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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 19.06.2008
Aktenzeichen: 3 K 1086/06 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG


Vorschriften:

ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG § 13a
ErbStG § 25
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

3 K 1086/06 Erb

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung der Steuervergünstigung gem. § 13a Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) für die Übertragung eines Kommanditanteils und des dazugehörigen Anteils an der Komplementär - GmbH.

Die Klägerin (Klin.) und ihre Mutter waren Gesellschafterinnen der Y. Q. GmbH & Co KG und der Grundstücksgesellschaft X. mit beschränkter Haftung; letztere ist die Komplementärin der KG. An der KG hielt die Mutter der Klin. eine Kommanditbeteiligung im Nennwert von 14.850 Euro, die Klin. selbst eine Beteiligung im Nennwert von 55.968 Euro. Der GmbH-Anteil der Mutter hatte einen Nennwert von 5.700 Euro, der der Klin. einen Nennwert von 21.200 Euro. Die Anteile der Klin. beliefen sich in der jeweiligen Gesellschaft auf 42,4 % des Grund- bzw. Stammkapitals. Neben ihr und ihrer Mutter waren ihre Geschwister mit wesentlich geringeren Anteilen an den Gesellschaften beteiligt. Zu den Einzelheiten wird auf die Gesellschaftsverträge in der Gerichtsakte Bezug genommen.

Durch notariellen Vertrag vom 04.12.2002 übertrug die Mutter der Klin. dieser sowohl den Kommandit- als auch den GmbH-Anteil einschließlich der dazugehörigen Rücklagen im Wege der Schenkung. Dabei behielt sich die Mutter der Klin. den Nießbrauch an den übertragenen Anteilen vor, wobei § 4 des Übertragungsvertrages im Einzelnen regelte, dass der Mutter der Klin. die Ergebnisanteile an der Kommanditgesellschaft sowie die Gewinnausschüttungen der GmbH zustehen sollten. Außerdem sollten sämtliche Stimm- und sonstigen Verwaltungsrechte aus den übertragenen Beteiligungen bei der Mutter der Klin. verbleiben. Im Fall der Veräußerung des übertragenen Anteils sollte sich der Nießbrauch am Netto-Veräußerungserlös bzw. an der Wiederanlage fortsetzen. Zu den Einzelheiten wird auf den notariellen Übertragungsvertrag, insbesondere § 4, in der Schenkungsteuerakte Bezug genommen.

Sowohl im Schenkungsvertrag als auch in der Schenkungsteuererklärung erklärte die Mutter der Klin., dass für die Übertragung der Gesellschaftsanteile die Steuervergünstigung gem. § 13a ErbStG in Anspruch genommen werden solle.

Durch Schenkungsteuerbescheid vom 25.03.2004 setzte der Bekl. die Schenkungsteuer auf 87.900 Euro fest, wobei 23.220 Euro wegen des vorbehaltenen Nießbrauchs gem. § 25 ErbStG gestundet wurden. Die Steuerbefreiung gem. § 13a ErbStG gewährte der Bekl. nicht, da die Klin. aufgrund des ihrer Mutter zustehenden Nießbrauchs eine Mitunternehmerstellung nicht erlangt habe. Zu den Einzelheiten wird auf den Schenkungsteuerbescheid vom 25.03.2004 in der Schenkungsteuerakte Bezug genommen.

Mit ihrem dagegen erhobenen Einspruch vom 31.03.2004 trug die Klin. vor, dass der Nießbrauch sich lediglich auf die Erträge aus den Anteilen beziehe. Der Mitunternehmeranteil sei aufgespalten in die Erträge und seinen Bestand. Dies reiche für die Begründung einer Mitunternehmerstellung der Klin. aus.

Den Einspruch wies der Bekl. durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 09.02.2006 als unbegründet zurück. Wegen des vollständigen Verbleibs der Stimm- und Verwaltungsrechte bei der Mutter der Klin. könne die Klin. selbst keine Mitunternehmerinitiative entfalten. Deshalb sei die Steuervergünstigung gem. § 13a ErbStG nicht zu gewähren. Der Bekl. bezog sich insoweit auf das Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 22.12.2004 3 K 277/03 (EFG 2005, 639).

Mit ihrer Klage vom 13.03.2006 (ein Montag) verfolgt die Klin. ihr Begehren auf Gewährung der Steuervergünstigung gem. § 13a ErbStG weiter. Sie verweist darauf, dass sie bereits vor der Übertragung Mitunternehmerin der KG gewesen sei. Nach der Übertragung halte sie einen vermögensrechtlich größeren Kommanditanteil, mit dem zwar nicht die vollen Stimmrechte verbunden seien, der ihr jedoch aufgrund der bereits vorhandenen Mitunternehmerstellung Stimmrechte gewähre, die ihr das Sagen in der Gesellschaft ermöglichten.

Die Klin. beantragt,

den Schenkungsteuerbescheid vom 25.03.2004 in der Fassung der EE vom 09.02.2006 zu ändern und die Steuer unter Gewährung der Begünstigung gem. § 13a ErbStG festzusetzen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf seine EE.

Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 20.05.2008 erörtert. Zu den Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll hingewiesen.

Der Senat hat in der Sache am 19.06.2008 mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klin. hat keinen Anspruch auf Gewährung der Steuervergünstigung gem. § 13a ErbStG.

Der Freibetrag und Bewertungsabschlag gem. § 13a Abs. 1 Nr. 2 und Satz 2 ErbStG können bei einer Schenkung unter Lebenden gem. § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG für inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebes, eines Teilbetriebs oder eines Anteils an einer Gesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG in Anspruch genommen werden.

Die Übertragung des Kommanditanteils einschließlich des zum Sonderbetriebsvermögen der KG gehörenden Anteils an der Komplementär-GmbH ist eine Anteilsübertragung i. S. d. § 13 Abs. 4 Nr. 1 ErbStG. Der Gewährung der Begünstigung steht der Vorbehalt des Nießbrauchs seitens der Mutter der Klin. grundsätzlich nicht entgegen (vgl. FG Köln, Urteil vom 07.04.2003 9 K 3558/98, EFG 2003, 1025). Voraussetzung ist jedoch, dass der Beschenkte, hier die Klin., trotz des vorbehaltenen Nießbrauchs nicht nur zivilrechtlich Inhaber des Kommanditanteils sondern auch Mitunternehmer im ertragsteuerlichen Sinn geworden ist.

Mitunternehmer ist, wer Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Beide Elemente müssen vorhanden, können aber in ihrer Gewichtigkeit unterschiedlich ausgeprägt sein. Fehlt eines der Elemente ganz, ist eine Mituntnehmerstellung nicht gegeben.

Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens und am Geschäftswert vermittelt. Mitunternehmerinitiative besteht, wenn die Ausübung von Rechten möglich ist, die den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten eines Kommanditisten nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches wenigstens angenähert sind.

Nach Auffassung des BFH (vgl. Urteil vom 01.03.1994 VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241), der der Senat sich anschließt, sind im Fall der Bestellung eines Nießbrauchs an einem Kommanditanteil im Regelfall sowohl der Nießbraucher als auch der nießbrauchsbelastete Gesellschafter regelmäßig Mitunternehmer, da beide Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative entfalten können. Im Hinblick auf das Mitunternehmerrisiko verweist der BFH darauf, dass das den Nießbrauch kennzeichnende Fruchtziehungsrecht sich auf den gesellschaftsrechtlich entnahmefähigen Ertrag beschränke. Es sei nur der Ertrag entnahmefähig, der nicht auf die realisierten stillen Reserven im Anlagevermögen entfalle; dieser gebühre dem Anteilsinhaber. Auch die Mitunternehmerinitiative des Anteilseigners werde durch den Nießbrauch grundsätzlich nicht eingeschränkt, da der Nießbraucher einen das Mitwirkungsrecht des Gesellschafters ausschließendes eigenes, seine Mitunternehmerinitiative begründendes Stimmrecht nur bei Beschlüssen der Gesellschafter über die laufenden Angelegenheit der Gesellschaft und die zur Sicherung seines Fruchtziehungsrechts notwendigen Kontroll- und Informationsrechte habe. Der Ausschluss des Anteilseigners von diesen Mitwirkungsrechten lasse jedoch dessen Stellung als Mitunternehmer unberührt, da im Übrigen der Kernbereich der gesellschaftsrechtlichen Mitwirkung (z. B. die Mitwirkung bei Kerngeschäften wie der Veränderung der Gewinnbeteiligung oder Vereinbarung über das Auseinandersetzungsguthaben) vom Nießbrauch nicht betroffen sei.

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Senat nicht feststellen, dass die Klin. hinsichtlich der übertragenen Gesellschaftsanteile nicht nur zivilrechtlich Inhaberin derselben, sondern auch Mitunternehmerin im ertragsteuerlichen Sinne geworden ist.

Der Senat geht allerdings davon aus, dass die Klin. Mitunternehmerrisiko trägt, da sie zwar aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs nicht an den laufenden Erträgen (sprich Gewinnen und Verlusten) beteiligt ist, ihr aber nach § 4 Nr. 3 des Übertragungsvertrages ein etwaiger Veräußerungserlös zusteht und sie auch das Risiko des Untergangs der übertragenen Anteile trägt (a.A. insoweit das FG Köln, Urteil vom 14.11.2006, 9 K 2612/04, EFG 2007, 273, Rev. II R 70/06, das für die Mitunternehmerstellung auf jeden Fall eine Beteiligung am laufenden Gewinn für erforderlich hält).

Jedoch kann die Klin. wegen des Vorbehalts der Stimm- und sonstigen Verwaltungsrechte durch die Schenkerin Mitunternehmerinitiative nicht entfalten.

