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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 06.11.2008
Aktenzeichen: 3 K 194/05 VSt
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 101
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Zurechnung von Kapitalvermögen in Form von Tafelpapieren bei den Vermögensteuer-Festsetzungen auf den 01.01.1992 und 01.01.1993.

Der Kläger war in den Streitjahren als Steuerberater selbständig tätig. Durch Bescheid vom 17.12.1990 wurden die Kläger gemeinsam mit H I zur Vermögensteuer auf den 01.01.1989 veranlagt (Hauptveranlagung). Unter Berücksichtigung eines steuerpflichtigen Vermögens von 211.000 DM wurde die Vermögensteuer für 1989 bis 1991 jeweils auf 1.055 DM festgesetzt. Zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 17.12.1990 verwiesen. Zu den hier streitigen Stichtagen wurde H I nicht mehr zusammen mit den Kläger zur Vermögensteuer veranlagt.

Die Vermögensteuer auf den 01.01.1992 wurde zunächst durch gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 03.03.1992 im Wege einer Neuveranlagung auf 0 DM festgesetzt, wobei die Besteuerungsgrundlagen geschätzt wurden. Nachdem die Kläger der Aufforderung des Beklagten vom 08.12.1995 zur Abgabe einer Vermögensteuer-Erklärung auf den 01.01.1992 nicht nachgekommen waren, änderte der Beklagte die Vermögensteuer-Festsetzung auf den 01.01.1992 durch Bescheid vom 22.02.1996. Die Vermögensteuer 1992 wurde unter Berücksichtigung eines Kapitalvermögens in Höhe von 353.866 DM und eines steuerpflichtigen Vermögens von 281.000 DM auf 1.405 DM festgesetzt. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 22.02.1996 Bezug genommen.

Bezüglich der Vermögensteuer auf den 01.01.1993 reichten die Kläger am 06.02.1995 die Steuererklärung beim Beklagten ein. Darin bezifferten sie ihr Kapitalvermögen in Form von Bargeld auf 2.000 DM, in Form von Guthaben bei Kreditinstituten auf 7.280 DM sowie in Form von Anteilen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften auf 4.875 DM. Zu den Einzelheiten wird auf die Vermögensteuer-Erklärung Bezug genommen. Am 22.06.1995 erließ der Beklagte gegen die Kläger den Vermögensteuer-Bescheid auf den 01.01.1993 (Hauptveranlagung), in dem die Vermögensteuer 1993 und 1994 unter Berücksichtigung eines Kapitalvermögens in Höhe von 65.230 DM auf 0,00 DM festgesetzt wurde. Zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 22.06.1995 verwiesen. Am 27.07.1995 wurde der Bescheid nach Auswertung einer Einheitswert-Mitteilung geändert und die Vermögensteuer 1993 und 1994 auf jeweils 180,00 DM festgesetzt. Zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 27.07.1995 Bezug genommen.

Im Rahmen von Ermittlungen bei der Sparkasse E stellte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung L (Steufa) im Jahr 2001 fest, dass der Kläger am 17.01.1995 dort folgende Tafelpapiere eingelöst hatte:

7 % IHS Sparkasse E Serie 20, fällig am 16.01.1990 Nennwert 100.000 DM

7 % IHS Sparkasse E Serie 19, fällig am 12.12.1994 Nennwert 130.000 DM

9 % IHS WestLB Serie 569, fällig am 01.12.1994 Nennwert 100.000 DM

9 % IHS WestLB Serie 571, fällig am 16.01.1996 Nennwert 50.000 DM

Die Einlösung dieser Wertpapiere führte zu einem Auszahlungsbetrag von 379.837,50 DM. Nach den weiteren Feststellungen der Steufa erwarb der Kläger am selben Tag (17.01.1995) Tafelpapiere in Form von Inhaberschuldverschreibungen (IHS) der WestLB der Serie 696 (Verzinsung: 6,25 % p.a.) im Nennwert von 410.000 DM. Der Kaufpreis betrug 401.085,34 DM. Ebenfalls am 17.01.1995 hob der Kläger von einem Konto bei der Sparkasse E 25.000 DM in bar ab. Die Inhaberschuldverschreibung der Serie 696 war am 09.01.1999 fällig und wurde später anonym eingelöst.

