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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 05.12.2006
Aktenzeichen: 15 K 2813/03 U
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 2 Abs. 1 S. 1
UStG § 15 Abs.1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

15 K 2813/03 U

Tenor:

Unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 01.08.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.04.2003 wird der Beklagte verpflichtet, die Umsatzsteuer für 1999 auf ./. .......... DM (= ./. .......... EUR) festzusetzen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist für die Vorsteuerabzugsberechtigung, ob der Betrieb einer Photovoltaikanlage unternehmerisch betrieben wurde.

Die Klägerin (Klin.) ließ im Juli 1999 eine Photovoltaikanlage (= Anlage zur Erzeugung von elektrischer Energie aus Sonnenlicht) auf dem Dach ihres selbstgenutzten Einfamilienhauses errichten. Die Herstellungskosten betrugen 49.763 DM netto zzgl. 7.962,08 DM Umsatzsteuer (USt). Der durch die Anlage erzeugte Strom wurde teilweise für die Versorgung des Haushalts der Klin. genutzt und teilweise in das Netz des örtlichen Energieversorgers XXX I. eingespeist. Die Anlage war kapazitätsmäßig so ausgelegt, dass zu Zeiten der Stromproduktion eine dauerhafte Überschussproduktion gegeben war. Der selbst verbrauchte und in das Netz eingespeiste Strom wurde jeweils separat aufgezeichnet.

1999 wurden von der Anlage 1 109 kWh Strom erzeugt, davon wurden 388 kWh im Haushalt der Klin. verbraucht, der Rest wurde eingespeist. Im Folgejahr 2000 wurden 2 790 kWh produziert, davon 952 kWh im Haushalt der Klin. verbraucht und der Rest eingespeist. Zusätzlich zum selbstproduzierten Solarstrom bezog der Haushalt der Klin. Strom des Energieversorgers, deren Jahresmenge die Jahresmenge des insgesamt produzierten Solarstroms deutlich überstieg. Der zusätzlich bezogene Strom wurde über einen gesonderten Zähler abgerechnet.

Die Klin. erhielt aus dem Stromverkauf folgende Vergütungen bzw. "Zuschüsse" von XXX (Beträge jeweils brutto):

 AbrechnungszeitraumPreis pro kWhZahlungseingang   
  1999200020012002
16.07.99 - 22.12.990,1652 DM 113,44 DM  
23.12.99 - 31.03.000,1613 DM 42,07 DM  
01.04.00 - 27.12.000,99 DM  1.573,37 DM 
28.12.00 - 27.12.010,5062 EUR   802,78 EUR
28.12.01 - 31.10.020,5062 EUR   758,19 EUR
"Zuschuss" für 1999  696,50 DM  
"Zuschuss" für 2000  710,50 DM  
"Zuschuss" für 2001    363,35 EUR
"Zuschuss" für 2002    376,75 EUR
Gesamt  1.562,51 DM1.573,37 DM2.301,07 EUR

Die Klin. erklärte für 1999 einen Eigenverbrauch in Höhe von 55 DM (USt - 8,80 DM) und Vorsteuern in Höhe von 5.426,16 DM (68,15 % von 7.962,08 DM). Für 2000 erklärte die Klin. steuerpflichtige Leistungen in Höhe von 136 DM (USt 21,76 DM). Außerdem erklärte sie eine Vorsteuer-Korrektur gem. § 15 a UStG im Hinblick auf die Herstellungsaufwendungen für die Solaranlage in Höhe von 31,84 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen zu den USt -Erklärungen Bezug genommen.

Der Beklagte (Bekl.) lehnte die USt-Festsetzungen für die Streitjahre ab (Bescheide vom 01.08.2001 und 03.01.2002). Die dagegen von der Klin. eingelegten Einsprüche waren erfolglos (Einspruchsentscheidung -EE- vom 30.04.2003).

Dagegen richtet sich die Klage.

