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Gericht: Finanzgericht Münster
Beschluss verkündet am 17.09.2009
Aktenzeichen: 12 V 2521/09 E
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
EStG § 4 Abs. 3
EStG § 7g
EStG § 52 Abs. 23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Vollziehung des Bescheids vom 15. Juni 2009 über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags i. H. v. 250 EUR wird bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch bzw. dessen anderweitiger Erledigung ausgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.

Die Beschwerde wird zugelassen, soweit die begehrte Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids vom 15. Juni 2009 abgelehnt wurde.

Gründe:

Die Antragsteller (Ast.) werden zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Die Antragstellerin (Astin.) ist als Zahnärztin freiberuflich tätig. Ihren Gewinn aus dieser Tätigkeit ermittelt sie nach § 4 Abs. 3 EStG als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben.

Die steuerlich beratene Astin. hatte in ihrer Gewinnermittlung für das Jahr 2005 eine Ansparrücklage i. H. v. 154.000 EUR gebildet. Die Wirtschaftsgüter waren bis zum Ablauf des Streitjahres 2007 nicht angeschafft worden.

In ihrer Gewinnermittlung für das Streitjahr 2007 berücksichtigte sie eine Auflösung der in 2005 gebildeten Rücklage i. H. v. 154.000 EUR. Den Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG alte Fassung (a. F.) setzte sie mit 17.427,16 EUR an. Zugleich bildete die Astin. in 2007 eine Ansparrücklage i. H. v. 154.000 EUR für acht konkret bezeichnete Wirtschaftsgüter unter Angabe der voraussichtlichen Anschaffungskosten der einzelnen Wirtschaftsgüter. Danach ergab sich ein zu Gewinn aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) i. H. v. 177.985,59 EUR.

Mit der am 30. April 2009 beim Antragsgegner (Ag.) eingegangenen ESt-Erklärung 2007 (Streitjahr) erklärte die Astin. den vorgenannten Gewinn als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 EStG).

Mit Anlage Unterhalt zur ESt-Erklärung 2007 machten die Ast. u. a. Unterhaltsaufwendungen für die in A lebende Mutter der Astin. i. H. v. 6.000 EUR als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG geltend. Nach den Angaben in der Anlage erfolgten die Zahlungen an die Mutter unbar durch Überweisungen. Überweisungsbelege waren der Steuererklärung ebenso wenig beigefügt wie eine Unterhaltserklärung der Mutter.

Mit Bescheid vom 15. Juni 2009 setzte der Ag. die ESt 2007 auf 123.634 EUR fest. Dabei erhöhte er den erklärten Gewinn aus selbständiger Arbeit um die Ansparrücklage i. H. v. 154.000 EUR auf 331.985 EUR. Ferner erkannte er die geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen für die Mutter i. H. v. 6.000 EUR nicht an.

Daneben setzte der Ag. einen Verspätungszuschlag nach § 152 AO i. H. v. 250 EUR fest. In der Begründung wies der Ag. darauf hin, dass der Verspätungszuschlag festgesetzt worden sei, weil die "Steuererklärung erst am 30.04.2009 eingegangen" sei.

Über den gegen die ESt-Festsetzung 2007 sowie die Festsetzung des Verspätungszuschlags gerichteten Einspruch der Ast. hat der Ag. noch nicht entschieden.

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Festsetzung der ESt sowie des Verspätungszuschlages lehnte der Ag. mit Schreiben vom 1. Juli 2009 ab.

Wegen der Nichtanerkennung der Ansparabschreibung verwies er auf das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 8. Mai 2009 - Az. IV C 6 - S 2139-b/07/10002 - BStBl. ; unter Randnummer 73 sei dort eindeutig geregelt, dass § 7g EStG n. F. auch bei Gewinnermittlern nach § 4 Abs. 3 EStG zwingend ab dem Jahr 2007 anzuwenden sei.

