Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 22.11.2006
Aktenzeichen: 2 K 5809/04 E
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, EStG


Vorschriften:

FGO § 74
FGO § 155
ZPO § 251
EStG § 26 Abs. 1 S. 1
EStG § 26 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

2 K 5809/04 E

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 vom 21.05.2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.02.2004 die Kläger getrennt zur Einkommensteuer zu veranlagen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Es ist zu entscheiden, ob die als Treuhänderin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beigeladenen handelnde Klägerin (Kl.) berechtigt ist, das Veranlagungswahlrecht gem. §§ 26ff Einkommensteuergesetz (EStG) auszuüben.

Mit ihren am 15.04.2003 eingereichten Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2001 und 2002 beantragten der beigeladene Ehemann (Ehemann) und die beigeladene Ehefrau (Ehefrau), die Zusammenveranlagung. Sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Kfz-Meister bzw. als Angestellte eines Großhandelsunternehmens. Mit Einkommensteuerbescheiden vom 21.05.2003 wurden die Eheleute erklärungsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Einkommensteuer für 2001 wurde auf ......... EUR bzw. für 2002 auf ......... EUR festgesetzt. Für 2001 und 2002 ergaben sich insgesamt Erstattungsbeträge von ........ EUR (Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag). Die Einkommensteuererstattungsbeträge beliefen sich auf ........ EUR und ....... EUR.

Bereits am 19.04.2002 war über das Vermögen der Ehefrau das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Kl. legte daher in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Ehefrau am 03.06.2003 Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 vom 21.05.2003 ein und beantragte gem. § 26a EStG getrennte Veranlagungen.

Mit Verfügung vom 06.02.2004 zog der Beklagte (Bekl.) den Ehemann gem. § 360 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) zum Verfahren hinzu. Dieser widersprach der getrennten Veranlagung, da sich bei der Einkommensteuer für 2002 in diesem Fall für ihn eine Nachzahlung von ........ EUR ergeben würde, seiner Ehefrau bzw. der Kl. jedoch nur ein Betrag von ........ EUR erstattet werden könnte. Im Ergebnis hätten die Eheleute daher in 2002 einen um ...... EUR höheren Betrag zu entrichten als bei einer Zusammenveranlagung. Der Ehemann wandte ein, dass auch er noch vier Jahre lang einen eigenen Schuldenbereinigungsplan bedienen müsse. Im Insolvenzverfahren seiner Ehefrau seien dieselben Gläubiger zu befriedigen, wie nach seinem Schuldenbereinigungsplan. Er sei auch nicht in der Lage, die im Fall der getrennten Veranlagung anfallenden Steuernachzahlungen zu leisten. Für die Familie sei es daher wichtig, die gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer beizubehalten, um nicht noch mehr belastet zu werden.

Der Bekl. wies den Einspruch der Kl. mit am 27.02.2004 an die Kl. und die Beigeladenen abgesandten Einspruchsentscheidungen als unbegründet zurück. Er vertrat im Wesentlichen unter Hinweis auf die Einwände des Ehemanns die Auffassung, dass sich die Ausübung des Wahlrechts auf getrennte Veranlagung im Streitfall als wirtschaftlich sinnlos und damit als rechtsmissbräuchlich darstelle.

Auf eine Sachstandsanfrage der Kl. vom 05.10.2004 übersandte der Bekl. ihr mit Schreiben vom 13.10.2004 eine am 15.10.2004 eingegangene Kopie der Aktenausfertigung, sowie eine weitere, am 18.10.2004 eingegangene, beglaubigte Abschrift der Einspruchsentscheidung gegen Empfangsbekenntnis.

