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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 19.06.2008
Aktenzeichen: 3 K 3145/06 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG, BGB


Vorschriften:

ErbStG § 13a
ErbStG § 20 Abs. 1
BGB § 421
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

3 K 3145/06 Erb

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Inanspruchnahme des Schenkers als Gesamtschuldner gem. § 20 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG).

Der Kläger (Kl.) war Inhaber einer Schreinerei, die er auf dem ihm allein gehörenden Grundstück N-Str.. 1 (Flur 1, Flurstück 1) in T-Stadt betrieb. Mit Betriebspachtvertrag vom 19.03.1993 hatte er seinem Sohn, Herrn N. T., die Betriebsräume und die Betriebsflächen sowie die beweglichen Wirtschaftsgüter verpachtet. Der Kl. hatte insoweit einen ruhenden Gewerbebetrieb.

Mit Vertrag vom 29.12.1998 übertrug der Kl. seinem Sohn das Grundstück N-Str.. 1 (Flur 1, Flurstück 1) und die ihm bis dahin verpachteten Wirtschaftsgüter und Betriebsausstattungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, und zwar teilentgeltlich. Der Kl. gab seinen ruhenden Gewerbebetrieb endgültig auf.

Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vom 29.12.1998 schuldete der Beschenkte dem Kl. noch Pacht und Umsatzsteuer auf Pacht von 121.350 DM. Der Kl. erklärte im Vertrag vom 29.12.1998 sein Einverständnis damit, "dass mit Zahlung einer Summe von 50 % des vorgenannten Saldos, bei dem Erschienenen zu 1. (das ist der Kl.) bis zum 28. Februar 1999 eingehend, diese Forderungen erledigt sind. Der Erschienene zu 1. verzichtet mit Eingang und unter der Bedingung des fristgerechten Zahlungseingangs des hälftigen Forderungsbetrags auf die Restforderung."

Weiter heißt es in dem Vertrag vom 29.12.1998:

"Der Erschienene zu 3. (das ist der Sohn des Kl.) schließt in Kürze mit allen seinen ungesicherten Gläubigern einen außergerichtlichen Vergleich, wonach die Forderungen der Gläubiger mit Zahlung von 50 % der jeweiligen Forderungssummen erledigt werden."

Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 29.12.1998, UR-Nr. 1/1998 des Notars H. in T-Stadt Bezug genommen, insbesondere Ziff. 11 und 12, Bl. 2 ff der Schenkungsteuerakte.

Weiter ist in dem Vertrag geregelt, dass der Beschenkte an den Kl. und seine Ehefrau als Gesamtgläubiger ein Teilentgelt in Höhe von insgesamt 240.000 DM zu zahlen hatte. Dieses Teilentgelt sollte in monatlichen Teilbeträgen von 1.000 DM gezahlt werden. Weiter übertrug der Kl. noch seinem Sohn seine hälftigen Miteigentumsanteile an zwei weiteren Grundstücken N-Str.. 1 (Flur 1, Flurstücke 2 und 3) in T-Stadt. Die andere Hälfte der Miteigentumsanteile wurde dem Beschenkten mit gleichem Vertrag von seiner Mutter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 29.12.1998, UR-Nr. 1/1998 des Notars H. in T-Stadt Bezug genommen, Bl. 2 ff der Schenkungsteuerakte N. T..

Im November 1999 forderte der Beklagte (Bekl.) den Beschenkten zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf. Die Schenkungsteuererklärung ging am 27.01.2000 beim Bekl. ein. Die in der Schenkungsteuererklärung unter D. enthaltende Frage, ob bei Schenkungen von inländischem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, inländischem Betriebsvermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 13a Abs. 4 ErbStG der Freibetrag in Anspruch genommen wird, beantwortete der Beschenkte mit ja. Er fügte der Erklärung die unwiderrufliche Erklärung des Schenkers, das ist der Kl., zur Inanspruchnahme des Freibetrags nach § 13a ErbStG für die Übertragung des Betriebsvermögens bei; die Erklärung ist vom Schenker handschriftlich unterzeichnet (Bl. 20 der Schenkungsteuerakte N. T.).

