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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 04.06.2009
Aktenzeichen: 3 K 4490/06 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG
Vorschriften:
ErbStG § 13a Abs. 2 | |
ErbStG § 13a Abs. 5 |
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Nachversteuerung nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz alter Fassung (ErbStG a. F.) vorliegen.
Der Kläger beerbte seine am 25.10.1998 verstorbene Mutter als Alleinerbe. Zum Nachlass gehörte u. a. das Einzelunternehmen U Optikermeister, E. Der Wert des Betriebsvermögens ist in der Erbschaftsteuererklärung mit 379.946,56 DM angegeben. Der Beklagte gewährte die Vergünstigungen gemäß § 13a EStG a. F. und ließ bei der Erbschaftsbesteuerung einen Betriebsvermögensfreibetrag in Höhe von 345.946 DM zum Abzug zu. Der Beklagte setzte die Erbschaftsteuer ausgehend von einem Erbanteil von 1.593.798 DM zzgl. Vorerwerben in Höhe von 118.160 DM von einem Erwerb von insgesamt 1.711.958 DM unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 16 ErbStG in Höhe von 400.000 DM von einem steuerpflichtigen Erwerb von 1.311.900 DM auf 248.418 DM fest. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Erbschaftsteuerbescheid vom 22.02.2000 (Blatt 62 ff. der Erbschaftsteuerakte).
Aus nicht streitigen Gründen änderte der Beklagte den Erbschaftsteuerbescheid und setzte die Erbschaftsteuer auf nunmehr 245.473 DM fest; wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 16.08.2001 Bezug genommen (Blatt 85 ff. der Erbschaftsteuerakte).
Auf Anfrage des Beklagten, ob der Erwerber innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb des Betriebs Entnahmen getätigt habe, die die Summe seiner Einlagen und der ihm zuzurechnenden Gewinne oder Gewinnanteile seit dem Erwerb um mehr als 100.000 DM (bzw. 52.000 Euro) überstiegen, teilte der Kläger mit, bis zum Ende der fünfjährigen Behaltensfrist (26.10.1998 bis 25.10.2003) überstiegen die durch ihn getätigten Entnahmen nicht die von ihm getätigten Einlagen, es ergebe sich vielmehr sogar eine Unterentnahme; wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Schreiben vom 01.03.2005 (Blatt 103 der Erbschaftsteuerakte). Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Regelung des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG a. F. nicht auf die allgemeine fünfjährige Behaltensfrist abstelle, sondern die Behaltensfrist für die Entnahmeegrenzung regelmäßig bereits mit Ablauf des letzten Wirtschaftsjahres ende, das innerhalb der fünfjährigen Behaltenszeit ende. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Gesetzes. Im Streitfall sei daher für die Beurteilung schädlicher Überentnahmen der Zeitraum vom 26.10.1998 bis zum 31.12.2002 zu berücksichtigen. Danach lägen schädliche Überentnahmen in Höhe von 179.235 DM vor. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf das Schreiben des Beklagten vom 24.03.2005 Bezug genommen (Blatt 110 der Erbschaftsteuerakte).
Der Kläger vertrat die Auffassung, es liege im Streitfall keine freibetragsschädliche "Überentnahme" vor. Maßgeblich sei die Behaltensfrist von 5 Jahren, denn nach § 13a Abs. 5 ErbStG a. F. fielen der Freibetrag und der verminderte Wertansatz mit Wirkung für die Vergangenheit weg, "soweit der Erwerber innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb" einen Tatbestand nach § 13a Abs. 5 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 oder Nr. 4 ErbStG a. F. erfülle. Es sei zwar zutreffend, dass nach § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG a. F. der Fünfjahreszeitraum verkürzt werde, weil es dort um Entnahmen gehe, die "bis zum Ende des letzten in die Fünfjahresfrist fallenden Wirtschaftsjahres" getätigt würden. Es handele sich dabei um eine Vereinfachungsvorschrift, die nach dem Willen des Gesetzgebers dem Erben lediglich zum Vorteil gereichen solle. Die Verkürzung der fünfjährigen Behaltensfrist dürfe aber jedenfalls dann nicht zum Nachteil des Erben angewandt werden, wenn er innerhalb der unverkürzten fünfjährigen Behaltensfrist keine Überentnahmen tätige. Der Kläger sei stets in der Lage gewesen, sog. "Überentnahmen" auch in einer verkürzten fünfjährigen Behaltensfrist durch Einlagen auszugleichen, außerdem führe er das Unternehmen fort und habe 8 Arbeitsplätze bis zum heutigen Tag erhalten. Eine Gesetzesauslegung, wie sie der Beklagte vornehme, entspreche weder dem Sinn der Unternehmensschutzvorschrift des § 13a ErbStG a. F. noch dem Willen des Gesetzgebers.
Der Beklagte folgte der Auffassung nicht. Er änderte den Erbschaftsteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung und erhöhte den Erwerb um die steuerschädliche Überentnahme in Höhe von 179.235 DM. Der Beklagte setzte die Erbschaftsteuer auf 279.491 DM (entspricht 142.901 Euro) fest, so dass sich eine Nachforderung in Höhe von 17.392,65 Euro ergab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Änderungsbescheid vom 30.05.2005 Bezug genommen, Blatt 119 ff. der Erbschaftsteuerakte.
Der Kläger legte Einspruch ein. Es sei die tatsächliche unverkürzte fünfjährige Behaltensfrist zu berücksichtigen, danach ergäben sich keine steuerschädlichen Überentnahmen.
