Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 15.01.2008
Aktenzeichen: 14 K 5217/03 F
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4
EStG § 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

14 K 5217/03 F

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob Anteile an Kapitalgesellschaften, die ein Kommanditist gehalten hat, Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei der Personengesellschaft waren.

Der im Juli 2007 verstorbene I*** S*** (I.S.) war als Kommanditist mit einer Einlage in Höhe von 50.000 DM am Kapital der Beigeladenen beteiligt. Die Beigeladene wurde mit notariell beurkundetem Vertrag vom 08.08.1990 gegründet. Die Beigeladene hat ihren Sitz in X*** (L***straße). Dort befand sich auch der Ort der Geschäftsleitung. Persönlich haftende Gesellschafterin der Beigeladenen ist die S***GmbH (S*** GmbH), die am Vermögen der Beigeladenen nicht beteiligt ist. Die S*** GmbH, deren Anteile zu 100 v.H. I.S. hielt, nahm die Geschäftsführung der Beigeladenen wahr.

Gegenstand des Unternehmens der Beigeladenen war die Beteiligung und Verwaltung von verschiedenen Unternehmen, die in der Forschung, Entwicklung und Lösung von technischen Problemen im Bereich der Orthopädietechnik tätig waren sowie orthopädische Waren produzierten und vertrieben.

I.S. hielt noch Anteile an folgenden Kapitalgesellschaften, die er mit notariell beurkundeten Verträgen vom 29.09.1998 bzw. 27.11.1998 veräußerte:

T GmbH (T GmbH)

Bis zum 31.12.1990 waren die Klägerin zu 2.) zu 25 v.H. und I.S. zu 75 v.H. an dem Stammkapital der T*** GmbH beteiligt. Die Klägerin zu 2.) veräußerte ihren Anteil mit Vertrag vom 17.04.1991. Der Erwerber dieses Anteils wiederum übertrug diesen Anteil mit Vertrag vom 27.01.1997 mit Wirkung zum 01.01.1997 auf I.S. Dieser übertrug mit Vertrag vom 14.06.1997 zunächst einen Anteil von 25 v.H. auf U*** L*** (U.L.). Im Jahr 1998 veräußerte I.S. die restlichen Anteile von 75 v.H.

Die T*** GmbH wurde im Handelsregister beim Amtsgericht M*** (HRB yxyx) eingetragen. Ihr Geschäftsgegenstand war die Herstellung und der Vertrieb orthopädischer Heil- und Hilfsmittel einschließlich orthopädischer Schuhe sowie der Handel mit technischen Geräten und Textilien aller Art. Sie unterhielt in E*** (C***Str.) ein Ladenlokal.

In den Körperschaftsteuererklärungen gab die T*** GmbH an, ihre Geschäftsleitung habe sich in den Geschäftsräumen der Beigeladenen (L***straße in X***) befunden. I.S. war einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer und von der Beschränkung des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreit. Die T*** GmbH erteilte der Prokuristin der Beigeladenen, Frau Z*** (Z), Einzelprokura.

V GmbH (V GmbH)

I.S. übernahm mit Vertrag vom 07.03.1989 zunächst einen Anteil von 50 v.H. des Stammkapitals der V*** GmbH. Mit Vertrag vom 29.08.1989 übernahm er die restlichen 50 v.H. Einen Anteil von 25 v.H. übertrug er mit Vertrag vom 04.09.1993 auf U.L.

Der Sitz der V*** GmbH wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 04.09.1993 nach A*** verlegt. Die Gesellschaft wurde im Handelsregister beim Amtsgericht E***(HRB zwzw) eingetragen. In den Rechungsformularen benannte sie als Ort der Verwaltung die Geschäftsräume der Beigeladenen (L***straße in X***).

Ihr Geschäftsgegenstand war die Herstellung und der Vertrieb von orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln. Sie unterhielt eine orthopädische Werkstatt in A*** (J***Straße) und ein Sanitätshaus in H*** (M***Str.).

In den Körperschaftsteuererklärungen gab die V*** GmbH an, ihre Geschäftsleitung habe sich in den Geschäftsräumen der Beigeladenen (L***straße in X***) befunden. I.S. war ab dem Jahr 1989 einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer und von der Beschränkung des § 181 BGB befreit. U.L. wurde am 04.09.1993 zum weiteren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Die V*** GmbH erteilte der Prokuristin der Beigeladenen, Z, Einzelprokura.

M GmbH (M GmbH)

Die M*** GmbH wurde mit notariell beurkundetem Vertrag vom 21.06.1991 gegründet. An dem Stammkapital waren I.S. zu 75 v.H. und U.L. zu 25 v.H. beteiligt.

Der Sitz der Gesellschaft war E***. Die M*** GmbH wurde im Handelsregister beim Amtsgericht M*** (HRB xxx) eingetragen. Ihr Geschäftsgegenstand war die Herstellung und der Vertrieb von orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln sowie der Handel mit technischen Geräten und Textilien aller Art. Sie unterhielt ein Ladenlokal in E****** (W***straße).

In den Körperschaftsteuererklärungen gab die M*** GmbH an, ihre Geschäftsleitung habe sich in E*** und ihre Verwaltung in den Geschäftsräumen der Beigeladenen (L***straße in X***) befunden. Die M*** GmbH benannte in ihren Rechungsformularen als Ort der Verwaltung die Geschäftsräume der Beigeladenen (L***straße in X***).

