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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 18.10.2007
Aktenzeichen: 3 K 805/05 F
Rechtsgebiete: BewG


Vorschriften:

BewG § 138 Abs. 3 S. 1
BewG § 138 Abs. 4
BewG § 138 Abs. 5 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

3 K 805/05 F

Tenor:

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 30.07.2004 für Zwecke der Grunderwerbsteuer zur Steuernummer 331/7031/0404 in Gestalt der Einspruchentscheidung vom 31.01.2005 wird dahingehend geändert, dass der auf volle fünfhundert Euro nach unten gerundete Grundbesitzwert auf 25.000 Euro festgestellt wird.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 42 % und der Beklagte zu 58 %.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

Streitig ist die Bedarfsbewertung von Grundstücksflächen für Zwecke der Grunderwerbsteuer, die innerhalb eines Neubaugebiets öffentlichen Zwecken, insbesondere Erschließungszwecken dienen sollen.

Die Klägerin (Klin.) ist eine Gemeinde. Sie schloss am 30.07.2004 mit dem Eigentümer der Grundstücke Gemarkung B, Flur , Flurstücke (Größe: 13.390 qm) und 15 (Größe: 11.539 qm) einen notariellen Übertragungsvertrag. Darin verpflichtete sich der Eigentümer aus den vorbenannten Grundstücken eine noch zu vermessende Teilfläche von 4.822 qm "unentgeltlich" auf die Klin. zu übertragen. Die Eigentumsübertragung auf die Klin. ist bislang noch nicht erfolgt. Die betroffenen Teilflächen sollen ausweislich des Vertrages und nach dem für die Gesamtfläche geltenden rechtsverbindlichen Bebauungsplan Nr. 38 "I" als Straßenfläche (2.370 qm), als Fußwege (242 qm), für eine Regenrückhaltebecken (795 qm) und für einen Kinderspielplatz (540 qm) genutzt werden. Eine weitere Fläche (875 qm) umfasst einen Bachlauf mit danebenliegenden Grünstreifen. Maßnahmen zum Bau der entsprechenden Erschließungsanlagen waren zum Zeitpunkt des Übertragungsvertrages noch nicht ergriffen worden. Zu den Einzelheiten wird auf den notariellen Übertragungsvertrag vom 30.07.2004 verwiesen.

Der Bodenrichtwert für Wohnbauflächen wurde vom örtlichen Gutachterausschuss im Richtwertgebiet "B, E, D", in dem die hier streitbefangenen Grundstücksflächen liegen, zum 31.10.1995 (01.01.1996) auf 85 DM/qm (gebietstypische Erschließung) festgestellt. Ein spezieller Bodenrichtwert für den Bereich des Bebauungsplans Nr. 38 "I" wurde nicht festgestellt.

Hiervon ausgehend stellte der Bekl. den Grundbesitzwert auf den 30.07.2004 für Zwecke der Grunderwerbsteuer durch Bescheid vom 30.08.2004 auf 59.000 EUR (abgerundet auf volle 500 EUR) fest. Dabei ging der Bekl. davon aus, dass es sich bei den als Frei- und Verkehrsflächen im Bebauungsplan ausgewiesen Grundstücksflächen um Bruttorohbauland handele. Dementsprechend nahm der Bekl. von dem Bodenrichtwert Abschläge nach R 160 Abs. 2 Sätze 1 u. 7 ErbStR in Höhe von 50 % und nach R 161 Abs. 5 ErbStR in Höhe von 30 % vor. Nach Abzug des Abschlags gem. § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG in Höhe von 20 % bewertet der Bekl. die streitigen Flächen mit 24 DM (12,27 Euro) pro qm. Zu den Einzelheiten der Wertermittlung wird auf die Berechnung in der Bedarfswertakte und den Bescheid vom 30.08.2004 verwiesen.

Gegen den Grundbesitzwertbescheid legte die Klin. am 10.09.2004 Einspruch ein.

Die Klin. vertrat die Auffassung, dass kein Bedarfswert für die streitbefangenen Flächen festgestellt werden müsse, da sie die der Erschließung bzw. sonstigen öffentlichen Zwecken dienenden Flächen in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben erworben habe und diese Flächen mit 0 DM/Euro pro qm zu bewerten seien. Dabei sei es unerheblich, dass die Erschließungsanlagen zum Bewertungszeitpunkt noch nicht errichtet gewesen seien, denn die Erschließungsanlagen müssten aufgrund des rechtsverbindlichen Bebauungsplans gebaut bzw. errichtet werden.