Mit der am 09.11.2004 eingelegten Klage verfolgt die Kl. ihr Begehren weiter. Zur Begründung wird ausgeführt, dass es sich bei dem Ehegattenwahlrecht nicht um ein höchstpersönliches Recht, sondern um ein vermögensmäßiges Verwaltungsrecht handele. Es gehe im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Dem Übergang des Wahlrechts stünden weder der grundrechtliche Schutz der Familie aus Art. 6 Grundgesetz (GG) noch die ehelichen Pflichten aus § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entgegen. Die allgemeine Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Ehegatten möglichst gering zu halten, bestehe nur insoweit, wie die Erfüllung dieser Pflicht ohne Verletzung eigener Interessen möglich sei. Ein Ehegatte sei also nicht verpflichtet, eigene Steuererstattungsansprüche im Wege der Zusammenveranlagung aufzuopfern, um seinem Ehepartner einen steuerlichen Vorteil zu verschaffen.

Die Ausübung des Veranlagungswahlrechts finde zwar seine Grenze in Fällen des Missbrauchs. Ein Missbrauch sei aber nur dann anzunehmen, wenn der die getrennte Veranlagung wählende Ehegatte überhaupt keine Vorteile dadurch erlange bzw. durch die Zusammenveranlagung keine Nachteile zu erleiden habe. Dies sei z.B. dann der Fall, wenn die getrennte Veranlagung steuerlich und wirtschaftlich sinnlos sei und z.B. nur deshalb gewählt werde, um dem ungeliebten Ehegatten einen Schaden zuzufügen. Diese Konstellation sei vorliegend nicht gegeben. Vielmehr verliere der Ehemann nur die Möglichkeit, seine eigenen Steuerverbindlichkeiten zu Lasten der Insolvenzmasse zu verrechnen. Demgegenüber müsse der Steuererstattungsanspruch der Ehefrau zur Verteilung bzw. zur Deckung der Kosten im Insolvenzverfahren zur Verfügung stehen. Letztere müssten ansonsten aus Landesjustizmitteln, d.h. von der Allgemeinheit finanziert werden.

Soweit der Bekl. auf eine mögliche Gefährdung für die Durchführung des Schuldenbereinigungsplans bei dem Ehemann bzw. auf fehlende Vorteile bzw. sogar Nachteile für die sowohl im Schuldenbereinigungsplan als auch im Insolvenzverfahren beteiligten Gläubiger verweise, sei dies rechtlich unerheblich. Im Übrigen seien nur Ansprüche der Sparkasse M. und geringfügige Ansprüche der Stadt M. im Insolvenzverfahren der Ehefrau festgestellt. Schließlich werde darauf hingewiesen, dass die Ehefrau nach einem zwischenzeitlich beantragten Aufteilungsbescheid keinerlei Steuerschulden habe. Wenn der Bekl. angesichts dieser Sachlage weiter die Missbräuchlichkeit der Wahlrechtsausübung durch die Kl. behaupte, sei dies durch das - rechtsunerhebliche Interesse der Finanzverwaltung an der Herstellung einer bei getrennter Veranlagung nicht darstellbaren Aufrechnungslage begründet.

Dem Ruhen des Verfahrens werde weder aufgrund eines anderen anhängigen zivilgerichtlichen Verfahrens vor dem BGH noch im Hinblick auf das Klageverfahren der Beigeladenen vor dem Amtsgericht E. zugestimmt. Auch seien die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nicht erfüllt.