Ungeachtet dessen, dass der Kläger sich dahingehend geäußert hatte, er habe die Tafelgeschäfte für einen Mandanten getätigt, dessen Namen er jedoch aus Mandantenschutzgründen nicht nennen könne, da dieser ihn nicht von seiner Schweigepflicht entbunden habe, zog die Steufa die Schlussfolgerung, dass die Barauszahlung i.H.v. 25.000 DM neben dem Auszahlungsbetrag der eingelösten Tafelpapiere zum Erwerb der neuen Tafelpapiere gedient habe und die am 15.01.1995 eingelösten Tafelpapiere mit den jeweiligen Kurswerten dem Kläger bei der Vermögensteuer-Festsetzung auf den 01.01.1992 und 01.01.1993 zuzurechnen seien. Die Vermögensteuer-Festsetzungen seien gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) zu ändern. Zu den Einzelheiten wird auf den Bericht der Steufa vom 02.07.2003 Bezug genommen.

Der Beklagte folgte den Feststellungen und Wertungen der Steufa und erließ am 10.03.2004 gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO Änderungsbescheide zur Vermögensteuer auf den 01.01.1992 und auf den 01.01.1993. Die Vermögensteuer 1992 wurde unter Berücksichtigung eines zusätzlichen Kapitalvermögens in Form der Tafelpapiere (Kurswert: 383.000 DM) auf 3.325 DM nebst Zinsen festgesetzt. Die Vermögensteuer 1993 und 1994 wurde unter Berücksichtigung eines weiteren Kapitalvermögens in Form der Tafelpapiere (Kurswert: 385.950 DM) auf 2.110 DM nebst Zinsen festgesetzt. Zu den Einzelheiten wird auf die Änderungsbescheide Bezug genommen.

Gegen die Änderungsbescheide vom 10.03.2004 haben die Kläger zunächst Sprungklage erhoben, der der Beklagte nicht zustimmte, so dass die Klage vom Beklagten als außergerichtlicher Rechtsbehelf behandelt wurde. Zur Begründung führten die Kläger aus, dass allein die Tatsache, dass der Kläger am 17.01.1995 Wertpapiere veräußert und am selben Tage Wertpapiere angekauft habe, nicht den Schluss rechtfertige, es habe sich dabei um eigenes Vermögen gehandelt. Der Kläger habe vielmehr für einen Mandanten gehandelt. Gem. § 57 Abs. 2 Nr. 2 Steuerberatungsgesetzt (StBerG) gehöre zum Berufsbild des Steuerberaters allgemein die Wahrnehmung fremder Interessen und gem. § 57 Abs. 2 Nr. 3 StBerG insbesondere auch die wirtschaftsberatende Tätigkeit. Aufgrund seiner Verpflichtung zur Verschwiegenheit sei der Kläger nicht in der Lage, die auftraggebende Person zu benennen, da der Mandant nicht bereit sei, ihn von seiner Verschwiegenheitspflicht zu befreien. Zwar sei im Rahmen der Verschwiegenheitspflicht auch der Ausnahmetatbestand der Wahrnehmung eigener berechtigter Interessen anerkannt (§ 9 Abs. 3 Berufsordnung der Steuerberater). Der Steuerberater sei danach an die Pflicht zur Verschwiegenheit nicht gebunden, soweit die Offenlegung der Wahrung eigener berechtigter Interessen diene. Bei der Abwägung der Interessen seien jedoch strenge Maßstäbe anzulegen. Ob der Steuerberater im Einzelfall aber in Wahrnehmung eigener berechtigter Interessen Auskünfte erteile, müsse ihm als Berufsträger überlassen bleiben. Die Kläger beriefen sich insofern auf eine vom Kläger eingeholte Stellungnahme der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe vom 08.08.2003. Zu den Einzelheiten wird auf die Stellungnahme der Steuerberaterkammer Bezug genommen.

