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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 24.05.1996
Aktenzeichen: 13 K 4024/94 E
Rechtsgebiete: EStG, SGB V


Vorschriften:

EStG § 33 Abs. 1
SGB V § 40 Abs. 1
SGB V § 40 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

13 K 4024/94 E

Einkommensteuer 1993

In dem Rechtsstreit

...

hat der 13. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 24. Mai 1996, an der teilgenommen haben:

1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht xxx

2. Richter am Finanzbericht xxx

3. Richter am Finanzgericht xxx

4. Ehrenamtliche Richterin xxx

5. Ehrenamtliche Richterin xxx

aufgrund mündlicher Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Einkommensteuer-Bescheides 1993 vom 22.04.1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.07.1994 wird die Einkommensteuer 1993 auf xxx festgesetzt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf xxx DM festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist der Abzug von Kuraufwendungen als außergewöhnliche Belastung.

Am 26.01.1993 beantragte der ledige Kläger bei der xxx Krankenkasse, Geschäftsstelle xxx, die Bewilligung einer ambulanten Kurmaßnahme für seinen Sohn xxx (geb. 04.07.1984) im Sinne des § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) in xxx. Die Krankenkasse bewilligte die ambulante Kurmaßnahme antragsgemäß am 24.02.1993. Danach übernahm die Krankenkasse die Kosten der vertragsbadeärztlichen Behandlung, der ärztlich verordneten Arznei- und Verbandmittel sowie Kurmittel und zahlte zur Abgeltung aller Kosten für Unterkunft und Verpflegung, Kurtaxe, Fahrtkosten usw. einen Zuschuß bis zu 15 DM für jeden nachgewiesenen Kurtag. Am 13.05.1993 bestätigte der Amtsarzt die dem Antrag des Klägers an die Krankenkasse beigefügten Angaben des Hausarztes. Der Sohn führte die Kurmaßnahme vom 31.07. bis 21.08.1993 während der Sommerferien durch. In dieser Zeit bewohnten der Kläger, sein Sohn und dessen Mutter eine Ferienwohnung in xxx. Die ärztliche Überwachung des Kurerfolgs fand unstreitig statt.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1993 machte der Kläger die Aufwendungen anläßlich der Kur seines Sohnes in Höhe von insgesamt xxx DM als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte ließ diesen Betrag bei der mit Bescheid vom 22.04.1994 durchgeführten Einkommensteuerveranlagung unberücksichtigt.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 25.07.1994 führte der Beklagte aus, grundsätzlich lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung der Aufwendungen für die Kurreise vor. Bei Kindern, die während der Kurmaßnahme privat untergebracht seien, sei aber zusätzlich eine vor Antritt der Kur erstellte amtsärztliche Bescheinigung vorzulegen, aus der sich ergebe, daß und warum der Kurerfolg auch bei einer Unterbringung außerhalb eines Kinderheimes gewährleistet sei (BFH-Urteil vom 12.06.1991 III R 102/89, BStBl. II 1991, 763). Dieser Nachweis fehle.

Mit der Klage macht der Kläger geltend, er habe sich vor Antritt der Kur bei dem Beklagten erkundigt, welche Voraussetzungen zur Anerkennung der Kosten als außergewöhnliche Belastung zu erfüllen seien. Dies sei auf dem Hintergrund geschehen, da bereits Kuraufenthalte zuvor stattgefunden hätten, die im nachhinein nach Schwierigkeiten steuerlich anerkannt worden seien. Der zuständige Sachbearbeiter habe den Kläger aufgeklärt, daß die Vorlage einer amtsärztlicher Bescheinigung erforderlich sei. Mit keinem Wort sei erwähnt worden, daß der Amtsarzt bei Unterbringung außerhalb eines Kinderheimes die Gewährleistung des Kurerfolges bescheinigen müsse. Bei Kenntnis der notwendigen zusätzlichen Bescheinigungen hätte der Amtsarzt, der die erforderliche Bescheinigung für den Sohn ausgestellt habe, auch diese Zusatzbescheinigung ausgestellt. Darüber hinaus gehe die Ansicht des Beklagten fehl, daß der Kurerfolg nur kontrollierbar sei, wenn das Kind in einem Kinderheim untergebracht werde. Vorliegend sei der Kurerfolg gewährleistet gewesen, da die ärztliche Überwachung am Kurort unzweifelhaft stattgefunden habe. Der Kurerfolg werde gegenüber der Unterbringung in einem Kinderheim nicht beeinträchtigt, weil er, der Kläger, als Vater anwesend gewesen sei. Seine Lebensgefährtin, die Kindesmutter, habe sie an zwei Wochenenden besucht.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Einkommensteuer-Bescheides 1993 vom 22.04.1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.07.1994 außergewöhnliche Belastungen in Höhe von insgesamt xxx DM (abzüglich der Eigenbelastung) zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, der Hinweis des Klägers auf eine Nachfrage bei dem zuständigen Sachbearbeiter führe zu keiner anderen Beurteilung, da es sich in keinem Falls um eine verbindliche Auskunft gehandelt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Antrag auf ambulante Kurmaßnahmen und das Bewilligungsschreiben der Krankenkasse, die Kostenbelege, die Einspruchsentscheidung sowie die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat am 24.05.1996 mündlich verhandelt. Auf die Niederschrift wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im wesentlichen begründet.