Zur weiteren Begründung bezog sich die Klin. auf einen im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder ergangenen Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 27.04.1998 (Az. 3-54521-13), einem Erlass des Finanzministeriums vom 13.05.1998 (Az. S 4520-3-VA-2) sowie eine Mitteilung NWStGB vom 05.07.1998 (Az. II/1 643-00/1). Hierzu wird auf die dem Bekl. seitens der Klin. mit Schreiben vom 20.01.2005 übersandten Kopien Bezug genommen.

Durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 31.01.2005 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück.

Der von der Klin. zur Begründung ihres Einspruchs angeführte Erlass (für NRW Finanzministerium NRW vom 13.05.1998, S 4520-3-VA-2) sei im Streitfall nicht anwendbar. Er regele lediglich die Fälle, in denen Gebietskörperschaften die Erschließung von Neubaugebieten privaten Bauträgern überließen und diese Bauträger vertraglich verpflichtet würden, die Grundstücke nach Fertigstellung der Erschließungsanlagen unentgeltlich auf die Gebietskörperschaften zu übertragen. In diesen Fällen sei nach dem Erlass für die übertragenen Grundstücke von einem Wert von 0 DM/EUR auszugehen. Nach der Auffassung der Finanzverwaltung NRW gelte diese Regelung für andere Varianten der Grundstücksübertragung nicht (vgl. Information der OFD Münster 4/99 vom 29.12.1999). Eine Bewertung der Grundstücke ohne Erschließungsanlagen mit 0 DM/Euro sei nicht sachgerecht, denn die Grundstücke seien nicht bereits dann dem allgemeinen Wirtschaftsverkehr entzogen, wenn sie in einem Bebauungsplan als für den öffentlichen Bedarf bestimmt ausgewiesen seien. Zu diesem Zeitpunkt seien die Grundstücke noch nicht wertlos, denn die Gemeinde müsse sie käuflich erwerben oder gegen Entschädigung enteignen, wenn die Eigentümer nicht zur (gegebenenfalls unentgeltlichen) Übertragung bereit seien. Nach R 161 Abs. 5 ErbStR sei für Frei- und Verkehrsflächen, die im Bebauungsplan als solche ausgewiesen seien und sich in privater Hand befänden, vom Bodenrichtwert ein angemessener Abschlag zu machen. Diese Regelung belege, dass man nicht von einer Wertlosigkeit solcher Grundstücke ausgehen könne. Wenn solche Grundstücke in privater Hand einen bestimmten Wert hätten, so müsse der selbe Wert angenommen werden, wenn diese Grundstücke auf die Gemeinde übertragen würden.

Mit ihrer Klage vom 24.02.2005 verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter. Zur Begründung beruft sich die Klin. weiterhin auf den Erlass des FinMin Baden-Württemberg vom 27.04.1998 (Az. 3-S-4521-13). Die Unterscheidung der Finanzverwaltung danach, ob die Grundstücksflächen mit Erschließungsanlagen übertragen worden seien oder auf den übertragenen Grundstücksflächen noch gebaut werden müssten, sei unlogisch und widersprüchlich. Auch in den Fällen, in denen der Eigentumsübergang schon vor dem Bau der Erschließungsanlagen erfolgt sei, müsse von einem Grundstückswert von 0 DM/Euro ausgegangen werden. Für die Bewertung der Straßengrundstücke und der sonstigen Erschließungsanlagen sei ausschließlich die planungsrechtliche Situation maßgeblich. Da die streitbefangenen Grundstücksflächen in dem rechtsverbindlichen Bebauungsplan Nr. 38 "I" als Verkehrs- und Gemeinbedarfsflächen ausgewiesen seien, ergebe sich hierfür kein Markt mehr. Dies habe zur Folge, dass sie für den bisherigen Eigentümer wertlos seien, denn er könne das Eigentum daran nur noch auf die Klin. übertragen und zwar zu den von ihr bestimmten Bedingungen. Voraussetzung für den Abschluss des vorliegenden Erschließungsvertrages und der Aufstellung des Bebauungsplans sei die unentgeltliche Übertragung der Verkehrs- und Gemeinbedarfsflächen gewesen.

Ergänzend beruft sich die Klin. auf ein Verfahren wegen des Erlasses von Grunderwerbsteuer, welches beim FG Düsseldorf unter dem Az. 18 K 2130/03 AO anhängig war und das zu einem einvernehmlichen Abschluss gelangt ist. Zu den Einzelheiten wird auf die Kopie des von der Klin. übersandten Protokolls (Bl. 42 - 45 der GA) verwiesen.