I.S. wurde zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt und von der Beschränkung des § 181 BGB befreit. U.L. wurde am 04.09.1993 zum weiteren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Die M*** GmbH erteilte der Prokuristin der Beigeladenen, Z, Einzelprokura.

W GmbH (W GmbH)

Die W*** GmbH wurde mit notariell beurkundetem Vertrag vom 29.04.1993 gegründet. Vom Stammkapital entfielen Anteile von 75 v.H. auf I.S. und von 25 v.H. auf D*** W*** (D.W.). D.W. übertrug seinen Anteil mit Vertrag vom 14.07.1995 auf I.S.

Gegenstand des Unternehmens der W*** GmbH war die Herstellung und der Vertrieb orthopädischer Heil- und Hilfsmittel sowie der Handel mit technischen Geräten, Rehabilitationsmitteln und Textilien aller Art.

Die W*** GmbH bestellte I.S. zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer. D.W. durfte die W*** GmbH nur zusammen mit I.S. oder der Prokuristin der Beigeladenen, Z, der die W*** GmbH auch Prokura erteilte, vertreten. D.W. wurde als Geschäftsführer der W*** GmbH mit Wirkung vom 14.07.1995 abberufen.

S & D GmbH J (S & D GmbH J )

Die S*** & D*** GmbH J*** wurde mit notariell beurkundetem Vertrag vom 25.08.1988 gegründet. An dem Stammkapital der Gesellschaft waren I.S. zu 98 v.H. und M*** D*** (M.D.) zu 2 v.H. beteiligt. Mit Vertrag vom gleichen Tag verkaufte M.D. seinen Anteil an der in Gründung befindlichen S*** & D*** GmbH J*** an I.S.

Gegenstand der S*** & D*** GmbH J*** war die Herstellung und der Vertrieb von orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln einschließlich orthopädischer Schuhe sowie der Handel mit technischen Geräten, Krankenpflege- und Rehabilitationsmitteln, Textilien aller Art und der Betrieb einer orthopädischen Werkstatt.

Die S*** & D*** GmbH J*** hatte ihren Sitz in J***. In den Körperschaftsteuererklärungen gab die Kapitalgesellschaft an, ihre Geschäftsleitung habe sich in den Geschäftsräumen der Beigeladenen (L***straße in X***) befunden.

Die S*** & D*** GmbH J*** bestellte I.S. zum alleinigen Geschäftsführer.

S & D GmbH X (S & D GmbH X )

Die S*** & D*** GmbH X*** wurde mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27.05.1981 gegründet. I.S. und M.D. übernahmen jeweils einen Anteil von 50 v.H. an dem Stammkapital der Gesellschaft. Mit Vertrag vom 20.12.1991 übertrug M.D. einen Anteil von 25 v.H. an dem Stammkapital der S*** & D*** GmbH X*** auf I.S.

Gegenstand des Unternehmens war der Vertrieb von orthopädischen Waren einschließlich Schuhe, Textilien aller Art und der Betrieb einer orthopädischen Werkstatt.

Die S*** & D*** GmbH X*** hatte ihren Sitz in X***. In den Körperschaftsteuererklärungen gab sie an, ihre Geschäftsleitung habe sich in den Geschäftsräumen der Beigeladenen (L***straße in X***) befunden.

Zunächst wurden I.S. und M.D. als jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der S*** & D*** GmbH X*** bestellt. Die Geschäftsführungsaufgaben des M.D. wurden mit Änderungsvereinbarung vom 20.12.1990 auf den Betrieb der orthopädischen Werkstatt beschränkt.

Die T*** GmbH, V*** GmbH, M*** GmbH, W*** GmbH, S*** & D*** GmbH J*** und S*** & D*** GmbH X*** schlossen im Jahr 1990 mit der Beigeladenen jeweils zwei Verträge. In einem Vertrag verpflichtete sich die Beigeladene gegenüber den Kapitalgesellschaften zu folgenden ausdrücklich benannten Verwaltungsarbeiten:

Bevorratung des Warenbestands

Zentralsteuerung von Werbemaßnahmen

Kontieren und Buchen der Belege

Mitwirkung am Jahresabschluss

Erstellen und Auswerten von Statistiken

Lohnabrechnungen

Personalwesen

Für die Übernahme dieser Tätigkeiten erhielt die Beigeladene ein Entgelt in Höhe von 4 v.H. des Umsatzes der jeweiligen Kapitalgesellschaft.

Aufgrund eines weiteren Vertrags erledigte die Beigeladene für die Kapitalgesellschaften die Monatsabrechnungen gegenüber den Krankenkassen und die Abrechnungen gegenüber den Privatpatienten. Hierfür erhielt sie ein Entgelt von 2,5 v.H. des Umsatzes der jeweiligen Kapitalgesellschaft.

Die Verträge konnten von beiden Vertragspartnern mit einer Frist von 30 Tagen zum Monatsende gekündigt werden.

