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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 14.10.2008
Aktenzeichen: 14 K 2406/06 E
Rechtsgebiete: EStG i.d.F.d. AlteinkG, GG, BVerfGG
Vorschriften:
EStG i.d.F.d. AlteinkG vom 5. Juli 2004 § 22 Nr. 1 S. 1 | |
EStG i.d.F.d. AlteinkG vom 5. Juli 2004 § 22 Nr. 1 S. 3a | |
GG Art. 3 | |
GG Art. 100 Abs. 1 | |
BVerfGG § 80 Abs. 2 S. 1 |
Finanzgericht Münster
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Besteuerung der Renteneinkünfte des Klägers gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a des Einkommensteuersteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz - AltEinkG) vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427).
Der am 5. März 1931 geborene Kläger erzielte im Jahr 2005 (Streitjahr) Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb, Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen. Außerdem bezieht er seit dem 1. April 1996 eine Rente aus einer gesetzlichen Rentenversicherung. Die monatlichen Rentenzahlungen setzten sich im Streitjahr wie folgt zusammen:
bis 30. Juni 2005 | ab. 1. Juli 2005 | |
Rentenbetrag | 1.882,82 EUR | 1.882,82 EUR |
Zuschuss Krankenversicherung | 134,62 EUR | 125,21 EUR |
Auszuzahlender Betrag | 2.017,44 EUR | 2.008,03 EUR |
Der Kläger erzielte in der Zeit von Mai 1993 bis April 1996 als angestellter Wirtschaftsprüfer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; im Übrigen war er stets selbständig tätig. Er zahlte im Jahr 1972 für den Zeitraum Januar 1956 bis Dezember 1967 freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach. Insgesamt leistete er - einschließlich der Arbeitgeberanteile für den Zeitraum Mai 1993 bis März 1996 - bis zum 31. März 1996 Beiträge in Höhe von 291.111,00 DM. Ausweislich des Schreibens der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 8. März 2006 zahlte der Kläger in fünf Jahren Beiträge zur allgemeinen Rentenversicherung oberhalb des Höchstbeitrags. Wegen der vom Kläger geleisteten Beitragszahlungen wird auf das Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 8. März 2006 und die Beitragsbescheinigung vom 21. September 1973 Bezug genommen.
In seiner Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger Renteneinkünfte in Höhe von 24.143,00 EUR. Er beantragte, die Rente nach Maßgabe der sog. Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG lediglich in Höhe von 18 v.H. statt in Höhe von 50 v.H. zu besteuern.
Der Beklagte folgte diesem Antrag in dem Einkommensteuerbescheid 2005 vom 9. März 2006 nicht. Im Verfahren über den Einspruch gegen diesen Bescheid erließ der Beklagte am 18. April 2006 einen geänderten Einkommensteuerbescheid. Er qualifizierte die Zuschüsse zur Krankenversicherung nunmehr als steuerfreie Zahlungen und ermittelte den der Besteuerung zugrunde zu legenden Anteil der Renteneinkünfte in Höhe von 11.297,00 EUR. In gleicher Weise korrigierte er die Höhe der Renteneinkünfte der Ehefrau des Klägers. Im Übrigen blieb der Einspruch des Klägers und seiner Ehefrau ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2006).
Der Kläger bezog in den Jahren 1996 bis 2005 Rentenzahlungen in Höhe von insgesamt 438.911,00 DM. Der der Besteuerung unterworfene Ertrags- bzw. Besteuerungsanteil der Rentenzahlungen belief sich in diesem Zeitraum (ohne Berücksichtigung des Werbungskosten-Pauschbetrages) auf 128.665,00 DM, steuerfrei blieben 310.246,00 DM.
Seine Klage begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt:
Er sei als Freiberufler der gesetzlichen Rentenversicherung nach deren Öffnung für jedermann beigetreten und habe stets Höchstbeiträge geleistet. Anders als bei nichtselbständig Tätigen habe er sämtliche Beitragszahlungen selbst erbringen müssen. Daher sei der gesamte Beitrag zur Rentenversicherung aus seinem versteuerten Einkommen erbracht worden. Die nunmehr vorgesehene Besteuerung der Renten mit einem Anteil von 50 v.H. führe jedenfalls für Freiberufler offensichtlich zu einer Doppelbesteuerung. Dies sei nicht mit den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2002 (2 BvL 17/99, BStBl II 2002, 618) vereinbar. Vielmehr liege ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (GG) vor.