Im Hinblick auf die strittigen Unterhaltsaufwendungen verwies der Ag. auf das BMF-Schreiben vom 9. Februar 2006 - Az. IV C 4 - S 2285 - 5/06 -, BStBl. I 2006, 217. Danach seien zum Nachweis der Aufwendungen eine Unterhaltserklärung auf amtlichem Vordruck sowie "vollumfängliche Zahlungsnachweise" vorzulegen.

Eine Herabsetzung des Verspätungszuschlages komme aufgrund der wiederholten verspäteten Abgabe und der Höhe der Nachzahlung nicht in Betracht.

Hierauf haben die Ast. die Gewährung der AdV der mit Einspruch angefochtenen Festsetzungen durch das Finanzgericht Münster beantragt.

Zur Begründung machen sie im Wesentlichen geltend, dass § 7g EStG in der Fassung nach dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (BGBl. I., S. 1912) für Freiberufler, welche ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, erst ab dem Jahr 2008 anwendbar sei, da bei diesen der Gewinnermittlungszeitraum nicht das Wirtschaftsjahr i. S. v. § 4a EStG, sondern das Kalenderjahr sei, während der Wortlaut des § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG auf das "Wirtschaftsjahr" abstelle. Das Hessische Finanzgericht (Beschluss vom 4. Mai 2009 11 V 582/09, Jurisdokumentation) habe in einem gleichgelagerten Fall AdV gewährt.

Die Ast. beantragen sinngemäß,

die Vollziehung des ESt-Bescheids vom 15. Juni 2009 i. H. v. 63.778 EUR und die Vollziehung des Bescheids vom 15. Juni 2009 über die Festsetzung eines Verspätungszuschlag i. H. v. 250 EUR auszusetzen.

Der Ag. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Ag. verweist zur Begründung im Wesentlichen auf sein Schreiben vom 1. Juli 2009 über die Ablehnung einer AdV.

Der Ag. hat mit Schreiben 2. September 2009 eine ihm durch die Ast. übersandte Unterhaltserklärung für 2007 vorgelegt, auf welche verwiesen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der beigezogenen ESt-Akte des Ag. verwiesen.

Der Antrag ist ganz überwiegend unbegründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO soll auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheides neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Hinsichtlich des Prozessstoffes findet eine Beschränkung auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen sowie auf präsente Beweismittel statt. Weitergehende Sachverhaltsermittlung durch das Gericht sind nicht erforderlich (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21.12.1993 VIII B 107/93, BStBl. II 1994, 300 und vom 19.10.1988 V B 46/88, BFH/NV 1990, 54). Wie im Hauptsacheverfahren gelten auch im Verfahren der AdV grundsätzlich die Regeln über die objektive Feststellungslast mit der Folge, dass der Antragsteller entscheidungserhebliche Einwendungen im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten darlegen und ggf. glaubhaft machen muss (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. August 2004 V B 243/03, BFH/NV 2005, 255; vom 24. Mai 1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133 und vom 4. Juni 1996 VIII B 64/95, BFH/NV 1996, 895, m.w.N.).

1. ESt-Festsetzung 2007

Nach den vorgenannten Maßstäben bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ESt-Festsetzung 2007.

a. Anwendung des § 7g EStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl. I, S. 1912)

Der Umstand, dass das Hessische Finanzgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2009 (Az. 11 V 582/09, Jurisdokumentation) unter Hinweis auf Stimmen in der Literatur, ernstliche Zweifel hinsichtlich des zeitlichen Anwendungsbereichs von § 7g EStG n. F. geäußert hat, führt nicht zum Erfolg des AdV-Antrags insoweit.

Im Hinblick auf die strittige Rechtsfrage sprechen Wortlaut und Systematik des § 7g EStG n. F. sowie die Entstehungsgeschichte des § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG dafür, dass die Neufassung des § 7g EStG für Freiberufler - wie die Astin. - gilt, deren Gewinn-ermittlungszeitraum das Kalenderjahr ist (ebenso B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7g Anm. 2 "Zeitlicher Anwendungsbereich"; Brandis, in Blümich, § 7g Rn. 2 m. w. N.; Kulosa, in Schmidt, § 7g Rn. 2 EStG m. w. N.), so dass der Ansatz einer Ansparabschreibung nach §§ 7g Abs. 3 i. V. m. Abs. 6 EStG a. F. nicht mehr in Betracht kam.

