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Gericht: Finanzgericht Münster
Beschluss verkündet am 26.03.2008
Aktenzeichen: 3 V 4751/07 EW
Rechtsgebiete: GG, GrStG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 3 S. 1
GG Art. 4 Abs. 1
GrStG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

3 V 4751/07 EW

Tenor:

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

In der Hauptsache streiten die Beteiligten über die Gewährung der Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Grundsteuergesetz (GrStG) für die vom Antragsteller (Ast.) zu Vereinszwecken genutzten Gebäudeteile des bebauten Grundstücks E-Straße ... in C.

Der Ast. ist ausweislich seiner im Internet veröffentlichten Satzung ein rechtsfähiger Verein. § 1 Abs. 4 dieser Satzung verweist darauf, dass es sich um eine Religionsgemeinschaft handelt, die im Rahmen des Art. 140 des Grundgesetztes (GG) in Verbindung mit den fortgeltenden Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung gegründet worden ist. Gem. § 3 der Satzung bietet der Verein den in Europa lebenden oder sich in Europa aufhaltenden Menschen gleichen Glaubens die Möglichkeit zu ihrer Religionsausübung an. In § 5 Abs. 1 der Satzung heißt es: "Der Verein dient ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken i.S.d. Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung." Zu den Einzelheiten wird auf die Satzung (Bl. 15-21 der Gerichtsakte) verwiesen.

Aufgrund notariellen Kaufvertrages vom 13.03.2001 erwarb der Ast. das Eigentum an dem 1.366 qm großen Grundstück E-Straße ... in C (Flur ..., Flurstücke ... teilweise) zu einem Kaufpreis von 196.600,00 DM.

Mit Einheitswertbescheid vom 12.02.2002 führte der Antragsgegner (Ag.) zum 01.01.2002 eine Zurechnungsfortschreibung des unbebauten Grundstücks auf den Ast. durch. Der Einheitswert betrug 16.400,00 EUR.

Am 15.08.2003 stellte der Ast. beim Ag. einen Antrag auf Grundsteuerbefreiung für das streitbefangene Grundstück gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG mit der Begründung, dass das Objekt für satzungsmäßige und somit gemeinnützige Zwecke des Ast. genutzt werde. Zum Nachweis seiner Gemeinnützigkeit reichte der Ast. einen Freistellungsbescheid für 2000 bis 2002 zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer des Finanzamtes L vom 10.10.2003 ein, aus dem sich ergibt, dass der Ast. von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit sei, weil er ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. AO diene. Ferner legte der Ast. eine Bescheinigung des Finanzamtes L vom 26.11.2001 für die Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2004 vor, in der bescheinigt wird, dass es sich bei dem Ast. um eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. d. § 44 a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handele. Zudem legte der Ast. eine Bescheinigung des Innenministeriums des Landes NRW vom 12.08.1994 vor. Zu den Einzelheiten wird insofern auf die sich in der Einheitswertakte befindlichen Bescheinigungen und Bescheide verwiesen.

Daraufhin hob der Ag. den festgestellten Einheitswert zum 01.01.2005 mit Bescheid vom 28.07.2004 auf.

Der Ast. errichtete auf dem Grundstück ein Gebäude, welches im Jahre 2005 fertiggestellt wurde. Zum hier streitgegenständlichen Stichtag 01.01.2006 nutzte der Ast. das Erdgeschoss (Nutzfläche: 151,42 qm) sowie das Obergeschoss (Nutzfläche: 228,42 qm) zu Vereinszwecken, insbesondere als Gebetsraum. Im Dachgeschoss des Gebäudes befand sich zum Stichtag eine Wohnung (Wohnfläche: 154,89 qm). Zur Aufteilung des Gebäudes wird auf die Mitteilung der Stadt C vom 19.09.2005 nebst anliegender Nutz- bzw. Wohnflächenberechnungen in der Einheitswertakte (EW-Akte) verwiesen.

