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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: 3 K 4930/03 Erb
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 170 Abs 5 Nr 2
AO 1977 § 170 Abs 2 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 24.06.2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin am Finanzgericht ...

Richterin am Finanzgericht ...

Richter ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtliche Richterin ...

im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob die Festsetzungsfrist für die vom Beklagten (Bekl.) vorgenommene Schenkungsteuerfestsetzung abgelaufen ist.

Der Kläger (Kl.) war neben Herrn A... und Herrn B... Gesellschafter der X... GmbH in A-Stadt mit einem Gesellschaftsanteil im Nennwert von zunächst 11.250 DM.

Durch notariellen Vertrag vom 22.12.1994 veräußerte der ausscheidende Gesellschaftergeschäftsführer B... seine gesamten Geschäftsanteile im Nennwert von 27.500 DM zu je œ an den Kl. und an Herrn A... mit Wirkung zum 01.01.1995. Laut § 4 des notariellen Vertrages betrug der Kaufpreis 175.000 DM. Laut notariellem Vertrag vom gleichen Tag über das Ausscheiden des Gesellschafters und Geschäftsführers B... erhielt dieser darüber hinaus eine Abfindung in Höhe von 500.000 DM. Zu den Einzelheiten der Verträge wird auf die Kopien der Verträge (Bl. 3-10 der Steuerakte) Bezug genommen.

Der nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelte gemeine Wert der Anteile an der X... GmbH betrug zum 31.12.1994 4.552 DM (vgl. Kopie des Feststellungsbescheides, Bl. 30 der Steuerakte).

Von diesem Sachverhalt erfuhr der Bekl. durch eine Kontrollmitteilung des FA für Großbetriebsprüfung A-Stadt am 30. Juni 1998. Am 19.04.1999 forderte der Bekl. den Kl. zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf, die am 20.08.1999 in Form eines Schriftsatzes der Kl.-Vertr. einging. Nachdem der ausscheidende Gesellschafter B... eine Erklärung zur Inanspruchnahme des Betriebsvermögensfreibetrages nach § 13 Abs. 2 a Nr. 2 ErbStG 1994 abgegeben hatte, setzte der Bekl. die Schenkungsteuer für den Kl. auf Grund eines Erwerbs von 288.400 DM durch Steuerbescheid vom 14.04.2003 auf 7.080 DM fest. Zu den Einzelheiten wird auf den Steuerbescheid (Bl. 36 - 39 der Steuerakte) und auf die Steuerberechnung (Bl. 33 der Steuerakte) Bezug genommen.

Gegen die Festsetzung erhob der Kl. am 14.05.2003 Einspruch. Er vertrat die Auffassung, der Steueranspruch sei bereits verjährt und bezog sich dazu auf das Urteil des BFH vom 05.02.2003, II R 22/01, BStBl. II 2003, 502. Im Übrigen verwies er darauf, dass die Schenkung dem Bekl. bereits 1995 bekannt gewesen sei. Außerdem sei neben dem Betriebsvermögensfreibetrag der Bewertungsabschlag gem. § 13 a Abs. 2 ErbStG zu gewähren.

Nachforschungen des Bekl. beim beurkundenden Notar ergaben, dass dort ein Absendevermerk an das Finanzamt nicht vorlag (vgl. insoweit Gesprächsnotiz vom 30.06.03, Bl. 57 der Steuerakte).

Durch Einspruchsentscheidung vom 18.08.2003 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Er verwies darauf, für eine Kenntnis von der Schenkung komme es auf die Kenntnis der organisatorisch für die Bearbeitung von Schenkungsteuerfällen zuständigen Stelle der Finanzbehörde an. Diese Kenntnis habe der Bekl. erst durch die Kontrollmitteilung der Großbetriebsprüfung in 1998 erhalten. § 170 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) markiere in diesem Zusammenhang den frühestmöglichen Beginn der Festsetzungsfrist. Ausgehend vom Zeitpunkt der Entstehung der Steuer mit Ablauf des 31.12.1995 ende die Festsetzungsfrist gem. §§ 170 Abs. 1 i. V. m. 169 Abs. 2 Nr. 2 mit Ablauf des 31.12.1999. Da aber am 19.04.1999 die Aufforderung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung an den Kl. ergangen sei, habe die Festsetzungsfrist abweichend von § 170 Abs. 1 AO gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO erst mit Ablauf des 31.12.1999 begonnen und sei mit Ablauf des 31.12.2003 abgelaufen.

