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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 14.11.2001
Aktenzeichen: 13 K 5372/99 E
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 10 Abs 1 Nr 7
AO 1977 § 90
AO 1977 § 121
AO 1977 § 125
AO 1977 § 127
AO 1977 § 129
AO 1977 § 150 Abs 2
AO 1977 § 173 Abs 1
AO 1977 § 173 Abs 1 Nr 2
AO 1977 § 355
EStG § 10 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES hat der 13. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 14.11.2001, an der teilgenommen haben:

im Verfahren gem. § 94a Finanzgerichtsordnung ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand

Streitig ist die Änderungsmöglichkeit des Einkommensteuerbescheides 1996 zur Berücksichtigung zusätzlicher Sonderausgaben.

Der Kläger studierte in der Zeit von 1993 - 1997 Betriebswirtschaft. Während seines Studiums erzielte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb und nichtselbständiger Tätigkeit. In seiner Steuererklärung für das Jahr 1996 machte er Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung als Sonderausgaben geltend, indem er auf dem Mantelbogen der Einkommensteuererklärung in der hierfür vorgesehenen Zeile folgende Eintragung vornahm:

"BWL-Studium, Uni ... , Miet- und Fahrtkosten, Fachliteratur maximal 1.200".

Nähere Angaben zu den Aufwendungen im Einzelnen machte er nicht. Der Beklagte setzte bei der Einkommensteuerveranlagung 1996 den geltend gemachten Betrag von 1.200 DM als Sonderausgaben an. Der Einkommensteuerbescheid 1996 erging am 05.05.1998.

Am 26.05.1999 beantragte der Kläger die nachträgliche Änderung des Einkommensteuerbescheides 1996 dahingehend, Sonderausgaben i.H.v. 2.400 DM im Hinblick auf die Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung abzusetzen. Zur Begründung trug er vor, er habe im Rahmen der Einkommensteuererklärung den "maximalen Freibetrag" für Berufsausbildungskosten beantragt, der ihm aber nicht gewährt worden sei. Erst jetzt habe er erfahren, dass sich der "Freibetrag" im Jahr 1996 gegenüber den Vorjahren verdoppelt habe. Angaben dazu, dass und in welcher Höhe ihm tatsächlich höhere Aufwendungen entstanden sind, machte der Kläger nicht.

Den Änderungsantrag lehnte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) mit Bescheid vom 02.06.1999 ab. Zur Begründung führte er aus, dass der Einkommensteuerbescheid nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gemäß § 355 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) bestandskräftig geworden und eine Berichtigung des bestandskräftigen Bescheids mangels einer entsprechenden Korrekturvorschrift nicht möglich sei.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger erfolglos Einspruch ein. Auf die Einspruchsentscheidung vom 06.08.1999 wird Bezug genommen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger weiterhin die Änderung des Einkommensteuerbescheides 1996 dahingehend, dass gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) Sonderausgaben in Höhe von 2.400 DM als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem vorgerichtlichen Verfahren. Ergänzend trägt er vor, er habe Aufwendungen für seine Berufsausbildung im Bereich eines fünfstelligen Betrages gehabt, diese aber aus Vereinfachungsgründen in der Steuererklärung nicht im Einzelnen aufgeführt. Vielmehr habe er lediglich einen maximalen Betrag in Höhe von 1.200 DM geltend gemacht. Er ist der Auffassung, weder der ablehnende Bescheid vom 02.06.1999 noch die Einspruchsentscheidung vom 06.08.1999 enthielten die gemäß § 121 AO erforderliche Begründung.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Einspruchsentscheidung vom 06.08.1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 05.05.1998 dahingehend zu ändern, dass Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung in Höhe von 2.400,- DM als Sonderausgaben berücksichtigt werden,

hilfsweise dem Beklagten aufzuerlegen, den Ablehnungsbescheid nachvollziehbar zu begründen,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist sei der Einkommensteuerbescheid 1996 nicht mehr zu ändern, da keine der in der AO vorgesehenen Änderungsvorschriften eingreife. Weiterhin vertritt er die Meinung, dass zur Begründung des Ablehnungsbescheids und der Einspruchsentscheidung der Hinweis auf das Fehlen der Voraussetzungen der Änderungsvorschriften ausreiche. Dies gelte insbesondere, weil der Kläger auch auf Anfrage nicht vorgetragen habe, woraus er eine Änderungsmöglichkeit des Bescheides herleite.

Der Senat entscheidet im Verfahren gem. § 94a Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Ablehnungsbescheid vom 02.06.1999 und die Einspruchsentscheidung vom 06.08.1999 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 101 FGO).