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG ermäßigt sich die Einkommensteuer, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Krankheitsbedingte Maßnahmen und die dadurch veranlaßten Aufwendungen sind regelmäßig aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig, soweit sie entweder der Heilung dienen oder den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglicher zu machen. Auch Aufwendungen für eine Kurreise sind als Krankheitskosten anzusehen, wenn die Reise zur Linderung oder Heilung nachweislich notwendig ist und eine andere Behandlung nicht oder kaum erfolgversprechend erscheine.

Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit ist es wegen der im allgemeinen schwierigen Abgrenzung zu Erholungsreisen und zur Vermeidung von Mißbräuchen regelmäßig erforderlich, daß der Steuerpflichtige ein vor Antritt der Kur ausgestelltes amtsärztliches oder vergleichbares Attest vorlegt und sich am Zielort einer unter ärztlicher Kontrolle stehenden Heilbehandlung unterzieht (zum ganzen vgl. nur BFH-Urteil vom 30.06.1995 III R 52/93, BStBl II 1995, 614).

Diese, von der Rechtsprechung zur Beurteilung der Notwendigkeit einer Kurreise entwickelten Kriterien sind im vorliegenden Fall erfüllt, wie auch zwischen den Beteiligten außer Streit ist. Denn das vor Reiseantritt ausgestellte amtsärztliche Attest bescheinigt dem Sohn des Klägers die Notwendigkeit einer ambulanten Rehabilitationskur nach § 40 Abs. 1 SGB V von 21 Tagen Dauer in xxx. Die badeärztliche Überwachung am Kurort ist erfolgt. Das Kind hat die erforderlichen Kuranwendungen erhalten.

2. Allein die Notwendigkeit einer Kurreise läßt aber nicht bereits den Schluß darauf zu, daß es sich bei dem streitigen Aufenthalt tatsächlich um eine Heilkur gehandelt hat. Diese Beurteilung setzt ferner voraus, daß die Reise nach ihrem Gesamtcharakter eine Kurreise und nicht ein Erholungsaufenthalt ist, der die Gesundheit letztlich auch fördern kann. Gegen die Annahme einer Heilkur kann insbesondere der äußere Ablauf der Reise sprechen, z.B., wenn die Reise normalerweise von Reisebüros für Erholungssuchende vermittelt wird oder wenn eine (erwachsene) kurbedürftige Person nicht in einer stationären Kureinrichtung untergebracht ist, sondern in einem Hotel oder Privatquartier. Nach dem BFH-Urteil in BStBl II 1991, 763 ist deshalb bei Kuren von Kindern entweder eine Unterbringung in einem Kinderheim oder zusätzlich eine vor Antritt der Kur erstellte amtsärztliche Bescheinigung erforderlich, daß und warum der Kurerfolg auch bei einer anderweitigen Unterbringung erreicht werden kann.

Im Gegensatz zum Beklagten sieht der Senat auch diese Voraussetzung als erfüllt an. Denn der Amtsarzt hat die Notwendigkeit einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme i.S. des § 40 Abs. 1 SGB V bescheinigt, nicht die einer stationären Behandlung nach § 40 Abs. 2 SGB V. Daraus ergibt sich zwingend, daß nach Auffassung des Amtsarztes die Unterbringung in einem Kinderheim zur Erreichung des Kurerfolgs nicht geboten war. Soweit der BFH in der genannten Entscheidung auch eine Bescheinigung verlangt, warum der Kurerfolg auch bei Unterbringung außerhalb eines Kinderheims gewährleistet ist, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Die Beantwortung dieser Frage liegt allein in der Kompetenz des Amtsarztes. Verneint er sie, darf er den Antrag auf ambulante Kur nicht befürworten. Für das Besteuerungsverfahren ist diese Frage ohne Aussagewert.

