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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 28.05.2009
Aktenzeichen: 3 K 2617/07 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG, FGO


Vorschriften:

ErbStG § 3
FGO § 100 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob die im Rahmen eines Erbvergleichs an den Kläger ausgezahlte Abfindung der Erbschaftsteuer unterliegt.

Die am 11.04.2004 verstorbene Erblasserin war eine Tante des Klägers. Im Testament vom 18.04.1986 hatte die Erblasserin den Kläger zum Alleinerben bestimmt und Regelungen für ihre Nichte getroffen. Das Testament vom 25.01.1997 bestimmte ebenfalls den Kläger zum Alleinerben, traf Regelungen für die Nichte sowie die Anordnung weiterer Vermächtnisse. Durch ein "Mein letzter Wille" überschriebenes Schriftstück vom 16.06.2002 bestimmte die Erblasserin, dass ihr Sparguthaben an Frau O bzw. an Frau R fallen sollten. Zu den Einzelheiten wird auf die Kopien der letztwilligen Verfügungen in der Erbschaftsteuerakte Bezug genommen.

Durch Beschluss des Amtsgerichts T vom 29.06.2005 wurde der Antrag des Klägers auf Erteilung eines Erbscheins abgelehnt. Zu den Einzelheiten wird auf die Kopie des Beschlusses in der Erbschaftsteuerakte hingewiesen. Unter dem 21.11.2006 wurde ein Erbschein an Frau R, geborene H, erteilt. In dem weiter bezüglich der Erbfolge zwischen dem Kläger und Frau R geführten Rechtsstreit schlossen beide vor dem Landgericht T einen Vergleich dahingehend, dass Frau R dem Kläger 45.000,- Euro zahlt und dieser im Gegenzug keine Einwendungen mehr gegen die Wirksamkeit des Testaments vom 16.06.2002 und die sich daraus ergebende Erbenstellung der Frau R erhebt.

Der Beklagte vertrat insoweit die Auffassung, dass die Abfindungszahlung, die der Kläger von Frau R erhalten hatte, der Erbschaftsteuer unterliege. Er erließ dementsprechend am 30.03.2007 einen Erbschaftsteuerbescheid. Zu den Einzelheiten wird auf die Bescheidkopie in der Steuerakte Bezug genommen. Zur Berücksichtigung weiterer erwerbsmindernder Kosten sowie von Steuerbefreiungen ergingen am 23.04.2007 und am 30.04.2007 Änderungsbescheide, zu deren Einzelheiten auf die Steuerakte Bezug genommen wird.

Mit Einspruch vom 25.04.2007 wandte sich der Kläger gegen die Steuerfestsetzungen mit der Begründung, dass in seinem Fall eine Besteuerung ohne steuerlichen Tatbestand durchgeführt werde. Er habe entgegen der Annahme des Beklagten keine Abfindung für den Verzicht auf ein Erbrecht erhalten. Vielmehr habe er darum gekämpft, das Erbrecht zu erhalten, sei jedoch damit beim Amtsgericht nicht durchgedrungen. Im Vergleich vor dem Landgericht habe er dann eine Abfindung dafür erhalten, dass er gegenüber der Erbscheinserbin Frau R auf weitere Rechtsmittel verzichtet habe. Bei dieser Sachlage sei aber keiner der Tatbestände des § 3 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) erfüllt. Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 05.06.2007 als unbegründet zurück. Unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vertrat der Beklagte die Auffassung, dass die dem Kläger gewährte Abfindungszahlung als Erwerb durch Erbanfall zu besteuern sei. So könne auch ein anfechtbares Testament Ausgangspunkt für einen Vergleich über das Erbrecht sein.

Mit seiner Klage vom 21.06.2007 verfolgt der Kläger sein Begehren auf Aufhebung der Erbschaftsteuerfestsetzung weiter. Der Kläger verweist nochmals darauf, dass er keine irgendwie geartete Rechtsstellung nach seiner Tante erlangt habe. Die vom Beklagten in Bezug genommene Rechtsprechung betreffe nicht seinen Fall, da sie Sachverhalte betreffe, in denen sich Miterben bei unklaren Testamenten vergleichsweise auseinandergesetzt hätten. Dann stehe nämlich fest, dass das, was die Miterben erlangten, vom Erblasser komme. So sei es in seinem Fall aber gerade nicht, da er die Zahlung von Frau R erhalten habe, die damit eine lästige Rechtsposition beseitigt habe. Im Übrigen sei die Begründung eines Erbrechtes im Vergleichswege nicht möglich. Ein sogenannter Erbvergleich könne nur unter tatsächlichen Erben vorkommen. Außerdem müsse bei einem Streit zwischen zwei Erbprätendenten das Finanzamt eigenverantwortlich den wahren Erben ermitteln.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Erbschaftsteuerbescheide vom 30.03.2007, 23.04.2007 und 30.04.2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.06.2007 aufzuheben,

hilfsweise

für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung.

Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 11.12.2008 erörtert. Zu den Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins (Bl. 59 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Erbschaftsteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat zu Recht die an den Kläger geleistete Abfindungszahlung der Erbschaftsteuer gemäß § 3 ErbStG unterworfen.

Entgegen der Auffassung des Klägers geht der Senat davon aus, dass der Kläger die Abfindung durch Erbanfall im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erworben hat. Es ist zutreffend, dass § 3 ErbStG die Abfindungszahlung an einen weichenden potentiellen Erben im Rahmen eines Erbprätendentenstreites nicht ausdrücklich nennt. Jedoch schließt sich der erkennende Senat im Wege der Auslegung des Begriffs "Erwerb von Todes wegen durch Erbanfall" der vom Reichsfinanzhof (RFH) übernommenen ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) an, nach der ein Erbvergleich der Besteuerung zugrunde zu legen ist (vgl. RFH vom 30.01.1919, II A 14/18, RFHE 1, 1; vom 14.07.1938, III e 24/38, Reichssteuerblatt 1938, 857; BFH, Urteile vom 11.10.1957, III 139/56, BStBl. III 1957, 447; vom 01.02.1961, II 269/58, BStBl. III 1961, 133; vom 24.07.1972, III R 35/70, BStBl. II 1972, 886 , vom 06.12.2000, II R 28/98, BFH/NV 2001, 601). Dem ist auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung für den Fall des Erbprätendentenvergleichs gefolgt (vgl. Urteil des FG München vom 08.10.1997, 4 K 1455/94, EFG 1998, 489; so auch Troll/Gebel/Jülicher Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar Rz. 80 - 82 zu § 3 ErbStG; Moench Erbschaft- und Schenkungsteuer Kommentar Rz 50 zu § 3 ErbStG; Kapp/Ebeling Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar Rz 56 zu § 3 ErbStG; Georg Crezelius, FR 2000, 613; a. A. Benne, FR 2004, 1102). Diese Rechtsprechung beruht hinsichtlich des Erbprätendentenvergleichs auf der Überlegung, dass eine Abfindungssumme mit Rücksicht auf ein behauptetes Erbrecht gefordert und zugestanden und die Anerkennung des anderen als Alleinerben nur unter der Voraussetzung der materiellen gänzlichen oder teilweisen Befriedigung des behaupteten Erbanspruchs ausgesprochen wurde (vgl. Urteil des RFH in RFHE 1, 1). Das Akzeptieren der Abfindungssumme und die Anerkennung des Vergleichspartners als Alleinerbe rechtfertigt es nach Auffassung des Senats, die Abfindungszahlung als Bereicherung aus dem Nachlass und damit als Erwerb von Todes wegen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anzusehen. Dies gilt gerade auch für den vorliegenden Fall, weil der Kläger, wäre die Unwirksamkeit des Testaments vom 16.06.2002 festgestellt worden, die Erbenstellung aufgrund des Testaments aus dem Jahr 1997 erlangt hätte. Die Argumentation des Klägers greift deshalb zu kurz, wenn er darauf hinweist, er habe eine Erbenstellung zu keinem Zeitpunkt erlangt. Vielmehr hat er aufgrund des Testaments aus 1997 das Erbscheinsverfahren als Antragsteller betrieben (vgl. Beschluss des Amtsgerichts T vom 29.06.2005 in dem Verfahren 13 VI 224/04 in der Steuerakte). Dass der Vergleich letztendlich nicht in der Gestalt erfolgte, dass sowohl der Kläger als auch Frau R sich gegenseitig als Miterben anerkannten, sondern diese Stellung allein Frau R zufiel, kann nicht zu dem vom Kläger gewünschten Ergebnis führen, die Abfindungszahlung nicht der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Ansonsten unterläge es dem Gestaltungswillen der Erbprätendenten, Teile des Nachlasses von der Besteuerung auszunehmen.

Das vom Kläger gegen diese Argumentation ins Feld geführte Analogieverbot im Steuerrecht greift demgegenüber nicht durch. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung ist ein striktes Analogieverbot für das Steuerrecht weder eindeutig normiert noch aus der Gesamtsystematik zwingend abzuleiten. Auf die Ausführungen bei der Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Auflage 2008 unter Rzn 58 ff. wird insoweit hingewiesen. Darüber hinaus orientiert sich das gefundene Auslegungsergebnis am Gesetzeszweck, die vom Erblasser herrührende Bereicherung vollständig zu erfassen, und wird vom Wortlaut der Norm umfasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revisionszulassung erfolgt zur Fortbildung des Rechts, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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