Die Kl. beantragt,

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 vom 21.05.2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.02.2004 eine getrennte Veranlagung durchzuführen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Bekl. verweist zur Begründung im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung. Im Streitfall seien ursprünglich beide Ehegatten von Insolvenzverfahren betroffen, bei denen die Gläubiger im Wesentlichen (85,9 %) identisch seien. Die steuerlichen Auswirkungen einer getrennten Veranlagung würden sich wirtschaftlich wechselseitig aufheben. Im Ergebnis könnten jedenfalls die gemeinsamen Gläubiger keinesfalls mit zusätzlichen Zahlungen rechnen. Durch die getrennte Veranlagung würde u.U. sogar die erfolgreiche Durchführung des für den Ehemann am 19.06.2001 aufgestellten und am 09.11.2001 genehmigten Schuldenbereinigungsplans gefährdet. So seien die pfändbaren Anteile an den Lohnansprüchen des Ehemannes aus dem neuen Arbeitsverhältnis zunächst (für die ersten 36 Monate) allein an die Sparkasse M. (Gläubigerin des Schuldenbereinigungsplans zu 48,78 %) zu zahlen. Deren Forderungen seien aber auch im Insolvenzverfahren der Ehefrau anerkannt. Außerdem hätte ein Wechsel der Steuerklasse durch den Ehemann von III auf IV bei Aufnahme der Berufstätigkeit durch seine Ehefrau im Jahre 2001 die in den Schuldenbereinigungsplan einbezogenen pfändbaren Beträge erheblich vermindert und vermutlich zu einer Wiederaufnahme des Insolvenzverfahrens geführt. Im Übrigen seien den Eheleuten auch keine Beträge aus den Einkommensteuerfestsetzungen 2001 und 2002 erstattet worden. Die ausgewiesenen Erstattungsbeträge seien mit Steuerschulden verrechnet worden.

Die Eheleute sind mit Beschlüssen vom 06. und 30.03.2006 gem. § 60 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) beigeladen worden.

Mit Schriftsatz vom 20.09.2006 beantragen die Beigeladenen die Aussetzung des Verfahrens gem. § 74 FGO. Zur Begründung verweisen sie auf die gegen die Kl. gerichtete, mit Schriftsatz ebenfalls vom 20.09.2006 beim Amtsgericht E. eingereichte Klage wegen eines Antrags des Ehemannes auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung nach § 894 Zivilprozessordnung (ZPO). Später tragen sie ergänzend vor, durch das finanzgerichtliche Verfahren würden - ohne wirtschaftlichen Vorteil für die Kl. bzw. die Gläubiger der Ehefrau - der Schuldenbereinigungsplan des Ehemannes gefährdet. Die von der Kl. beantragte getrennte Veranlagung führe abgesehen von einem im Ganzen als marginal zu betrachtenden Betrag von ....... EUR für das Veranlagungsjahr 2002 zu keinen Vorteilen für die von der Kl. verwaltete Masse. In dieser Situation verstoße die Verweigerung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung gegen das Schikaneverbot. Auch wenn nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte ein Missbrauch bei der Wahl des Veranlagungswahlrechts nur in Fällen 100%igen Fehlens jeglicher steuerlicher oder wirtschaftlicher Auswirkungen angenommen worden sei, gebiete es die Einheitlichkeit der Rechtsordnung, dass die zivilrechtliche Unzulässigkeit der Veranlagungswahl auch im finanzgerichtlichen Verfahrens zu berücksichtigen sei. Seitens der Beigeladenen werde davon ausgegangen, dass den bisher vom BFH und den Finanzgerichten entschiedenen Fällen, in denen eine missbräuchliche Veranlagungswahl verneint worden sei, andere Konstellationen zu Grunde gelegen hätten.

Wegen des weiteren Sachvortrages der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Steuerakten des Bekl. hingewiesen.

Der Senat hat in der Sache am 22.11.2006 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Senat konnte über die Klage entscheiden. Das Verfahren konnte weder im Hinblick auf das beim BGH unter dem Aktenzeichen IX ZR 8/06 anhängige Revisionsverfahren noch wegen des beim Amtsgericht E. angestrengten Verfahrens des beigeladenen Ehemannes ruhend gestellt oder ausgesetzt werden.

Die Anordnung der Verfahrensruhe kam schon deshalb nicht in Betracht, weil kein übereinstimmender Antrag der Beteiligten vorliegt, § 155 FGO i.V.m. § 251 ZPO. Die Kl. hat dem Ruhen des Verfahrens nicht zugestimmt.

Den Anträgen der Beigeladenen und des Bekl. auf Aussetzung des Verfahrens gem. § 74 FGO konnte nicht stattgegeben werden, da vorliegend eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide zu treffen ist. Diese Entscheidung hängt nicht davon ab, ob ein zivilrechtlicher Anspruch auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung gem. § 894 ZPO besteht.