Ein Vergleich mit der Besteuerung des Jahres 1986 zeige, dass eine Doppelbesteuerung vorliege. An den Rentenbeiträgen hänge ein Steueranteil von 156,6 v.H. Zu diesem Steueranteil trete bei der Versteuerung der Rente mit 50 v.H. und einer höchsten Progression von 42 v.H. ein Steueranteil von 177,6 v.H. Nach Berücksichtigung von Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ergebe sich sogar noch ein deutlich höherer Wert. Wegen der Einzelheiten der Berechnung des Klägers wird auf seinen Schriftsatz vom 5. Juni 2006 (Blatt 1 ff der Finanzgerichtsakte) verwiesen.
Zudem ist der Kläger der Auffassung, dass ein zur Ermittlung einer Doppelbesteuerung durchgeführter Vergleich der Beitragszahlungen für die Jahre 1956 bis 1996 mit den in den Jahren 1996 bis 2005 mit dem Ertragsanteil besteuerten Rentenzahlungen sachgerecht nur nach Vornahme eines Inflationsausgleiches erfolgen könne. Wegen der Einzelheiten dieses Vortrages wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 4. September 2008 (Blatt 91 ff. der Finanzgerichtsakte) Bezug genommen.
Schließlich liege - so meint der Kläger - ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor. Der Gesetzgeber habe denjenigen Rentnern, die bereits vor dem Veranlagungszeitraum 2005 Alterseinkünfte aus der Rentenversicherung bezogen hätten, in § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG a.F. ausdrücklich zugesichert, dass die Rentenzahlungen "für die gesamte Dauer des Rentenbezuges" nur mit dem Ertragsanteil - in seinem Fall in Höhe von 27 v. H. - der Besteuerung zugrundegelegt würden. Der betroffene Personenkreis habe altersbedingt keine Möglichkeit gehabt, eine anderweitige Altersvorsorge zu betreiben.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 18. April 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2006 zu ändern und die Steuer unter Berücksichtigung eines Ertragsanteils der Renteneinkünfte von 27 v.H. niedriger festzusetzen,
hilfsweise,
das Verfahren gem. Art. 100 Grundgesetz auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungswidrigkeit der Rentenbesteuerung vorzulegen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung: Die Neuregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG sei verfassungsgemäß. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 6. März 2002 nicht definiert, wann eine Doppelbesteuerung vorliege. Der Gesetzgeber gehe zutreffend davon aus, dass eine doppelte Besteuerung nicht vorliege, wenn das Steuerrecht es ermögliche, dass Rentenzahlungen in einem Umfang steuerfrei zuflössen, der mindestens dem Umfang der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträgen entspreche.
Die Sachverständigenkommission habe umfangreiche Berechnungen angestellt, aus denen sich ergebe, dass eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung im Ergebnis nicht vorliege. Die Berechnungen stellten auf das zu versteuernde Einkommen ab. Die Tatsache, dass der Grundfreibetrag einen Teil des zu versteuernden Renteneinkommens zusätzlich steuerfrei stelle, sei nicht berücksichtigt, so dass die Berechnungen Vorsichtselemente enthielten.
Die in der gesetzlichen Regelung enthaltene Pauschalierung sei sachgerecht. Die für einzelne Extremfälle mögliche geringfügige rechnerische Doppelbesteuerung sei durch die Typisierungsermächtigung des Bundesverfassungsgerichtes gerechtfertigt.
Wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift vom 14. Oktober 2008 Bezug genommen.
II. Die Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Einkommensteuerbescheid verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Besteuerung der Renteneinkünfte entspricht der gesetzlichen Regelung. Eine Rechtsverletzung des Klägers durch eine Doppelbesteuerung oder einen Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz kann der Senat nicht feststellen.
Die Renteneinkünfte des Klägers sind sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 1, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG.
Gem. § 22 Nr. 1 EStG sind sonstige Einkünfte solche aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie - wie hier - nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 - 6 bezeichneten Einkunftsarten gehören. Zu den in dieser Vorschrift bezeichneten Einkünften gehören auch Leibrenten und andere Leistungen, die aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, den landwirtschaftlichen Alterskassen, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und aus Rentenversicherungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG erbracht werden, soweit sie jeweils der Besteuerung unterliegen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG).
Der Kläger hat im Streitjahr Leibrentenzahlungen aus einer gesetzlichen Rentenversicherung bezogen.