Der Bekl. ermittelte den Wert des Erwerbs aufgrund der Angaben des Beschenkten in der Steuererklärung mit 541.236 DM; wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Bl. 35, Bl. 51 f. der Schenkungsteuerakte N. T. Bezug genommen. Unter Berücksichtigung des Freibetrags nach § 13a ErbStG und des persönlichen Freibetrag von 100.000 DM ergab sich keine zu erhebende Schenkungsteuer. Das FA teilte dem Beschenkten mit Bescheid vom 22.03.2000 mit, dass der Erwerb steuerfrei bleibt. Dem Bescheid war eine Anlage über die Höhe des Freibetrags gem. § 13a ErbStG beigefügt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 22.03.2000 mit Anlage Bezug genommen, Bl. 36 f. der Schenkungsteuerakte N. T..

Am 18.11.2003 erfuhr der Bekl., dass die Stadt T-Stadt dem Beschenkten die Ausübung seines Gewerbes untersagt hatte; die Untersagungsverfügung ist am 27.09.2003 bestandskräftig geworden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Stadt T-Stadt vom 29.09.2003 an das FA T-Stadt Bezug genommen, Bl. 43 der Schenkungsteuerakte N. T.. Anlass für die Untersagungsverfügung war ein Antrag des Finanzamts T-Stadt, weil Steuerschulden bestanden. Das AG T-Stadt hatte am 15.04.2003 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt; auf den Aktenvermerk vom 13.04.2006 wird Bezug genommen (Bl. 71 der Schenkungsteuerakte N. T.).

Der Bekl. wies den Beschenkten mit Schreiben vom 19.11.2003 darauf hin, dass die Steuerbefreiung gem. § 13a ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit entfalle, wenn über das begünstigte Betriebsvermögen binnen 5 Jahren nach dem Erwerb schädlich verfügt werde. Eine schädliche Verfügung sei z.B. die Aufgabe des Betriebs. Da ihm die Ausübung des Gewerbes vor Ablauf der Behaltensfrist (Ende der Behaltensfrist: 29.12.2003) rechtskräftig untersagt worden sei, sei eine Nachversteuerung durchzuführen (Bl. 44 der Schenkungsteuerakte).

Mit Bescheid vom 14.01.2004 setzte der Bekl. Schenkungsteuer von einem steuerpflichtigen Erwerb von xxxxxx DM (Wert des Erwerbs xxxxxx DM ./. Freibetrag in Höhe von 400.000 DM) in Höhe von xxxxx DM fest. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 14.01.2004 hingewiesen, Bl. 46 ff. der Schenkungsteuerakte N. T..

Der Beschenkte legte Einspruch gegen den Bescheid ein. Er teilte mit, dass er die eidesstattliche Versicherung bereits mehrmals abgegeben habe. Er habe Einnahmen von xxxx Euro brutto, aus denen er seinen Lebensunterhalt bestreiten müsse. Dies werde sich in absehbarer Zeit nicht ändern. Sobald die betriebliche Insolvenz abgewickelt sei, werde er persönliche Insolvenz beantragen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 16.02.2004, Bl. 53 der Schenkungsteuerakte N. T., hingewiesen. Mit Schreiben vom 10.05.2006 nahm der Beschenkte seinen Einspruch zurück.

Mit Schenkungsteuerbescheid vom 12.03.2004 nahm der Bekl. den Kl. als Gesamtschuldner nach § 20 ErbStG in Anspruch. Dem Schenkungsteuerbescheid ist eine Anlage beigefügt, wonach der Kl. Schuldner der festgesetzten Schenkungsteuer sei, da der Beschenkte kein Vermögen besitze, um die geforderte Steuer zu begleichen.