Nach einem Hinweis des Berichterstatters vom 21.05.2007, auf den Bezug genommen wird (vgl. Bl. 64 der GA), holte der Bekl. eine Stellungnahme des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis N ein. Der Gutachterausschuss teilte dem Bekl. daraufhin mit Schreiben vom 15.06.2007 mit, dass bezüglich der hier streitbefangenen Grundstücksflächen aufgrund der abweichenden Nutzung ein direkter Vergleich mit dem Bodenrichtwert (85 DM/qm) nicht möglich sei. Die Flächen seien in dem Bebauungsplan auf Dauer als Verkehrsflächen festgesetzt, wodurch sie von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung ausgeschlossen seien. Für diese Flächen komme in der Regel nur die öffentliche Hand als Käufer in Betracht. Derartige Flächen würden am Grundstücksmarkt kaum gehandelt. Obwohl konkurrierende Käufer deshalb in der Regel nicht aufträten, dürfe ein gewöhnlicher Geschäftsverkehrs nicht ausgeschlossen werden. Komme ein freihändiger Erwerb nicht zu Stande, so könnten die Flächen enteignet werden. Ihr Wert sei deshalb nach den Grundsätzen über die enteignungsrechtliche Vorwirkung zu ermitteln. Die Einstufung richte sich dabei allein nach dem jeweiligen Entwicklungsstand des Grundstücks im Zeitpunkt des Ausschlusses von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung. Die für Verkehrsflächen festgesetzten Flächen könnten in diesem Fall als Bauerwartungsland eingestuft werden. Somit würde sich ein Wert ergeben, der zwischen 15 % bis 40 % des Werts von baureifen Land bzw. vom erschließungsbeitragspflichtigem Bodenrichtwert liege. Hierbei könne von dem aufgeführten Bodenrichtwert ausgegangen werden, weil dieser nur eine Teilerschließung enthalte. Auf das Schreiben des Gutachterausschusses vom 14.06.2007 wird im Übrigen Bezug genommen (vgl. Bl. 71 f. der GA).

Die Klin. beantragt,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 30.07.2004 für Zwecke der Grunderwerbsteuer vom 30.08.2004 -StNr. 331/7031/0404- aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft sich der Bekl. auf seine EE und auf die Stellungnahme des Gutachterausschusses vom 11.07.2007. Der von dem Bekl. berücksichtigte Wert von 30 DM/qm liege in der vom Gutachterausschuss angegebenen Spanne von 15 % bis 40 % des Bodenrichtwerts für Wohnbauflächen. Der Bekl. halte deshalb an seiner Rechtsauffassung fest.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 20.10.2005 erörtert. Auf das Protokoll des Erörterungstermins (Bl. 51 und 52 der GA) wird Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 09.10.2007 hat der Berichterstatter die Beteiligten auf das Urteil des BFH vom 18.08.2005 (II R 62/03, BFHE 210, 368, BStBl II 2006, 5) hingewiesen. Auf die Verfügung (Bl. 84 der GA) wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die Klage ist zulässig und insoweit begründet, als dass der Bekl. in dem Feststellungsbescheid vom 30.08.2004 in Gestalt der EE vom 31.01.2005 einen über 25.000 EUR hinausgehenden Grundbesitzwert auf den 30.07.2004 festgestellt hat. Insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klin. in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Gem. § 138 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 BewG sind die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens nach den Wertverhältnissen zum 01.01.1996 mit einem typisierenden Wert unter Anwendung der §§ 68, 69 und 139 und 145 bis 150 BewG zu ermitteln. Grundbesitzwerte sind nach § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG u.a. dann gesondert festzustellen, wenn sie für die Grunderwerbsteuer erforderlich sind (Bedarfsbewertung). Der Wert unbebauter Grundstücke bestimmt sich nach ihrer Fläche und dem um 20 % ermäßigten Bodenrichtwert i.S. von § 196 des Baugesetzbuchs -BauGB- (§ 145 Abs. 3 Satz 1 BewG). Es handelt sich dabei um eine für den hier maßgeblichen Bewertungsstichtag höchstrichterlich anerkannte Bewertungsmethode, die der Vereinfachung der Bedarfsbewertung dient. Die Bodenrichtwerte sind für die am Steuerrechtsverhältnis Beteiligten verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich. Sie sind deswegen von den Finanzbehörden und Finanzgerichten ungeprüft und ohne eigenen Bewertungsspielraum der Ermittlung des Bedarfswerts zugrunde zu legen (vgl. BFH, Urteil vom 11.05.2005 II R 21/02, BFHE 210, 48, BStBl II 2005, 686; BFH, Urteil vom 18.08.2005 II R 62/03, BFHE 210, 368, BStBl II 2006, 5). Der Stichtag der Bedarfsbewertung durch das Lagefinanzamt richtet sich nach der Aufforderung durch das für die Besteuerung zuständige Finanzamt.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Bekl. dem Grunde nach zu Recht auf den Stichtag 30.07.2004 einen Grundbesitzwert festgestellt. Entgegen der Auffassung der Klin. sind die Grundstücksflächen nicht wertlos. Dies ergibt sich bereits aus der Stellungnahme des örtlichen Gutachterausschusses vom 14.06.2007, der für die streitbefangenen Grundstücksflächen zum 31.12.1995 (01.01.1996) eine Preisspanne von 15 % bis 40 % des für das betreffende Richtwertgebiet ermittelten Bodenrichtwert von 85 DM/qm angegeben hat. Der Bekl. ist nach den gesetzlichen Vorgaben in § 145 Abs. 3 BewG an die vom zuständigen Gutachterausschuss ermittelten Bodenrichtwerte gebunden (vgl. BFH, Urteil vom 11.05.2005 II R 21/02, BFHE 210, 28, BStBl II 2005, 686).