1. Der Beklagte hat zu Recht die Möglichkeit einer Änderung des Einkommensteuerbescheides 1996 verneint.

Nach Verstreichen der Einspruchsfrist gem. § 355 AO sind Steuerbescheide, die nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind, nur noch unter den Voraussetzungen des § 129 AO und der §§ 172 - 177 AO korrigierbar.

Keine dieser Vorschriften greift ein.

a) Gem. § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit berichtigen.

Eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO ist die Folge unabsichtlicher, versehentlicher, unbewusster oder mechanischer Fehler, die nicht im Bereich des Überlegens, Denkens, Schlussfolgerns oder Urteilens liegen (z.B. BFH Urteil vom 22. August 1989 VIII R 110/86, BFH/NV 1990, 205; Tipke/Kruse, AO, § 129 Rz. 2). Dabei kann auch ein Fehler des Steuerpflichtigen zu einer offenbaren Unrichtigkeit führen. Die Berichtigungsmöglichkeit hat nach Wortlaut und Sinn des § 129 AO zwar nur ein Versehen des FA, nicht aber des Steuerpflichtigen im Auge (BFH Urteil vom 02. April 1987 IV R 255/84, BStBl. II 1987, 762 m.w.N.; Beschluss vom 04. Juli 2000 IV B 44/00, nicht amtlich veröffentlicht zitiert aus Juris; vgl. auch BT-Drucksache 7/4292 li.Sp. unten; Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 129 Rz. 9), jedoch findet § 129 AO auch Anwendung, wenn die Fehlerhaftigkeit von Angaben des Steuerpflichtigen für das FA ohne weiteres erkennbar gewesen wäre, das FA aber die offenbare Unrichtigkeit der Steuererklärung als eigene übernommen hat (BFH Urteil vom 02. April 1987 IV R 255/84 a.a.O.; Beschluss vom 04. Juli 2000 IV B 44/00 a.a.O.).

Hieran fehlt es im Streitfall, denn dem Kläger ist bei der Eintragung des Wertes von 1.200 DM kein offenbarer Fehler im Sinne eines Verschreibens oder Verrechnens unterlaufen. Er hat sich vielmehr hinsichtlich des Höchstbetrages der als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen geirrt. Ein solcher Rechtsirrtum, der dem Bereich des Denkens und Schlussfolgerns zuzuordnen ist, ist kein Fehler im Sinne des § 129 AO. Eine offenbare Unrichtigkeit, die der Sachbearbeiter des Beklagten hätte übernehmen können, liegt nicht vor.

b) Auch die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind nicht erfüllt.

Gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und außerdem den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

Es kann offen bleiben, ob im Streitfall ein nachträgliches Bekanntwerden einer Tatsache vorliegt. Zweifel hieran bestehen insofern, als der Kläger im vorgerichtlichen Verfahren lediglich die Gewährung des "Freibetrages" i.H.v. 2.400 DM beantragt, jedoch nicht vorgetragen hat, dass ihm tatsächlich höhere Aufwendungen als die vom Beklagten berücksichtigten 1.200 DM entstanden sind. Auch im gerichtlichen Verfahren hat er nur behauptet, dass er Aufwendungen in Höhe eines fünfstelligen Betrages getätigt habe. Eine genaue Bezeichnung der einzelnen Aufwendungen und Angaben zu deren Höhe erfolgten nicht.

Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass höhere Aufwendungen für seine Berufsausbildung nachträglich bekannt geworden sind, scheidet eine Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO jedenfalls deshalb aus, weil den Kläger ein grobes Verschulden an diesem nachträglichen Bekanntwerden trifft.