Nach Fertigstellung des Gebäudes führte der Ag. zunächst auf den 01.01.2006 mit Einheitswertbescheid vom 13.06.2006 eine Wert- und Artfortschreibung durch. Der Ag. bewertete das Grundstück als Mietwohngrundstück und stellte den Einheitswert auf 24.030,00 EUR fest. Dabei legte der Ag. der Bewertung lediglich die als Wohnräume genutzten Gebäudeteile im Dachgeschoss zugrunde. Zu den Einzelheiten wird auf den Einheitswertbescheid vom 13.06.2006 sowie auf den dazu erstellten Vorbogen zur Ermittlung der Jahresrohmiete in der Einheitswertakte verwiesen.

Im November 2006 teilte die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamtes L dem Ag. mit, dass dem Ast. aufgrund der Ergebnisse einer Betriebs-/Fahndungsprüfung die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 1997 aberkannt worden sei und wies dazu auf entsprechende bestandskräftige Körperschaftsteuerfestsetzungen für 1997-2004 hin. Zu den Einzelheiten wird auf die Mitteilung vom 27.10.2006 in der EW-Akte verwiesen.

Der Ag. forderte den Ast. sodann mit Verfügung vom 15.11.2006 unter Hinweis auf die Mitteilung des Finanzamtes L auf, eine Einheitswerterklärung abzugeben. Nachdem der Ag. dieser Aufforderung auch nach mehrmaliger Erinnerung des Ag. nicht nachkam, erließ der Ag. am 11.09.2007 einen berichtigten/geänderten Einheitswertbescheid auf den 01.01.2006, in dem er den Einheitswert für das nunmehr als gemischtgenutztes Grundstück mit überwiegend gewerblichem Anteil bewertete Grundstück im Rahmen einer Wert- und Artfortschreibung auf 80.323,00 Euro feststellte. Dabei wurden die zuvor als grundsteuerfrei behandelten Gebäudeteile mit in die Bewertung einbezogen. Zu den Einzelheiten wird auf den Einheitswertbescheid vom 11.09.2007 nebst Vorbogen zur Ermittlung der Jahresrohmiete in der Einheitswertakte verwiesen.

Gegen diesen Einheitswertbescheid legte der Ast. am 24.09.2007 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Der Ast. begehrte die Grundsteuerbefreiung für die zu Vereinszwecken genutzten Gebäudeteile.

Er vertrat die Auffassung, dass ungeachtet der aberkannten Gemeinnützigkeit und der daher nicht mehr in Betracht zu ziehenden Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) GrStG die Grundsteuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 i.V.m. Satz 2 GrStG jedenfalls im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu gewähren sei. Eine Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 2 GrStG dahingehend, andere religiöse Vereinigungen wie etwa den Islam von der Grundsteuerbefreiung auszuschließen, sei verfassungswidrig. Die grundsteuerliche Begünstigung ausschließlich von jüdischen Kultusgemeinden verstoße sowohl gegen Art. 3 Abs. 1 GG als auch gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. § 3 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG sei daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass sämtliche Religionsgemeinschaften, die mit den im Gesetzestext explizit genannten jüdischen Kultusgemeinden vergleichbar seien, von der Grundsteuer befreit seien. Dies treffe auch auf den Ast. zu. Zu den Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben vom 24.09.2007 in der Einheitswertakte verwiesen.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 09.10.2007 wies der Ag. den Einspruch als unbegründet zurück und lehnte die beantragte AdV ab. Dabei berief sich der Ag. auf den Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG und führte aus, dass eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf andere Gemeinschaften, wie dem Ast., nicht erfolgen könne. Zu den Einzelheiten wird auf die EE vom 09.10.2007 Bezug genommen.

Am 14.11.2007 erhob der Ast. Klage und beantragte die AdV des angefochtenen EW-Bescheides. Die Klage wird unter dem Az.: 3 K 4750/07 EW geführt.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringes aus dem Einspruchsverfahren vertritt der Ast. weiter die Auffassung, ihm sei die begehrte Grundsteuerbefreiung im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sätze 1 und 2 GrStG zu gewähren.

Nach Auffassung des Ast. sind im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 Satz GrStG sämtliche Religionsgemeinschaften von der Grundsteuer zu befreien, die, wie der Ast., mit den im Gesetzeswortlaut explizit genannten Kultusgemeinden vergleichbar seien.