Mit seiner am 16.09.2003 erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Zur Begründung bezieht er sich auf sein Vorbringen im Einspruchsverfahren und beantragt,

den Schenkungsteuerbescheid des Bekl. vom 14.04.2003 und die EE vom 18.08.2003 aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Gründe

Zur Begründung bezieht er sich auf seine EE.

Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die zulässig Klage ist nicht begründet.

Der Bekl. hat den angefochtenen Schenkungsteuerbescheid am 14.04.2003 innerhalb der Festsetzungsfrist erlassen.

Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) begann hier gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des 31.12.1999 und endete mit Ablauf des 31.12.2003. Gem. der Entscheidung des BFH vom 18.10.2000 (II R 50/98, BStBl II 2001, 14) bewirkt eine Aufforderung zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung auch dann gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO einen von Abs. 1 der Vorschrift abweichenden Beginn der Festsetzungsfrist, wenn sie zwar nach Ablauf des dritten auf das Kalenderjahr der Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres, aber noch innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist ergeht. Den Ausführungen des BFH in der genannten Entscheidung schließt sich der erkennende Senat in vollem Umfang an.

Der Bekl. hat hier den Kl. noch vor Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung aufgefordert.

Gem. § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist. Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entsteht die Schenkungsteuer bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Eine Zuwendung ist ausgeführt, wenn der Zuwendungsempfänger das erhalten hat, was ihm nach der Schenkungsabrede bzw. bei einer freigebigen Zuwendung nach dem Willen des Zuwendenden zugedacht war. Gem. § 15 Abs. 3 GmbHG i. V. m. § 398 Satz 1 BGB werden GmbH-Anteile durch Abtretung übertragen. Gem. § 398 Satz 2 BGB tritt der Wechsel in der Rechtszuständigkeit mit dem Abschluss des Vertrages ein. Auf Grund der im Privatrecht herrschenden Privatautonomie der Vertragsbeteiligten bleibt es diesen jedoch unbenommen, abweichend von § 398 Satz 2 BGB einen anderen Zeitpunkt des Wechsels der Rechtszuständigkeit zu bestimmen. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen, indem die Vertragsparteien des notariellen Vertrages vom 22.12.1994 bestimmt haben, dass die Rechtswirkungen ... also der Wechsel der Inhaberbestellung bzgl. der GmbH-Anteile ... erst mit Wirkung vom 01.01.1995 an eintreten sollte. Daraus ergibt sich, dass der Kl. vor diesem Zeitpunkt noch nicht das erhalten hatte, was ihm nach der vertraglichen Abrede zugedacht war. Vor dem 01.01.1995 konnte der Kl. auch nicht als Berechtigter über die hinzuerworbenen GmbH-Anteile verfügen.

Für die danach am 01.01.1995 ausgeführte Zuwendung begann die Festsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des 31.12.1995 und endete mit Ablauf des 31.12.1999.

Die Festsetzungsfrist ist auch nicht bereits eher abgelaufen, weil gem. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO die Festsetzungsfrist bereits mit Kenntniserlangung der Finanzbehörde von der Schenkung früher begonnen hat. Unstreitig hat der Bekl. durch Mitteilung der Großbetriebsprüfung in 1998 von der Schenkung Kenntnis erlangt. Damit war der Fristbeginn nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO ausgelöst. Jedoch stehen die Vorschriften zur Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO sowie des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nach Auffassung des Senats selbstständig nebeneinander. Da die Aufforderung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung, die die Anlaufhemmung gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO auslöst, stets die Kenntnis der Behörde vom Schenkungsvorgang voraussetzt, kann diese Kenntnis nicht zu einem früheren Beginn und Ablauf der Festsetzungsfrist führen, wenn die Finanzbehörde in der Lage ist, die Aufforderung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung innerhalb der gem § 170 Abs. 1 AO angelaufenen Festsetzungsfrist ergehen zu lassen.

Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Bekl. bereits 1995 ... wie vom Kl. behauptet ... Kenntnis von der Anteilsübertragung erlangt hatte.

Die dahingehenden Nachforschungen des Bekl. beim beurkundenden Notar sind ergebnislos geblieben.

Auch dem Begehren des Kl., für den Erwerb der GmbH-Anteile den Bewertungsabschlag gem § 13 a Abs. 2 ErbStG zu gewähren, hat der Bekl. zu Recht nicht stattgegeben, da diese Vorschrift nur für Erwerbe von Betriebsvermögen anzuwenden ist, für die die Steuer nach dem 31.12.1995 entstanden ist

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

Ende der Entscheidung

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