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Für die Entnahmebegrenzung bestimme § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG a. F. den Zeitraum ab dem Zeitpunkt der Steuerentstehung bis zum Ende des letzten in die Fünfjahresfrist des § 13a Abs. 5 ErbStG a. F. fallenden Wirtschaftsjahres. § 13a Abs. 5 ErbStG a. F. beinhalte demzufolge zwei Behaltensfristen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes sei der Zeitraum vom 26.10.1998 (Todestag 25.10.1998) bis zum 31.12.2002 (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) maßgebend. Eine andere Auslegung oder gar ein Ermessensspielraum dahingehend, dass für die Entnahmebegrenzung auf die allgemeine fünfjährige Behaltenszeit abzustellen sei, lasse sich der Vorschrift nicht entnehmen. Auch die Ausführungen in den Erbschaftsteuerrichtlinien und -erlassen gingen ebenso wie die herrschende Meinung in der Literatur (u. a. Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 13a, Rz. 126 ff.) von der verkürzten Behaltensfrist aus. Es komme nicht darauf an, ob der Kläger in dem Zeitraum in der Lage gewesen wäre, Überentnahmen auszugleichen. Allein maßgebend sei, ob er dies innerhalb des maßgeblichen Zeitraums auch tatsächlich getan habe. Im Streitfall habe der Kläger die Einlage erst in 2003 vorgenommen und damit außerhalb des für die Entnahmebegrenzung maßgebenden Zeitraums. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Einspruchsentscheidung vom 28.09.2006 (Blatt 132 ff. der Erbschaftsteuerakte).
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Entgegen der Meinung des Beklagten dürfe die Vorschrift des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG a. F. nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen ausgelegt werden, wenn im Rahmen der allgemeinen fünfjährigen Behaltensfrist - wie dies im Streitfall erfolgt sei - die Entnahmebegrenzung insgesamt eingehalten werde.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Erbschaftsteuerbescheid vom 30.05.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 28.09.2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Der Beklagte hat den Erbschaftsteuerbescheid zu Recht wegen Überentnahmen geändert.
Nach § 13a Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG a. F. fallen der Freibetrag oder Freibetragsanteil nach § 13a Abs. 1 und der verminderte Wertansatz nach § 13a Abs. 2 ErbStG a. F. mit Wirkung für die Vergangenheit weg, "soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb als Inhaber eines Gewerbebetriebs, Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes oder persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien bis zum Ende des letzten in die Fünfjahresfrist fallenden Wirtschaftsjahres Entnahmen tätigt, die die Summe seiner Einlagen und der ihm zuzurechnenden Gewinne oder Gewinnanteile seit dem Erwerb um mehr als 52.000 Euro übersteigen, Verluste bleiben unberücksichtigt" (Hervorhebung hinzugefügt).
Der Nachsteuertatbestand des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG a. F. geht auf Beratungen des Jahressteuergesetzes im Vermittlungsausschuss zurück (vgl. Bundestags-Drucksache 13/6530, S. 7). Durch die Einführung des Tatbestands Überentnahme sollten befürchtete Missbräuche verhindert werden (vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 13a Tzn. 7 und 305). Eine schriftliche Begründung findet sich in der Bundestagsdrucksache 13/6530 nicht.
§ 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG a. F. stellt nicht auf die allgemeine fünfjährige Behaltensfrist nach dem Erwerb ab; die Behaltensfrist für die Entnahmebegrenzung endet nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes vielmehr bereits mit Ablauf des letzten Wirtschaftsjahres, das innerhalb der fünfjährigen Behaltenszeit endet. Nach Moench/Weinmann (Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 13a Rz. 126) ist diese Regelung im Interesse einer leichteren Handhabung der Vorschrift geschaffen worden. Die in Nr. 3 getroffene zeitliche Regelung führt daher im Ergebnis immer dann zu einer Verkürzung der fünfjährigen Behaltensfrist, wenn der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer für den begünstigten Erwerb nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres fällt (ebenso Moench/Weinmann, a. a. O., § 13a Rz. 126; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, a. a. O., § 13a Tz. 310).
Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist im Streitfall daher der Tatbestand der Überentnahme erfüllt, so dass der Nachversteuerungstatbestand ausgelöst wird.
Eine Auslegung gegen den Wortlaut der Vorschrift ist im Streitfall entgegen der Auffassung des Klägers nicht geboten. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass - wie der Kläger meint - es sich hierbei um eine Auslegung der Vorschrift zum Nachteil des Steuerpflichtigen handelt. Die Vorschrift des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG a. F. dient weder zum Vorteil noch zum Nachteil des Steuerpflichtigen; sie dient vielmehr dazu, eine einfache Handhabung für die Ermittlung der Überentnahmen zu erhalten, was sowohl im Interesse des Steuerpflichtigen als auch im Interesse der Finanzverwaltung liegt.
Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es dabei darauf ankäme, ob die Anwendung der verkürzten Behaltensfrist für den Steuerpflichtigen im Einzelfall zu einem vorteil- oder nachteilhaften steuerlichen Ergebnis führt. Da die Regelung dem Steuerpflichtigen auch von Beginn an, d. h. vom Zeitpunkt des Erwerbs an bekannt ist, ist es ihm auch möglich, sich entsprechend einzurichten und Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, so dass es der Steuerpflichtige in der Hand hat, nachteilige Folgen zu vermeiden. Wenn er innerhalb von dem nach § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG a. F. verkürzten Zeitraum Entnahmen tätigt, muss er diese durch entsprechende Einlagen rechtzeitig in dem verkürzten Zeitraum ausgleichen, was dem Kläger nach seinem eigenen Vortrag auch tatsächlich möglich gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
Ende der Entscheidung
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