Eine Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG dahingehend, andere religiöse Vereinigungen wie etwa den Ast. von der Grundsteuerbefreiung auszuschließen, sei verfassungswidrig. Die grundsteuerliche Begünstigung ausschließlich von jüdischen Kultusgemeinden verstoße sowohl gegen Art. 3 Abs. 1 GG als auch gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 4 Abs. 1 GG. Danach habe sich der Staat in Fragen des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses neutral zu verhalten. Die Neutralität untersage insbesondere die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Diskriminierung sei nicht möglich. Zwar seien durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung den öffentlich-rechtlichen Glaubensgemeinschaften bestimmte Sonderrechte eingeräumt. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Privilegierung bestimmter Glaubensrichtungen sei aber streng zu prüfen und nur im Ausnahmefall gerechtfertigt. Ein solcher Ausnahmefall liege hier aber nicht vor.

Die Ungleichbehandlung zwischen jüdischen Kultusgemeinden, die (noch) nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts seien und nichtjüdischen Kultusgemeinden, die (noch) nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts seien, in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG sei mit den Grundsätzen, die das BVerfG zum Gestaltungsspielraum des Steuergesetzgebers im Hinblick auf Art. 3 GG aufgestellt habe, nicht vereinbar. Die Absicht des historischen Gesetzgebers, die jüdischen Kultusgemeinden ohne öffentlich-rechtlichen Status von der Grundsteuer zu befreien, könne aus heutiger Sicht nicht mehr maßgebend sein. Der historische Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die jüdischen Kultusgemeinden irgendwann in Zukunft die formalen Voraussetzungen für die Anerkennung als Körperschaften des öffentlichen Rechts erfüllen und entsprechende Anerkennungsanträge stellen würden. Die Grundsteuerbefreiung habe somit nur für eine Übergangszeit gelten sollen.

Der Ast. habe die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts angestrebt. Dieses Vorhaben sei in der Vergangenheit nur deshalb ohne Erfolg geblieben, weil grundsätzliche politische Bedenken bestanden hätten. Diese Bedenken würden möglicherweise in absehbarer Zeit überwunden.

Zum weiteren Vortrag des Ast. wird auf seine Schriftsätze sowohl im vorliegenden Aussetzungsverfahren als auch im Hauptsacheverfahren verwiesen.

Der Ast. beantragt,

die Vollziehung des Einheitswertbescheides auf den 01.01.2006 vom 11.09.2007 (EW-Nr. ...) in Form der Einspruchsentscheidung vom 09.10.2007 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die unter dem Az.: 3 4750/07 EW geführten Klage auszusetzen.

Der Ag. beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sich der Ag. auf seine EE vom 09.10.2007.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Die Geltendmachung der Grundsteuerbefreiung im Rahmen der Anfechtung des Einheitswertbescheides ist zulässig. Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein behaupteter Anspruch auf Befreiung von der Grundsteuer auch durch Anfechtung des Einheitswertbescheides geltend gemacht werden, sofern die Finanzbehörde -wie im vorliegenden Fall- nicht ausdrücklich die Entscheidung über grundsteuerrechtliche Fragen dem Steuermessbetragsverfahren vorbehalten hat (vgl. BFH, Urteil vom 24.07.1985 II R 227/82, BFHE 144, 201, BStBl II 1986, 128).

Gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Finanzgericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes u. a. dann ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Derartige Zweifel sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige gegen sie sprechende Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen aufwerfen (ständige Rechtsprechung vgl. BFH, Beschluss vom 31.01.2007 VIII B 219/06, BFH/NV 2007, 914 m. w. N. zur Rechtsprechung).

Nach der gebotenen summarischen Würdigung der Sach- und Rechtslage bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einheitswertbescheides vom 11.09.2007.

Der Ag. ist bei der gebotenen summarischen Prüfung zu Recht davon ausgegangen, dass dem Ast. die Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und 2 GrStG nicht zusteht.

Von der Grundsteuer befreit ist gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 GrStG der Grundbesitz, der von einer Religionsgesellschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, einem ihrer Orden, einer ihrer religiösen Genossenschaften oder einem ihrer Verbände für Zwecke der religiösen Unterweisung, der Wissenschaft des Unterrichts, der Erziehung oder für Zwecke der eigenen Verwaltung genutzt wird. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG stehen die jüdischen Kultusgemeinden, die nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, derartigen Religionsgemeinschaften gleich.