Der Kl. legte Einspruch ein. Bei der Inanspruchnahme des Schenkers handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Der Bekl. habe sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, eine Inanspruchnahme des Schenkers komme im Streitfall nicht in Betracht. Der Kl. verweist dazu auf die Kommentierung bei Moench, § 20 ErbStG, Rdn 7 ff. Im Streitfall handele es sich um eine gemischte Schenkung, da u. a. eine Gegenleistung für den Kl. vereinbart gewesen sei. Durch die Insolvenz des Unternehmens habe der Kl. auf die ihm zugedachten monatlichen Raten von xxxx DM verzichten müssen und zwar schon seit längerer Zeit. Es erscheine daher nicht interessensgerecht, wenn § 20 ErbStG überhaupt für diesen Fall der Nachbesteuerung anwendbar sein sollte, auf den Schenker zurückzugreifen, der selbst durch die Insolvenz des Unternehmens in Mitleidenschaft gezogen werde.

Der Bekl. wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Inanspruchnahme des Schenkers nach § 20 ErbStG sei ermessensgerecht erfolgt. § 20 ErbStG bestimme, dass Steuerschuldner grundsätzlich der Erwerber sei, bei einer Schenkung jedoch auch der Schenker. Schenker und Beschenkter seien damit Gesamtschuldner i. S. d. § 44 AO und die Auswahl, wer in Anspruch genommen werde, stehe grundsätzlich im Ermessen des Bekl.. Die Inanspruchnahme des Schenkers sei regelmäßig ermessensfehlerfrei, wenn dies zweckmäßig erscheine, z. B. wegen Zahlungsschwierigkeiten des Beschenkten. Der Schenker müsse grundsätzlich die gleichen Nachversteuerungstatbestände wie der Beschenkte gegen sich gelten lassen, da er im Falle seiner Inanspruchnahme in die Rechtsposition des Beschenkten trete. Sinn der Gesamtschuldnerschaft sei es, dass die Finanzverwaltung die Möglichkeit habe, die Steuerschuld zu erheben. Dieser Sinn wäre grundsätzlich verfehlt, wenn die Gesamtschuldnerschaft auf den Nachversteuerungstatbestand keine Anwendung finde. Soweit sich der Kl. auf die Auffassung von Crezelius, FR 2002, 803 berufe, sei dem nicht zu folgen. Crezelius halte nur den Wegfall der Begünstigung nach § 13a ErbStG insgesamt nicht für gerechtfertigt, wenn der Erwerber (Erbe) selbst auf den Sachverhalt keinen Einfluss habe. Diese Rechtsauffassung werde aber von der inzwischen vorliegenden Rechtsprechung nicht geteilt. Soweit sich der Kl. hinsichtlich der Ausübung des Ermessens durch die Finanzbehörden auf die Ausführungen in Moench zu § 20 ErbStG beziehe, sei darauf hinzuweisen, dass die dort angeführten Beispiele vom Sachverhalt her nicht identisch mit dem Sachverhalt des Streitfalls seien. In den von Moench angeführten Sachverhalten werde darauf abgestellt, ob die Erfüllung des Nachversteuerungstatbestandes für die Zuwendenden im Zeitpunkt ihrer Schenkung vorhersehbar gewesen sei bzw. sie auf diese Möglichkeit vom FA hingewiesen worden seien. Das BFH-Urteil (vom 24.07.1963 II R 98/61 U, BStBl III 1963, 461) sei zur Grunderwerbsteuer ergangen; die Veräußerin eines Grundstücks habe zu keinem Zeitpunkt ahnen können, dass sich die Erwerberin als Schuldnerin der Grunderwerbsteuer anschließend gegenüber dem Finanzamt zur Errichtung von begünstigten Wohnraum verpflichtet hatte und damit insoweit vorläufig von der Grunderwerbsteuer befreit worden war. In Fällen der Besteuerung von Grundstückserwerben im sozialen Wohnungsbau gehöre es aber zu den Amtspflichten des Finanzamts, Steuerpflichtige, die erst in zweiter Linie als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden könnten, im Vorfeld auf eine mögliche Inanspruchnahme hinzuweisen. Die Unterlassung verstoße nach der Rechtsprechung in der Regel gegen Ermessensgrundsätze im Falle einer überraschenden Inanspruchnahme nach mehreren Jahren. Die Veräußerin sei im Streitfall nicht darüber informiert gewesen, dass eine besondere Steuerbefreiung in Anspruch genommen worden sei.