Der Beklagte hat den der Besteuerung zugrunde zu legenden Anteil der Renteneinkünfte nach Maßgabe des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zutreffend in Höhe von 11.297,00 EUR ermittelt.
Bemessungsgrundlage für den der Besteuerung unterliegenden Anteil ist der Jahresbetrag der Rente (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG). Der der Besteuerung unterliegende Anteil ist nach dem Jahr des Rentenbeginns und dem in diesem Jahr maßgebenden Vomhundertsatz aus der im Gesetz normierten Tabelle zu entnehmen. Diese sieht bei einem Rentenbeginn bis zum Jahr 2005 einen Besteuerungsanteil von 50 v.H. vor. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung zugrundeliegenden Anteil der Rente ist der steuerfreie Teil der Rente (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG).
Danach betragen im Streitfall der Jahresbetrag der Rente - nach Abzug der Zuschüsse zur Krankenversicherung - 22.593,84 EUR, der der Besteuerung zugrunde zu legende Anteil der Rente sowie der steuerfreie Teil der Rente jeweils 11.296,92 EUR (gerundet: 11.297,00 EUR). Der Beklagte hat von dem der Besteuerung zugrunde zu legenden Teil der Rente zutreffend den Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von 102,00 EUR (§ 9a Satz 1 Nr. 3 EStG) in Abzug gebracht (11.297,00 EUR - 102,00 EUR = 11.195,00 EUR) und den Gesamtbetrag der Einkünfte des Klägers unter Berücksichtung des Altersentlastungsbetrages in Höhe von 1.900,00 EUR (§ 24a EStG) ermittelt.
Die vom Kläger begehrte niedrigere Besteuerung der Renteneinkünfte lässt sich aus dem Gesetz nicht herleiten. Insbesondere die Voraussetzungen der sog. Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG liegen nicht vor.
Nach dieser Vorschrift unterliegen auf Antrag auch Leibrenten im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG der Besteuerung mit dem Ertragsanteil, soweit die Leibrenten auf bis zum 31. Dezember 2004 geleisteten Beiträgen beruhen, welche oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG). Der Steuerpflichtige muss jedoch nachweisen, dass der Betrag des Höchstbeitrags mindestens zehn Jahre überschritten wurde (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2, 2. Halbsatz EStG).
Der Kläger hat einen Nachweis dazu, dass der Betrag des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung mindestens zehn Jahre überschritten worden ist, nicht erbracht. Ausweislich der Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung Bund wurde der Betrag des Höchstbeitrags lediglich fünf Jahre überschritten.
Auch die freiwillige Nachzahlung von Beiträgen im Jahr 1972 für den Zeitraum 1956 bis 1967, die über den Höchstbeiträgen für diese Jahre liegt, führt zu keinem anderen Ergebnis.
Bei der Prüfung, ob nachgezahlte Beiträge die jährlichen Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung überschreiten, ist nach Auffassung des Senates der Zeitraum maßgeblich, in dem die Zahlungen erfolgen und nicht der Zeitraum, für den die Nachzahlungen erbracht werden. Die Finanzverwaltung teilt diese Auffassung (sogenanntes In - Prinzip: Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 30. Januar 2008, BStBl. I 2008, 390 unter Rdnr. 137; andere Auffassung: z. B. Risthaus in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 22 EStG Anm. 315).
Zwar regelt die Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG, die aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 28. April 2004 (Bundestags-Drucksache 15/2986) in das AltEinkG aufgenommen wurde, die Frage, welche Zeiträume bei der Nachzahlung von Beiträgen maßgeblich sind, nicht ausdrücklich. Auch die Begründung des Finanzausschusses vom 29. April 2004 (Bundestags-Drucksache 15/3004) enthält hierzu keine Aussage. Der Sinn und Zweck der Öffnungsklausel gebietet jedoch die Geltung des sog. In - Prinzips.