Die Klin. meint, sie nutze die Photovoltaikanlage unternehmerisch. Auf dem Grundstück gäbe es zwei getrennte Stromkreise, einer davon betreffe ausschließlich den Solarstrom. Die Solarstromanlage werde auch zu mehr als 10 % unternehmerisch genutzt.

Die Klin. beantragt,

unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 01.08.2001 und 03.01.2002 und der EE vom 30.04.2003 die USt für 1999 und 2000 erklärungsgemäß festzusetzen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er nimmt Bezug auf seine EE und meint, der Betrieb einer Photovoltaikanlage sei nur dann als nachhaltige Tätigkeit anzusehen, wenn die Anlage über den Eigenverbrauch hinaus dauerhaft überschüssigen Strom produziere und einspeise. Im Streitfall erzeuge die Anlage ca. 2 800 kWh Strom im Jahr, während der Haushalt der Klin. 8 000 kWh benötige. Auch das Vorhandensein zweier Zähler ändere an diesem Ergebnis nichts.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat teilweise Erfolg.

Die Ablehnung der USt-Festsetzung für 1999 ist rechtswidrig und verletzt die Klin. in ihren Rechten (§ 101 S. 1 FGO). Im Übrigen kann die Klage keinen Erfolg haben.

1) Die Klage auf Erlass einer erklärungsgemäßen USt-Festsetzung für 2000 ist unzulässig, denn insoweit hat die Klin. keine Beschwer dargetan. Gem. § 40 Abs. 2 FGO ist eine Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn die Klin. geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts in ihren Rechten verletzt zu sein. Im Streitfall begehrt die Klin. eine positive USt-Festsetzung auf 53,60 DM, also eine Verböserung. Verbösernde Steuerfestsetzungen können nur dann im Wege einer Klage durchgesetzt werden, wenn die (verbösernde) Steuerfestsetzung im Ergebnis dazu führt, dass für andere Jahre oder Steuerarten ein steuerlicher Vorteil entsteht, der bei Gesamtbetrachtung höher als die Verböserung ist. Im Streitfall ist hierfür nichts ersichtlich. Ein abstraktes Interesse an einer Feststellung der Unternehmereigenschaft ist nicht schutzwürdig. Im Übrigen ist durch die Entscheidung für 1999 die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage, ob die Klin. durch die Herstellung und den Betrieb der Solaranlage unternehmerisch tätig geworden ist, hinreichend geklärt. Weitere Umstände, die für ein Erfordernis einer Entscheidung über die USt-Festsetzung 2000 sprechen könnten, sind nicht ersichtlich, zumal die Klin. ihr Begehren, für den unternehmerisch genutzten Teil des Daches ihres Einfamilienhauses eine Vorsteuerkorrektur gemäß § 15 a UStG vorzunehmen, ausdrücklich fallengelassen hat (Schriftsatz vom 12.10.2006).

2) Für das Streitjahr 1999 hat die Klage Erfolg.

Die Herstellung und der Betrieb der Solaranlage war unternehmerisch im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung (im folgenden: UStG). Der Klin. steht der Vorsteuerabzug aus der Herstellung der Anlage gem. § 15 Abs.1 Satz 1 UStG zu.

Unternehmer ist gem. § 2 Abs. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Der Verkauf von Solarstrom ist grundsätzlich gewerblich und nachhaltig. Der Umstand, dass die Anlage teilweise für den eigenen Haushalt der Klin. genutzt wird, steht der Gewerblichkeit und Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung nicht entgegen. Dem Unternehmer steht es frei, gemischt genutzte Gegenstände ganz oder teilweise seinem Unternehmen zuzuordnen (BFH-Urteil vom 31. Januar 2002 V R 61/96, BFHE 197/372, BStBl. II 2003, 813; BMF-Schreiben vom 30. März 2004 IV B 7-S 7300-24/04, BStBl. I 2004, 451). Durch die Geltendmachung des teilweisen Vorsteuerabzugs hat die Klin. die Anlage entsprechend ihrem unternehmerischen Nutzungsanteil ihrem Unternehmen zugeordnet. Die Beteiligten sind auch einig darüber (siehe Protokoll des Erörterungstermins vom 21.06.2006), dass die Solaranlage wirtschaftlich der Klin. zuzurechnen ist.