Mit der Einspruchsentscheidung vom 07.01.2005 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Der Beklagte vertrat weiter die Auffassung, dass die streitbefangenen Tafelpapiere den Kläger bei der Vermögensteuer-Festsetzung auf den 01.01.1992 und 01.01.1993 zuzurechnen seien. Die Beteiligten am Besteuerungsverfahren seien zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kämen dieser Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen legten und die ihnen bekannten Beweismittel anzugeben hätten. Steuerberater könnten im geschützten Bereich des § 102 Abs. 1 Nr. 3b AO Angaben betreffend ihrer Mandanten verschweigen. § 102 AO gewähre jedoch nur ein Auskunftsverweigerungsrecht, begründe jedoch keine Auskunftsverweigerungspflicht. § 57 Abs. 1 StBerG i.V.m. § 9 der Berufsordnung der Steuerberater enthalte zwar die Verpflichtung des Steuerberaters zur Verschwiegenheit, lasse jedoch zur Wahrung eigener berechtigter Interessen die Offenlegung zu. Wenn auch bei der Güterabwägung zwischen dem Vertrauensverhältnis des Steuerberaters zum Mandanten und dem berechtigten Eigeninteresse strenge Maßstäbe anzulegen seien, so wäre der Steuerberater aber unangemessen benachteiligt, wenn ihm durch sein Schweigen beachtliche persönlich Nachteile erwachsen würden. Die folgenlose Hinnahme des Auskunftsverweigerungsrechts, die der Kläger für sich geltend mache, gefährde die Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dieser sei jedoch Vorrang selbst vor der beruflichen Schweigepflicht einzuräumen. Ohne die Einschränkung zur Verschwiegenheit gem. § 9 Abs. 3 1. Alt. der Berufsordnung der Steuerberater ergäben sich vielfache Manipulationsmöglichkeiten und der grundgesetzliche Auftrag zur Gleichbehandlung würde nicht gewahrt. Die Abwicklung der Wertpapiergeschäfte durch den Kläger und das Fehlen eines jeglichen objektiven Hinweises auf einen fremden Dritten als Auftraggeber führten zwingend dazu, dem Kläger die Tafelpapiere zuzurechnen. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 07.01.2005 verwiesen.

Mit ihrer Klage vom 17.01.2005 verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Zur Begründung ihrer Auffassung, dass der Kläger zur Verschwiegenheit verpflichtet sei, berufen sich die Kläger auf die zivilrechtliche Rechtsprechung sowie Stimmen in der Literatur. Hierzu wird auf den Schriftsatz vom 07.04.2005 Bezug genommen (Bl. 26 ff. der Gerichtsakte). Die Kläger führen weiter aus, dem Beklagten obliege die Beweislast für die den Steueranspruch begründenden Tatsachen. Eine erweiterte Mitwirkungspflicht des Kläger bestehe nicht, weil er dazu aus Rechtsgründen nicht in der Lage sei.

Der Kläger schildert schließlich nach Aufforderung durch den Berichterstatter die Durchführung der streitbefangenen Wertpapiergeschäfte wie folgt:

Der Inhaber der Tafelpapiere habe dem Kläger gegenüber anlässlich eines Beratungsgesprächs geäußert, er habe noch einen Posten Wertpapiere, die zum Umtausch anstünden. Aufgrund seiner persönlichen Verfassung sei der Mandant nicht in der Lage gewesen, die Einlösung und den beabsichtigten Umtausch vorzunehmen. Daraufhin sei der Kläger beauftragt worden und habe die Tafelpapiere zur Einlösung und zum Erwerb weiterer Papiere gemäß der Anweisung des Eigentümers erhalten. Die Einlösung und der Umtausch seien am selben Tag erfolgt. Nach Ausführung des Auftrages habe der Kläger die Papiere dem Eigentümer übergeben. Den Spitzenbetrag zum Erwerb der neuen Papiere habe der Kläger vom Eigentümer in bar erhalten. Weitere Unterlagen lägen nicht vor. Ein Treuhandgeschäft im rechtlichen Sinne könne aus diesem Vorgang nicht abgeleitet werden. Es fehle an der rechtlichen Verfügungsmacht des Kläger über die Papiere. Nach Erledigung des Auftrags innerhalb eines Tages sei die Angelegenheit für den Kläger abgeschlossen gewesen.

Die Kläger beantragen,

die Vermögensteuer-Bescheide auf den 01.01.1992 und 01.01.1993 vom 10.03.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.01.2005 aufzuheben,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist der Beklagte im wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Der Berichterstatter hat die Kläger gem. § 79 b Abs. 2 FGO aufgefordert , bis zum 23.10.2008, soweit bislang noch nicht geschehen, die rechtsgeschäftlichen Grundlagen des streitbefangenen Geschäfts (An-/Verkauf der Tafelpapiere für den Mandanten) mitzuteilen. Insbesondere wurde der Kläger aufgefordert, mitzuteilen, ob es sich um einen Auftrag gehandelt hat oder ob er bevollmächtigt wurde oder ob er die Tafelpapiere im Rahmen eines Treuhandverhältnisses besessen hat bzw. um welches andere Rechtsgeschäft es sich gehandelt hat; ferner wann und wie er den entsprechenden Auftrag bzw. die entsprechende Vollmacht von seinem Mandanten erhalten hat bzw. wann und wie der zugrundeliegende Vertrag geschlossen wurde, was konkret schriftlich und/oder mündlich mit dem Mandanten vereinbart wurde bzw. welchen konkreten Auftrag er erhalten hat, was er nach dem Ankauf mit den Tafelpapieren gemacht hat sowie wann, wo und wie die Bezahlung der Tafelpapiere durch den Mandanten erfolgt ist. Darüber hinaus wurde der Kläger aufgefordert, die dem Geschäft mit seinem Mandaten zugrundeliegenden Urkunden, Unterlagen, Belege etc. (Vertrag, Auftrag, Vollmacht, Quittungen, Bestätigungen o.ä.) vorzulegen. Soweit sich der Kläger weiterhin auf seine Verschwiegenheitspflicht berufe, möge er die Urkunden, Unterlagen, Belege etc. anonymisiert vorlegen und seine Ausführungen so neutral fassen, dass die Identität seines Mandanten nicht offenbar wird. Darüber hinaus wurden die Kläger auf die Folgen einer Fristversäumnis hingewiesen. Auf die Verfügung (Bl. 54 und 55 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Die Verfügung wurde den Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde (Bl. 58 der Gerichtsakte) am 04.09.2008 zugestellt.

Zur Beantwortung der Verfügung verweisen die Kläger lediglich auf ihre bisherige Darstellung des Geschehensablaufs.

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Die angefochtenen Änderungsbescheide zur Vermögensteuer auf den 01.01.1992 und auf den 01.01.1993 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Beklagte war gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO befugt, die angefochtenen Bescheide zu erlassen. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Im Streitfall ist dem Beklagten aufgrund der Feststellungen der Steufa nach der ursprünglichen Steuerfestsetzung erstmals und damit nachträglich i.S.d. § 173 AO bekannt geworden, dass der Kläger am 17.01.1995 die streitbefangenen Tafelpapiere eingelöst und neue Tafelpapiere im Nennwert von 410.000 DM erworben hat.