Im Gesetzgebungsverfahren zum AltEinkG hat der Bundesrat die Auffassung vertreten, dass durch die gesetzliche Regelung "ein Verbot der Zweifachbesteuerung bei bestimmten Personengruppen nicht sichergestellt" sei (Bundestags-Drucksache 15/2563, S. 8 - Anlage 2). Von einer Zweifachbesteuerung betroffen seien im Wesentlichen Selbständige, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert seien, Selbständige, die freiwillig in die gesetzliche Pflichtversicherung eingetreten seien, sowie Selbständige, die Beiträge an berufsständische Versorgungswerke erbringen. Im Gegensatz zu Arbeitnehmern hätten Selbständige Pflichtbeiträge zu einem wesentlichen Teil aus versteuertem Einkommen zu leisten, da für sie kein Arbeitgeberbeitrag entrichtet werde und sie damit nicht von der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 62 EStG profitierten. Der Sonderausgabenabzug für die geleisteten Beiträge sei zudem nur beschränkt möglich; der dieser Personengruppe zustehende Vorwegabzug habe sich in der Regel nur teilweise entlastend ausgewirkt. Von einzelnen berufsständischen Versorgungseinrichtungen sei bekannt, dass nach deren Satzung Pflichtbeiträge in Höhe der 2,5-fachen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erhoben würden. Dies habe zur Folge, dass in der Vergangenheit geleistete Beiträge in einem weitaus geringerem Umfang von der Einkommensteuer freigestellt gewesen seien, als dies in den Berechnungen für die Festlegung des vorgesehenen Besteuerungsanteils unterstellt worden sei. Daher dürfte ein Besteuerungsanteil von 50 v.H. für Rentenleistungen an die genannten Personen- bzw. Berufsgruppen deutlich zu hoch sein. Der Gesetzgeber wollte mit der Einfügung der sog. Öffnungsklausel der Befürchtung einer drohenden doppelten Besteuerung auch in außergewöhnlichen Fällen begegnen (Bundestags-Drucksache 15/3004, S. 20).
Die sog. Öffnungsklausel soll hiernach eine Doppelbesteuerung vermeiden, die dadurch entsteht, dass ein Steuerpflichtiger eine Altersrente als Einnahme bei den sonstigen Einkünften versteuern muss, obwohl er die allein vom ihm getragenen Beiträge, aufgrund derer er die Rente erhält, gerade wegen deren Höhe nicht bzw. nur eingeschränkt als Sonderausgaben abziehen durfte. Nach dem in § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG normierten Abflussprinzip kommt es für die Höhe des Sonderausgabenabzuges auf die in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum erbrachten tatsächlichen Zahlungen an. Dies gilt auch für die Nachzahlung von Beiträgen für bereits abgelaufene Jahre.
Hängt aber die Frage einer möglichen Doppelbesteuerung - unter anderem - maßgeblich von der Höhe der abzugsfähigen Sonderausgaben und der in jedem Jahr erbrachten Beitragszahlungen ab, ist es sachgerecht und geboten, für die Beantwortung der Frage, ob der Betrag des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung mehr als zehn Jahre überschritten worden ist, ebenfalls auf das Jahr der Zahlung der Beiträge abzustellen.
Auch der Verweis des Klägers auf eine Doppelbesteuerung seiner Renteneinkünfte rechtfertigt keine Erstreckung der sog. Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG auf den Streitfall. Weder eine analoge Anwendung noch eine verfassungskonforme Auslegung der sog. Öffnungsklausel kommen in Betracht.
Für eine analoge Anwendung der sog. Öffnungsklausel auf den Streitfall fehlt es bereits an einer planwidrigen Gesetzeslücke. Die sog. Öffnungsklausel wurde - wie dargelegt - in das Gesetz eingefügt, um den im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Bedenken bezüglich einer möglichen Doppelbesteuerung Rechnung zu tragen.
Eine verfassungskonforme Auslegung der Norm scheitert, weil der Senat nicht feststellen kann, dass die Rechte des Klägers infolge der Nichtanwendung der sog. Öffnungsklausel und damit der Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG durch eine doppelte Besteuerung der Renteneinkünfte verletzt sind.
Wann eine Doppelbesteuerung vorliegt, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 6. März 2002 (2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73) nicht definiert. Jedoch besteht - soweit ersichtlich - Einigkeit, dass eine Doppelbesteuerung dann vermieden wird, wenn die Summe der nicht steuerbaren Teile der Bruttorente die Summe der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge erreicht (vgl. Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen vom 11. März 2003, S. 13 - nachfolgend: Abschlussbericht, Bundestags-Drucksache 15/2150, S. 23; vgl. z.B. auch Stellungsnahme des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) vom 28. Januar 2004, S. 14, Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach Vor § 22 EStG Anm. J 04-6).
