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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 13.03.2008
Aktenzeichen: 3 K 1919/05 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG


Vorschriften:

ErbStG § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

3 K 1919/05 Erb

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Streitig ist, ob bei der Steuerfestsetzung für mehrere Erwerbe nach § 14 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) die bestandskräftig zu hoch festgesetzte Schenkungsteuer auf den Vorerwerb oder die materiellrechtlich zutreffende Schenkungsteuer auf den Vorerwerb zu berücksichtigen ist.

Der Kläger (Kl.) beerbte seine am 05.10.1922 geborene und am 27.02.2001 verstorbene Tante E neben einer weiteren Miterbin zu 1/2 Anteil. In der von beiden Miterben unterschriebenen Erbschaftsteuererklärung vom 06.02.2002 wurde die Frage nach Schenkungen der Erblasserin zu Lebzeiten mit "nein" beantwortet. Zu den Einzelheiten wird auf die ErbSt-Erklärung (vgl. Bl. 18 ff. der Steuerakte) verwiesen.

Mit Bescheid vom 07.03.2002 setzte der Beklagte (Bekl.) die auf den Kl. entfallende ErbSt ausgehend von einem Anteil am Nachlass von 284.388,00 DM zunächst auf 44.931,00 DM (22.972,86 EUR) fest. Auf den gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) ergangenen Bescheid wird Bezug genommen (vgl. Bl. 33 ff. der Steuerakte).

Am 27.03.2002 erschien der Kl. beim Bekl. und erklärte, dass er von der Erblasserin am 04.05.2000 450.000,00 DM geschenkt bekommen habe. Als Gegenleistung habe er der Erblasserin eine Wohnung in seinem Haus unentgeltlich zur Verfügung gestellt und monatlich 2.000,00 DM an sie gezahlt. Über diese Vereinbarung existiere allerdings kein schriftlicher Vertrag. Auf die Gesprächsnotiz vom 27.03.2002 nebst Anlagen (vgl. Bl. 54 ff. der Steuerakte) wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 29.05.2002 änderte der Bekl. den Erbschaftsteuerbescheid gem. § 164 Abs. 2 AO aus hier unstreitigen Gründen und setzte die Erbschaftsteuer ausgehend von einem Anteil am Nachlass i.H.v. 279.888 DM auf 44.166,00 DM (22.581,72 EUR) fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Auf den Bescheid vom 29.05.2002 (vgl. Bl. 46 ff. der Steuerakte) wird Bezug genommen.

Hinsichtlich der Zuwendung vom 04.05.2000 reichte der Kl. am 28.06.2002 beim Bekl. eine Schenkungsteuererklärung ein, in der er als Gegenleistung neben den monatlichen Rentenzahlungen i.H.v. 2.000,00 DM und dem Wohnrecht im Wert von monatlich 1.200,00 DM Renovierungs- und Umzugskosten i.H.v. 20.000,00 DM geltend machte, wobei er diesbezüglich Zahlungen i.H.v. 7.354,64 DM nachwies. Zu den Einzelheiten wird auf die Schenkungsteuererklärung (vgl. Bl. 66 ff. der Steuerakte) verwiesen.

Mit Bescheid vom 09.07.2002 setzte der Bekl. daraufhin bezüglich der Zuwendung vom 04.05.2000 ausgehend von einem Wert des Erwerbs von 399.330 DM Schenkungsteuer i.H.v. 64.481,00 DM (32.968,61 EUR) fest. Dabei berücksichtigte der Bekl. u.a. als Gegenleistung lebenslängliche Nutzungen und Leistungen des Kl. an die Erblasserin in Form des Wohnrechts und der monatlichen Rente. Bei der Ermittlung des Wertes der Nutzungen und Leistungen wandte der Bekl. bezogen auf den Jahreswert einen Vervielfältiger an, den er unter Berücksichtigung des Todesdatums der Erblasserin aus der tatsächlichen Dauer der Nutzungen und Leistungen ermittelt hatte. Auf den bestandskräftig gewordenen Schenkungsteuerbescheid vom 09.07.2002 wird verwiesen (vgl. Bl. 70 ff. der Steuerakte).

Am 02.10.2002 änderte der Bekl. sodann den Erbschaftsteuerbescheid vom 29.05.2002 gem. § 164 Abs. 2 AO und setzte die ErbSt auf 80.851,00 DM (41.338,46 () fest. Dabei rechnete der Bekl. dem Anteil des Kl. am Nachlass den Wert der Vorschenkung (399.330,00 DM) hinzu und zog von der errechneten Erbschaftsteuer die für die Vorschenkung festgesetzte Schenkungsteuer (64.481,00 DM) ab. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Zu den Einzelheiten wird auf den Erbschaftsteuerbescheid vom 02.10.2002 (vgl. Bl. 78 ff. der Steuerakte) verwiesen.