Im Streitfall sei darauf hinzuweisen, dass für die Gewährung des Betriebsvermögensfreibetrags die unwiderrufliche Erklärung des Schenkers zur Inanspruchnahme erforderlich sei. Diese habe der Kl. abgegeben. Damit sei er von Anfang an über die gewährte Vergünstigung informiert worden. Einer Unterrichtung durch das FA habe es daher nicht bedurft. Es bestehe auch keine entsprechende Amtspflicht.

Es sei zwar richtig, dass der Kl. durch die Insolvenz des Beschenkten selbst geschädigt worden sei. Im Streitfall sei aber auch davon auszugehen, dass dem Schenker die finanzielle Schieflage des Beschenkten im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags vom 29.12.1998 bereits bekannt gewesen sei, er habe nämlich zu diesem Zeitpunkt schon selbst auf einen erheblichen Teil seiner Schulden verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Einspruchsentscheidung vom 20.06.2006, Bl. 23 der Schenkungsteuerakte des Kl.

Der Kl. erhob Klage. Es sei nicht geboten, die schenkungsteuerliche Gesamtschuldnerschaft gem. § 20 ErbStG auch auf einen Fall der Nachversteuerung gem. § 13a Abs. 5 ErbStG anzuwenden. Der Kl. habe als Schenker keinerlei Einfluss mehr auf den nachfolgenden Tatbestand der Gewerbeuntersagung gehabt, der zu der Nachversteuerung gem. § 13a ErbStG geführt habe. Es sei grob unbillig, den Kl. als Schenker in Anspruch zu nehmen. Sinn und Zweck von § 13a ErbStG -wie auch § 20 ErbStG-, sei es, bewusste Umgehungen von Steuertatbeständen zu verhindern. Von einer bewussten Umgehung von Steuertatbeständen könne im Fall einer Gewerbeuntersagung nicht die Rede sein.

Es bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel. § 20 Abs. Abs. 1 ErbStG verstoße gegen Art. 3 GG. Wesentlich Gleiches werde ungleich behandelt. § 13a Abs. 5 ErbStG und § 20 ErbStG verfolgten unterschiedliche Zielrichtungen. Bei § 13a Abs. 5 ErbStG handele es sich um eine Regelung, damit Missbrauch der Inanspruchnahme der Vergünstigungen verhindert werde. § 20 Abs. 1 ErbStG demgegenüber erfasse nicht nur die Missbrauchsfälle, sondern auch Fälle wie den vorliegenden, in denen kein bewusstes Umgehen eines Steuertatbestandes vorliege. § 20 Abs. 1 ErbStG sei deswegen zu weit gefasst. Auch im Hinblick auf § 14 GG bestünden Bedenken. Denn durch diese Vorschrift werde nicht nur das Eigentum, sondern auch das Erbrecht gewährleistet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 09.06.2008 Bezug genommen (Bl. 100 ff. der Gerichtsakte).

Bei der Ausübung des Ermessens sei besonders zu berücksichtigen, dass die Gewerbeuntersagung erst sehr kurze Zeit vor Ablauf der für die Nachbesteuerung maßgeblichen Fünfjahresfrist ergangen sei (Rechtskraft der Gewerbeuntersagung: 27.09.2003, Ablauf der Behaltensfrist: 29.12.2003). Soweit sich der Bekl. darauf berufe, dass dem Kl. schon bei der Übertragung des Betriebs die "finanzielle Schieflage des Beschenkten" bekannt gewesen sei, könne dem nicht gefolgt werden. Allein die Tatsache, dass der Beschenkte zum Zeitpunkt der Schenkung beim Schenker Schulden gehabt habe, begründe nicht den Verdacht, dass der Beschenkte nicht in der Lage sein werde, ein Unternehmen so zu führen, dass es nicht insolvent werde, insbesondere dann nicht, wenn es sich um ein großes und bis dahin äußerst profitables Unternehmen mit erheblichen Rücklagen gehandelt habe.

