Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 26.04.2005
Aktenzeichen: 13 K 323/01 L
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 40 b Abs. 1, 2
EStG § 40 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 26.04.2005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richterin am Finanzgericht ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtlicher Richter ...

im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Streitig ist die Möglichkeit der Pauschalierung der Lohnsteuer bei Beiträgen für eine Direktversicherung von Arbeitnehmern.

Die Klägerin regelte mit Wirkung vom 01.01.1996 die betriebliche Altersversorgung neu. Die Versorgungsordnung vom 02.05.1996 sah eine Zusatzversorgung durch Abschluss von Direktversicherungen bei der G. Lebensversicherung AG (nachfolgend kurz: G.) vor. Der Prämienbeitrag des Unternehmens sollte sich - gestaffelt nach Gehaltsgruppen - auf 2.100 DM bis 4.200 DM belaufen. Jeder Mitarbeiter sollte sich zusätzlich mit 20 % der Altersversorgungsaufwendungen beteiligen. Dieser "Eigenanteil" sollte im Wege des Gehaltsabzugs abgeführt werden. Ohne Eigenbeteiligung sollte der Anspruch auf eine Zusatzversorgung aus der Versorgungsordnung entfallen.

Die Klägerin schloss daraufhin mit der G. einen Gruppenversicherungsvertrag (Nr. ...). Die Gesamtjahresbeiträge sind darin nach Gehaltsgruppen getrennt aufgeführt unter Bezifferung eines "Arbeitgeberanteils" (nachfolgend: Beitragsanteil A) und eines 20%-igen "Arbeitnehmeranteils" (nachfolgend: Beitragsanteil B). Im Vertrag heißt es weiter, dass Versicherungsnehmer und Beitragsschuldner der Arbeitgeber sei. Auf die Versorgungsordnung vom 02.05.1996, den Gruppenversicherungsvertrag vom 06.05./19.05.1994 und den Nachtragsvertrag dazu vom 26.01./31.01.1996 wird Bezug genommen.

Aufgrund der Versorgungsregelungen ergaben sich Beitragszahlungen, die bezüglich einiger Arbeitnehmer den für die Durchschnittsberechnung nach § 40 b Abs. 2 Satz 2 EStG in den Streitjahren maßgeblichen Höchstbetrag von 4.200 DM überschritten, sofern der vom Arbeitgeber gezahlte Gesamtbeitrag (Summe aus Beitragsanteil A und B) zugrunde gelegt wird. Unter Abzug des Beitragsanteils B waren die Höchstbeträge nicht überschritten. Die Klägerin bezog auch diejenigen Arbeitnehmer in die Durchschnittsberechnung mit ein, für die ein solcher Gesamtbeitrag von über 4.200 DM gezahlt wurde.

Im Jahre 2000 fand bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, die Arbeitnehmer, für die ein Gesamtbeitrag von über 4.200 DM geleistet worden war, seien nicht in die Durchschnittsberechnung nach § 40 b Abs. 2 Satz 2 EStG einzubeziehen; soweit der Beitrag für diese Arbeitnehmer 3.408 DM überstieg, unterwarf der Prüfer ihn dem normalen Lohnsteuerabzug.

Die Klägerin beantragte eine Nachversteuerung mit einem Nettodurchschnittssteuersatz nach § 40 EStG. Über die vom Prüfer ermittelten Besteuerungsgrundlagen bestand Einigkeit.

Das Finanzamt erließ unter dem 05.09.2000 einen den Prüferfeststellungen entsprechenden Nachforderungsbescheid für den Zeitraum 01.01.1996 - 31.12.1999.

Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Auf den Prüfungsbericht vom 07.07.2000, den Nachforderungsbescheid vom 05.09.2000 und die Einspruchsentscheidung vom 13.12.2000 wird Bezug genommen.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Lohnsteuernachforderung.