Am 29.09.1998 bzw. 27.11.1998 - jeweils an den Tagen, an denen die Verträge über die Verkäufe der Anteile des I.S. an den Kapitalgesellschaften notariell beurkundet wurden - schloss die Beigeladene mit den Kapitalgesellschaften neue Dienstleistungsverträge. Nach § 1 der Verträge erbrachte die Beigeladene für die einzelnen Kapitalgesellschaften insgesamt 16 konkret bezeichnete Dienstleistungen, die teilweise bereits Gegenstand der im Jahr 1990 abgeschlossenen Verträge waren. Teilweise wurde die bisherige Vertragsgestaltung modifiziert. So verpflichteten sich die Kapitalgesellschaften, Waren nunmehr ausschließlich unter Einschaltung und Vermittlung der Beigeladenen zu beschaffen (§ 1 Nr. 1 der Verträge). Als Vergütung für sämtliche Verwaltungsleistungen erhielt die Beigeladene nach § 2 der Verträge ein Entgelt von insgesamt 6,5 v.H. des Umsatzes der jeweiligen Kapitalgesellschaft. Dies setzte sich aus 4,0 v.H. für die in § 1 Nr. 1 bis 9 genannten Dienstleistungen und 2,5 v.H. für die in § 1 Nr. 10 bis 16 genannten Dienstleistungen zusammen. Die Laufzeit der Verträge betrug 15 Jahre und verlängerte sich um jeweils ein Jahr, wenn der Vertrag nicht mit einer Frist von zwölf Monaten zum Jahresende gekündigt wurde (§ 3 der Verträge).

Mit notariell beurkundeten Verträgen vom 29.09.1998 veräußerte I.S. zum 01.10.1998 seine Anteile an der W*** GmbH, S*** & D*** GmbH, J*** und S*** & D*** GmbH, X***, an M.D. Mit notariell beurkundeten Verträgen vom 27.11.1998 veräußerte er zum 31.12.1998 seine Anteile an der T*** GmbH, V*** GmbH und M*** GmbH an U.L. In den Kaufverträgen wurde unter anderem vereinbart, dass die jeweils an denselben Tagen zwischen den verschiedenen Kapitalgesellschaften und der Beigeladenen abgeschlossenen Dienstleistungsverträge übernommen werden.

Der Beklagte stellte die Einkünfte der Beigeladenen für die Streitjahre mit Bescheiden vom 14.08.1996 für 1995, 01.09.1997 für 1996, 02.09.1998 für 1997 und 17.11.1999 für 1998 einheitlich und gesondert fest. Dabei legte er mit Ausnahme von hier unstreitigen Änderungen bei der Feststellung für das Jahr 1996 die Angaben in den Feststellungserklärungen zugrunde. Die Bescheide ergingen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Das Finanzamt für Großbetriebsprüfung B*** begann am 08.05.2000 bei der Beigeladenen mit einer Betriebsprüfung. Der Prüfer gelangte zu der Auffassung, dass die Beteiligungen des I.S. an den Kapitalgesellschaften als Sonderbetriebsvermögen II des I.S. bei der Beigeladenen einzuordnen seien.

Die Beteiligungen des I.S. an den Kapitalgesellschaften seien objektiv geeignet gewesen, seiner Beteiligung an der Beigeladenen zu dienen. Die Beteiligung des I.S. an der Beigeladenen sei durch dessen Beteiligungen an den Kapitalgesellschaften gestärkt worden, weil letztere für den Betrieb der Beigeladenen vorteilhaft gewesen seien. Die wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Beigeladenen und den Kapitalgesellschaften sei aufgrund der hohen Bedeutung der bestehenden Geschäftsbeziehungen sehr eng gewesen.

Die Veräußerungen der Anteile an den Kapitalgesellschaften im Jahr 1998 führten nach diesen Prüfungsfeststellungen zu gewerblichen Einkünften aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens, die der Prüfer ausschließlich I.S. zurechnete. Von dem zwischen den Beteiligten unstreitigen Gesamtgewinn in Höhe von 4.886.959 DM entfiel damit ein gemäß §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt zu besteuernder Anteil von 450.000 DM auf die S*** & D*** GmbH.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Prüfungsfeststellungen wird auf den Bericht des Finanzamts für Großbetriebsprüfung B*** vom 21.12.2000 verwiesen.

Der Beklagte schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ am 21.02.2001 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Beigeladene für die Jahre 1995 bis 1998 (Streitjahre). Er erfasste die Beteiligungen an den verschiedenen Kapitalgesellschaften als Sonderbetriebsvermögen des I.S. im Rahmen seiner Beteiligung an der Beigeladenen. Die Gewinnausschüttungen der Kapitalgesellschaften in den Streitjahren erfasste er als Sonderbetriebseinnahmen des I.S. Für die im Jahr 1998 veräußerten Anteile an den Kapitalgesellschaften setzte er - der Höhe nach hier unstreitige - Veräußerungsgewinne an, die er I.S. allein zurechnete.

Gegen die geänderten Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen legte I.S. Einsprüche ein.

Während des Einspruchsverfahrens wies der Beklagte mit der Begründung auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung (§ 367 Abs. 2 AO) hin, in den geänderten Bescheiden sei die Vorschrift des § 15a EStG nicht zutreffend berücksichtigt worden.