Bei der Ermessensentscheidung sei auch zu berücksichtigen, dass der Sohn dem Kl. die vereinbarten monatlichen Raten, die als wesentlicher Bestandteil der Altersversorgung des Kl. gedacht gewesen seien, nicht mehr entrichten könne. Durch die Veräußerung der Schreinerei habe der Kl. gehofft, den Traditionsbetrieb in der Familie zu erhalten, insbesondere aber seinen Ruhestand durch monatliche Zahlungen abzusichern. Die Inanspruchnahme des Kl. mit einer Schenkungsteuer von fast 8.000 Euro hätte zur Folge, dass ein im Eigentum des Kl. und seiner Ehefrau stehendes weiteres Grundstück mit Haus veräußert werden müsse. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kl. und seine Ehefrau seit der Gewerbeuntersagung ihren nunmehr sehr einkommensschwachen Sohn in vielerlei Hinsicht unterstützten, insbesondere indem sie die vier minderjährigen Kinder ihres Sohnes und die beiden minderjährigen Kinder der Lebensgefährtin ihres Sohnes in großem Umfang beaufsichtigten.

Der Kl. beantragt,

den Bescheid vom 12.03.2004 und die Einspruchsentscheidung vom 22.06.2006 aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sich der Bekl. auf seine EE.

Die Berichterstatterin hat die Sach- und Rechtslage erörtert; wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über den Erörterungstermin vom 26.05.2008 hingewiesen.

Der Senat hat am 19.06.2008 mündlich verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Die Schenkungsteuerfestsetzung gegen den Kl. als Schenker ist rechtmäßig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten.

Gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sind Steuerschuldner der Schenkungsteuer sowohl der Beschenkte als auch der Schenker. Der Schenker schuldet neben dem Beschenkten die Schenkungsteuer als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 AO). Dem Bekl. steht es damit grundsätzlich entsprechend § 421 BGB frei, an welchen Steuerschuldner er sich wendet (vgl. BFH, Urteil vom 13.05.1987 II R 189/83, BStBl II 1988, 188). Aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG und dem Charakter der Schenkungsteuer als einer Bereicherungssteuer folgt zwar, dass sich das Finanzamt grundsätzlich zunächst an den Beschenkten halten muss (vgl. BFH, Urteil vom 29.11.1961 II 282/58 U, BStBl III 1962, 323; Kien-Hümbert in Moench, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 20 Rz. 7). Ein anderes Vorgehen ist aber beispielsweise zulässig, wenn sich der Schenker verpflichtet hat, die Schenkungsteuer zu übernehmen.

Grundsätzlich ist nach Auffassung des Senats eine Inanspruchnahme des Schenkers auch in sogenannten Nachversteuerungsfällen nach § 13a Abs. 5 ErbStG zulässig. Denn weder in § 13a ErbStG noch in § 20 ErbStG noch an anderer Stelle im ErbStG findet sich eine Regelung, wonach die Inanspruchnahme des Schenkers in Nachversteuerungsfällen nach § 13a Abs. 5 ErbStG ausgeschlossen wäre. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift stehen der Inanspruchnahme des Schenkers in diesen Fällen nicht entgegen. Zweck des Gesetzes ist, eine Generationenbrücke für die Betriebs- oder Gesellschafternachfolge zu schaffen. Für den Fall, dass dieser Zweck, gleich aus welchen Gründen, nicht erfüllt wird, wird der Erwerb des bisher nach § 13a ErbStG begünstigten Vermögens zum Erwerb von Vermögen, das nicht mehr begünstigt ist. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass für die Steuerfestsetzung gegenüber dem Schenker dieses -jetzt nicht mehr begünstigte- Vermögen anders behandelt werden müsste, als beim Erwerb von Vermögen, das von vornherein nicht begünstigt gewesen ist. Eine teleologische Reduktion des § 20 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 13a Abs. 5 ErbStG ist danach weder nach dem Wortlaut noch nach der Zielsetzung der Vorschrift geboten.