Unstreitig handele es sich bei der von der Klägerin zu Gunsten ihrer Arbeitnehmer abgeschlossenen Versicherung um eine Gruppen-Direktversicherung im Sinne des § 40 b EStG. Schuldner der Versicherungsbeiträge gegenüber dem Versicherer sei der Arbeitgeber in seiner Eigenschaft als Versicherungsnehmer. Hieraus lasse sich jedoch entgegen der Rechtsansicht des Beklagten nicht der Schluss ziehen, dass Versicherungsbeiträge des Arbeitnehmers, die dieser aus eigenen Mitteln zusätzlich zu den Leistungen seines Arbeitgebers erbringe und zu denen er im Innenverhältnis zu seinem Arbeitgeber verpflichtet sei, im Hinblick auf die Pauschalierungsgrenze des § 40 b EStG als Aufwendungen des Arbeitgebers einzustufen seien. Die pauschale Lohnsteuer bemesse sich grundsätzlich nach den tatsächlichen Leistungen, die der Arbeitgeber im wirtschaftlichen Ergebnis für den einzelnen Arbeitnehmer erbringe. Zur Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitnehmer in die Durchschnittsberechnung mit einzubeziehen sei oder aus der Durchschnittsberechnung ausscheide, komme es daher darauf an, ob die vom Arbeitgeber für diesen Arbeitnehmer aufgewendeten Leistungen die Grenze vom 4.200 DM jährlich übersteigen, nicht aber darauf, ob der Arbeitgeberanteil und der Arbeitnehmeranteil zusammen mehr als 4.200 DM betragen würden. Wie unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut hervorgehe, beziehe sich die Pauschalierungsgrenze i. H. v. 3.408 DM bzw. von 4.200 DM bei Gruppendirektversicherungen nur auf Beiträge und Zuwendungen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer. Für die Anwendung von § 40 b EStG seien die Arbeitnehmerbeiträge, die zur Vereinfachung des Inkassos durch den Arbeitgeber abgeführt würden, nicht zu berücksichtigen. Die versicherungsvertragliche Vereinbarung, dass das Inkasso aus Vereinfachungsgründen durch den Arbeitgeber auch für den Arbeitnehmeranteil durchgeführt werde, ändere an der Bewertung nichts. Die jeweiligen Eigenanteile der Arbeitnehmer seien deshalb bei der Durchschnittsberechnung nach § 40 b Abs. 2 EStG nicht einzurechnen, sondern für die Beurteilung, ob ein Arbeitnehmer aus der Durchschnittsbesteuerung ausscheide, außer Ansatz zu lassen.

Die Klägerin beantragt,

den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid vom 05.09.2000 für die Jahre 1996 bis 1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.12.2000 folgendermaßen zu ändern:

 Lohnsteuervon ... DM um... DM auf ... DM
Solidaritätszuschlagvon ... DM um ... DM auf ... DM
ev. Kirchensteuervon ... DM um ... DM auf ... DM
rk. Kirchensteuervon ... DM um ... DM auf ... DM.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung vom 13.12.2000.

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Nachforderungsbescheid vom 05.09.2000 und die Einspruchsentscheidung vom 13.12.2000 sind rechtsmäßig.

Der Nachforderungsbescheid beruht auf § 40 Abs. 1 EStG. Auf Antrag der Klägerin war die Lohnsteuer mit einem - der Höhe nach unstreitigen - Pauschalsteuersatz zu ermitteln, da in einer größeren Zahl von Fällen Lohnsteuer nachzuerheben war. Die Nacherhebung war erforderlich, da die Klägerin als Arbeitgeberin die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten hatte. Sie hatte von der Pauschalierungsmöglichkeit nach § 40 b Abs. 1 EStG in einem zu großen Umfang Gebrauch gemacht.

Nach § 40 b EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer von den Beiträgen für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers mit einem Pauschsteuersatz von 20 % der Beiträge erheben. Dies gilt nach § 40 b Abs. 2 EStG in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung nicht, soweit die zu besteuernden Beiträge des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer 3.408 DM im Kalenderjahr übersteigen. Sind - wie im Streitfall - mehrere Arbeitnehmer gemeinsam in einem Direktversicherungsvertrag versichert, so gilt als Beitrag für den einzelnen Arbeitnehmer der Teilbetrag, der sich bei einer Aufteilung der gesamten Beiträge durch die Zahl der begünstigten Arbeitnehmer ergibt, wenn dieser Teilbetrag 3.408 DM nicht übersteigt; hierbei sind Arbeitnehmer, für die Beiträge von mehr als 4.200 DM im Kalenderjahr geleistet werden, nicht einzubeziehen.

Zu diesen nicht in die Durchschnittsberechnung einzubeziehenden Arbeitnehmern gehören im Streitfall diejenigen, für die die Klägerin einen Gesamtbeitrag (Summe aus Beitragsanteil A und B) von mehr als 4.200 DM im Jahr gezahlt hat. Denn auch der Beitragsanteil B stellt einen Beitrag im Sinne des § 40 b Abs. 2 Satz 2 EStG dar. Er ist ebenso wie der Beitragsanteil A ein Beitrag des Arbeitgebers für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers. Es handelt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um einen Eigenbeitrag des Arbeitnehmers.