Der Senat verkennt hierbei nicht die Gestaltung der Kurreise - Unterbringung in einer Ferienwohnung, Wahl der Sommerferien als Reisezeit (vgl. Arndt in Kirchhof/Söhn, EStG, § 33 Rdnr. C 52 m.w.N.) -, die eine Ähnlichkeit zur Erholungsreise nahelegen könnte. Im Streitfall gebietet jedoch die bereits in den Vorjahren amtsärztlich attestierte Notwendigkeit einer Heilkur und der Umstand, daß ein Schüler zur Vermeidung schulischer Nachteile eine solche Kurreise am ehestens in der Ferienzeit absolvieren wird, die Anerkennung als Kurmaßnahme des Kindes. Der Senat hat zugunsten des Klägers auch berücksichtigt, daß die Kindesmutter sich lediglich an den Wochenenden besuchsweise in der Wohnung aufgehalten hat, also während der Kurzeit gerade kein üblicher Familienurlaub verbracht wurde. Hierbei geht der Senat von drei gemeinsam verbrachten Wochenenden aus. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, Frau xxx sei lediglich an zwei Wochenenden besuchsweise anwesend gewesen. Der Senat stützt seine Überzeugung aber auf die Verzehrbelege vom 01., 08. und 13.08.1993, nach denen zwei erwachsene Personen anwesend gewesen sein müssen. Daß die Kurtaxe über die gesamte Kurzeit für zwei erwachsene Personen gezahlt wurde, fällt für den Senat demgegenüber nicht ins Gewicht, da keine weiteren Belege die Anwesenheit der Kindesmutter außerhalb der Wochenenden dokumentieren.

3. Der Höhe nach kann die Klage allerdings keinen vollen Erfolg haben.

Abzugsfähig sind nur die notwendigen und belegmäßig nachgewiesenen Kosten für den Sohn des Klägers und den Kläger als Begleitperson. Für die Notwendigkeit einer Begleitperson fehlt zwar eine ärztliche Bescheinigung. Sie ergibt sich aber zwingend aus dem Umstand, daß kurbedürftige Person ein neunjähriges Kind ist, das notwendig der Begleitung eines Erwachsenen bedarf (vgl. BFH-Urteil vom 13.03.1964 VI 231/63 U, BStBl III 1965, 331; Schmidt/Drenseck, EStG, 14. Aufl. 1995, § 33 Rdnr. 35 Stichwort "Heilkuren" (3)). Die Kosten für die Mutter als zweite Begleitperson dagegen sind nicht nach § 33 Abs. 1 EStG abzugsfähig. Dies hat eine Kürzung der Aufwendungen für die Kurtaxe für einen Erwachsenen um 2,50 DM täglich und für die geltend gemachten Verpflegungsaufwendungen zur Folge. Letztere schätzt der Senat mangels greifbarer Anhaltspunkte auf 100 DM je Wochenende, mithin insgesamt 300 DM. Der verbleibende Betrag der Verpflegungskosten erscheint insgesamt nicht unangemessen, so daß aus der fehlenden Beweiskraft der vorgelegten Kassenbons keine dem Kläger nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Der Kläger wird allerdings zukünftig für die Beschaffung ordnungsgemäßer Belege Sorge zu tragen haben. Kosten der An- und Abreise können maximal in Höhe der Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel angesetzt werden. Diese belaufen sich für einen Erwachsenen und ein Kind nach Auskunft der Deutschen Bahn AG hin und zurück auf insgesamt xxx DM bei Beförderung 1. Klasse. Einschließlich der Kosten für die Anreise zu den Bahnhöfen schätzt der Senat die Gesamtkosten auf xxx DM.

Nicht geltend gemacht werden können die Ausgaben für Ausflugsfahrten und Strandkorbmiete. Es handelt sich nicht um notwendige Kosten der Kur.

Die abzugsfähigen Aufwendungen und die Einkommensteuer 1993 ermitteln sich danach wie folgt:

 Übernachtung2.100,00 DM
Kurtaxe 21 Tagezu 1,80 DM (Sohn)
bzw.2,50 DM (Kläger) 90,30 DM
Eigenbeitrag Kuranwendungen35,70 DM
Fahrten zum Kurarzt18,72 DM
Fahrten zu den Kuranwendungen67,60 DM
Hin- und Rückfahrt zum Kurort250,00 DM
Verpflegung1.470,51 DM
./. Aufwendungen Frau xxx300,00 DM
./. Nichtabzugsfähige Kosten65,50 DM
./. Haushaltsersparnis (1/5)221,00DM 884,01 DM
Summe3.446,33 DM
Übrige außergewöhnliche Belastungen1.567,43 DM
./. Zumutbare Eigenbelastungxxx
(3 v.H. von xxx DM)xxx DM
Außergewöhnliche Belastungen insgesamtxxx DM
Zu versteuerndes Einkommen bisherxxx DM
Zu versteuerndes Einkommen laut Urteilxxx DM
Festzusetzende Einkommensteuerxxx DM

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz.

Die Revision wird wegen möglicher Divergenz zum BFH-Urteil in BStBl 11 1991, 763 zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.



Ende der Entscheidung

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