Der örtliche Gutachterausschuss hat in seiner Stellungnahme vom 14.06.2007 zutreffend darauf hingewiesen, dass ein gewöhnlicher Geschäftsverkehr bezüglich der streitbefangenen Grundstücksflächen nicht ausgeschlossen werden könne, auch wenn die Flächen als Verkehrs- bzw. Gemeinbedarfsflächen im Bebauungsplan ausgewiesen seinen und von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung ausgeschlossen seinen. Auch wenn derartige Grundstücksflächen am Grundstücksmarkt kaum gehandelt werden und als Erwerber in der Regel nur die öffentliche Hand in Betracht kommt, so zeigt sich die Werthaltigkeit der Flächen daran, dass für sie im Falle einer Enteignung eine Entschädigung zu zahlen wäre. Unerheblich ist insofern, dass sich der Eigentümer notariell verpflichtet hat, die streitbefangenen Flächen "unentgeltlich" auf die Klin. zu übertragen. Einerseits ist hier nicht der schuldrechtlich vereinbarte, sondern der objektive aus den festgestellten Bodenrichtwerten gem. § 145 Abs. 3 BewG abgeleitete Bodenwert festzustellen. Andererseits kann die Verpflichtung zur "unentgeltlichen" Übertragung nicht isoliert betrachtet werden. Diese Verpflichtung steht vielmehr im rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 38 "I" seitens der Klin., durch den sich der Wert der im Eigentum des Überträgers verbleibenden Grundstücksflächen erhöht. Da hierin eine mittelbare Gegenleistung seitens der Klin. zu sehen ist, liegt im Ergebnis wirtschaftlich und rechtlich keine unentgeltliche Übertragung der Grundstücksflächen vor.

Soweit sich die Klin. auf den für den Senat nicht verbindlichen Erlass des Finanzministeriums NRW vom 05.07.1998 beruft, ist dieser bereits vom Regelungsgehalt auf den Streitfall nicht anwendbar, da er nur die Fälle betrifft, in denen private Erschließungsträger Grundstücksflächen nach Fertigstellung der Erschließungsanlagen auf Gebietskörperschaften übertragen.

Zudem kann der Streitfall nicht mit dem von der Klin. benannten Verfahren 18 K 2130/03 AO (FG Düsseldorf) verglichen werden, da es bei diesem Verfahren um den Erlass von Grunderwerbsteuer ging, und dort insbesondere darüber zu entscheiden war, ob das Finanzamt das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hatte.