Das vor dem BGH anhängige Verfahren ist schon deshalb nicht vorgreiflich i.S.v. § 74 FGO, weil eine Entscheidung des BGH die hier beteiligten Personen rechtlich nicht binden würde.

Dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens war auch nicht im Hinblick auf die von dem beigeladenen Ehemann angestrengte Klage vor dem Amtsgericht E. stattzugeben. Denn § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG bestimmt für das Besteuerungsverfahren, dass die Ehegatten schon dann getrennt veranlagt werden, wenn nur einer der Ehegatten die getrennte Veranlagung wählt. Demgegenüber richtet sich der zivilrechtliche Anspruch auf Zustimmung nach anderen Voraussetzungen. Unbeschadet des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG soll durch die zivilrechtlich durchzusetzende Zustimmung zu dieser Veranlagungsart dem betreffenden Ehegatten die Möglichkeit eröffnet werden, eine Entscheidung der hierfür zuständigen Finanzbehörden bzw. der Finanzgerichte darüber herbeizuführen, ob die Eheleute für einen bestimmten Veranlagungszeitraum zusammenveranlagt werden können. Deshalb sehen die Zivilgerichte einen Ehegatten auch dann als verpflichtet an, einer Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn es zweifelhaft erscheint, ob die Wahlmöglichkeit nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG überhaupt besteht. Umgekehrt hat ein etwa bestehender zivilrechtlicher Anspruch auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung grundsätzlich keinen Einfluss auf das Besteuerungsverfahren (vgl. BFH-Beschluss vom 07.02.2005 III B 101/04, BFH/NV 2005, 1083 m.w.N.).

Soweit der Bekl. und die Beigeladenen der Auffassung sind, das Finanzgericht sei aus prozessökonomischen Gründen verpflichtet, das Verfahren auszusetzen, weil Anträge auf Prozesskostenhilfe gestellt seien, verkennen sie, dass Entscheidungen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe keine rechtliche Abhängigkeit der Streitentscheidung i.S.v. § 74 FGO begründen können. Weiterhin wäre es nicht prozessökonomisch, das Verfahren bis zur Entscheidung des Zivilrechtsstreits auszusetzen, da die Kl. selbst dann, wenn sie in diesem Rechtsstreit verpflichtet werden sollte, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, das finanzgerichtliche Verfahren fortführen und ihr Begehren - mit Kostenfolge für den Bekl. - im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage geltend machen könnte. Der Umstand, dass der Bekl. nach einem möglichen Obsiegen der Beigeladenen in dem Zivilrechtsstreit die Einkommensteuerbescheide erneut ändern muss, stellt ebenfalls keinen prozessökonomischen Aussetzungsgrund dar. Denn eine Aussetzung gem. § 74 FGO ist nur zulässig, wenn der Ausgang des finanzgerichtlichen Rechtsstreits abhängig ist von der Entscheidung des Zivilrechtsstreits. Eine Abhängigkeit der Veranlagungen im Verwaltungsverfahren von dem Ausgang des Zivilrechtsstreits ist insoweit irrelevant. Auch das vom Bekl. zitierte Urteil des BFH vom 18.07.1990 I R 12/90, BStBl. II 1990, 967, nach dem das nach § 74 FGO auszuübende Ermessen des Finanzgerichts unter bestimmten Umständen auf Null reduziert sein kann, ist erkennbar nicht einschlägig. Denn bei dieser Entscheidung war über die Aussetzung zu befinden, durch die verhindert werden sollte, dass der BFH bzw. das BVerfG mit einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle "überschwemmt" wurde. Außerdem war in diesem Fall eine Klagerücknahme für den Fall angekündigt, dass das BVerfG zum Nachteil des Antragstellers entscheidet. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall schon deshalb nicht vor, weil die Kl. in ihrem Schriftsatz vom 11.04.2006 ausdrücklich auf die fehlende Bindungswirkung der zivilgerichtlichen Entscheidungen hingewiesen hat. Außerdem geht es im Streitfall nicht um ein Verfahren, in dem mit einer "Überschwemmung" des obersten Finanz- und Verfassungsgerichtes zu rechnen wäre.