In der Einspruchsentscheidung vom 12.09.2003 stellte der Beklagte die Einkünfte der Beigeladenen für das Jahr 1998 auf 4.783.679,45 DM fest. Er rechnete I.S. aus der Beteiligung an der Beigeladenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 4.773.288,06 DM zu. Außerdem stellte er unter Berücksichtigung des § 15a EStG bei der Veranlagung von I.S. steuerpflichtige laufende Einkünfte von 4.954.680,68 DM und tarifbegünstigte Einkünfte von 412.500 DM fest. Im Übrigen wies er die Einsprüche als unbegründet zurück.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 12.09.2003 verwiesen.

Hiernach ist Klage erhoben worden, die im Wesentlichen wie folgt begründet wird: Die Geschäftsanteile des I.S. an den Kapitalgesellschaften seien nicht im Sonderbetriebsvermögen II des I.S. bei der Beigeladenen zu erfassen.

Die Anteile an den Kapitalgesellschaften hätten nicht unmittelbar dem Betrieb der Beigeladenen gedient, weil die Kapitalgesellschaften in erheblichem Umfang anderweitig als die Beigeladene tätig gewesen seien.

Der Geschäftsgegenstand der Kapitalgesellschaften sei der Vertrieb von orthopädischen Produkten an Endverbraucher einschließlich der dazugehörigen Beratung gewesen. Die Kunden der Kapitalgesellschaften hätten keine Geschäftsbeziehungen mit der Beigeladenen unterhalten. Die Kapitalgesellschaften hätten als eigenständige Produktionsgesellschaften lediglich ihre Waren von der Beigeladenen bezogen und an diese einige Verwaltungsarbeiten ausgegliedert. I.S. habe im Einvernehmen mit den Kapitalgesellschaften mit der Gründung der Beigeladenen die Bündelung der Einkäufe für die verschiedenen Kapitalgesellschaften bezweckt. Die übrigen von der Beigeladenen übernommenen Verwaltungstätigkeiten hätten für die Kapitalgesellschaften die Bedeutung von untergeordneten Hilfsfunktionen. Dies bestätige ein Vergleich der Gewinne und Umsätze der verschiedenen Gesellschaften. Die Gewinne der Kapitalgesellschaften überstiegen die Gewinne der Beigeladenen um ein Vielfaches.

Die Kapitalgesellschaften hätten ihre jeweiligen Sitze in den Orten, in denen sie eigene Geschäftslokale, Werkstätten und Lager unterhielten. Dort seien die für die einzelnen Kapitalgesellschaften maßgeblichen unternehmerischen Entscheidungen getroffen worden.

Zwar befänden sich auf den Briefbögen der einzelnen Kapitalgesellschaften Hinweise, dass die Verwaltung in X*** (L***straße) liege. Die Beigeladene werde jedoch nicht namentlich benannt. Sie sei auch nicht in der Lage gewesen, die für die Kapitalgesellschaften maßgeblichen unternehmerischen Entscheidungen zu treffen.

Zudem ordneten sich die Interessen der Kapitalgesellschaften nicht den Interessen der Beigeladenen unter. Die vertragliche Bindung zwischen der Beigeladenen und den einzelnen Kapitalgesellschaften sei von der Gesellschafterstruktur in den Kapitalgesellschaften völlig unabhängig. Die Konditionen der Verträge zwischen den Gesellschaften seien marktüblich. Dies werde dadurch deutlich, dass in den in dem Jahr 1998 abgeschlossenen Dienstleistungsverträgen die bis dahin geltenden Konditionen nahezu unverändert beibehalten worden seien. Die in den neuen Verträgen vereinbarten Laufzeiten von mindestens 15 Jahren hätten im Interesse der einzelnen Kapitalgesellschaften gelegen. Sie hätten dadurch personalintensive Verwaltungsarbeit delegiert, um sich besser auf den Vertrieb konzentrieren zu können.

Im Übrigen verstieße der Erlass der geänderten Bescheide gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Finanzbehörden hätten durch die vorangegangenen Betriebsprüfungen, in denen die Beteiligungen des I.S. an den Kapitalgesellschaften nicht als Sonderbetriebsvermögen qualifiziert worden seien, einen Vertrauenstatbestand gesetzt. Hierauf habe die Beigeladene berechtigterweise vertraut. I.S. habe im Vertrauen hierauf angenommen, die Anteile hätten sich im Privatvermögen befunden. Nur aufgrund des ab dem Veranlagungszeitraum 1999 geltenden höheren Steuersatzes gemäß §§ 17, 34 EStG habe er die Anteile veräußert.

Die Klägerinnen beantragen,

die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Kalenderjahre 1995 bis 1998 vom 21.02.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.09.2003 dahingehend zu ändern, dass die von I.S. im Jahre 1998 verkauften GmbH-Geschäftsanteile an verschiedenen Gesellschaften mit beschränkter Haftung nicht als steuerliches Betriebs- oder Sonderbetriebsvermögen bei der Firma S*** GmbH & Co. KG behandelt werden,

hilfsweise,

für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt zur Begründung aus: Die Beteiligungen des I.S. an den Kapitalgesellschaften hätten der Beteiligung des I.S. als Gesellschafter an der Beigeladenen gedient. Sie seien für die Beigeladene wirtschaftlich vorteilhaft gewesen.

