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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 01.10.2009
Aktenzeichen: 3 K 5279/06 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG
Vorschriften:
ErbStG § 7 Abs. 1 | |
ErbStG § 12 Abs. 5 |
Tenor:
Die Schenkungsteuerbescheide vom 24.05.2004 und vom 14.06.2007 sowie die Einspruchsentscheidung vom 16.11.2006 werden aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, wie Nießbrauchsrechte zu bewerten sind, die die Klägerin im Wege der Schenkung seitens ihres mittlerweile verstorbenen Ehemannes erhalten hat.
Sowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann waren als Kommanditisten an der H GmbH & Co. KG beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 26.11.1973 wandte der Ehemann der Klägerin, seinen zwei Töchtern und seinem Sohn schenkweise Kommanditanteile zu und übertrug den Kindern im gleichen Zuge diversen Grundbesitz. Gemäß § 11 der notariellen Vereinbarung vom 26.11.1973 behielt sich der Ehemann der Klägerin bezüglich der übertragenen Grundstücke den Nießbrauch vor. Gleichzeitig räumte er der Klägerin den Nießbrauch an dem übertragenen Grundbesitz aufschiebend bedingt durch seinen eigenen Tod ein.
Aufgrund der Feststellungen einer Betriebsprüfung bei der H GmbH & Co. KG für die Jahre 1986 bis 1988 werden seitdem die übertragenen Grundstücke im Sonderbetriebsvermögen der Kinder der Klägerin bilanziert und die Nießbrauchsrechte ihres Ehemannes diesbezüglich seinem Sonderbetriebsvermögen zugeordnet. Bezüglich von auf den Sohn der Klägerin übertragenem Grundbesitz kam es in der Folge zu einer Entnahme aus dem Betriebsvermögen. Der Nießbrauchsvorbehalt laut § 11 des notariellen Vertrages vom 26.11.1973 bezog sich danach, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, auf die zum Sonderbetriebsvermögen gehörenden Grundstücke A-Straße 1, 2 und 3 sowie B-Straße 4 und 5 sowie auf den zum Privatvermögen gehörenden Grundbesitz C-Straße 6/6a und 7.
Mit privatschriftlicher Vereinbarung vom 24.01.2001 modifizierten der Ehemann der Klägerin, die gemeinsamen Kinder und die Klägerin die Regelung der Einräumung des lebenslänglichen Nießbrauchs an die Klägerin laut § 11 des notariellen Vertrages vom 26.11.1973. Der Nießbrauch an dem 1973 übertragenen Grundbesitz sollte der Klägerin nunmehr nicht erst nach dem Tod ihres Ehemannes zustehen, sondern bereits mit dem Wegfall seiner gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der Firma I-sche Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH mit Sitz in C. Am gleichen Tag schied der Ehemann der Klägerin aus der I-schen Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH aus mit der Folge, dass die o. g. Nießbrauchsrechte auf die Klägerin übergingen.
Auf der Grundlage der dazu am 02.10.2002 eingereichten Schenkungsteuererklärung setzte der Beklagte durch Bescheid vom 24.05.2004 die Schenkungsteuer auf 47.432,00 DM fest. Den Wert der übertragenen Nießbrauchsrechte ermittelte der Beklagte dabei gemäß § 12 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) i. V. m. §§ 13, 16 Bewertungsgesetz (BewG) und berücksichtigte den 18,6ten Teil der festgestellten Bedarfswerte als zu kapitalisierenden Jahreswert. Die Festsetzung erfolgte zunächst ohne Berücksichtigung des Nießbrauchs an dem Grundbesitz C-Straße 6/6a und 7.
Mit ihrem dagegen am 09.06.2004 erhobenen Einspruch wies die Klägerin darauf hin, dass es sich bei den übergegangenen Nießbrauchsrechten ertragsteuerlich um Sonderbetriebsvermögen bei ihrem Ehemann und bei ihr selbst gehandelt habe, mit der Folge, dass für den Übergang § 6 Abs. 5 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) anzuwenden gewesen sei. Deshalb müsse die Bewertung für schenkungsteuerliche Zwecke gemäß § 12 Abs. 5 ErbStG mit den ertragsteuerlichen Werten erfolgen. Dieser Wert belaufe sich auf 0,00 Euro. Lediglich hinsichtlich des Nießbrauchs an dem Grundbesitz C-Straße 6/6a und 7 sei eine Bewertung gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG zutreffend.
Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 16.11.2006 als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, die Nießbrauchsrechte seien weder Wirtschaftsgüter noch Vermögensgegenstände im Sinne des Erbschaftsteuerrechts. Es handele sich insoweit lediglich um Nutzungen, die deshalb gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG zu bewerten seien. Darüber hinaus beziehe sich § 12 Abs. 5 ErbStG nicht nur nur auf Wirtschaftgüter bzw. Vermögensgegenstände, sondern unabhängig davon auch auf eine Sachgesamtheit, nicht dagegen auf Einzelwirtschaftsgüter.
Aufgrund der erstmaligen Erfassung des Nießbrauchs am Grundbesitz C-Straße belief sich die durch die Einspruchsentscheidung festgesetzte Steuer auf 105.975,00 DM.
Mit ihrer Klage vom 15.12.2006 verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Bewertung der übertragenen Nießbrauchsrechte nach § 12 Abs. 5 ErbStG weiter. Sie vertritt die Auffassung, dass es sich bei den übertragenen Nießbrauchsrechten sehr wohl um Wirtschaftsgüter handele und verweist dazu auf den Beschluss des BFH vom 26.10.1987 (GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348). Im Übrigen gelte § 12 Abs. 5 ErbStG auch für Einzelwirtschaftsgüter.
Während des Klageverfahrens hat der Beklagte am 14.06.2007 einen Änderungsbescheid erlassen und die Schenkungsteuer auf 98.010,00 DM festgesetzt.
Die Klägerin beantragt,
die Schenkungsteuerfestsetzungen vom 24.05.2004 und vom 14.06.2007 sowie die Einspruchsentscheidung vom 16.11.2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung.
Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 08.07.2008 erörtert. Zu den Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll (Bl. 60 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Der Senat hat in der Sache am 01.10.2009 mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Schenkungsteuerfestsetzungen vom 24.05.2004 und vom 14.06.2007 sowie die Einspruchsentscheidung vom 16.11.2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Finanzgerichtsordnung - FGO).
Der Schenkungsteuer unterliegt gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
Gegenstand der Zuwendung im vorliegenden Fall ist der Nießbrauch an den Grundstücken laut Übertragungsvertrag vom 26.11.1973. Zwar ist der Nießbrauch nicht übertragbar, jedoch kann seine Ausübung einem anderen überlassen werden, § 1059 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Geschieht die Überlassung unentgeltlich, ist eine schenkungsteuerbare Zuwendung gegeben. Mit der Vereinbarung vom 24.01.2001 und dem gleichzeitigen Ausscheiden des Ehemanns der Klägerin aus der Firma I-sche Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH hat die Klägerin die Ausübung der an dem Grundbesitz laut Vertrag vom 23.11.1973 bestellten Nießbrauchsrechte unentgeltlich erhalten.
Diese Zuwendung ist gemäß § 12 Abs. 5 ErbStG zu bewerten.
Nach Auffassung des Senats scheitert die Anwendung von § 12 Abs. 5 ErbStG nicht daran, dass im vorliegenden Fall keine Sachgesamtheit übergegangen ist. Soweit der Beklagte insofern an die Regelung des § 13a ErbStG anknüpft, wonach die Steuerbegünstigung nur für das Betriebsvermögen als Ganzes, als Anteil oder als Teilbetrieb gewährt wird, folgt dem der Senat nicht. Denn die Bewertung des übergegangenen Vermögens erfolgt logisch vorrangig und unabhängig davon, ob die Steuervergünstigung gemäß § 13a ErbStG zu gewähren ist. Auch der Verweisung in § 12 Abs. 5 ErbStG auf die Vorschriften des Bewertungsgesetzes und damit auf die ertragsteuerlichen Regelungen in § 15 EStG lässt sich eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 12 Abs. 5 ErbStG auf Sachgesamtheiten nicht zwingend entnehmen. Vielmehr entnimmt der Senat der Formulierung des Gesetzes "Bestand und Bewertung", dass - aufgrund der entsprechenden Verweisung - nach ertragsteuerlichen Regelungen zu prüfen ist, ob ein übertragener Vermögensgegenstand überhaupt zum Betriebsvermögen gehört, und dass für diesen Fall die Bewertung ertragsteuerlichen Regelungen zu folgen hat.