Der Senat teilt diese Auffassung. Hiernach ist eine Doppelbesteuerung der Renteneinkünfte des Klägers nicht erkennbar. Der Kläger hat im Streitfall für den Zeitraum 1956 bis 31. März 1996 Beitragszahlungen zur Rentenversicherung in Höhe von 291.111,00 DM erbracht. Darin enthalten sind auch die im Zeitraum Mai 1993 bis März 1996 gezahlten Arbeitgeberanteile. Ausweislich der vorliegenden Einkommensteuerbescheide sind der Besteuerung in den Jahren 1996 bis 2005 Renteneinkünfte in Höhe von insgesamt 438.911,00 DM zugrunde gelegt worden. Der bis 2005 der Besteuerung unterworfene Ertrags- bzw. Besteuerungsanteil beläuft sich (ohne Berücksichtigung des Werbungskosten-Pauschbetrages) auf insgesamt 128.665,00 DM. Steuerfrei geblieben sind demnach insgesamt 310.246,00 DM. Damit übersteigt die Summe der vom Kläger bis einschließlich 2005 bezogenen steuerfreien Teile der Rente die Summe der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge, und zwar selbst dann, wenn das Gericht zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass er sämtliche Beiträge aus versteuertem Einkommen erbracht hat.
Dem Einwand des Klägers, bei der Berechnung der erbrachten Beiträge sei ein Inflationsausgleich durchzuführen, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Anknüpfung an die Nominalwerte und damit die Erfassung inflationsbedingter Differenzen zwischen Auszahlungen und früheren Beitragsleistungen unterliegt nach Auffassung des Senates keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (so auch Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach EStG Vor § 22 Anm. J 04-2 m. w. N., BVerfG Beschluss vom 19. Dezember 1978, 1 BvR 335/76, 1 BvR 427/76, 1 BvR 811/76, BVerfGE 50, 57; BFH Urteil vom 5. Juni 2002 X R 1/00, BFH/NV 2002, 1438, BFH Beschluss vom 27. Juni 1996, VIII B 102/95, BFH/NV 1996, 921).
Der hiernach im Streitfall zutreffenden Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG steht schließlich entgegen der Auffassung des Klägers keine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes entgegen.
Eine Verletzung des aus dem Gebot der Rechtssicherheit folgenden Vertrauensgrundsatzes kommt - unter anderem - in Betracht, wenn der Bürger darauf vertrauen darf, dass seine Rechtsposition nicht nachträglich durch Vorschriften entwertet wird, die auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirken (sog. unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung; vgl. z.B. Grzeszick in Maunz/Dürig GG Art. 20 VII RdNr. 69 ff., Leiholz/Rinck GG Art. 20 RdNr. 1531 ff.; BFH Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BStBl II 2004, 284; siehe auch z.B. BVerfG Urteil vom 19. Dezember 1961 2 BvR 2/60, BVerfGE 13, 279, 283).
Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz fordert jedoch nicht, dem Bürger jede Enttäuschung zu ersparen. Vielmehr sind das Ausmaß des Vertrauensschadens und das gesetzgeberische Anliegen für das Wohl der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen (BVerfG Beschlüsse vom 11. Oktober 1962 1 BvL 22/57, BVerfGE 14, 288, 299 f.; vom 16. Oktober 1968 1 BvL 7/62, BVerfGE 24, 220, 230 f.). Änderungen eines in der Vergangenheit begründeten und noch bestehenden Rechtsverhältnisses für die Zukunft sind danach zulässig, wenn die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für die Allgemeinheit das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der bestehenden Rechtslage überwiegt (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 9. Juni 1975 1 BvR 2261, 2268/73, BVerfGE 40, 65, 75 f.; vom 23. Juni 1993 1 BvR 133/89, BVerfGE 89, 48, 66;vom 25. Mai 1993 1 BvR 1509, 1648/91, BVerfGE 88, 384, 406) oder wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen nicht überwiegt (vgl. BVerfG Beschluss vom 24. Mai 2001 1 BvL 4/96, BVerfGE 103, 392, 403, m. w. N.).
Die hiernach gebotene Interessenabwägung lässt eine verfassungswidrige Verletzung des Vertrauensgrundsatzes nicht erkennen. Vielmehr muss das Vertrauen des Klägers auf die Fortgeltung der Ertragsanteilsbesteuerung hinter das Allgemeininteresse an der Schaffung einer den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2002 (2 BvL 17/99, BStBl II 2002, 618) entsprechenden Neuregelung der Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen zurücktreten.