Die am 09.11.2004 erhobene Klage ist zulässig.

Die einmonatige Klagefrist gem. § 47 FGO ist gewahrt, da die vom 27.02.2004 datierende Einspruchsentscheidung der Kl. erst am 15.10.2004 in Kopie zugegangen ist.

Die Klage ist auch begründet.

Die Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 vom 21.05.2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.02.2004 sind rechtswidrig und verletzen die Kl. in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Kl. hat einen Anspruch auf Durchführung der getrennten Veranlagung, da das Recht auf Wahl der Veranlagungsart auf die Kl. als Insolvenzverwalterin der beigeladenen Ehefrau übergegangen und ihr Antrag auf getrennte Veranlagung weder im Verhältnis zu dem beigeladenen Ehemann noch im Verhältnis zum Bekl. rechtsmissbräuchlich ist.

Wird - wie im Streitfall - über das Vermögen eines Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet, geht das Wahlrecht nach § 26 Abs. 2 EStG auf den Insolvenzverwalter über. Da die Art der Veranlagung nur vermögensrechtliche Auswirkungen hat, handelt es sich nicht um ein höchst persönliches Recht, dass nur von den Eheleuten selbst ausgeübt werden könnte. Der Insolvenzverwalter muss deshalb bei der Zusammenveranlagung mitwirken, wenn zu dem einheitlichen Einkommen der steuerpflichtigen Ehegatten auch Einkünfte aus der Verwaltung der Insolvenzmasse gehören. Widerspricht der Insolvenzverwalter der Zusammenveranlagung, so werden die Ehegatten getrennt veranlagt, (vgl. BFH-Urteile vom 15.10.1964 VI 175/63 U, BStBl. III 1965, 86; vom 29.10.1963 VI 266/61 U, BStBl. III 1963, 597; Uhlenbrock, Insolvenzordnung 12. Aufl. 2003, § 80 Rz. 24; Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz 5. Aufl. 2000, S. 96f; Hess, Steuerrecht in der Insolvenz 1996, Rz. 567; Schwarz, AO § 251 Rz. 74 jew. m.w.N.).

Dem steht nicht entgegen, dass der BFH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass die Entscheidung über die Zusammenveranlagung der Eheleute nicht in den durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss übertragenen Zuständigkeitsbereich eines Pfändungsgläubigers des Anspruchs auf Erstattung von Lohnsteuer bzw. Einkommensteuer fällt. Denn in diesem Fall geht nur die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen als Inhaber des Erstattungsanspruchs im Erhebungsverfahren, nicht aber auch die Rechtsstellung im Festsetzungsverfahren über. Anders ist dies im Fall der Gesamtrechtsnachfolge durch Erbanfall oder im Fall der Insolvenz, soweit die Insolvenzmasse betroffen ist (vgl. BFH-Urteil vom 29.02.2000 VII R 109/98, BStBl. II 2000, 573 (576); BFH-Beschluss vom 18.01.1996 VII B 259/95, BFH/NV 1996, 453 (454) jew. m.w.N.).

Die Ausübung dieses Wahlrechts durch die Kl. ist auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Eheleute, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, können zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a) und Zusammenveranlagung (§ 26b) wählen, § 26 EStG. Bei getrennter Veranlagung sind jedem Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte zuzurechnen. Die tarifliche Einkommen- steuer bemisst sich nach § 32a Abs. 1 (Grundtarif) und nicht nach Abs. 5 (Splittingtarif) EStG.

Liegen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG vor, so können die Eheleute grundsätzlich zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung frei wählen. Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG werden die Ehegatten getrennt veranlagt, wenn einer der Ehegatten getrennte Veranlagung wählt. Dieses Wahlrecht wird weder durch den Wortlaut des § 26 EStG noch durch die Regelungen der §§ 26a und 26b EStG eingeschränkt. Seine Ausübung ist an keine Frist gebunden. Die Eheleute sind an eine einmal getroffene Wahl nicht gebunden. Auch kann ein Ehegatte die gewählte Veranlagungsart grundsätzlich mehrfach ändern.