Vor diesem Hintergrund der Maßgeblichkeit der ertragsteuerlichen Regelungen kann der Senat die Ansicht des Beklagten nicht teilen, es handele sich bei einem Nießbrauch nicht um ein Wirtschaftsgut sondern lediglich um nach § 12 Abs. 1 ErbStG zu bewertende Nutzungen. Ausweislich der zum Ertragsteuerrecht ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich der erkennende Senat auch für den vorliegenden Fall anschließt, handelt es sich bei an Grundstücken bestellten Nießbrauchsrechten um Wirtschaftsgüter (vgl. BFH - Urteil vom 02.08.1983 VIII R 57/80, BStBl. II 1983, 739; BFH - Beschluss vom 26.10.1987 GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348), die dem Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen zuzurechnen sein können.
Handelt es sich danach bei einem Nießbrauch um Betriebsvermögen, so ist der Nießbrauch bei einer schenkweisen Übertragung gem. § 12 Abs. 5 ErbStG zu bewerten. Dabei geht der Senat davon aus, dass für die Beantwortung der Frage, ob Betriebsvermögen vorliegt, an dieser Schnittstelle zwischen Ertragsteuerrecht auf der einen Seite und Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht auf der anderen Seite genau wie im Zusammenhang mit § 13a ErbStG die ertragsteuerlichen Begriffsbestimmungen und Regelungen maßgeblich sind.
Deshalb sind im vorliegenden Fall die der Klägerin zugewandten Nießbrauchsrechte gemäß § 12 Abs. 5 ErbStG zu bewerten. Die dem Ehemann der Klägerin zustehenden Nießbrauchsrechte gehörten zu seinem Sonderbetriebsvermögen. Nach der Übertragung auf die Klägerin am 24.01.2001 gehörten sie zu ihrem Sonderbetriebsvermögen. Dabei konnte die Übertragung direkt vom Sonderbetriebsvermögen des Ehemanns der Klägerin in ihr Sonderbetriebsvermögen erfolgen, ohne dass es zu einer Entnahme aus dem Betriebsvermögen gekommen ist. Denn auch nach Auffassung der Finanzverwaltung ist ein Wirtschaftsgut, das im Wege vorweggenommener Erbfolge von einem Mitunternehmer auf einen anderen Mitunternehmer übertragen wird, nicht aus dem Betriebsvermögen zu entnehmen und kann deshalb zu Buchwerten übergehen. Auf das BMF-Schreiben vom 06.03.1996 (IV B 2 - S 2134 - 14/96) wird insoweit hingewiesen.
Nach ertragsteuerlichen Grundsätzen war für die streitbefangenen Nießbrauchsrechte kein Wert anzusetzen, da sie vom Ehemann der Klägerin seinerzeit unentgeltlich vorbehalten worden waren. An der Zugehörigkeit der Nießbrauchsrechte zum Betriebsvermögen ändert die Bewertungsfreiheit nichts. Aufgrund der Regelung des § 12 Abs. 5 ErbStG ist die Bewertungsfreiheit auch für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu übernehmen, ohne dass ein "Ersatzwert" gebildet werden dürfte. Denn dafür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (so auch Gebel in Troll/Gebel/Jülicher § 12 ErbStG Rz. 712 und Rz. 780).
Die angefochtenen Bescheide und die Einspruchsentscheidung waren aufzuheben, da das Nießbrauchsrecht C-Straße gemäß §§ 12 Abs. 1 ErbStG, 14 Abs. 1, 16 BewG mit 225.983,63 DM zu bewerten war (Vvf. 8,307 x 27.204,00 DM Jahreswert -vgl. Bl. 38 der Gerichtsakte-). Nach Abzug des Freibetrages von 600.000,00 DM (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) verbleibt kein steuerpflichtiger Erwerb.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 155 FGO, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision erfolgt zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
Ende der Entscheidung
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