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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 19.04.2007
Aktenzeichen: 3 K 2939/05 Erb
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 37 Abs. 2 S. 1
AO § 37 Abs. 2 S. 2
AO § 38
EStG § 36 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

3 K 2939/05 Erb

Tenor:

Unter Abänderung des Erbschaftsteuerbescheids vom 27.02.2003 in Form der Einspruchsentscheidung vom 05.07.2005 wird die Erbschaftsteuer auf 2.023.305 € herabgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 1/3, das FA zu 2/3.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

Streitig ist noch, ob ein Steuererstattungsanspruch des Todesjahres zum Nachlass gehört.

Der Kl. hat seine am 02.10.2000 verstorbene Ehefrau allein beerbt. Nachdem zwischen den Beteiligten eine Vielzahl von streitigen Fragen der Steuerfestsetzung geklärt worden ist, hat das Finanzamt (FA) durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 05.07.2005 die Erbschaftsteuer auf 2.152.897 Euro festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die EE hingewiesen.

Während des anschließenden Klageverfahrens sind weitere zwischen den Beteiligten streitige Punkte geklärt worden. Mit Schriftsatz vom 04.12.2006 hat das FA die Steuer nach einem Nachlass i. H. v. 19.610.543 DM mit 2.082.057 Euro berechnet. Auf die Berechnung im Einzelnen wird Bezug genommen. Hierbei hat das FA einen Steuererstattungsanspruch in Höhe von 473.610 DM als Kapitalforderung angesetzt. Es handelt sich um den anteilig auf die Erblasserin entfallenden Anspruch auf Erstattung der überzahlten Vorauszahlungen auf die ESt 2000, die durch Bescheid vom 28.02.2002 festgesetzt worden ist. Außerdem hat das FA die anteilige Verpflichtung der Erblasserin zur Zahlung der IV Vorauszahlung auf die ESt 2000 mit 122.992 DM als Steuerschuld angesetzt.

Der Kl. ist der Auffassung, dass der ESt-Erstattungsanspruch 2000 nicht zum Nachlass gehöre. Steuerforderungen und -verbindlichkeiten für den Veranlagungszeitraum 2000 dürften nicht angesetzt werden, weil gem. § 36 EStG die Steuer erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 2000 und damit nach dem Todestag entstanden sei. Der Nachlasswert sei deshalb um den Erstattungsanspruch zu vermindern und um die Vorauszahlungsschuld zu erhöhen, so dass sich insgesamt eine weitere Minderung um 341.340 DM ergebe (Hinweis auf den Schriftsatz vom 11.04.2007)

Der Kl. beantragt sinngemäß,

die Steuer auf 2.023.305 Euro herabzusetzen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Steuer auf 2.082.057 Euro festzusetzen und im Übrigen die Klage abzuweisen.

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene ErbSt-Bescheid ist - auch - insoweit rechtswidrig, als das FA bei der Berechnung der Steuer den ESt-Erstattungsanspruch 2000 dem Nachlass hinzugerechnet hat. Der hier streitige Steuererstattungsanspruch war zum maßgeblichen Stichtag, dem Todestag der Erblasserin am XX.XX.XXXX, noch nicht entstanden.

Gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat zwar derjenige, der eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt hat, einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages und dies gem. § 37 Abs. 2 Satz 2 AO auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt. Die wohl herrschende "materielle Rechtsgrundtheorie" geht dabei für die Frage des Entstehungszeitpunkts eines Erstattungsanspruchs davon aus, dass der Erstattungsanspruch unabhängig von seiner Festsetzung schon dann entsteht, wenn etwas gezahlt worden ist, was nach materiellem Recht nicht geschuldet worden ist (vgl. BFH vom 05.03.1997, II R 92/94, BFH/NV 1997, 551; vom 06.06.2000 VII R 104/98, BStBl II 2000, 491). Da mit dem Tode der Erblasserin feststand, dass die von ihr für 2000 geschuldete ESt durch die geleisteten Vorauszahlungen überzahlt war, könnte danach angenommen werden, dass der Erstattungsanspruch bereits im Todeszeitpunkt entstanden sei.

Gem. § 38 AO entstehen jedoch Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erst dann, wenn der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Tatbestand i.S. dieser Vorschrift ist die Gesamtheit der in den materiellen Steuerrechtsnormen enthaltenen abstrakten Voraussetzungen, bei deren konkretem Vorliegen eine bestimmte Rechtsfolge eintritt (vgl. BFH vom 05.03.1997 a.a.O.).

Gem. § 36 Abs. 1 EStG entsteht die ESt, soweit nicht im EStG anderes bestimmt ist, mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Nach Wegfall des § 25 Abs. 2 EStG durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995 (BGBl. I, 1250) enthält das EStG keine abweichende Regelung mehr für den Fall des vorzeitigen Wegfalls der Steuerpflicht durch den Tod des Steuerpflichtigen. Die ESt bzw. der ESt-Erstattungsanspruch entsteht deshalb nach der Regelung des § 36 Abs. 1 EStG auch beim Tod des Steuerpflichtigen erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums.

In der einkommensteuerrechtlichen Literatur wird allerdings auch die Auffassung vertreten, die ESt entstehe bereits vor Ablauf des Veranlagungszeitraums, wenn die Steuerpflicht nicht während des gesamten Veranlagungszeitraums bestanden habe ((Blümich-Stuhrmann § 36 EStG Rz.8; K/S/M § 36 Rz. B 7). Der Senat hält diese Ansicht nach Wegfall des § 25 Abs. 2 EStG für nicht mehr mit dem eindeutigen Wortlaut des § 36 Abs. 1 EStG vereinbar (ebenso HHR-Seibel § 36 Anm. 12 m.w.N.; Schmidt-Heinicke § 36 EStG Rz. 1).

Für Steuervorauszahlungen ist der Erstattungstatbestand, an den das Gesetz die Erstattungspflicht gemäß § 37 Abs. 2 AO knüpft, verwirklicht, sobald eine Steuerschuld entstanden ist, die niedriger ist als der Gesamtbetrag der geleisteten Vorauszahlungen. Darum entsteht der Anspruch auf Erstattung überzahlter Vorauszahlungen mit Ablauf des für die Festsetzung der ESt maßgebenden Veranlagungszeitraums, weil zu diesem Zeitpunkt auch die Steuerschuld entsteht (vgl. Tipke-Drüen § 37 AO Tz 45 m.w.N). Steuererstattungsansprüche, die die Einkommensteuer des Todesjahres betreffen und, wie im Streitfall, auf überhöhten Vorauszahlungen beruhen, entstehen daher erst mit dem Ablauf des Todesjahres und gehören deshalb nicht zum steuerpflichtigen Erwerb (ebenso Kapp/Ebeling § 10 ErbStG Rz. 27).

Es kann dahinstehen, ob die IV. Vorauszahlung auf die ESt 2000 als Steuerschuld zu berücksichtigen war. Der Kläger hat seinen Antrag insoweit eingeschränkt. Daran ist das Gericht gebunden (§ 96 Abs. 1 S. 2 FGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135, 137 FGO. Es war zu berücksichtigen, dass der Kl. für die Steuerfestsetzung maßgebliche Unterlagen (Anrechnung ausländischer Steuer) teilweise erst im Klageverfahren vorgelegt hat.

Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.



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