Die Astin. konnte im Streitjahr 2007 auch nicht den Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG n.F. in Anspruch nehmen, da sie die Gewinngrenze i. H. v. 100.000 EUR nach § 7g Abs. 1 Nr. 1 c) EStG n. F. überschritten hat, so dass der Gewinn um die in der Gewinnermittlung angesetzte Ansparabschreibung i. H. v. 154.000 EUR zu erhöhen war.

Nach § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (a. a. O.) ist § 7g Abs. 1 bis 4 und 7 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 14. August 2007 (BGBl. I S. 1912) ist erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 17. August 2007 enden. "Wirtschaftsjahr" der Astin. i. S. v. § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 ist das Kalenderjahr 2007.

Der in § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG und in § 7g EStG n. F. verwendete Begriff "Wirtschaftsjahr" ist, da es sich bei § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG um die auf § 7g Abs. 1 EStG bezogene intertemporale Kollisionsnorm handelt, synchron auszulegen.

"Wirtschaftsjahr" i. S. v. § 7g Abs. 1 EStG ist der Gewinnermittlungszeitraum der dort aufgeführten Betriebe, welcher entweder das Wirtschaftsjahr i. S. v. § 4a EStG oder das Kalenderjahr ist. Wortlaut und Systematik des § 7g Abs. 1 EStG sprechen insoweit für ein vom Begriff des "Wirtschaftsjahrs" nach § 4a EStG abweichendes Verständnis in § 7g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (ebenso FG Münster-Beschluss vom 26. Februar 2009 13 V 215/09 E, EFG 2009, 1108).

So setzt die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags durch Gewerbebetriebe (§ 15 EStG), der selbständigen Arbeit (§ 18 EStG) dienende Betriebe oder Betriebe der Land- und Forstwirtschaft nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Artikel 1 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl. I, S. 1912) unter anderem voraus, dass die dort unter den Buchstaben a) bis c) genannten Größenkriterien erfüllt werden. Bei der Definition der maßgebenden Größenmerkmale wird der Begriff des "Wirtschaftsjahres" unterschiedslos für Gewerbetreibende und selbständig Tätige i. S. v. § 18 EStG verwendet, gleich ob diese ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG (Gewerbetreibende) bzw. § 4 Abs. 1 EStG (Selbständige i. S. v. § 18 EStG)) oder durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, so dass nicht der für Gewerbetreibende und Land- und Forstwirte geltende Wirtschaftsjahrbegriff der Ausnahmeregelung des § 4a Abs. 1 Satz 1 EStG gemeint sein kann.

Die Entstehung des § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG spricht ebenfalls dafür, dass der Gesetzgeber die Neuregelung zum Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG n. F. für beabsichtigte Investitionen kleiner und mittlerer Betriebe bereits im Streitjahr 2007 zur Anwendung bringen wollte, soweit der Gewinnermittlungszeitraum der Steuerpflichtigen nach dem Stichtag der Verkündung des Unternehmens-steuerreformgesetzes 2008 (17. August 2007) endete (vgl. Entwurf der Bundesregierung vom 18. Mai 2007, Bundestagsdrucksache (BT-Drs) 16/5377, S. 16; Empfehlungen des Finanzausschusses vom 30. April 2007, Bundesratsdrucksache (BR-Drs.) 220/1/07, S. 24; Stellungnahme des Bundesrates vom 11. Mai 2007, BR-Drs. 220/07, S. 16; Bericht des Finanzausschusses vom vom 24. Mai 2007, BT-Drs. 16/5491, S. 21; ebenso FG Münster-Beschluss vom 26. Februar 2009 13 V 215/09 E, EFG 2009, 1108).

Aufgrund der Verkündung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 im August 2007 (17. August 2007) ergibt sich aus einer Anwendung der Neufassung auf den Veranlagungszeitraum 2007 auch keine unzulässige Rückwirkung. Gründe dafür haben die Ast. selbst auch nicht geltend gemacht.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert.

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wird dabei zwischen der echten (retroaktiven) Rückwirkung und der unechten (retrospektiven) Rückwirkung bzw. zwischen der "Rückbewirkung von Rechtsfolgen" und der "tatbestandlichen Rückanknüpfung" differenziert (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284).

Eine echte Rückwirkung bzw. eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen eines Gesetzes liegt danach vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Wo das Gesetz dagegen nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt, liegt eine unechte Rückwirkung vor (BVerfG-Beschluss vom 31. Mai 1960 2 BvL 4/59, BVerfGE 11, 139, 145 f.; vgl. auch BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284).

Für die Annahme einer echten Rückwirkung fordert das BVerfG bei Steuergesetzen, dass die Steuer im Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes bereits entstanden ist (sog. Veranlagungszeitraum-Rechtsprechung, vgl. u.a. BVerfG-Beschlüsse vom 23. März 1971 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392, 401 f.; in BVerfGE 72, 200, 253).

Im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG ist es grundsätzlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber während eines Veranlagungszeitraums eine Bestimmung in Kraft setzt und zugleich bestimmt, dass sie mit Wirkung zu Beginn jenes Veranlagungszeitraums gelten soll. In der letztgenannten Situation darf das steuerbegründende oder -erhöhende Gesetz regelmäßig auch diejenigen Sachverhalte erfassen, die auf einer vor ihrem Inkrafttreten getätigten Disposition des Steuerpflichtigen beruhen (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2006 I R 69, 70/05, BFH/NV 2007, 616 unter Verweis auf die BFH-Beschlüsse vom 6. November 2002 XI R 42/01, BStBl II 2003, 257 und vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BStBl II 2004, 284).

Nach diesen Maßstäben bewirkt § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG allenfalls eine zulässige "unechte" Rückwirkung ("tatbestandliche Rückanknüpfung"). Denn es wird nur denjenigen Steuerpflichtigen die Möglichkeit genommen, die Ansparabschreibung nach altem Recht in Anspruch zu nehmen, deren Gewinnermittlungszeitraum nach der Verkündung im laufenden Kalenderjahr endete. Dies damit zu einem Zeitpunkt, an dem die ESt 2007 noch nicht entstanden war (vgl. § 36 Abs. 1 EStG).

b. Unterhaltsaufwendungen i. S. v. § 33a Abs. 1 EStG für die im Ausland lebende Mutter

Soweit die Ast. sich gegen die Nichtanerkennung der Unterhaltsaufwendungen wenden, ergeben sich ebenfalls keine ernsthaften Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit der ESt-Festsetzung. Insoweit haben sie die Zahlungen weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen AdV-Verfahren durch Überweisungsbelege glaubhaft gemacht. Dies geht zu ihren Lasten, da es sich um einen steuermindernden Umstand handelt.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.680 Euro im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG 2007). Die Voraussetzungen der Steuerermäßigung müssen im Einzelfall vom Steuerpflichtigen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 3. Juni 1987 III R 205/81, BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675 und vom 20.Januar 1978 VI R 193/74, BFHE 124, 508, BStBl II 1978, 338, m. w. N.).

Bei Unterhaltsleistungen von in der Bundesrepublik ansässigen Steuerpflichtigen an ihre Angehörigen im Heimatland geht es um Sachverhalte, die sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO beziehen. Gemäß § 90 Abs.2 AO sind die Beteiligten daher in besonderem Maße verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben nach den Sätzen 2 und 3 der vorgenannten Vorschrift alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und können sich auf die Nichtaufklärung oder Nichtbeschaffung von Beweismitteln nicht berufen, wenn sie sich nach der Lage des Falles bei der Gestaltung ihrer Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätten beschaffen oder einräumen lassen können (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 3. Juni 1987 III R 205/81, BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675, m. w. N.).