Hiergegen wandte sich der Kl. mit seinem Einspruch vom 25.10.2002. Er beanstandete die steuerliche Behandlung der Vorschenkung. Im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung sei der Wert der Vorschenkung unabhängig von der tatsächlichen Schenkungsteuerfestsetzung neu zu berechnen. Der Kapitalwert der Belastung sei nach § 14 Bewertungsgesetz (BewG) i.V.m. Anlage 9 mit einem Vervielfältiger von 6,261 entsprechend dem Alter der Erblasserin zum Zeitpunkt der Schenkung zu ermitteln. Weiterhin sei von der Erbschaftsteuer die tatsächlich festgesetzte und gezahlte Schenkungsteuer abzuziehen.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 07.04.2005 setzte der Bekl. die Erbschaftsteuer auf 47.838,00 DM (24.459,00 EUR) fest, hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Der Bekl. folgte der Auffassung des Kl. hinsichtlich der Ermittlung des Werts der Vorschenkung. Nach der insofern übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten betragen der Wert der Vorschenkung 186.897,00 DM und die hierauf entfallende materiellrechtlich zutreffende Schenkung-steuer 28.356,00 DM. Zu den Einzelheiten wird auf die Ausführungen und Berechnungen des Bekl. in der EE vom 07.04.2005 Bezug genommen.

Im Rahmen der Festsetzung der Steuer nach § 14 ErbStG rechnete der Bekl. auf die zwischen den Beteiligten unstreitige Erbschaftsteuer i.H.v. 76.194,00 DM nicht die tatsächlich festgesetzte Schenkungsteuer aus der Vorschenkung (64.481,00 DM), sondern die materiellrechtlich zutreffende Schenkungsteuer aus der Vorschenkung (28.356,00 DM) an. Hierzu führte der Bekl. aus, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG) die zu entrichtende Steuer abzuziehen sei. Dies bedeute, dass in Fällen einer fehlerhaften Steuerfestsetzung für den Vorerwerb nicht die entrichtete Steuer, sondern ein Steuerbetrag abzuziehen sei, der den seinerzeit geltenden gesetzlichen Vorschriften entspreche. Eine Anrechnung der tatsächlich entrichteten Schenkungsteuer würde indirekt zu einer Minderung der bestandskräftig festgesetzten Schenkungsteuer gemäß Bescheid vom 09.07.2002 führen. Eine solche nachträgliche Korrekturmöglichkeit würde die bereits eingetretene Bestandskraft des Schenkungsteuerbescheides aushebeln und widerspräche dem Wortlaut des Gesetzes.

Mit seiner am 11.05.2005 erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter, die bestandskräftig festgesetzte Schenkungsteuer i.H.v. 64.481,00 DM bei der Erbschaftsteuerfestsetzung abzuziehen. Zur Begründung führt er aus, der Wille des Gesetzgebers gehe dahin, keine Benachteiligung des Beschenkten bzw. Erben dadurch entstehen zu lassen, dass die Schenkungsteuer auf Vorerwerbe bereits entrichtet worden sei und die Erbschaftsteuer später unter Berücksichtigung einer anderen Gesetzeslage bzw. Tatsachenlage festgesetzt werde. Statt der fiktiven Steuer sei die seinerzeit für die Vorerwerbe tatsächlich zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher sei. Zu Ungunsten des Steuerpflichtigen sei lediglich geregelt, dass es zu keiner Steuererstattung kommen könne, wenn die auf den Vorerwerb entfallende Steuer höher sei als die Steuer auf den Gesamterwerb.

Der Kl. beantragt,

1. die EE des Bekl. vom 07.04.2005 dahingehend abzuändern, dass hinsichtlich des Vorerwerbs Steuern in einer Höhe von 64.481,00 DM (32.968,61 () angerechnet werden und die Erbschaftsteuer auf 11.713,00 DM (5.989,00 () festgesetzt wird,

2. hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist der Bekl. auf seine Ausführungen in der EE.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 01.03.2007 erörtert. Auf das Protokoll des Erörterungstermins (vgl. Bl. 55 f. der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Erbschaftsteuerfestsetzung des Bekl. in der EE vom 07.04.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Der Bekl. hat bei der Berechnung der festzusetzenden Erbschaftsteuer von dem Gesamtbetrag der Erbschaftsteuer (76.184,00 DM) zu Recht die materiellrechtlich zutreffende Schenkungsteuer auf den Vorerwerb (28.356,00 DM) und nicht die tatsächlich festgesetzte Schenkungsteuer auf den Vorerwerb (44.166,00 DM) angerechnet.