Dass der Bekl. im Streitfall von einem Nachversteuerungstatbestand ausgegangen ist, der durch die Insolvenz und die Gewerbeuntersagung eingetreten ist, entspricht der Rechtsprechung des BFH. Denn mit Urteilen vom 16.02.2005 (II R 39/03, BFH/NV 2005, 1499) und vom 21.03.2007 (II R 19/06, BFH/NV 2007, 1321) hat der BFH sowohl zu der Regelung des § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a.F. als auch zu § 13a Abs. 5 ErbStG entschieden, dass der darin geregelte Wegfall der Steuerbefreiung unabhängig davon eintritt, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Betriebsvermögen veräußert oder der Betrieb aufgegeben wurde.

Die verfassungsrechtlichen Zweifel des Kl. an § 20 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 13a Abs. 5 ErbStG teilt der Senat nicht. Denn es sind weder Art. 3 GG (Gleichheitssatz) noch Art. 14 GG (Garantie von Eigentum und Erbrecht) verletzt.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt nicht vor. Bei der Prüfung einer Norm am Maßstab des Gleichheitssatzes ist zunächst davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zukommt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 08.12.1970 1 BvR 95/68, BVerfGE 29, 327, 335). Ob und ggf. in welcher Form und welchem Umfang steuerliche Erleichterungen gewährt werden sollen, steht in seinem Ermessen (BVerfG, Beschluss vom 06.02.1968 1 BvL 7/65, BVerfGE 23, 74, BStBl II 1968, 133). Der Gesetzgeber ist ebenso grundsätzlich frei, Steuervergünstigungen entsprechend auszugestalten. Da durch § 13a Abs. 5 ErbStG die Nachholung der Besteuerung ausgelöst wird, liegt nicht wesentlich Ungleiches im Verhältnis zur sofortigen Besteuerung vor. Es handelt sich vielmehr um Schenkungsteuer, auf die der Gesetzgeber aus Lenkungsgründen nur dann endgültig verzichtet, wenn die mit dem Verzicht verbundenen Behaltensvorschriften eingehalten werden. Der Gesetzgeber hat die Verbindung von § 13a Abs. 5 ErbStG und § 20 Abs. 1 ErbStG bewusst in Kauf genommen, denn sonst hätte er bei der Einführung von § 13 Abs. 2a ErbStG a.F. bzw. § 13a ErbStG die Vorschriften entsprechend angepasst. Dafür, dass der Gesetzgeber die Inanspruchnahme des Schenkers in den Nachversteuerungsfällen bewusst in Kauf genommen hat, spricht auch die geplante Neuregelung durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (BR-Drs. 4/08), die insoweit keine Änderung vorsieht.

Auch ein Verstoß gegen Art. 14 GG liegt nicht vor. Denn durch die Regelung der Gesamtschuldnerschaft in § 20 Abs. 1 ErbStG wird nicht in das Erbrecht eingegriffen, die Norm des § 20 Abs. 1 ErbStG tangiert den Schutzbereich nicht. Soweit ein Recht auf Schenkung überhaupt Gegenstand des Schutzbereichs des Art. 14 GG sein könnte, ist dieser durch die Schenkungsteuer aber nicht berührt. Im Übrigen hat der Schenker keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf, dass der Staat bei der Festsetzung und Erhebung der Schenkungsteuer berücksichtigt, was der Beschenkte mit dem Gegenstand der Schenkung macht, ob er den Gegenstand der Schenkung erhalten will oder kann.