Die Klin. ist auch vorsteuerabzugsberechtigt. Dem Vorsteuerabzug steht nicht § 19 Abs. 1 S. 4 UStG entgegen. Zwar fiel die Klin. dem Grunde nach unter die Kleinunternehmerregelung gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG. Die Klin. hat aber dadurch, dass sie USt erklärt und den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat, gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG wirksam gegenüber dem Bekl. auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet (siehe dazu BFH-Urteil vom 1. Dezember 1994 V R 126/92, BFHE 176, 491, BStBl. II 1995, 426; Westenberger in Offerhaus/Söhn/Lange, § 19 UStG Rn. 51).

Der Vorsteuerabzug ist auch nicht gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG ausgeschlossen, denn die Klin. hat die Anlage zu mehr als 10 % unternehmerisch genutzt.

Der Umstand, dass die Klin. für ihren Haushalt insgesamt mehr Strom benötigt, als die Solaranlage erzeugt, ist unerheblich. Maßgeblich ist die Nutzung des konkreten Wirtschaftguts, nämlich der Solaranlage. Diese wird überwiegend unternehmerisch genutzt. Ob und in welchem Umfang weiterer privater (Strom) Konsum erfolgt, ist für die Frage, ob die Solaranlage unternehmerisch oder nicht unternehmerisch verwendet wird, unerheblich. Der Senat folgt daher nicht der Verwaltungsauffassung (FM NRW vom 10. Juli 1996 S 7100-171 V C 4; OFD Hannover vom 29.Oktober 1999 S 7104-373-StH 542/S 7104-141-StO 255, HaufeIndex 315929), nach der eine Unternehmereigenschaft nur dann vorliegen soll, wenn die selbst erzeugte Strommenge höher als die insgesamt im Haushalt des Unternehmers verbrauchte Strommenge ist. Der Umfang des privaten Konsums ist grundsätzlich unerheblich für die Unternehmereigenschaft, es sei denn, unternehmerisch zugeordnete Gegenstände werden privat genutzt. Hierfür schreibt § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG die 10%-Grenze vor. Weitere Beschränkungen ergeben sich aus dem Gesetz nicht.

Der Senat sieht im Streitfall die Stromerzeugung auch nicht als bloße Nebenfolge einer privaten Tätigkeit an, die wegen Nichterreichens eines "geschäftlichen" Rahmens unerheblich im Sinne von § 2 UStG ist (siehe dazu BFH-Urteil vom 21. Mai 1987 V R 109/77, BFHE 150/368, BStBl. II 1987, 735; Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 4. April 2001, 6 K 6512/98, EFG 2001, 930). Die von der Klin. erzielten Umsätze sind nicht derart gering, dass von einer fehlenden wirtschaftlichen Relevanz ausgegangen werden müsste (im vom Hessischen Finanzgericht a. a. O. entschiedenen Fall betrug das durchschnittliche Jahresentgelt für den eingespeisten Strom nur 289 DM). Der Stromverkauf erfolgte auch regelmäßig und nicht nur gelegentlich oder vorübergehend. Die Solaranlage war kapazitätsmäßig auch dafür ausgelegt, zu Zeiten der Stromerzeugung einen Stromüberschuss zu produzieren. Die Betätigung der Klin. war auch auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, was sich aus der Konzeption der Anlage (Größe, getrennte Messeinrichtungen für privaten und verkaufen Strom) ergibt.

Gegen die Höhe des geltend gemachten Vorsteuerabzugs hat der Bekl. keine Einwendungen erhoben, Bedenken gegen die Richtigkeit sind auch nicht ersichtlich.

3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 3 FGO. Die Klin. ist nur zu einem sehr geringen Teil unterlegen.

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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