Da der Ast. weder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts noch eine jüdische Kultusgemeinde ist, steht ihm nach dem Gesetzeswortlaut die Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und 2 GrStG nicht zu. Der Wortlaut der Vorschrift ist insofern eindeutig.

Eine Steuerbefreiung zugunsten des Ast. lässt sich nicht im Wege einer Auslegung oder Rechtsfortbildung aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG herleiten. Der Gesetzgeber hat die Grundsteuerbefreiung in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG zugunsten der jüdischen Kultusgemeinden, die nicht Körperschaften des öffentlichen Recht sind, eindeutig und präzise bezeichnet, so dass eine Auslegung oder Rechtsfortbildung dergestalt, die Befreiungsvorschrift über den konkret bezeichneten Adressatenkreis hinaus auf den Ast. anzuwenden, nicht möglich ist. Eine Gesetzesauslegung über den möglichen Wortsinn des Gesetzes hinaus, ist keine Auslegung und daher nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung nicht zulässig (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rz. 340 m.w.N.).

Auch eine Rechtsfortbildung in dem Sinne, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG auf den Ast. anlog angewandt wird, ist nicht zulässig. Eine derartige ergänzende Rechtsfortbildung setzt eine Lücke im Gesetz voraus (vgl. Drüen in Tipke/Kruse AO/FGO, § 4 Rz. 345 m.w.N.), die der Senat angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts und der Intention des Gesetzgebers nicht zu erkennen vermag. Der Gesetzgeber hat ausschließlich die jüdischen Kultusgemeinden den Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, gleichstellen wollen. Die Privilegierung der jüdischen Kultusgemeinden durch die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG erfolgte ausschließlich wegen des den Juden im Nationalsozialismus zugefügten Unrechts (vgl. Gesetzesbegründung vom 17.01.1951, Bundestagsdrucksache 1787 zum GrStG 1951 vom 10.08.1951, Bundesgesetzblatt I 1951, 519). Ist eine begünstigende Vorschrift nach der erkennbaren Ansicht des Gesetzgebers auf eine bestimmte Gruppe von Steuerpflichtigen beschränkt, kann sie auch nicht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 des GG auf andere Gruppen von Steuerpflichtigen ausgedehnt werden (vgl. Düren in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 Rz. 225 m.w.N.).

Schließlich vermag der Senat im Rahmen der gebotenen summarischen Würdigung keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und 2 GrStG zu erkennen.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat in einem ähnlich gelagerten AdV-Verfahren (vgl. Beschluss vom 28.06.2007, 11 V 1910/07, EFG 2007, 1463) u.a. ausgeführt, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und 2 GrStG verstoße weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Das Grundgesetz gebiete nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht, dass der Staat alle Religionsgesellschaften schematisch gleich behandele. Der Staat dürfe, der verfassungsrechtlichen Unterscheidung in Art. 137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung folgend, steuerliche Privilegierungen auf die Religionsgesellschaften beschränken, die Körperschaften des öffentlichen Rechts seien. Diese Unterscheidung würde nur dann den Gleichheitssatz verletzen, wenn es anderen Religionsgesellschaften in unzumutbarer Weise erschwert würde, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erlangen, obwohl sie die materiellrechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllten. Auch nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sei es zulässig, dass der Staat bestimmte Religionsgesellschaften, wie nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG die jüdischen Kultusgemeinden, privilegiere, wenn dafür ein sachgerechter Grund bestehe. Ein solcher Grund sei im Falle der jüdischen Kultusgemeinden gegeben. Die altpreußischen Synagogengemeinden hätten früher einmal die Stellung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft besessen, aber dann aufgrund nationalsozialistischen Unrechts verloren. Wegen dieser Vorgeschichte und wegen der Verfolgung und Ermordung der Juden im Dritten Reich sei der Gesetzgeber berechtigt, jüdische Kultusgemeinden, vergleichbar mit der evangelischen und der katholischen Kirche ohne Anerkennung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gleichzustellen.