Bei Auswahl des heranzuziehenden Steuerschuldners handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (§ 5 AO). Der einzelne Abgabenschuldner darf deshalb nur aufgrund einer Ermessensentscheidung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der wirtschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Tatbestandsverwirklichung in Anspruch genommen werden (vgl. BFH, Urteil vom 20.07.2004 VII R 20/02, BFH/NV 2005, 318). Nach der Rechtsprechung des BFH kann es daher "sehr wohl einen Verstoß gegen Recht und Billigkeit bedeuten, wenn die Finanzbehörde die Schenkungsteuer von dem erst in zweiter Linie als Steuerschuldner in Betracht kommenden Schenker anfordert" (vgl. BFH, Urteil vom 29.11.1961, a.a.O.).

Die Ermessensentscheidung kann im gerichtlichen Verfahren nach § 102 Satz 1 FGO lediglich daraufhin überprüft werden, ob die Finanzbehörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Die vom Kl. begehrte Entscheidung, die Schenkungsteuerfestsetzung aufzuheben, kann das Gericht selbst nur dann treffen, wenn der Ermessensspielraum des Bekl. dahingehend eingeschränkt war, dass sich die Entscheidung, keine Schenkungsteuer gegen den Schenker festzusetzen, als einzig richtige Ermessensentscheidung darstellt.

Im Streitfall hat der Bekl. sein Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt, insbesondere war er nicht aufgrund einer Ermessenreduzierung auf Null dazu verpflichtet, von einer Festsetzung der Schenkungsteuer gegen den Kl. als Schenker abzusehen.

Unter Beachtung der Grundsätze der verfassungskonformen Auslegung und der Verhältnismäßigkeit sowie der wirtschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Tatbestandsverwirklichung und des Charakters der Schenkungsteuer als einer Bereicherungssteuer war es nicht ermessensfehlerhaft, dass der Bekl. den Schenker im Streitfall zu Schenkungsteuer herangezogen hat. Dem Kl. war als Schenker durch die abgegebene Erklärung zur Inanspruchnahme des Freibetrags nach § 13a ErbStG bewusst, dass der Erwerb des Betriebsvermögens durch seinen Sohn begünstigt war. Anders als in der Entscheidung des BFH zur Grunderwerbsteuer (Urteil vom 24.07.1963 II 98/61 U, BStBl III 1963, 461) handelt es sich daher nicht um eine überraschende Inanspruchnahme. Denn dass die -endgültige- Gewährung des Freibetrags nach § 13a ErbStG davon abhängig war, dass der Beschenkte die Behaltensfrist erfüllt, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Ob dem Kl. dies im Einzelnen bekannt war, ist ohne Bedeutung; ebenso ist ohne rechtliche Bedeutung, ob ihm die gesetzliche Regelung der Gesamtschuldnerschaft des § 20 Abs. 1 ErbStG bewusst war.

Der Kl. musste nach dem Inhalt des Vertrags vom 29.12.1999 auch damit rechnen, dass der Beschenkte möglicherweise die Behaltensfrist nicht erfüllen würde. Dem Kl. war bekannt, dass der Beschenkte erhebliche Schulden hatte, allein beim Kl. selbst über 120.000 DM. Nur mit Hilfe eines Vergleichs mit den Gläubigern war es überhaupt möglich, dass der Betrieb weitergeführt werden konnte. Zwar muss ein Schenker grundsätzlich, also objektiv, damit rechnen, dass der Beschenkte -gleich aus welchen Gründen- die Behaltensfrist nicht erfüllen wird. Ob dies ausreicht, um in jedem Fall die Inanspruchnahme des Schenkers als ermessensfehlerfreie Entscheidung zu beurteilen, kann im Streitfall offen bleiben. Denn der Kl. wusste im Streitfall zum Zeitpunkt der Übertragung des Betriebs auf seinen Sohn, dass es erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Fortführung des Betriebs gab. Dass er als Vater des Beschenkten und als der, der den Betrieb aufgebaut und erfolgreich geführt hatte, etwas anderes hoffte und wünschte, liegt auf der Hand und ist gerade bei Übertragungen auf die nächste Generation selbstverständlich, ist aber rechtlich unerheblich.