Die Beigeladene habe im Wesentlichen nur Geschäftsbeziehungen zu den Kapitalgesellschaften unterhalten, die I.S. durch seine Beteiligungen am Stammkapital beherrscht habe. Zudem habe I.S. durch die Einräumung von Gesamt- oder Einzelvertretungsberechtigungen eine einheitliche Geschäftsführung sichergestellt. In Einzelfällen sei der Prokuristin der Beigeladenen Prokura für Kapitalgesellschaften erteilt worden.

Im Jahr 1996 habe die Beigeladene ihren gesamten Umsatz faktisch mit den von I.S. beherrschten Unternehmen erzielt. In den Jahren 1997 und 1998 habe sie lediglich einen Anteil von 4,1 v.H. bzw. 2,7 v.H. ihres Umsatzes mit fremden Unternehmen erwirtschaftet. Das Fehlen von Geschäftsbeziehungen zu fremden Unternehmen und die kurzen Kündigungsfristen von 30 Tagen in den ursprünglichen Verträgen verdeutlichten die wirtschaftliche Abhängigkeit der Beigeladenen von den Kapitalgesellschaften. Die im Jahr 1998 abgeschlossenen Dienstleistungsverträge dokumentierten die wesentliche wirtschaftliche Bedeutung der Kapitalgesellschaften für die Beigeladene. Der in zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung der Anteile an den Kapitalgesellschaften durch I.S. stehende Abschluss der Dienstleistungsverträge sichere der Beigeladenen die wirtschaftliche Existenz, da in den Verträgen eine Laufzeit von mindestens 15 Jahren vereinbart worden sei. Die lange Laufzeit sei erforderlich geworden, weil im Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge bereits entschieden gewesen sei, dass I.S. durch die Veräußerung seiner Anteile seine beherrschenden Stellungen in den Kapitalgesellschaften aufgeben werde.

Dem Erlass der geänderten Feststellungsbescheide stehe der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen. Die Finanzbehörden hätten sich im Hinblick auf die Zuordnung der Anteile an den Kapitalgesellschaften nicht treuwidrig verhalten. Die vorangegangenen Betriebsprüfungen hätten nicht geprüft, ob die Anteile an den Kapitalgesellschaften im Sonderbetriebsvermögen zu erfassen gewesen seien. Diese Problematik sei für die vorangegangenen Betriebsprüfungen zudem nicht offensichtlich erkennbar gewesen. Nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung seien die Finanzbehörden verpflichtet, bei jeder Veranlagung den Sachverhalt erneut rechtlich zu würdigen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Das Amtsgericht B*** hat mit Beschluss vom 23.07.2004 (xxxx IN yyyy/04) in einem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Beigeladenen zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse und zur Aufklärung des Sachverhalts einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden und der Einspruchsentscheidung vom 12.09.2003 zu Recht die laufenden Einkünfte im Zusammenhang mit den Anteilen des I.S. an den Kapitalgesellschaften sowie die Gewinne aus den Veräußerungen dieser Anteile als Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt und I.S. zugerechnet.

Die Einnahmen und Ausgaben, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Beteiligungen des I.S. an den Kapitalgesellschaften stehen, sind dem Grunde nach gewerbliche Einkünfte, weil die Beteiligungen bis zu ihren Veräußerungen im Jahr 1998 Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens des I.S. bei der Beigeladenen waren.

Zum Betriebsvermögen (§§ 4, 5 Abs. 1 EStG) einer gewerblich tätigen Personengesellschaft gehören nicht nur die im Gesamthandseigentum der Mitunternehmer stehenden Wirtschaftsgüter. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich der Senat anschließt, umfasst das Betriebsvermögen auch die Wirtschaftsgüter, die einem Mitunternehmer gehören und geeignet und bestimmt sind, dem Betrieb der Personengesellschaft (Sonderbetriebsvermögen I) oder der Beteiligung des Mitunternehmers (Sonderbetriebsvermögen II) zu dienen (BFH, Urteile vom 01.02.2001 IV R 3/00, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH (BFHE) 194, 13, Bundessteuerblatt (BStBl.) II 2001, 520 unter 1. a; vom 23.01.2001 VIII R 12/99, BFHE 194, 397, BStBl. II 2001, 825 unter 1.;vom 13.10.1998 VIII R 46/95, BFHE 187, 425, BStBl. II 1999, 357 unter II. 2. a; vom 03.03.1998 VIII R 66/96, BFHE 185, 422, BStBl. II 1998, 383 unter II. 1.; vom 07.03.1996 IV R 12/95, Sammlung der nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 1996, 736 unter 1.; vom 07.07.1992 VIII R 2/87, BFHE 168, 322, BStBl. II 1993, 328 unter 1.; gleiche Auffassung: Wacker in Schmidt, EStG, Kommentar, 26. Auflage 2007, § 15 Rdnr. 517). Zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II gehören Wirtschaftsgüter, die unmittelbar zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft eingesetzt werden (BFH, Urteil vom 01.10.1996 VIII R 44/95, BFHE 182, 327, BStBl. II 1997, 530 unter 2. b aa; BFH-Urteile in BFHE 194, 13, BStBl. II 2001, 520 unter 1. a; in BFHE 194, 397 , BStBl. II 2001, 825 unter 1.; in BFHE 187, 425, BStBl. II 1999, 357 unter II. 2. c; in BFHE 185, 422, BStBl. II 1998, 383 unter II. 1.; in BFHE 168, 322, BStBl. II 1993, 328 unter 2. a; Wacker in Schmidt, EStG, Kommentar, 26. Auflage 2007 Rdnr. 517; kritisch zu dieser Rechtsprechung unter Hinweis auf die fehlende Rechtsgrundlage entgegen Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22.12.1992 1 BvR 1333/89, Deutsches Steuerrecht (DStR) 1993, 603: Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Auflage 2005, § 18 Rdnr. 71; Schulze zur Wiesche, Deutsche Steuer-Zeitung (DStZ) 2007, 602, 603; Tiedtke, DStZ 2004, 482, 484ff.; Söffing, DStR 2003, 1105, 1106ff.) .

Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft kann die Beteiligung eines Gesellschafters an einer Personengesellschaft in der Weise stärken, dass sie für das Unternehmen der Personengesellschaft wirtschaftlich sinnvoll ist.

Im Streitfall waren die Beteiligungen des I.S. an den Kapitalgesellschaften geeignet und dazu bestimmt, dem Betrieb der Beigeladenen zu dienen. I.S. hat sie gehalten, weil sie für die Beigeladene und damit für seinen Anteil an dieser wirtschaftlich vorteilhaft waren.

Ein wirtschaftlicher Vorteil für den Betrieb einer Personengesellschaft ergibt sich nicht aus jedem Wirtschaftsgut, das einem ihrer Gesellschafter gehört. Voraussetzung hierfür ist, dass das Wirtschaftsgut unmittelbar dem Betrieb der Personengesellschaft dient. Dies ist nicht der Fall, wenn das Wirtschaftsgut lediglich mittelbare Effekte oder Reflexwirkungen für den Betrieb der Personengesellschaft hat (BFH-Urteil in BFHE 185, 422, BStBl. II 1998, 383 unter II. 2. a).

Demzufolge sind Anteile eines Gesellschafters einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft kein notwendiges Sonderbetriebsvermögen, wenn die Personengesellschaft zu der Kapitalgesellschaft Geschäftsbeziehungen unterhält, die üblicherweise auch mit anderen Unternehmen bestehen, und zwar selbst dann nicht, wenn die Geschäftsbeziehungen besonders intensiv und die Gesellschaften in derselben Branche tätig sind (BFH-Urteile in BFHE 185, 422, BStBl. II 1998, 383 unter II. 2. a; in BFHE 168, 322, BStBl. II 1993, 328 unter 2. a).

Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft dient jedoch dann dem Betrieb einer Personengesellschaft, wenn zwischen dieser und der Kapitalgesellschaft eine besonders enge wirtschaftliche Verflechtung besteht, die dadurch geprägt ist, dass die Kapitalgesellschaft eine wesentliche wirtschaftliche Funktion der Personengesellschaft erfüllt (BFH-Urteile in BFHE 185, 422, BStBl. II 1998, 383 unter II. 2. a; in BFH/NV 1996, 736 unter 2. a; in BFHE 168, 322, BStBl. II 1993, 328 unter 2. a; Schulze zur Wiesche, DStZ 2007, 602, 605). So liegt es unter anderem, wenn die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft die aktive gewerbliche Tätigkeit der Personengesellschaft ergänzt (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 736 unter 2. a).

Das ist hier der Fall.

Die Kapitalgesellschaften, an denen I.S. beteiligt war, hatten für die Beigeladene eine existenzielle wirtschaftliche Bedeutung, da sie nahezu die alleinigen Kunden der Beigeladenen waren. Über 95 v.H. der Umsätze der Beigeladenen in den Streitjahren entfielen auf die Kapitalgesellschaften. Hiernach kam den Kapitalgesellschaften nicht nur eine ergänzende Funktion für die aktive gewerbliche Tätigkeit der Beigeladenen zu. Da die Kapitalgesellschaften sich durch die in dem Jahr 1990 abgeschlossenen Verträge verpflichtet hatten, im Bereich des zentralen Einkaufs und der Verwaltung Dienstleistungen der Beigeladenen in Anspruch zu nehmen, sicherten sie die wirtschaftliche Existenz des Geschäftsbetriebs der Beigeladenen. Das wird besonders durch die Vertragsergänzungen und -verlängerungen vom 29.09.1998 bzw. 27.11.1998 deutlich. Durch die Verträge aus dem Jahr 1998 wurde der Katalog der durch die Beigeladene wahrgenommenen Verwaltungsdienstleistungen noch deutlich erweitert. Die Verträge stellen sicher, dass die Kapitalgesellschaften von der Beigeladenen 16 konkret bezeichnete Dienstleistungen in Anspruch nehmen und die Beigeladene hierfür insgesamt ein Entgelt von 6,5 v.H. der Umsätze der Kapitalgesellschaften erhält. Hinsichtlich des zentralen Einkaufs verpflichteten sich die Kapitalgesellschaften sogar, die von ihnen benötigten Waren ausschließlich unter Einschaltung und Vermittlung der Beigeladenen zu beschaffen. Die vertragliche Bindung der Kapitalgesellschaften an die Beigeladene besteht für einen langen Zeitraum. Im Gegensatz zu den in den ursprünglichen Verträgen vereinbarten Kündigungsfristen von 30 Tagen zum Monatsende haben die Verträge vom 29.09.1998 und 27.11.1998 Laufzeiten von mindestens 15 Jahren.

Die Beteiligungen des I.S. an den Kapitalgesellschaften waren dazu bestimmt, dem Betrieb der Beigeladenen und der Beteiligung des I.S. an der Beigeladenen zu dienen.

I.S. hat seine beherrschende Stellung als Gesellschafter der Kapitalgesellschaften genutzt, damit diese im Jahr 1990 die Verträge mit der Beigeladenen abschlossen. Diese Verträge stellten die Nachfrage für die von der Beigeladenen angebotenen Dienstleistungen sicher. Damit war die Einflussnahme des I.S. in den Kapitalgesellschaften als beherrschender Gesellschafter der maßgebliche Beitrag für die Sicherung der - oben dargestellten - existenzsichernden Grundlage des Geschäftsbetriebs der Beigeladenen. Trotz der in den ursprünglichen Verträgen vereinbarten kurzen Kündigungsfrist von dreißig Tagen zum Monatsende musste die Beigeladene nicht befürchten, dass die Kapitalgesellschaften die Verträge tatsächlich kündigen. Dies war gegen den Willen von I.S., der die Kapitalgesellschaften aufgrund seiner Mehrheitsbeteiligungen beherrschte, ausgeschlossen.

Die überragende Bedeutung der beherrschenden Beteiligungen des I.S. an den Kapitalgesellschaften für die Beigeladene wird aus den gesamten Umständen der im Jahr 1998 abgeschlossenen Dienstleistungsverträge erkennbar.

I.S. hat an den jeweiligen Tagen (29.09.1998 und 27.11.1998), an denen er die Verträge über die Veräußerung seiner Anteile an den Kapitalgesellschaften abschloss, seine zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden beherrschenden Stellungen in den Kapitalgesellschaften genutzt, um an den selben Tagen neue Dienstleistungsverträge zwischen der Beigeladenen und den Kapitalgesellschaften abzuschließen. Hierdurch sicherte I.S. der Beigeladenen, an der er weiterhin beteiligt war, die wirtschaftliche Existenz für den Zeitraum, in dem er nicht mehr beherrschender Anteilseigner der Kapitalgesellschaften war.

Die Beibehaltung der Höhe des bisherigen Entgelts für die Dienstleistungen der Beigeladenen (6,5 v.H. der Umsätze der Kapitalgesellschaften) in den Verträgen vom 29.09.1998 und 27.11.1998 ist ein weiteres Indiz dafür, dass I.S. seine beherrschende Stellung bei den Kapitalgesellschaften zugunsten der Beigeladenen eingesetzt hat. Die Höhe des Entgelts in den neuen Dienstleistungsverträgen ist nicht verhandelt worden. Dies wäre bei einem Vertragsabschluss zwischen fremden Dritten mit widerstreitenden wirtschaftlichen Interessen kaum denkbar. Fremde Geschäftspartner hätten nicht zuletzt im Hinblick auf die in Aussicht genommene Mindestlaufzeit von 15 Jahren die Höhe des Entgelts verhandelt.

Im Streitfall sprechen noch weitere Anzeichen dafür, dass die beherrschenden Beteiligungen des I.S. an den Kapitalgesellschaften geeignet und bestimmt waren, dem Geschäftsbetrieb der Beigeladenen und damit der Beteiligung des I.S. an dieser zu dienen:

I.S. hat durch eine Vielzahl von Steuerungs- und Kontrollmechanismen sichergestellt, dass er sein gesamtes Unternehmen nach einer einheitlichen wirtschaftlichen Gesamtkonzeption führen konnte.

Eine derartige Gesamtkonzeption kann sich in der Koordination kaufmännischer und marktstrategischer Faktoren widerspiegeln, wie beispielsweise einer zentral geleiteten Produktentwicklung, einem gemeinsamen Außendienst, einer Kooperation im Bereich der Buchhaltung und der elektronischen Datenverarbeitung sowie gemeinsamen Werbe- und Messeveranstaltungen (BFH-Urteil in BFHE 168, 322, BStBl. II 1993, 328 unter 2. c aa; Schulze zur Wiesche, DStZ 2007, 602, 605).

So liegt es auch im Streitfall.

Die Beigeladene übernahm nach den vertraglichen Vereinbarungen aus den Jahren 1990 und 1998 zentral den Einkauf der Kapitalgesellschaften. Zudem erbrachte die Beigeladene verschiedene Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Buchführung. Sie erstellte die Lohnabrechnungen für die Mitarbeiter, rechnete für die Kapitalgesellschaften gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen und Privatpatienten ab und übernahm nach den Regelungen in den Verträgen aus dem Jahr 1990 die Zentralsteuerung der Werbemaßnahmen für die Kapitalgesellschaften.

Die Kapitalgesellschaften haben ihre zentrale Verwaltung durch die Beigeladene auch nach außen kundgetan. Sie haben in den Briefbögen unter der Überschrift "Verwaltung" die Räumlichkeiten und Kontaktdaten der Beigeladenen bezeichnet. Außerdem haben sie in den Körperschaftsteuererklärungen überwiegend als Ort der Geschäftsleitung die Anschrift der Beigeladenen angegeben.