Nach § 14 Abs.1 Sätze 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Von der Steuer für den Gesamterwerb wird die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Anstelle der Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG).

Anknüpfend an den Gesetzeswortlaut geht der BFH in ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH, Urteil vom 02.03.2005 II R 43/03, BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728 m.w.N.; BFH, Beschluss vom 20.01.2005 II R 56/02, BFH/NV 2005, 1308 m.w.N.) davon aus, dass § 14 ErbStG lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist, trifft. Die Zusammenrechnung in § 14 ErbStG solle gewährleisten, dass die Freibeträge innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums nur einmal zur Anwendung gelangen und sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung in gleicher Höhe kein Progressionsvorteil ergebe. Die Zusammenrechnung aller Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums solle somit verhindern, dass eine Zuwendung in mehrere aufeinander folgende Zuwendungen zerlegt würde, um eine niedrigere Erbschaftsteuerbelastung zu erreichen. Die Vorschrift ändere aber nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder würden frühere Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch würden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift treffe lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen sei. An dieser seit jeher bestehenden Bedeutung des § 14 ErbStG habe die -mit dem Jahressteuergesetz 1997 eingeführte- Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG nichts geändert. Der Gesetzgeber habe dadurch lediglich unbillige Folgen für die Steuerpflichtigen vermeiden wollen, die sich insbesondere durch für sie günstige Rechtsänderungen wie höhere Freibeträge oder niedrigere Steuersätze bei einem Übergang zu neuem Recht ergeben könnten. Derartige Änderungen könnten dazu führen, dass die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG anzurechnende Steuer niedriger ausfalle, als die für den Vorerwerb tatsächlich zu entrichtende Steuer. Der Steuerpflichtige solle jedoch für den Letzterwerb insoweit keine Steuer zahlen, als er für einen Vorerwerb bereits Steuer in (mindestens) dieser Höhe zu entrichten hatte (vgl. BFH, Urteil vom 02.03.2005 II R 43/03, BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728 m.w.N.).

Hieraus folgt, dass den vorangegangenen Steuerbescheiden bei der Zusammenrechnung gem. § 14 ErbStG keine Bindungswirkung zukommt. Die früheren Erwerbe sind vielmehr auch dann mit den ihnen (damals) zukommenden richtigen Werten anzusetzen, wenn den vorangegangenen Steuerfestsetzungen fehlerhafte Werte für diese Erwerbe zugrunde gelegt worden waren. Insofern ist eine Korrektur fehlerhafter Steuerveranlagungen für den Vorerwerb zulässig (vgl. BFH, Beschluss vom 20.01.2005 II R 56/02, BFH/NV 2005, 1308 m.w.N.; BFH, Urteil vom 17.04.1991 II R 121/88, BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522; Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 14 Rz. 34).

Nach diesen, dem Gesetzeswortlaut des § 14 ErbStG folgenden Rechtsprechungsgrundsätzen, denen sich der erkennende Senat im vorliegenden Fall anschließt, war bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG -wie vom Bekl. vorgenommen- die materiellrechtlich zutreffende und nicht die tatsächlich bestandskräftig zu hoch festgesetzte Schenkungsteuer auf die Vorschenkung abzuziehen. Aus § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG folgt nichts anderes. Das Gesetz lässt gem. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG den Abzug der tatsächlich (zutreffend) "zu entrichtenden" aber nicht der tatsächlich entrichteten bzw. tatsächlich gezahlten Steuer zu (vgl. auch: Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 14 Rz. 34; Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 14 Rz. 54; Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz-Kommentar, § 14 Rz. 29). Auch nach der Intention des Gesetzgebers soll gem. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG für die Vorerwerbe die tatsächlich zu erhebende Steuer und nicht die tatsächlich erhobene Steuer angerechnet werden, wenn diese höher ist, als die fiktiv zu ermittelnde Steuer zur Zeit des Letzterwerbs (vgl. Bundestagsdrucksache 13/4839, Seite 69).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen, da zu der hier konkret vorliegenden Fallgestaltung -soweit ersichtlich- noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.



Ende der Entscheidung

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