Werden nämlich Stimm- und sonstige Verwaltungsrechte - wie vorliegend durch § 4 Nr. 2 des Übertragungsvertrages - vollständig dem Nießbraucher zugeordnet, kann der nießbrauchsbelastete Gesellschafter auf die Entscheidungen der Gesellschaft nicht mehr einwirken (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 22.12.2004 3 K 277/03, EFG 2005, 639; Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 28.11.2006 1 K 3292/05, EFG 2007, 944, Rev. II R 14/07; Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.05.2006 4 K 2165/03, zitiert nach [...], Rev. II R 35/07). Dabei legt der Senat § 4 Nr. 2 des Übertragungsvertrages dahin gehend aus, dass der Mutter der Klin. als Nießbraucherin sämtliche Rechte eines Kommanditisten gem. §§ 161 Abs. 2, 164 und 166 HGB (Stimm, Widerspruchs- und Kontrollrecht) zustehen. Diese Auslegung legt die umfassende Formulierung ("Stimm- und sonstige Verwaltungsrechte") nahe und ist von der Klin. auch nicht bestritten worden. Aufgrund des umfassenden Stimmrechtsvorbehalts verbleiben der Klin. nicht einmal Rechte, die den Rechten eines Kommanditisten zumindest angenähert sind. Dass der Klin. die Verfügungsrechte über den erworbenen Anteil belassen bleiben, reicht für die Begründung ihrer Mitunternehmerinitiative jedenfalls nicht aus.

Die dagegen von der Klin. vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.

Soweit die Klin. meint, zur Entfaltung von Mitunternehmerinitiative reiche es aus, dass die Klin. aufgrund ihrer zivilrechtlichen Stellung als Kommanditistin in der Gesellschafterversammlung ihre Stimme abgeben könne und auch müsse, da die Nießbraucherin als Nichtgesellschafterin keine entsprechenden Befugnisse habe, und dass sich die Klin. im Innenverhältnis zur Nießbraucherin allenfalls schadensersatzpflichtig mache, folgt ihr der Senat nicht. Es liegt in der Natur des Nießbrauchs, dass der Nießbraucher dem Gegenstand des Nießbrauchs anhaftende Rechte - hier die Stimm- und sonstigen Verwaltungsrechte - zivilrechtlich nur über den Nießbrauchsbesteller geltend machen kann. Dass der Nießbrauchsbesteller dem Nießbraucher dazu zivilrechtlich nur im Innenverhältnis - nämlich aufgrund des eingeräumten Nießbrauchs - verpflichtet ist, führt nicht dazu, dass der Nießbrauchsverpflichtete deshalb steuerrechtlich als Mitunternehmer anzusehen ist, weil er gegenüber Dritten weiter als "vollwertiger" Gesellschafter auftreten kann. Steuerrechtlich maßgeblich ist vielmehr das Innenverhältnis zwischen Nießbraucher und Nießbrauchsbesteller. Stehen aufgrund der Regelungen im Innenverhältnis dem Nießbraucher alle Rechte zu, die die Entfaltung von Mitunternehmerinitiative im bereits beschriebenen Sinne ermöglichen, kann der Nießbrauchsbesteller keine eigene Mitunternehmerinitiative mehr entfalten.

Auch der von der Klin. vorgetragene Gesichtspunkt, dass sie aufgrund ihrer unstreitig bereits vor der Anteilsübertragung vom 04.12.2002 bestehenden Stellung als Kommanditistin und Mitunternehmerin auch hinsichtlich des übertragenen Anteils als Mitunternehmerin - ggfs. mit disquotalem Stimmrecht - anzusehen sei, weil der Kommanditanteil insweit nicht teilbar sei, trägt nicht. Es trifft zwar zu, dass auch bei Hinzuerwerb eines Gesellschaftsanteils zu einem bereits bestehenden Kommanditanteil in der Hand des Gesellschafters nur eine einheitliche Beteiligung besteht; gleichwohl kann der Gesellschafter schuldrechtlich oder kraft Gesetzes gehindert sein, über Teile seines Anteils frei zu verfügen (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.1983 II ZR 44/83, NJW 1984, 362).

Maßgeblich ist darüber hinaus, dass der Schenkungsteuer gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erwerb unter Lebenden unterliegt. Für die Besteuerung und auch für die Steuerbefreiung ist entscheidend, was Gegenstand des Erwerbs zum Zeitpunkt der Übertragung als dem gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG für die Besteuerung maßgeblichen Zeitpunkt ist und nicht das, was - ggfs. nur eine juristische Sekunde später - aus dem Gegenstand des Erwerbs wird. Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass Gegenstand des Erwerbs allein die durch den Vertrag vom 04.12.2002 übertragenen Anteile sind. Aufgrund des vollständigen Stimmrechtsvorbehalts zugunsten der Mutter der Klin. konnten die übertragenen Anteile der Klin. zum Übertragungszeitpunkt eine Mitunternehmerstellung nicht vermitteln. Der Erwerb umfasste zwar zivilrechtlich einen Kommanditanteil nebst zugehörigem Anteil an der Komplementär-GmbH, nicht aber einen Mitunternehmeranteil im ertragsteuerlichen Sinn.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen ( § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).



Ende der Entscheidung

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