Der erkennende Senat schließt sich im vorliegenden summarischen Verfahren dieser Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf an (ebenso: Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 04.09.2007 1 V 129/07, EFG 2007, 1980; Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 08.02.2008 3 V 1508/07 n.v.) und vermag hieran anknüpfend durch § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sätze 1 und 2 GrStG keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 und 3 GG zu Lasten des Ast. zu erkennen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass es für den Antragsteller unzumutbar wäre, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu beantragen. Zwar trägt der Ast. allgemein vor, er habe die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts angestrebt, dieses Vorhaben sei in der Vergangenheit aber nur deshalb ohne Erfolg geblieben, weil grundsätzliche politische Bedenken bestanden hätten. Allein aus diesem Vortrag lässt sich jedoch nicht ableiten, dass es dem Ast. in unzumutbarer Weise erschwert wird, die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erreichen. Darüber hinaus sind auch den vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte hierfür zu entnehmen.

Soweit der Ast. einwendet, die Absichten, die der historische Gesetzgeber mit der Grundsteuerbefreiung für jüdische Kultusgemeinden ursprünglich verfolgt habe, seien aus heutiger Sicht nicht mehr maßgebend, weil die Regelung nur für eine Übergangszeit habe gelten sollen, vermag der Senat diesem Argument nicht zu folgen. Es kann insofern dahinstehen, ob der Gesetzgeber die Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG nur für eine Übergangszeit einführen wollte, wie der Ast. meint. Dem Gesetzeswortlaut ist eine Befristung nicht zu entnehmen und allein aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die Norm bislang nicht geändert bzw. aufgehoben hat, lässt sich eine Verfassungswidrigkeit nicht ableiten (ebenso: Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 08.02.2008, 3 V 1508/07 n.v.).

Auch ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG vermag der Senat bei summarischer Würdigung nicht zu erkennen. Aus der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG folgt der Grundsatz staatlicher Neutralität gegenüber den unterschiedlichen Religionen und Bekenntnissen. Demgemäss hat der Staat eine Identifikation mit bestimmten Religionsgemeinschaften zu vermeiden und dort, wo er sie fördert, auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1). Diesem Erfordernis werden die Regelungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sätze 1 und 2 GrStG gerecht. Wie eingangs dargelegt, besteht für die Privilegierung der jüdischen Kultusgemeinden in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG ein sachlicher Grund im Sinne des Art. 3 GG. Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung des BVerfG eine steuerrechtliche Privilegierung von Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus, wie ihn § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 GrStG vorsieht, verfassungsrechtlich auch im Hinblick auf den Schutzbereich des Art. 4 GG zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.10.1965 1 BvR 498/62, BVerfGE 19, 129).

Abgesehen von der Frage der Grundsteuerbefreiung für die als Gebetsraum genutzten Gebäudeteile hat der Ast. die Einheitswertermittlung des Ag. der Höhe nach nicht beanstandet. Auch nach Aktenlage sind diesbezüglich keine Fehler ersichtlich.

Vor diesem Hintergrund war der Ag. berechtigt, die Wert- und Artfortschreibung auf den 01.01.2006 im Einheitswertbescheid vom 13.06.2006, wie geschehen, durch den angefochtenen Bescheid vom 11.09.2007 zu ändern. Die Voraussetzungen für eine Änderung der Einheitswertfeststellung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lagen vor. Denn nach Aktenlage ist dem Ag. erst durch die Kontrollmitteilung des Finanzamtes L vom 27.10.2006 im November 2006 bekannt geworden, dass dem Ast. rückwirkend ab 1997 die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, so dass eine Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 b GrStG unstreitig nicht mehr in Betracht kommt.

Die Aussetzung der Vollziehung ist schließlich auch nicht deshalb zu gewähren, weil die Vollziehung für den Ast. eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Der Ast. hat nicht vorgetragen, dass eine derartige unbillige Härte besteht und aus den Akten ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine solche unbillige Härte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat die Beschwerde zugelassen. Soweit ersichtlich liegt eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrStG verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügt, noch nicht vor.



Ende der Entscheidung

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