Die Rechtsprechung hat das Wahlrecht allerdings insoweit eingeschränkt, als sich ein Ehegatte nicht einseitig von der bisherigen Zusammenveranlagung lösen darf, sofern dafür keine wirtschaftlich verständlichen und vernünftigen Gründe vorliegen, sondern der Antrag als willkürlich erscheint. Diese im Verhältnis zwischen den Eheleuten gemachte Einschränkung wird aus dem auch im Steuerrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet.

Der Antrag nur eines Ehegatten auf getrennte Veranlagung ist danach rechtsmissbräuchlich und deshalb unwirksam, wenn letzterer keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte hat oder wenn diese so gering sind, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen haben noch zur Einkommensteuerveranlagung führen können. Im Übrigen ist die Zustimmung zur Zusammenveranlagung frei widerrufbar. Auf die Gründe, die ursprünglich zur Zusammenveranlagung geführt haben, kommt es steuerlich nicht an (BFH-Urteil vom 19.05.2004 III R 18/02, BStBl. II 2004, 980, 983; BFH-Beschluss vom 14.02.2000 VI B 181/99, BFH/NV 2000, 842). Steuerlich besteht keine Verpflichtung, einer Zusammenveranlagung zuzustimmen. Die Zustimmung zur Zusammenveranlagung ist im Besteuerungsverfahren auch nicht erzwingbar (BFH-Urteil vom 12.08.1977 VI R 61/75, BStBl. II 1977, 870).

Die Kl. handelt daher nicht deshalb rechtsmissbräuchlich i.S.d. oben zitierten Rechtsprechung zu § 26 EStG, weil durch ihren Antrag auf getrennte Veranlagung für die Eheleute insgesamt bzw. für den beigeladenen Ehemann eine höhere Steuerbelastung entsteht.

Zum einen hat der Wechsel von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung durch den Verlust des sog. Splittingvorteils im Regelfall eine höhere Steuerbelastung in der Gesamtschau beider Ehegatten, insbesondere aber für den anderen Ehegatten zur Folge (vgl. BFH-Beschluss vom 07.02.2005 III B 101/04, aaO S. 1084 a.E. m.w.N.). Zum anderen werden dadurch, dass der Antrag auf getrennte Veranlagung zu einem steuerlicher Vorteil - wenn auch nur - für den diese Veranlagungsart wählenden Ehegatten führt (hier für die Insolvenzmasse der beigeladenen Ehefrau), gerade die Voraussetzungen für die Annahme eines Rechtsmissbrauch nach den oben dargestellten Grundsätzen beseitigt.

Es ist zwar richtig, dass sich im Streitfall bei einer getrennten Veranlagung für 2001 eine Erstattung für die Insolvenzmasse der beigeladenen Ehefrau i.H.v. ....... DM, eine Nachzahlung für den beigeladenen Ehemann i.H.v. ........ DM und damit eine Differenz, d.h. eine Mehrbelastung der Eheleute i.H.v. ...... DM (...... EUR) im Vergleich zur bisheriger Erstattung von ...... DM ergeben würde. Auch für 2002 wären der Insolvenzmasse der Ehefrau ........ EUR zu erstatten, der beigeladene Ehemann hätte ........ EUR nachzuzahlen. Die Differenz, d.h. die Mehrbelastung im Vergleich zur bisherigen Erstattung von ...... EUR beliefe sich auf ...... EUR.