Zum Nachweis über die geleisteten Zahlungen sind grundsätzlich Überweisungsbelege zu erbringen, welche auf den Namen der unterstützen Person lauten und damit einen Geldabfluss beim Steuerpflichtigen und einen Mittelzufluss bei der unterstützten Person belegen (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1987 III R 205/81, BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675, m. w. N.).

Die steuerlich beratenen Ast. haben zur Glaubhaftmachung der Aufwendungen lediglich eine Unterhaltserklärung vorgelegt, nicht jedoch Zahlungsnachweise. Dies, obwohl sie vom Ag. bei Ablehnung einer AdV mit Schreiben vom 1. Juli 2009 u. a. auf die Notwendigkeit von Zahlungsnachweisen hingewiesen wurden. Die fehlende Glaubhaftmachung der Überweisungen der strittigen Unterhaltsaufwendungen gehen zu Lasten der Ast., die insoweit die objektive Feststellungslast tragen.

Anhaltspunkte, wonach eine sofortige Vollziehung eine unbillige Härte darstellt, haben die Ast. nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

2. Verspätungszuschlag

Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung bestehen allerdings im Hinblick auf den Verspätungszuschlag i. H. v. 250 EUR.

Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint (§ 152 Abs. 1 Satz 2 AO).

Bei der Bemessung des Verspätungszuschlags sind neben seinem Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung anzuhalten, die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs, die aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile, sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (§ 152 Abs. 2 Satz 2 AO).

Ob die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO vorliegen, ist von den Gerichten uneingeschränkt nachprüfbar.

Sind sie erfüllt, muss die zuständige Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob und inwieweit im Einzelfall ein Verspätungszuschlag festgesetzt wird. Diesen Teil der Entscheidung darf das FG gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechender Weise Gebrauch gemacht hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 2000 X R 56/98, BFHE 192, 213, BStBl II 2001, 60, unter II. 2. a., m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben ergeben sich nach Lage der Akten ernsthafte Zweifel, ob der Bekl. überhaupt ein Ermessen betätigt hat.

Eine Ermessensentscheidung der Verwaltung ist grundsätzlich im Erstbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung zu begründen (vgl. § 121 Abs.1, § 126 Abs.1 Nr.2 und Abs.2 AO); anderenfalls ist sie - abgesehen z. B. von Fällen einer Vorprägung des Ermessens - im Regelfall fehlerhaft (vgl. zum Haftungsbescheid: BFH-Urteile vom 29. September 1987 VII R 54/84, BFHE 151, 111, BStBl II 1988, 176).

Die Begründung im ESt-Bescheid 2007, welche allein auf die Überschreitung der Abgabefrist abstellt, lässt nicht erkennen, dass der Ag. die weiteren Gesichtspunkte i. S. v. § 152 Abs. 2 Satz 2 AO in seine Erwägungen einbezogen und Ermessens-erwägungen angestellt hat. Die Begründung deutet darauf hin, dass der zuständige Veranlagungsbeamte von einer gebundenen Entscheidung im Hinblick auf den Ansatz eines Verspätungszuschlages dem Grunde nach ausging. Insoweit bedarf es ergänzender Ausführungen des Ag. zur Ausübung des Ermessens im Hinblick auf die Entscheidung dem Grunde und der Höhe nach, welche in der Einspruchsentscheidung noch nachgeholt werden können.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Das Unterliegen des Ag. im Hinblick auf die AdV des Bescheids über die Festsetzung des Verspätungszuschlags fiel nicht ins Gewicht, da sich eine Obsiegenquote der Ast. von weniger als 1 v. H. ergab.

4.

Die Beschwerde wird nach § 128 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache im Hinblick auf die Frage des zeitlichen Anwendungsbereichs von § 7g Abs. 1 EStG i. V. m. § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG in der Fassung des Unternehmensteuergesetzes 2008 zugelassen. Die Beschwerde war im Hinblick auf die AdV der Festsetzung des Verspätungszuschlages hingegen mangels Vorliegen der Voraussetzungen nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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