Zwar kann auch der einzelne Arbeitnehmer eigene Beiträge zu einer Direktversicherung leisten, ohne dass diese für die Höchstgrenze des § 40 b Abs. 2 EStG Bedeutung haben. Ein Versicherungsbeitrag wird aber nicht bereits dadurch zum Arbeitnehmerbeitrag, dass der Arbeitnehmer wirtschaftlich durch die Zahlung belastet wird. Dies zeigt die - allgemein anerkannte - steuerliche Behandlung der Versicherungsbeiträge im Fall einer Barlohnumwandlung, bei der unter Herabsetzung eines geschuldeten Barlohns Versicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber geleistet werden. Auch solche Beiträge aus einer Barlohnumwandlung können nach § 40 b EStG begünstigte Arbeitgeberleistungen darstellen (vgl. R 129 Abs. 5 EStR, Drenseck in Schmidt, EStG, 24. Auflage, § 40 b Rz. 5 m. w. N.), obwohl sie - wirtschaftlich betrachtet - durch den Arbeitnehmer finanziert werden. Denn für die Qualifizierung einer Zahlung als Arbeitgeberbeitrag im Sinne des § 40 b EStG kommt es nicht darauf an, wer die Versicherungsbeiträge finanziert, d. h. wer durch sie wirtschaftlich belastet wird, sondern wer sie gegenüber der Versicherungsgesellschaft schuldet (vgl. FG München, Urteil vom 24.01.2002 8 K 1180/98, EFG 2002, 912; Freye, Gehaltsumwandlungen, Hamburg 2003, S. 29; Wagner in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 40 b Anm. 22; vgl. auch BFH-Urteil vom 08.03.1995 X R 80/91, BFHE 177, 375, BStBl II 1995, 637 zum Sonderausgabenabzug). Insoweit ist die versicherungsvertragliche Außenverpflichtung maßgeblich. Denn nur diese Verpflichtung bestimmt den Leistungsgrund der Zahlung und die Person des (Beitrags-) Leistenden. Das Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist für die Beurteilung des Rechtscharakters einer Zahlung an die Versicherungsgesellschaft demgegenüber unerheblich (vgl. Giloy in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 19 Rz. B 775).

Aus anderen Verfahren ist dem Senat bekannt, dass in manchen Unternehmen bezüglich der Arbeitnehmeranteile separate Verträge abgeschlossen werden, die die Arbeitnehmer zumindest als Beitragsschuldner ihres Anteils ausweisen, oder dass die Arbeitnehmer in Höhe ihres Arbeitnehmerbeitrags eine Schuldübernahme oder einen Schuldbeitritt erklären. Der Senat lässt dahinstehen, ob er der Auffassung des Finanzgerichts München (EFG 2002, 912) folgt, wonach pauschalierungsunschädliche Arbeitnehmerbeiträge voraussetzen, dass sie auf Grund einer -ausschließlich- eigenen rechtlichen Verpflichtung des Arbeitnehmers geleistet werden und schon eine Mitverpflichtung des Arbeitgebers der Annahme von Arbeitnehmerbeiträgen entgegensteht. Denn im Streitfall besteht - anders als in den erwähnten anderen Verfahren - gegenüber der Versicherungsgesellschaft ausschließlich eine Verpflichtung des Arbeitgebers und keine der Arbeitnehmer. Der Beitragsanteil B ist zwar im Versicherungsvertrag als "Arbeitnehmeranteil" erwähnt. Dies diente allerdings nur der Berechnung des Gesamtbeitrags. Denn als Versicherungsnehmer und als Beitragsschuldner für den Gesamtbeitrag ist ausschließlich die Klägerin als Arbeitgeberin bestimmt. Eine andere Auslegung lässt der eindeutige Wortlaut des Vertrages nicht zu; er wird auch von der Klägerin selbst nicht anders verstanden. Die vertraglichen Pflichten, insbesondere die Zahlungsverpflichtungen, treffen ausschließlich die Klägerin und qualifizieren die an die Versicherung geleisteten Zahlungen als ihre - aus dem Beitragsanteil A und B bestehende - Versicherungsbeiträge.

Sofern dieser Gesamtbeitrag der Klägerin für einen Arbeitnehmer den Betrag von 4.200 DM im Jahr überstiegen hat, war der entsprechende Arbeitnehmer nicht in die Durchschnittsberechnung des § 40 b Abs. 2 Satz 2 EStG einzubeziehen. Das Finanzamt hat dies dem Grunde nach und - unstreitig - der Höhe nach zutreffend im angefochtenen Nachforderungsbescheid berücksichtigt. Die Klage konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Da die Abgrenzung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen im Sinne des § 40 b EStG eine Vielzahl von Fällen betrifft und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, wird die Revision zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

Zurück