Diese Folgen können den Antrag auf getrennte Veranlagung nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten nach Auffassung des Senats jedoch ebenso wenig rechtsmissbräuchlich machen, wie die Möglichkeit, dass es in dem Schuldnerbereinigungsverfahren des beigeladenen Ehemannes zu einer Gefährdung von Gläubigeransprüchen kommen kann. Denn die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang Gläubigerinteressen durch die Wahl der Veranlagungsart betroffen sind, obliegt weder der Finanzverwaltung noch dem Finanzgericht. Hierüber kann nur in den dafür vorgesehenen zivil- oder insolvenzrechtlichen Verfahren zwischen den betroffenen Personen nach den einschlägigen zivil- oder insolvenzrechtlichen Vorschriften befunden werden. Sollte - wie vom Bekl. behauptet - einer der am Schuldenbereinigungsplan des Ehemannes beteiligten Gläubiger mit seinem Insolvenzantrag gegen die beigeladene Ehefrau bewusst die Gefährdung des Schuldenbereinigungsplans auch zu Lasten der für diese Ansprüche bürgenden Ehefrau herbeigeführt haben, so dürfte dieses Verhalten allein nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sein. Die Vorschrift des § 26 EStG bietet insoweit keine Rechtsgrundlage für eine, diese vielfältigen außersteuerlichen Interessen berücksichtigende Entscheidung. Gleiches gilt für eine mögliche, aus der ehelichen Treuepflicht nach § 1353 BGB abgeleiteten Bindung der Eheleute an gewählte Steuerklassen. Ob die Kl. als Treuhänderin der beigeladenen Ehefrau aus Gründen der ehelichen Treuepflicht gehindert ist, die getrennte Veranlagung zu wählen, kann nur nach den dafür maßgeblichen bürgerlichrechtlichen Vorschriften in dem Verfahren auf Zustimmung nach § 894 ZPO beurteilt werden.

Soweit der Bekl. unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 15.07.2004 III R 66/98, BFH/NV 2005, 186 durch die Ausübung der Wahl auf getrennte Veranlagung auch einen Rechtsmissbrauch im Verhältnis zur Finanzverwaltung und damit einen Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO verwirklicht sieht, kann dem der erkennende Senat nicht folgen. In dem vom BFH zu beurteilenden Sachverhalt hatten die Kl. aufgrund eines Gesamtplans - beginnend bereits mit einer Abtretung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Ehemannes - die Durchsetzung einer Steuernachforderung vereiteln wollen, indem sie zunächst die Steuerklassen III und V und anschließend die dieser Wahl widersprechende getrennte Veranlagung beantragt haben. In diesem besonders gelagerten Einzelfall hat der BFH in der wiederholt widersprüchlichen Ausübung von Wahlrechten - Lohnsteuerklasse III und V einerseits, Antrag auf getrennte Veranlagung andererseits - mit dem Ziel, die Durchsetzung der festgesetzten Steuer zeitweilig oder dauerhaft zu vereiteln, zutreffend einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 AO angenommen.

Diese oder vergleichbare Voraussetzungen liegen im Streitfall erkennbar nicht vor. Außerdem ist schon zweifelhaft, ob es vorliegend überhaupt zu einem Steuervermeidungstatbestand kommen wird. Sollte nämlich die Kl. in dem anhängigen Zivilrechtsstreit gem. § 894 ZPO zur Zustimmung zur Zusammenveranlagung verurteilt werden, fehlt es bereits an einem Steuervermeidungs- oder Steuerminderungstatbestand i.S.v. § 42 AO. Erst recht haben die beigeladenen Eheleute bzw. die Kl. als Treuhänderin der Ehefrau - sei es mit der ursprünglichen Wahl der Steuerklassen, sei es mit dem im Einspruchsverfahren gestellten Antrag auf getrennte Veranlagung - daher nicht das Ziel verfolgt, die (dauerhafte oder zeitweilige) Durchsetzung einer hierdurch ausgelösten Steuernachforderung gegen den beigeladenen Ehemann zu vereiteln. Abgesehen davon, dass der Schuldenbereinigungsplan des Ehemannes erst im November 2001 genehmigt worden war, wussten weder die beigeladenen Eheleute noch die Kl. im Zeitpunkt der Wahl der Steuerklassen von den möglichen Folgen des erst im Jahre 2002 eröffneten Insolvenzverfahrens gegen die beigeladene Ehefrau.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und § 139 Abs. 4 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück