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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 13.11.2006
Aktenzeichen: 15 K 3123/03 U
Rechtsgebiete: RL. 77/388/EWG, UStG


Vorschriften:

RL. 77/388/EWG Art. 5 Abs. 1
RL. 77/388/EWG Art. 6 Abs. 1
UStG § 3 Abs. 1
UStG § 3 Abs. 9
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

15 K 3123/03 U

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist bei der Umsatzsteuer(USt)-Festsetzung für 2001, welche Umsätze eines Partyservices dem Regel- oder dem ermäßigten USt-Satz unterliegen.

Die Klägerin (Klin.) betreibt einen Partyservice, mit dem sie im Wesentlichen verzehrfertige Speisen liefert. Dabei stellt sie je nach Kundenwunsch auch Geschirr und Besteck zur Verfügung, das nach Gebrauch teils der Kunde und teils die Klin. reinigt. In Einzelfällen werden die Speisen auch vor Ort zubereitet bzw. - z.B. bei Grillfesten - ausgegeben. Die Klin. berechnete im Streitjahr 2001 für die Gestellung von Geschirr und Besteck grundsätzlich je Gedeck 1,00 DM im Falle einer von ihr ausgeführten Reinigung und 0,50 DM bei kundenseitiger Reinigung.

Während die Klin. in ihrer USt-Erklärung für 2001 Speisenlieferungen für netto 241.125 DM dem ermäßigten Steuersatz und die Gestellung und Reinigung von Geschirr und Besteck als gesonderten sowie dem Regelsteuersatz unterliegenden Umsatz behandelt hatte, vertrat bei einer 2003 durchgeführten USt-Sonderprüfung der Prüfer des beklagten Finanzamtes (FA) die Auffassung, dass sog. Restaurationsumsätze im Sinne des § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 Umsatzsteuergesetz (UStG) vorlägen, falls der Unternehmer außer der Speisenlieferung auch Dienstleistungen im Darreichungsbereich erbringe. Dazu zählte der Prüfer auch die Zurverfügungstellung von Geschirr und Besteck unabhängig davon, ob Geschirr und Besteck gereinigt oder ungereinigt an die Klin. zurückgegeben wurden (Bericht vom 19.03.2003, Tz. 13). Dementsprechend kürzte er die zu 7 % versteuerten Umsätze um netto 52.307,39 DM und erhöhte die zu 16 % zu besteuernden Umsätze um netto 48.719,69 DM.

Entsprechend dem Bericht erließ das FA einen geänderten USt-Bescheid 2001 vom 02.04.2003. Es setzte einen USt-Überschuss von 1.978,70 EUR (= 3.870 DM) fest. Gegen den Bescheid legte die Klin. Einspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, sofern der Kunde Geschirr und Besteck vor der Rückgabe selber reinige, sei die bloße Überlassung von Geschirr und Besteck eine Nebenleistung zur Hauptleistung in Form der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Lieferung von Speisen. Aber auch soweit die Klin. das ausgeliehene Geschirr und Besteck nach Rückgabe in ihren Betriebsräumen selber reinige, liege kein Restaurationsumsatz, sondern eine Nebenleistung zur Hauptleistung in Form der Speisenanlieferung vor.

Durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 16.05.2003 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Soweit die Klin. neben der Lieferung von verzehrfertigen Speisen auch Geschirr und Besteck zur Verfügung gestellt habe, habe sie eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung erbracht. Ein Partyservice erbringe nur insoweit begünstigte Leistungen, als sich der Unternehmer auf das bloße Anliefern von Speisen beschränke und er vor Ort keine Serviceleistungen gegenüber seinem Auftraggeber oder den die Speisen verzehrenden Personen erbringe. Stelle der Unternehmer neben den Speisen auch Tische, Stühle, Geschirr und Besteck zur Verfügung, so führe er keine begünstigte sonstige Leistung aus, weil er besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereithalte.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klin. unter Bezugnahme auf ihre vorgerichtlich vertretene Auffassung im Streitpunkt eine Änderung des Steuerbescheides begehrt. Ergänzend trägt sie vor, sie habe keine Dienstleistungen im Darreichungsbereich erbracht, die für die Qualifikation als Restaurationsumsatz bestimmend sein könnten, da sie weder Räumlichkeiten, noch Mobiliar, noch Personal an ihre Auftraggeber gestellt habe. Beigestelltes Geschirr und Besteck gäben der Gesamtleistung nicht das Gepräge, so dass allein die begünstigt zu besteuernde Hauptleistung "Lieferung verzehrfertiger Speisen" maßgeblich sei.

Die Klin. beantragt,

unter Änderung des USt-Bescheides 2001 vom 02.04.2003 in der Fassung der EE vom 16.05.2003 für 2001 einen USt-Überschuss von 7.934,69 DM festzusetzen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Der USt-Bescheid vom 02.04.2003 in der Fassung der EE vom 16.05.2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klin. nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zu Recht hat das FA angenommen, dass die Klin. keine steuerbegünstigten Lieferungen, sondern dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistungen erbracht hat, soweit sie neben der Speisenlieferung gleichzeitig auch Geschirr und Besteck zur Verfügung gestellt hat und zwar unabhängig davon, ob der Kunde diese Gegenstände in gereinigtem oder in nicht gereinigtem Zustand an die Klin. zurückgegeben hat.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (USt) in der im Streitjahr 2001 geltenden Fassung ermäßigt sich die Steuer auf 7 vom Hundert für die Lieferung der in der Anlage bezeichneten Gegenstände. Lieferungen eines Unternehmers sind nach § 3 Abs. 1 UStG u.a. Leistungen, durch die er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Sonstige Leistungen sind nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind, wobei nach § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle eine sonstige Leistung ist. Speisen und Getränke werden nach § 3 Abs. 9 Satz 5 UStG zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereit gehalten werden.

Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 10.08.2006 V R 55/04 und V R 38/05 in BFH/NV 2006, 2219, und in BFH/NV 2006, 2221) liegt bei einer mit den Bestimmungen in Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie 77/388/EWG konformen Auslegung der Vorschriften des § 12 Abs. 2 Nr. 1 und des § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 9 UStG eine mit dem Regelsteuersatz zu besteuernde sonstige Leistung und keine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Lieferung von Speisen vor, wenn im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das Dienstleistungselement im Sinne einer Bewirtungssituation überwiegt. Bei der Beurteilung, ob bei der Abgabe fertig zubereiteter Speisen das Dienstleistungselement und nicht das Lieferelement qualitativ überwiegt, sind nur solche Dienstleistungen zu berücksichtigen, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der BFH entschieden, dass bei der Abgabe von warmen Mittagessen an Schüler das Dienstleistungselement überwiegt, wenn der Unternehmer nach dem Essen die Tische und das Geschirr abräumt und reinigt, bzw. dass eine sonstige (Dienst)-Leistung vorliegt, wenn ein Mahlzeitendienst das Mittagessen auf eigenem Geschirr an Einzelabnehmer in deren Wohnung ausgibt und das Geschirr endreinigt. Auch die Umsätze eines Partyservices unterliegen jedenfalls dann der Regelbesteuerung, wenn der Unternehmer zusätzlich zur Lieferung von Speisen und Getränken auch Geschirr, Besteck und Tische, Sitzgelegenheiten, Zelte und Dekorationsmaterial zur Verfügung stellt (vgl. BFH in BFH/NV 2006, 1527).

Die streitigen Umsätze der Klin. stellen demnach zum Regelsteuersatz steuerpflichtige Dienstleistungen und keine Lieferungen dar, da sie durch Vorgänge gekennzeichnet sind, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht. Mit der Gestellung von Geschirr und Besteck im Zusammenhang mit der Speisenlieferung hat die Klin. unabhängig davon, ob sie oder ihr Kunde Geschirr und Besteck nach Gebrauch reinigten, zusätzliche Dienste erbracht, die qualitativ über die minimalen Tätigkeiten hinausgehen, die aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers üblicherweise mit der Vermarktung von Speisen verbunden sind. Der Umstand der nicht regelmäßigen Beistellung von Geschirr und Besteck zur Lieferung der Speisen und die Berechnung eines um den Geschirr- und Besteckaufschlag erhöhten Entgeltes belegen aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers, dass die Klin. allein mit der Gestellung von Besteck und Geschirr bereits Dienstleistungen im Darreichungsbereich erbrachte, die über die nicht gesondert kostenpflichtigen Tätigkeiten wie das Anbieten sowie Anliefern der Speisen und das Ausstellen einer Rechnung für den bloßen Verkauf verzehrfertiger Speisen im Rahmen eines "Außer-Haus-Geschäfts" hinausgehen und zwar unabhängig davon, ob der Kunde Geschirr und Besteck in von ihm gereinigten oder im ungereinigten Zustand an die Klin. zurückgab. Ein Partyservice, der sich nicht allein auf die Anlieferung verzehrfertiger Speisen beschränkt, stellt seinem Auftraggeber entsprechend der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Nachweise in BFH/NV 2006, 2219 und 2221) eine organisatorische Gesamtheit zur Verfügung, die sich beginnend mit dem unternehmerseitigen Einkauf von Geschirr und Besteck in von seiner Kundschaft nachgefragter Quantität und Qualität über die Vorhaltung zur Befriedigung einer entsprechenden Nachfrage fortsetzt und mit deren Entsorgung (einschließlich Einlagerung zur erneuten Benutzung) endet. Wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selber vorgetragen hat, trägt die Klin. mit der Bereitstellung von Geschirr und Besteck dem Umstand Rechnung, dass viele Kunden nicht über die Mengen an Besteck und Geschirr verfügen, die sie im Rahmen der von ihnen veranstalteten Essen benötigen, und dass diese Kunden das Risiko für Ankauf und Unterhaltung einschließlich Ersatzbeschaffung der benötigten Geschirr- und Besteckmengen nicht tragen, sondern es auf den Partyservice überwälzen wollen. Schließlich musste der Senat zu Lasten der Klin. berücksichtigen, dass die Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG als eine den Unternehmer begünstigende Norm eng auszulegen ist, so dass tatbestandliche Abweichungen - wie im Streitfall in Form der Beistellung von Geschirr und Besteck zur Speisenlieferung - von dem nach Sinn und Zweck des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG begünstigt zu besteuernden Umsatz zur Besteuerung mit dem Regelsteuersatz führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO vorliegen.



Ende der Entscheidung

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