Der Höhe nach ist die angefochtene Grundbesitzfeststellung allerdings rechtswidrig. Zwar entspricht die Bewertung durch den Bekl. den Regelungen in R 160 Abs. 2 Sätze 1 u. 7 ErbStR und R 161 Abs. 5 ErbStR. Nach der Rechtsprechung des BFH ist diese Bewertung des Bekl. jedoch rechtsfehlerhaft. Der BFH hatim Urteil vom 26.04.2006 (II R 58/04, BFHE 213, 207, BStBl II 2006, 793) ausdrücklich entschieden, dass die Finanzämter (abweichend von R 160 Abs. 2 Sätze 1 und 7 ErbStR) nicht berechtigt seien, die für die Bedarfsbewertung von Rohbauland maßgebenden Bodenrichtwerte aus den von den Gutachterausschüssen für erschließungsbeitragsfreies Bauland mitgeteilten Bodenrichtwerten abzuleiten. Über die bloße Beachtung der vom Gutachterausschuss vorgegebenen Differenzierungen hinaus dürften die Finanzämter keine "eigenen" Bodenrichtwerte aus den von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Bodenrichtwerten ableiten. Bei einer solchen Ableitung würde es sich um eine Schätzung handeln, die mit der gesetzlichen Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gutachterausschüssen und den Finanzämtern sowie der vom Gesetzgeber beabsichtigten Typisierung und Vereinfachung der Bedarfsbewertung nicht vereinbar wäre. Der in R 160 Abs. 2 Sätze 1 und 7 ErbStR vorgesehene Ansatz von Rohbauland mit regelmäßig 75 % bzw. 50 % des Bodenrichtwerts erschließungsbeitragsfreier vergleichbarer Bauflächen sei mit dem Wortlaut und dem Typisierungs- und Vereinfachungszweck der gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar. Es gebe keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass der Bodenwert von Bruttorohbauland 50 % und von Nettorohbauland 75 % des Bodenrichtwerts erschließungsbeitragsfreier vergleichbarer Bauflächen betrage. Dem Finanzamt müsse Gelegenheit gegeben werden, beim Gutachterausschuss auf die Ermittlung und Mitteilung eines für die Bedarfsbewertung des Grundstücks geeigneten Bodenrichtwerts auf den 01.01.1996 nach den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Wertverhältnissen und den tatsächlichen Verhältnissen im Besteuerungszeitpunkt hinzuwirken.

Der erkennende Senat schließt sich im Streitfall dieser Rechtsprechung des BFH an. Der Bewertung der streitbefangenen Grundstücksflächen sind somit die Feststellungen aus der Auskunft des örtlichen Gutachterausschusses vom 14.06.2007 zugrunde zu legen, die der Bekl. nach dem Hinweis des Berichterstatters vom 21.05.2007 eingeholt hat. Danach beträgt der Bodenrichtwert für die streitbefangen Flächen zum 31.12.1995 15 % bis 40 % des für das gesamte Richtwertgebiet festgestellten Bodenrichtwert von 85 DM/qm, mithin 12,75 DM/qm bis 34 DM/qm.

Nach diesen Vorgaben ist der Grundbesitzwert unter Berücksichtigung des untersten Werts der vom Gutachterausschuss benannten Bodenrichtwertspanne, also von 12,75 DM/qm (6,51 Euro/qm), zu ermitteln. Der BFH hatim Urteil vom 18.08.2005 (II R 62/03, BFHE 210, 368, BStBl II 2006, 5) ausgeführt, dass eine Richtwertkarte, die eine Preisspanne nenne, für Zwecke der steuerlichen Bewertung des Grundbesitzes ungeeignet sei und nicht dem § 145 Abs. 3 BewG entspreche. Aus einer solchen Richtwertkarte könne zur Ermittlung des Grundbesitzwerts für unbebaute Grundstücke nur der unterste Wert der Wertspanne übernommen werden. Diesem Grundsatz schließt sich der erkennende Senat im Streitfall an. Nach Auffassung des Senats kann auch im vorliegenden Fall entsprechend der genannten Rechtsprechung zur Ermittlung des Grundbesitzwerts nur der unterste Wert der vom Gutachterausschuss angegebenen Bodenrichtwertspanne berücksichtigt werden. Da der Berichterstatter dem Bekl. mit Verfügung vom 21.05.2007 bereits Gelegenheit gegeben hat, beim örtlichen Gutachterausschuss auf die Feststellung eines geeigneten Bodenrichtwerts hinzuwirken, der Bekl. sich daraufhin ausdrücklich auf die Stellungnahme des Gutachterausschusses vom 14.06.2007 berufen und auch nach dem weiteren Hinweis des Berichterstatters vom 09.10.2007 nicht weiter vorgetragen hat, sieht der Senat davon ab, dem Bekl. erneut Gelegenheit zu geben, beim Gutachterausschuss einen geeigneten konkreten Bodenrichtwert für die streitbefangen Grundstücksflächen einzuholen.

Folglich beträgt der auf volle fünfhundert Euro nach unten abgerundete Grundbesitzwert gem. § 145 Abs. 3 BewG 25.000 Euro (4.822 qm x 6,51 Euro x 80 % = 25.112,79 Euro). Der angefochtene Feststellungsbescheid in Gestalt der EE war somit entsprechend zu ändern.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen gem. § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO die Klin. zu 42 % und der Bekl. zu 58 %. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 155 FGO i.V.m. 708 Nr. 11 u. 711 ZPO.

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Ende der Entscheidung

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