Der Beklagte hat aus dieser Feststellung zu Recht die Schlussfolgerung gezogen, dass der Kläger Inhaber der durch die Wertpapiere verbrieften Forderungen war und den Kläger bei den Vermögensteuer-Festsetzungen auf den 01.01.1992 und auf den 01.01.1993 zu Recht die entsprechenden Vermögenswerte zugerechnet.

Bei den hier streitbefangenen Wertpapieren handelte es sich um Tafelpapiere in Form Schuldverschreibungen auf den Inhaber (Inhaberschuldverschreibungen) i.S.d. §§ 793 ff. BGB. Hat jemand eine Urkunde ausgestellt, in der er dem Inhaber der Urkunde eine Leistung verspricht (Schuldverschreibung auf den Inhaber), so kann der Inhaber von ihm die Leistung nach Maßgabe des Versprechens verlangen, es sei denn, dass er zur Verfügung über die Urkunde nicht berechtigt ist (§ 793 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Aussteller wird jedoch auch durch die Leistung an einen nicht zur Verfügung berechtigten Inhaber befreit (§ 793 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Durchsetzbarkeit des Rechts ist also an die Innehabung des Papiers geknüpft. Inhaber ist, wer die rein tatsächliche Gewalt über das Papier ausübt (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, § 793 Rz. 10). Die Inhaberschaft begründet die widerlegbare Vermutung der materiellen Berechtigung (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, Einf. vor §§ 793 ff. Rz. 3). Für den Besitzer der Urkunde gilt die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB. Aus § 793 Abs. 1 Satz 2 BGB folgt außerdem, dass die materielle Berechtigung des Inhabers der Urkunde vermutet wird -sogenannte formelle Berechtigung- (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, § 793 Rz. 10).

Anknüpfend hieran besteht die widerlegbare Vermutung, dass der Kläger materiell Berechtigter der durch die hier streitbefangenen Inhaberschuldverschreibungen (IHS Sparkasse E Serie 19 und 20; IHS WestLB Serie 569 und 571) war. Dies gilt nach den dargestellten zivilrechtlichen Grundlagen in jedem Fall für den Zeitpunkt der Einlösung der Tafelpapiere am 17.01.1995. Denn bei der Einlösung übte der Kläger den unmittelbaren Besitz über die Tafelpapiere aus und war insofern Inhaber der Papiere.

Da der Kläger diese Vermutung nicht widerlegt hat und seine Mitwirkungspflicht im Besteuerungsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren gem. §§ 90 Abs. 1 AO, 76 Abs. 1 FGO pflichtwidrig nicht erfüllt hat, ist der erkennende Senat aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 FGO) ebenso wie der Beklagte zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger die Tafelpapiere, die er am 17.01.1995 eingelöst hat, steuerrechtlich zuzurechnen sind und zwar auch zu den hier streitigen Stichtagen.

Der Kläger hat für seinen Vortrag, er habe die Einlösung der Tafelpapiere und den Erwerb neuer Tafelpapiere im Auftrag eines Mandanten für diesen getätigt, keinerlei Beweismittel vorgelegt oder benannt. Der Kläger ist insofern der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht im Besteuerungsverfahren (§ 90 Abs. 1 AO) und im finanzgerichtlichen Verfahren (§ 76 Abs. 1 FGO) pflichtwidrig unzureichend nachgekommen. Gem. § 90 Abs. 1 Satz 1 AO sind Beteiligte zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen legen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben (§ 90 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (§ 90 Abs. 1 Satz 3 AO). Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht ist zusammen mit allen anderen Umständen des Einzelfalles frei zu würdigen, wobei im Wege der Beweiswürdigung für einen Steuerpflichtigen, der seine Mitwirkungspflicht verletzt hat, negative Schlüsse gezogen werden können (vgl. Tipke/Kruse § 90 AO Rz. 8 mit Nachweisen zur Rechtsprechung).