Grobes Verschulden umfasst Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Grob fahrlässig handelt der Steuerpflichtige, wenn er die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, in ungewöhnlichem Maße und nicht entschuldbarer Weise verletzt (Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 173 Rz. 76 m.w.N.). Ein grobes Verschulden kann vorliegen, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht unzureichend nachkommt, indem er z.B. unzutreffende oder unvollständige Erklärungen abgibt, denn der Steuerpflichtige hat gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 AO die Angaben in der Steuererklärung nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Um die Steuererklärung vollständig und wahrheitsgemäß abgeben zu können, muss er grundsätzlich das Erklärungsformular ggf. unter Hinzuziehung der amtlichen Anleitungen gewissenhaft durchlesen. Er handelt regelmäßig grob schuldhaft, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen ganz bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beachtet. Beruht allerdings das Unterlassen einer Erklärung allein auf mangelnden steuerrechtlichen Kenntnissen eines Steuerpflichtigen ohne einschlägige Ausbildung, kann dies regelmäßig nicht zum Vorwurf grober Fahrlässigkeit führen (vgl. BFH Urteil vom 10. August 1988 IX R 219/84, BStBl. II 1989, 131 m.w.N.; vom 21. Juli 1989 III R 303/84; BStBl. II 1989, 960).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat der Kläger grob fahrlässig gehandelt, als er bei seiner Steuererklärung nur pauschal den Betrag von 1.200 DM geltend gemacht und keine vollständige Aufstellung über die ihm entstandenen Aufwendungen beigefügt hat. Denn gem. § 90 AO ist er verpflichtet, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, indem er die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig offen legt und ihm bekannte Beweismittel angibt. Hiernach war der Kläger verpflichtet, die ihm entstandenen Aufwendungen im Einzelnen aufzuführen und zu belegen. Er unterließ dies in der Annahme, dass es sich bei dem in § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG genannten Betrag um einen Freibetrag handele, dessen Höhe sich auf 1.200 DM belaufe. Diese Annahme war nicht nur hinsichtlich der Höhe unzutreffend (2.400 DM statt 1.200 DM bei auswärtiger Unterbringung). Vielmehr handelt es sich auch nicht um einen Freibetrag, der unabhängig davon, ob Aufwendungen entstanden sind oder nicht, von Amts wegen zu berücksichtigen ist, sondern um einen Höchstbetrag, bis zu dem tatsächlich entstandene Aufwendungen als Sonderausgaben abziehbar sind (Heinicke in Schmidt, EStG, Kommentar, 20. Auflage 2001 § 10 Rz.130).

Auch wenn dem Kläger hier aufgrund fehlerhafter steuerrechtlicher Kenntnisse ein Rechtsirrtum in zweifacher Hinsicht unterlaufen ist, lässt dies den Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht entfallen, denn bei gehöriger Sorgfalt hätte dieser Irrtum vermieden werden können. Weder der Erklärungsvordruck noch die amtliche Anleitung zur Einkommensteuererklärung enthalten einen Hinweis darauf, dass Kosten der eigenen Berufsausbildung im Rahmen eines Freibetrages berücksichtigt werden und daher nur ein begrenzter Betrag - pauschal - einzutragen ist. Es ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Aufwendungen nicht im Einzelnen aufgeführt werden müssen. Vielmehr ist aus dem Vordruck (Mantelbogen der Einkommensteuererklärung) eindeutig ersichtlich, dass in Zeile 79 der genaue Betrag der dem Steuerpflichtigen tatsächlich entstandenen Aufwendungen anzugeben ist. In der amtlichen Anleitung zur Einkommensteuererklärung wird zudem darauf hingewiesen, dass Einzelaufstellungen und Belege beizufügen sind. Darüber hinaus wird in den Anleitungen verständlich erläutert, dass es sich bei den Aufwendungen zur eigenen Berufsausbildung um einen Höchstbetrag handelt. Auf die Änderung der Höhe dieses Betrages wird zusätzlich durch eine auffällige Markierung am Rand hingewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht in der Lage war, die im Vordruck gestellte Frage sowie ihre Bedeutung zu erfassen, bestehen nicht. Vielmehr spricht der Umstand, dass der Kläger ein Betriebswirtschaftsstudium erfolgreich abgeschlossen hat, für einen hohen Ausbildungsstand, der ihn intellektuell in die Lage versetzte, den Steuererklärungspflichten in diesem überschaubaren Punkt ordnungsgemäß nachzukommen.

c) Die Voraussetzungen anderer Änderungsvorschriften liegen offensichtlich nicht vor.

d) Auch der Hinweis des Klägers, der Beklagte habe weder den Ablehnungsbescheid vom 02.06.1999 noch die Einspruchsentscheidung vom 06.08.1999 gem. § 121 Abs. 1 AO ordnungsgemäß begründet, verhilft der Klage nicht zum Erfolg.

Bei der in § 121 AO normierten Begründungspflicht handelt es sich um eine Vorschrift über die Form des Verwaltungsakts (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 121 Rz. 25, § 127 Rz. 9). Gem. § 127 AO kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.

Ob die Ausführungen des Beklagten in dem Ablehnungsbescheid und der Einspruchsentscheidung den Anforderungen des § 121 AO entsprechen, bedarf keiner Entscheidung. Zum einen leiden die Bescheide nicht an einem Mangel, der gem. § 125 AO zur Nichtigkeit führt. Zum anderen hätte in der Sache keine andere Entscheidung getroffen werden können. Wie unter a) bis c) ausgeführt, liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung oder Änderung des Einkommensteuerbescheids 1996 nicht vor.

2. Die Klage ist auch in ihrem Hilfsantrag unbegründet.

Die Begründung eines Verwaltungsakts ist weder selbständig anfechtbar noch kann sie selbständig eingeklagt werden (von Groll in Gräber, FGO, 4. Auflage, 1997, § 40 Rz. 73). Ein eigenständiger Anspruch auf eine ordnungsgemäße Begründung besteht nicht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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