Auch die Auswahl der zur Vertretung der Kapitalgesellschaften berufenen Personen verdeutlicht die einheitliche wirtschaftliche Konzeption des Unternehmensverbands des I.S. In den Kapitalgesellschaften war I.S. überwiegend als alleiniger Geschäftsführer bestellt. Soweit U.L. und D.W. neben I.S. Geschäftsführer einiger Kapitalgesellschaften waren, konnten sie die Kapitalgesellschaften nicht allein, sondern nur gemeinschaftlich mit I.S. vertreten. Die zunächst bei der S*** & D*** GmbH X*** dem M.D. eingeräumte Geschäftsführerbefugnis mit Einzelvertretungsberechtigung wurde am 20.12.1990 auf den Betrieb der orthopädischen Werkstatt beschränkt. Einige Kapitalgesellschaften erteilten auch der Prokuristin der Beigeladenen, Z, Prokura. Durch diese Vertretungsregelungen verhinderte I.S., dass die Kapitalgesellschaften unternehmerische Entscheidungen trafen, die den Interessen der Beigeladenen zuwiderliefen.

Der Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden bzw. in der Einspruchsentscheidung vom 12.09.2003 die Einkünfte der Beigeladenen und die auf I.S. entfallenden Einkünfte sowie die bei ihm anzusetzenden steuerpflichtigen bzw. tarifbegünstigten Einkünfte in zutreffender Höhe festgestellt. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

Der Beklagte war nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO berechtigt, in der Einspruchsentscheidung vom 12.09.2003 für die Beigeladene und I.S. ungünstigere Feststellungen gemäß § 15a EStG nachzuholen. Hierauf hatte er im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 28.02.2002 hingewiesen.

Der Erlass der geänderten Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre und der Einspruchsentscheidung vom 12.09.2003 verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Nach diesem Grundsatz, der auch im Steuerrecht gilt, müssen Steuerpflichtige und Finanzbehörden auf die berechtigten Belange des Anderen angemessene Rücksicht nehmen und dürfen sich nicht zu ihrem früheren Verhalten in Widerspruch setzen (BFH, Urteil vom 16.04.1997 XI R 66/96, BFH/NV 1997, 738 unter II. 1.; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Auflage 2005, § 21 Rdnr. 13). Ein derartiger Widerspruch liegt in der Regel nicht vor, wenn eine Finanzbehörde einen Sachverhalt im Gegensatz zu seiner rechtlichen Beurteilung in einer früheren Veranlagung in einer nachfolgenden Veranlagung anders beurteilt. Die Behörde ist nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung selbst dann nicht an eine frühere Auffassung gebunden, wenn sie sich diese aufgrund einer Außenprüfung gebildet hat (BFH, Urteile vom 23.01.1991 I R 22/90, BFHE 164, 164, BStBl. II 1991, 554 unter II. 3.;vom 15.12.1988 IV R 36/84, BFHE 155, 538, BStBl. II 1989, 363 unter 2.;vom 29.09.1988 V R 53/83, BFHE 154, 395, BStBl. II 1988, 1022 unter B 2.;vom 19.09.1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl. II 1986, 520 unter 4. c).

So liegt es hier.

Der Beklagte hat in Erfüllung seiner Verpflichtung gemäß § 85 Satz 1 AO, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen, die Zugehörigkeit der Beteiligungen des I.S. an den Kapitalgesellschaften zum Sonderbetriebsvermögen überprüft. Da er die Einkünfte für jeden Veranlagungszeitraum aufgrund einer selbstständigen Beurteilung festzustellen hatte, war er an seine für die vorangegangenen Veranlagungszeiträume vertretene Rechtsauffassung nicht gebunden.

Der Beklagte hat zudem nicht durch ein nachhaltiges Verhalten gegenüber der Beigeladenen oder I.S. zu erkennen gegeben, dass er die Beteiligungen des I.S. an den Kapitalgesellschaften in den Streitjahren nicht als Sonderbetriebsvermögen einordnen werde. Allein die fehlende Beanstandung durch die vorangegangenen Betriebsprüfungen vermittelte weder der Beigeladenen noch I.S. eine auf die zukünftige rechtliche Beurteilung der Anteile gerichtete Vertrauensschutzposition.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, 3 FGO. Der Beigeladenen sind keine Kosten zu erstatten (§ 139 Abs. 4 FGO). Die Erstattung von Kosten eines Beigeladenen scheidet in den Fällen aus, in denen er - wie im Streitfall - mangels eines eigenen Sachantrags kein Risiko getragen hat, die Verfahrenskosten auferlegt zu bekommen (vgl. Stapperfend, FGO, Kommentar, 6. Auflage 2006, § 139 Rdnr. 138 mit weiteren Nachweisen).

Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Revision zu. Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des BFH. Die im Streitfall vorliegende Konstellation, in der die Personengesellschaft zentrale Verwaltungsdienstleistungen für Kapitalgesellschaften übernimmt, war noch kein Gegenstand einer Entscheidung des BFH. Im Übrigen sind die Voraussetzungen für die Zuordnung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Sonderbetriebsvermögen durch die bisherige Rechtsprechung des BFH noch nicht abschließend geklärt.



Ende der Entscheidung

Zurück