfahrens zum Az. 10 K 4472/04 Kg und damit erst nach Ergehen des Bescheides über die Festsetzung von Kindergeld ab September 2003.

3. Die Kinder konnten beim Kl. im Streitzeitraum auch nicht nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Pflegekinder berücksichtigt werden.

Anzuwenden ist § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2003 (StÄndG 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, 2645), da diese Fassung Rückwirkung für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle hat (§ 52 Abs. 40 Satz 1 EStG).

Ein Pflegekindschaftsverhältnis besteht nach der vorgenannten Vorschrift, wenn der Kindergeldprätendent mit den Kindern durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den (leiblichen) Eltern nicht mehr besteht.

Die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses scheitert bereits daran, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zwischen den beiden Kindern und ihrer in Kamerun verbliebenen Kindesmutter im Streitzeitraum (Januar bis Juni 2004) bereits in einem Maße zerrissen war, dass von einem Nichtfortbestehen des Obhuts- und Pflegeverhältnisses zur leiblichen Mutter gesprochen werden könnte.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss das familiäre Band zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern in einem viel stärkeren Maße zerrissen sein als bei einer bloßen räumlichen Trennung.

Ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern ist nach der Rechtsprechung des BFH erst dann nicht mehr anzunehmen, wenn das Kind im Wesentlichen nur noch von den Pflegeeltern betreut wird. Wann dieser Zustand erreicht ist, hängt von den Umständen des einzelnen Falls ab. Erforderlich ist dabei jedenfalls, dass zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern über einen längeren Zeitraum kein für die Wahrung des Obhuts- und Pflegeverhältnisses ausreichender Kontakt mehr bestanden hat.

Welche Kontakte das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern zu wahren geeignet sind, bestimmt sich ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalls. Je jünger das Kind ist, desto wichtiger ist die persönliche Anwesenheit der leiblichen Eltern. Bei fast volljährigen Kindern reicht es dagegen aus, dass sie noch in Verbindung mit den leiblichen Eltern stehen. Die räumliche Trennung allein genügt nicht, um das familiäre Band zu den leiblichen Eltern zu zerreißen. Vielmehr muss das Band zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern auf längere Dauer zerrissen sein. Bei noch nicht schulpflichtigen Kindern hat der BFH in der Regel einen Zeitraum von einem Jahr (Urteil vom 20. Januar 1995 III R 14/94, BFHE 177, 359, BStBl II 1995, 582), bei schulpflichtigen Kindern einen Zeitraum von zwei Jahren als maßgebend angesehen (BFH-Urteile vom 7. September 1995 III R 95/93, BFHE 179, 54, BStBl II 1996, 63;vom 20.07.2006 III R 44/05, BFH/NV 2007, 17). Diese Voraussetzungen sind im Streitzeitraum nicht erfüllt.

Der Kl. hatte die beiden Kinder Mitte September 2003 zu sich nach D geholt. Zuvor lebten sie bei ihrer Kindesmutter, Frau T, in Kamerun. Die räumliche Trennung zur Kindesmutter dauerte im letzten Monat des Streitzeitraumes (Juni 2004) gerade erst 10 Monate.

Diese Gesamtumstände genügen nicht, um von einer über einen längeren Zeitraum dauernden Unterbrechung des Obhuts- und Pflegeverhältnisses zur Mutter ausgehen zu können. Nach der typisierenden Betrachtung des BFH kann bei einem schulpflichtigen Kind regelmäßig erst dann von einem nicht mehr bestehenden Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern ausgegangen werden, wenn rein tatsächlich über einen längeren Zeitraum von in der Regel zwei Jahren keinerlei Kontakte mehr zu den leiblichen Eltern bestanden haben. Selbst wenn man - obwohl der Kl. dies nicht vorgetragen hat - zugunsten des Kl. davon ausginge, dass in dieser Zeit weder Besuchskontakte noch sonstige Kontakte - z. B. per Telefon, Brief, E-Mail etc. - zwischen den Kindern und der Kindesmutter stattfanden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das familiäre Band zur Kindesmutter in hinreichendem Maße zerrissen war. Dafür war der Zeitraum der Trennung zwischen den mit 13 Jahren bereits schulpflichtigen Kindern und ihrer Mutter im Streitzeitraum mit im letzten Streitmonat Juni 2004 10 Monaten noch zu kurz.

Besondere Umstände, die eine Ausnahme von der typisierenden Betrachtung im vorliegenden Fall notwendig machen würden, hat der anwaltlich vertretene Kl. - trotz Aufforderung hierzu durch gerichtliche Verfügung vom 21.03.2007 (Bl. 93 GA) - weder dargelegt noch sind solche Umstände aus den Akten ersichtlich. Dies geht zu Lasten des Kl. Insbesondere ist die vom Kl. geltend gemachte Übertragung des Erziehungs- und Sorgerechts durch die Kindesmutter auf ihn, den Kl., durch Erklärung vom 09.07.2003 gegenüber dem Landgericht Bafang, Kamerun, kein solcher Umstand. Ein bestehendes Personenfürsorgerecht indiziert zwar, dass diese auch tatsächlich durch den Berechtigten ausgeübt wird (Glanegger in Schmidt, § 32 Rn. 24). Allerdings ist mit Übertragung der Personensorge auf einen Dritten das familiäre Band zu den leiblichen Eltern nicht bereits zerrissen, wie es § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG nach der vorgenannten BFH-Rechtsprechung erfordert. Maßgeblich für die Frage, ob das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern noch besteht oder nicht mehr besteht, sind nicht die rechtlichen Verhältnisse, sondern die tatsächlichen Verhältnisse. Die vom Kl. dargelegten tatsächlichen Umstände stehen der Annahme eines im Streitzeitraum bereits begründeten Pflegekindschaftsverhältnisses entgegen.

4. Danach ist auch der Bescheid über die Rückforderung von im Zeitraum von Januar 2004 bis einschließlich Juni 2004 bezogenen Kindergeldes in Höhe von insgesamt 1.848 EUR rechtmäßig und die Klage auch insoweit unbegründet.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 37 Abs. 2 AO. Danach hat dann, wenn - wie im Streitfall - das Kindergeld als Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Hiernach hat der Kl., der das Kindergeld für die Monate Januar bis einschließlich Juni 2004 nach Lage der Akten zu Unrecht empfangen hatte, dieses an die Bekl. zurückzuzahlen. Hinsichtlich der Höhe (1.848,- EUR = 2 (2 Kinder) x 154,- EUR x 6 Monate) besteht kein Streit.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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