Die Verschwiegenheitspflicht des Klägers als Steuerberater gegenüber seinen Mandanten rechtfertigt seine Verweigerung der Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts in den eigenen Steuerangelegenheiten nicht. Einerseits sieht die AO kein Mitwirkungsverweigerungsrecht für Beteiligte vor. Die Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte der §§ 101 ff. AO beziehen sich nicht auf Beteiligte (vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur AO u. FGO, § 90 AO Rz. 4; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO u. FGO, § 104 AO Rz. 13). In den eigenen Steuerangelegenheiten ist der Kläger somit grundsätzlich weiter zur Mitwirkung verpflichtet.

Anderseits kann sich der Kläger auch als Steuerberater nicht auf ein umfassendes Mitwirkungsverweigerungsrecht berufen. Zwar kann der Kläger gem. § 102 Abs. 1 Nr. 3b) und § 104 Abs. 1 AO die Auskunft und die Vorlage von Urkunden über das verweigern, was ihm in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekannt geworden ist. Dieses Vorlage- und Auskunftsverweigerungsrecht besteht aber nicht absolut. Aus diesem Grund ist der Umfang des Vorlage- und Aussageweigerungsrechts näher zu bestimmen. Heranzuziehen sind die Grundsätze, die zu dem mit § 102 AO weitestgehend gleichgestalteten § 53 Abs. 1 Strafprozessordnung entwickelt wurden. Danach bezieht sich die Befugnis eines Steuerberaters zur Zeugnisverweigerung u.a. auch auf die Identität des Mandanten und die Tatsache seiner Beratung. Ergeben sich durch das Zeugnisverweigerungsrecht geschützte Tatsachen aus vorzulegenden Schriftstücken, besteht auch das Recht, die Vorlage derartiger Urkunden zu verweigern (vgl. BFHE 198, 319, BStBl II 2002, 712 m.w.N.). Daraus folgt aber lediglich, dass dem Kläger Verweigerungsrechte zustehen, soweit die Identität seines Mandanten und die Tatsache seiner Beratung tangiert sind. Für weitergehende Auskünfte bzw. die Vorlage von Unterlagen, die die Identität eines Mandanten und die Tatsachen seiner Beratung nicht berühren, besteht dagegen kein Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrecht.

Vor diesem Hintergrund vermag der Senat keine Gefahr zu erkennen, dass der Kläger generell durch die Vorlage oder die Benennung von Beweismitteln zum Beweis seines Vortrags die Identität seines Mandanten und die Tatsache der Beratung offen legen würde. Denn es ist ihm unbenommen, durch organisatorische Maßnahmen an den vorzulegenden bzw. zu benennenden Beweismittel sicher zu stellen, dass die Identität des Mandanten und die Tatsache seiner Beratung nicht offenbar wird. Davon, dass dies möglich ist, gehen auch die Rechtsprechung und die Literatur aus (vgl. BFH/NV 1995, 954 betreffend die Vorlage von Schriftstücken durch einen Rechtsanwalt; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO u. FGO, § 104 AO Rz. 13). Dass im Streitfall dem Kläger solche die Offenbarung der Identität seines Mandanten verhindernde Maßnahmen nicht möglich oder nicht zumutbar wären, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. In den gerichtlichen Verfügungen vom 18.07.2008 und 12.09.2008 ist dem Kläger hierfür auch ein ausreichender Zeitraum belassen worden.

Waren somit die am 17.01.1995 eingelösten Tafelpapiere zur Überzeugung des Senats dem Kläger steuerlich zuzurechnen, so konnte der Beklagte rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass diese Vermögenspositionen dem Kläger auch an den Stichtagen 01.01.1992 und 01.01.1993 zuzurechen und bei den ursprünglichen Vermögensteuer-Festsetzungen gem. Bescheiden vom 27.07.1995 und 22.06.1996 noch nicht erfasst waren. Hiervon ist auch der erkennende Senat überzeugt. Denn der Kläger hat keine Angaben zum Erwerb der entsprechenden Tafelpapiere gemacht. Zudem ist weder nach dem Vortrag noch nach der Aktenlage ersichtlich, dass er die Tafelpapiere erst nach den Stichtagen 01.01.1992 und 01.01.1993 erworben hat noch dass die entsprechenden Vermögenspositionen bereits in den ursprünglichen Vermögensteuer-Festsetzungen auf den 01.01.1992 und 01.01.1993 (Bescheide vom 27.07.1995 und 22.06.1996) enthalten waren. Im Übrigen impliziert der Vortrag des Kl., er habe die Tafelpapiere für einen Mandanten eingelöst, dass sie in den ursprünglichen Vermögensteuer-Festsetzungen nicht berücksichtigt waren.

Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte die Vermögensteuer-Festsetzungen auf den 01.01.1992 und 01.01.1993 zu Recht gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert, in dem er das Kapitalvermögen der Kläger um die jeweiligen Kurswerte der streitbefangenen Tafelpapiere erhöht hat.

Der Änderungsbefugnis des Beklagten stand schließlich auch keine Festsetzungsfristverjährung entgegen. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO grundsätzlich vier Jahre. Diese Frist verlängert sich auf fünf Jahre, soweit die Steuer leichtfertig verkürzt worden ist und auf zehn Jahre, soweit die Steuer hinterzogen worden ist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wurde, spätestens jedoch mit Ablauf des Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Wird bei der Vermögensteuer durch Anwendung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinaus geschoben (§ 170 Abs. 4 AO).

Bezüglich der Vermögensteuer auf den 01.01.1992, für die keine Steuererklärung abgegeben wurde, begann die Festsetzungsfrist mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, somit mit Ablauf des Jahrs 1995. Der gleiche Fristbeginn gilt für die Vermögensteuer auf den 01.01.1993, da die Kläger die entsprechende Steuererklärung am 06.02.1995 eingereicht haben.

Da zur Überzeugung des Senats eine Steuerhinterziehung des Kläger vorliegt, endete die Festsetzungsfrist nicht bereits nach vier Jahren, sondern gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO erst nach Ablauf von 10 Jahren, also mit Ablauf des Jahres 2005.

Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begeht eine Steuerhinterziehung, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Der Kläger hat den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt, denn er hat einerseits entgegen der Verpflichtung gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 VermögensteuerG i.V.m. § 149 AO die Aufforderung des Beklagten, eine Vermögensteuer-Erklärung auf den 01.01.1992 abzugeben, nicht erfüllt und anderseits in der Vermögensteuer-Erklärung auf den 01.01.1993 die ihm zuzurechenden Tafelpapiere nicht erklärt. Diese Pflichtverstöße führten zu einer Steuerverkürzung. Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats die Steuerhinterziehung vorsätzlich begangen und somit auch die subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt. Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes der Steuerhinterziehung muss der Täter wissen, dass er durch sein Verhalten die objektive Tatseite verwirklicht, wobei auch bedingter Vorsatz ausreicht. Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn es der Täter für möglich hält, dass er den Tatbestand verwirklicht oder dies billigend in Kauf nimmt. Da dem Kläger als Steuerberater seine steuerlichen Pflichten bekannt waren, handelte er zur Überzeugung des Senats bewusst und gewollt und damit vorsätzlich, als er die ihm zuzurechnenden Tafelpapiere nicht in der Vermögensteuer-Erklärung auf den 01.01.1993 angegebenen hat und der Aufforderung zur Abgabe der Vermögensteuer-Erklärung auf den 01.01.1992 nicht nachgekommen ist.

Die vorsätzliche Steuerhinterziehung des Kläger bewirkt auch gegenüber seiner Ehefrau eine Verlängerung der Festsetzungsfrist. Der Steuerschuldner braucht die Steuerhinterziehung nicht selbst begangen zu haben. Für die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO kommt es nicht darauf an, wer die Steuerhinterziehung begangen hat (vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur AO u. FGO, § 169 AO Rdn. 18 mit Nachweisen zur Rechtsprechung).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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