Dass der Kl. als Schenker keinen Einfluss mehr auf das Geschehen hatte, führt ebenfalls nicht zu einer anderen Betrachtung. Denn dass ein Schenker grundsätzlich keine rechtlichen Möglichkeiten hat, Einfluss darauf zu nehmen, was der Beschenkte mit dem Schenkungsgegenstand macht, ist dem Wesen der Schenkung systemimmanent. Ob die Behaltensfristen des § 13a Abs. 5 ErbStG erfüllt werden oder nicht, ist auch nicht von einem Verschulden des Beschenkten abhängig.

Die Inanspruchnahme des Kl. als Gesamtschuldner ist auch zeitnah erfolgt, nämlich nur wenige Monate nach Eintritt des Nachversteuerungstatbestandes (vgl. zur Ermessensausübung durch das Finanzamt und zur Verwirkung Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2001, § 20 ErbStG Rdn. 9 und 10).

Verjährung war im Streitfall zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids gegenüber dem Kl. noch nicht eingetreten. Nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eintritt. Bei dem Wegfall des Freibetrags handelt es sich um ein -gesetzlich angeordnetes- rückwirkendes Ereignis, denn "der Freibetrag ... und der verminderte Wertansatz ... fallen mit Wirkung für die Vergangenheit weg" (§ 13a Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 175 Abs. 2 AO, ebenso Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, a.a.O., § 13 a ErbStG Rdn. 115; Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 13a Tz. 249; Gebel, Die schenkungsteuerliche Freibetragsregelung für die Übergabe von Betriebsvermögen in vorweggenommener Erbfolge, UVR 1994, 172, 179). Die Auffassung von Crezelius (Besteuerung aus Drittverhalten? - Überlegungen zu sog. Behaltefristen -, FR 2002, 805, 811), dass es kein Anwendungsfall des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei, wenn der in Anspruch genommene Steuerpflichtige keinen Einfluss auf das Geschehene habe, teilt der Senat nicht, denn sie steht nicht im Einklang mit dem Wortlaut von § 13a Abs. 5 ErbStG und von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sowie § 175 Abs. 2 Satz 1 AO.

Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) begann danach mit Ablauf des Jahres 2003 und endete mit Ablauf des Jahres 2007. Der Schenkungsteuerbescheid ist innerhalb dieser Frist ergangen, nämlich am 12.03.2004.

Auch wenn man der Auffassung von Crezelius folgen würde, dass es sich bei einen Nachversteuerungsfall nicht um einen Fall des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO handelt, wäre im Streitfall aber noch keine Verjährung eingetreten. Nach § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. Die Schenkungsteuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung. Durch die Inanspruchnahme des Freibetrags nach § 13a Abs. 1 ErbStG steht die Gewährung des Freibetrags unter dem Vorbehalt der Nachsteuer, es handelt sich um eine materiell nur vorläufig gewährte Steuerbegünstigung (Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O., § 13a ErbStG Tz. 248). Man muss dann zu dem Ergebnis kommen, dass die entstandene Steuer unter der Bedingung steht, dass die Behaltensfrist des § 13a Abs. 5 ErbStG erfüllt wird, so dass die Verjährung auch dann erst mit Eintritt des für die Gewährung des Freibetrags schädlichen Ereignisses beginnen würde, also im Streitfall ebenso wie im Fall des rückwirkenden Ereignisses nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO i.V.m. Satz 2 AO mit Ablauf des Jahres 2003.

Anhaltspunkte dafür, dass die Steuer der Höhe nach unzutreffend festgesetzt worden ist, sind nach Aktenlage nicht ersichtlich. Der Kl. hat insoweit auch keine Einwendungen erhoben.

Soweit sich der Kl. darauf beruft, er sei durch die Inanspruchnahme als Schenker möglicherweise gezwungen, Grundbesitz zu veräußern, der für ihn eine Einkunftsquelle sei, kann dies nicht in diesem Verfahren berücksichtigt werden. Sollten persönliche Billigkeitsgründe gegeben sein, kommt ggf. ein Erlass nach § 227 AO in Betracht. Dafür ist jedoch ein gesondertes Verfahren zu führen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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