Dies folgt bereits daraus, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber in seiner Entscheidung vom 6. März 2002 (2 BvL 17/99, BStBl II 2002, 618) aufgegeben hat, mit Wirkung zum 1. Januar 2005 eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen, in der die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abgestimmt sind, dass eine doppelte Besteuerung "in jedem Fall" - d.h. auch in Bezug auf etwaige Übergangsregelungen - vermieden wird (so auch Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach Vor § 22 EStG Anm. J 04-3, Hey DRV 2004, 1 ff., aA Abschlussbericht S.13). Eine (generelle) Fortgeltung der Ertragsanteilsbesteuerung für Steuerpflichtige, die bereits vor dem 1. Januar 2005 Renten bezogen haben, hat das Bundesverfassungsgericht demgegenüber nicht angemahnt. Damit räumt es der Pflicht zur Beseitigung der als gleichheitswidrig erkannten unterschiedlichen Besteuerung der Beamtenpensionen gem. § 19 EStG und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG Vorrang ein gegenüber dem Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der bestehenden Rechtslage.
Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich aus dem Wortlaut des § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG a.F. kein besonderer, die Allgemeininteressen überwiegender Vertrauensschutz herleiten. Die Formulierung "für die gesamte Dauer des Rentenbezuges" lässt nicht erkennen, dass der Gesetzgeber allen Personen, deren Rentenbezugsrecht im zeitlichen Geltungsbereich der Altregelung begonnen hat, garantieren wollte, dass die Ertragsanteilsbesteuerung in der festgeschriebenen Höhe bis zum Ende des Rentenbezuges unverändert fortgilt. Dementsprechend begründen auch die bereits in der Vergangenheit vorgenommenen Neufestsetzungen der Ertragsanteile keinen Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz (vgl. BVerfG Beschluss vom 23. Oktober 1987 1 BvR 573/86, HFR 1988, 649 zur Neufestsetzung der Ertragsanteile für Leibrenten durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz vom 27. Dezember 1981 (BGBl I 1982, 1523); Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. August 1986 5 K 253/85).
Aus den dargelegten Gründen sieht sich der Senat trotz der mit Blick auf das Problem der Doppelbesteuerung bestehenden Zweifel an der Vereinbarkeit der gesetzlichen Regelungen mit Art. 3 GG (vgl. hierzu z.B. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach EStG Vor § 22 Anm. J 04-8, Hey DRV 2004, 2 ff; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. September 2007, 8 V 49/06, EFG 2008, 137; Hessisches Finanzgericht Beschluss vom 31. Januar 2007, 1 V 3571/06, [...]; FG Baden-Württemberg Urteil vom 20. Mai 2008, 1 K 43/08, [...], Az BFH VIII R 23/08, vgl. auch FG Schleswig-Holstein Urteil vom 23. April 2007, 3 K 148/05, EFG 2007, 1077, Az BFH X R 15/07; FG Münster Beschluss vom 28. Dezember 2007 12 V 726/07 E, StE 2008, 276; FG München Beschluss vom 8. Mai 2007, 9 V 181/07, [...], Brall/Bruno-Latocha/Lohmann, DRV 2004, 409 ff.) gehindert, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die Regelungen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG und des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
Gem. Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) ist eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht dann zulässig und geboten, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Neben der Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Norm ist mithin erforderlich, dass die Entscheidung des Streitfalles von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängig ist. Der Verfassungsverstoß muss also gerade die Beteiligten des Ausgangsverfahrens betreffen (vgl. z.B. BVerfG Beschluss vom 24. Januar 1984, 1 BvL 7/82, BVerfGE 66, 100, 105 ff.; BVerfG Beschluss vom 18. Juli 1984, 1 BvL 3/81, BVerfGE 67, 239, 244, Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 9. Auflage, 2007 Art. 100 RdNr. 12, a.A. Müller-Terpitz in Bleibtreu/Klein Grundgesetz, Art. 100 RdNr. 21; Sieckmann in Mangoldt/Klein Grundgesetz, Art. 100 RdNr. 33). Hieran fehlt es - wie dargelegt - im Streitfall. Die Renteneinkünfte des Klägers unterliegen keiner Doppelbesteuerung.
Aus diesem Grunde würde der Kläger von einer durch das Bundesverfassungsgericht angeordneten "Nachbesserung" bzw. Neuregelung der möglicherweise wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verfassungswidrigen Norm des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG nicht profitieren. Denn gleich wie die gesetzliche Nachbesserung/Neuregelung ausgestaltet sein mag, sie wird - hiervon ist der Senat überzeugt - sich nicht auf die Fälle erstrecken, in denen es nachweislich nicht zu einer Doppelbesteuerung kommt bzw. eine solche nicht feststellbar ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Ende der Entscheidung
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